Pas de nouilles pour Monsieur C.

So. Der Gatte legt Patiencen, die Katze liegt tiefenentspannt auf dem Balkon, ich gehe zum letzten Mal mein Manuskript durch. Jetzt wissen Sie auch, warum Sie so wenig von mir gehört haben, ich habe hier viel geschrieben. Nein, nicht am nächsten Krimi, an den setze ich mich sofort im Anschluss. Wir sind ja fleißig hier, aber daran haben Sie nicht gezweifelt, oder?! Diese Blättersammlung wird ein anderes Buch. Es wird im Herbst erscheinen und noch ist es geheim, aber wir sind ja unter uns und Sie sagen es nicht weiter, n’est-ce pas?!

Und sonst so? Da ich wenig rauskomme, habe ich die Corona-Hysterie staunend im Fernsehen und in der Zeitung verfolgt. Wir sind ja nah an Italien und haben jetzt auch ein paar Inifizierte im Departement, 14 oder 18, und auch ein bis drei davon in Cannes, so genau weiß ich es nicht, es ändert sich ja auch ständig. Gestorben ist hier noch niemand, also gestorben wird ständig, etwa 1700 Menschen sterben täglich in Frankreich, davon sind knapp 90% über 60 Jahre alt, das heißt die gesundheitlich Schwächeren sterben zuerst, aber am Virus selbst ist bis eben noch niemand gestorben. (Gestorben waren gestern doch schon ein paar Menschen, laut gerade aktuellem Stand sind es derzeit 25 Personen, tut mir leid für die ungenaue Berichterstattung!) Aber wir wollen uns dennoch alle nicht anstecken und geben uns keine Hand und schon gar keine Bises und meiden Veranstaltungen, bei denen sehr viele Menschen von überallher kommen könnten und deshalb wurden in Nizza die letzten Tage des Karnevals abgesagt und in Menton die letzten Tage des Zitronenfests, in Cannes wurde ein großer Immobilienkongress MIPIM annuliert, also im Prinzip wurde er abgesagt, weil die Teilnehmer nicht kommen wollten, zwei weitere Kongresse, MIPTV und Cannes Series, wurden ebenso abgesagt oder in den Herbst verschoben. Jetzt bibbern alle wegen des Filmfestivals. Es gilt bislang ein Versammlungsverbot, das vorsieht, dass nicht mehr als 5000 Personen irgendwo zusammenkommen dürfen. Sämtliche Hotels und ihr Servicepersonal, die Restaurants und Taxifahrer, alle, die mit dem Tourismus und den Festivals und Kongressen Geld verdienen, fürchten, dass sie dieses Jahr nichts verdienen und jammern und klagen bereits über die Verluste, die sie machen.

Ich bin letzte Woche pflichtschuldigst einkaufen gefahren, weil in der Zeitung stand, Auchan, ein Supermarkt, sei leergekauft worden und ich dachte, bevor es gleich nichts mehr gibt, sollte ich wenigstens den Kühlschrank auffüllen. Deswegen die Überschrift: Pas de nouilles pour Monsieur C.***  Es gab keine Nudeln mehr, also es gab noch ein paar Sorten, aber nouilles, die Lieblingssorte von Monsieur, eigentlich völlig unspektakuläre kurze und schmale Bandnudeln, also im Prinzip sehen sie aus wie Bandnudelbruch und ich finde sie ausgesprochen langweilig, aber diese Nudeln sind typisch französisch und so wie es aussieht nicht nur Monsieurs Lieblingssorte, sondern auch die anderer Franzosen. Und die waren weg. Ausverkauft. Überhaupt war ein ziemlicher Nudelnotstand in den Regalen, und ich musste an mich halten, dass ich nicht auch schwupps fünf Packungen Spaghetti kaufte statt einer, wenn es schon keine nouilles gab. Gab es wirklich keine mehr? Ich bückte mich. Doch! Ganz hinten unten gab es noch kürzere und noch dünnere nouilles einer anderen Marke, aber das weiß ich schon, mit denen brauche ich gar nicht ankommen, die können den echten nouilles nicht das Nudelwasser reichen. Das wissen auch die anderen Franzosen, deswegen sind diese Nudeln noch da. Mehl war auch knapp und Reis sowieso. In Australien soll es gar einen Klopapiernotstand gegeben haben. Oder war es in Deutschland? Ich habe vorsichtshalber welches eingekauft und auch Katzenstreu für die Katze. Sicher ist sicher. Ansonsten war aber noch alles da in meinem Supermarkt. Und die Leute wirkten auch entspannt. Die nervösen Nudelgroßeinkäufer waren ja schon weg.

Die Universitäten, Schulen und Crèches sind hier noch geöffnet. Anderswo, irgendwo im Norden Frankreichs, und in Italien sowieso, alle geschlossen. Es führt hier zu bizarren Szenarien, denn man hat einerseits untersagt, dass Kinder die “fragilen” Senioren in den Altersheimen besuchen dürfen, Kinder gelten als potentielle Virenschleudern, allerdings ist es hier so üblich, dass die Senioren, nicht gerade die im Altersheim, aber alle anderen, die Kinderbetreuung übernehmen, im Falle von Schulschließungen wegen Streik oder eben auch Viren. Also was jetzt? Wir schließen die Schulen und schicken die kleinen Virenschleudern zu den besonders gefährdeten Großeltern? Super.

Ansonsten scheint die Sonne wieder, wir waren heute am Strand und auf dem Markt und es war wie immer, würde ich sagen. Wir haben nur indirekt gehamstert, weil Monsieur dieselben Sachen eingekauft hat wie ich: Artischocken, Radieschen, Orangen und Mandarinen, davon haben wir jetzt eben etwas mehr.

Im Kino waren wir letzte Woche noch, wir haben eine Vorpremiere von de Gaulle gesehen. Sehr eindrückliche Verfilmung einiger weniger Tage im Juni 1940, als die Deutschen begannen Frankreich zu erobern, die Franzosen Haus und Hof verließen und panisch in den Süden flüchteten, es war ein dramatischer Exodus auf den Landstraßen und sie wurden dort leichtes Ziel von Tieffliegern. Bis die französische Regierung unter Petain entschied, das Frankreich sich den Deutschen ergibt. Nicht alle Politiker trugen diese Entscheidung mit, de Gaulle ging nach London (während seine Familie sich unter die Flüchtenden in Frankreich mischte) und rief von dort über die BBC die Franzosen auf, dass noch “nicht alles verloren sei”, es ist der Appel du 18. Juin, dem in Frankreich jedes Jahr gedacht wird. Es war der Beginn der Resistance, der Widerstandsbewegung in Frankreich. De Gaulle selbst wurde daraufhin von der französischen Regierung der französischen Staatsangehörigkeit enthoben, ebenso aller militärischer Grade und Ehrungen, man verurteilte ihn wegen Verrat zum Tode und forderte ihn auf zurückzukommen. Tat er natürlich nicht.


***Das ist ein Insiderjoke, denn der Lieblingskriminalroman des Gatten heißt “Pas d’orchidées pour Miss Blandish”.

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10 Responses to Pas de nouilles pour Monsieur C.

  1. Gabriele sagt:

    Herzlichen Glückwunsch zur Fertigstellung des Manuskripts – das ist nach der ganzen Mühe sicher ein tolles Gefühl. Und die Katze (ein wirklich schönes Exemplar übrigens) liegt entspannt in der südfranzösischen Sonne – da mag man gern tauschen… ich glsube ja, dass die Medien die „Hamsterkäufe“ herbeireden und erst dadurch die Panik ausgelöst wird. In Berlin scheint es noch recht entspannt zuzugehen und Nudeln gibts in jeder Größe und Form – falls ich ein Care-Paket (oder Ost-Paket?) schicken soll, gib Bescheid ;-) liebe Grüße Gabriele

    • dreher sagt:

      Haha, Ostpaket :D Danke für das Angebot, aber alles gut hier, nudeltechnisch und überhaupt: wir haben heute eine komisch gedrehte italienische Nudel in die Sauce Bolognese getaucht, der Gatte hat es überlebt. Machen wir halt eine nouilles-Diät, die schmecken umso besser, wenn wir sie dann irgendwann mal wieder bekommen.

  2. Marion sagt:

    Noch ein anderes Buch??? Jetzt sind wir aber neugierig… :-)

  3. Sunni sagt:

    Ahhhh, wie ich mich freue auf besagtes Manuskript als Buch! Und schon länger darauf warte. Hier teilt sich die Bevölkerung in stoisch negierende Nichtkäufer mit den nun üblichen Weltuntergangswitzchen und die der übervollen Einkaufswagen mit obenauf 5 Packungen Toilettenpapier (möglichst a 30 Rollen) balancierend. Es gibt den Spruch, dass man gar nicht so viel Nudeln essen können, um Letztere in 3 Jahren zu brauchen und Nudelsalat der Renner der Grillsaison sein werde. Inzwischen haben wir einen “Fall” in der Familie, der die ganze Widersinnigkeit der Maßnahmen zeigt: Meine Tochter, Ärztin, nimmt alle 2 Wochen an einem Meeting teil, außerhalb der Stadt, in der sie wohnt. Dorthin kommen aus allen Gegenden Bayerns ca 50 andere Ärzte, letztlich auch eine Dame aus München, die wie sich herausstellte, vor Zugfahrt hin und rück aus DER Stadt in Bayern erstmal den Test machen ließ aus Vermutung, sie könnte….Dann traf sie besagte 50, die davon nicht wussten und froh nachhause fuhren zu Familien und Kollegen. 2 Tage später erreichte sie alle die dringende Aufforderung , SOFORT den Stift/PC fallen zu lassen und sich nachhause zu begeben und einen Test beim GA (Gesundheitsamt) zu fordern, besagte Dame sei positiv getestet und sie alle Kontaktpersonen. Meine Tochter sammelte Kinder und Einkäufe ein und hing 5 Stunden am Telefon,es war Freitag, es erschien ihr hoffnungslos. Doch endlich erreichte sie eine leicht panische Stimme, die versicherte, es komme jemand zum Test, in voller Montur. Zum Glück war es inzwischen dunkel, als besagter Herr mit Visir und ganz in leuchtendes Weiß gekleidet erschien und als erstes den Satz sagte: “Seit 14 Stunden wühle ich in Nasen und Rachen, ich will mich nur noch übergeben!” Er nahm die Probe mit Anweisung, strikt nur in Haus und auf Grundstück zu bleiben, bis das Ergebnis in spätestens 2 Tagen da sei, dann befinde man weiter. Gut, Vorräte waren da, das Wetter eh schlecht, 2 kleine Kinder tobten unmütig 2 Tage durchs Haus. Sonntagabend noch immer kein Anruf. Was also mit Schule am nächsten Tag? Beim GA gleiche Situation, Telefon besetzt. Schließlich durchzuckte mein Tochter ein Geisteblitz: Aus ehemaligen Arbeitszeiten kennt sie den Chef des Unilabors, das die Tests analysiert, Anruf, Fahrt des Chefs ins Labor, Rückruf:Test negativ. Aufatmen. Kinder also am Morgen zur Schule, Tochter lieber noch den Anruf GA abwartend, der um 12 uhr kam: Strikte Hausquarantäne, schließlich wisse man nicht, ob nicht doch noch etwas komme, bei Androhung von Haftstrafe…eh, nein, Geldstrafe, 5-stellig, bei Verstoß. Ja, die Kinder könnten zur Schule, die seien ja nicht positiv. Meine Tochter wagte den leisen Widerspruch:Sie doch auch nicht. …Das sei egal, sie bleibe im Haus und am 13. Tag werde sie nochmal getestet, dann sehe man weiter….Inwzischen versucht sie jemanden zu finden, der das kleinere der Kinder in die 5km entfernte Schule mitnimmt, weil..sie ist ja negativ getestet. Bis gestern Abend noch kein Erfolg.Und mittendrin und ganz nebenbei laufen mindestens mehrere Tausend positiv und nicht getestet fröhlich an uns vorbei….Deutschland, du hast es eben drauf, echt. – Herzlich und besorgt, ob des kleinen Kindes und des zu erwartenden Mobbings, Sunni.
    P.S. 50% der 50 getesteten Kollegen, die ALLE negativ sind, durften allerdings ab Montag wieder ins Büro zurückkehren, die anderen sind ebenso zu Zwangshaft verurteilt. Einheitliches Handeln, wie man es eben gern hat.

    • dreher sagt:

      Oh mon Dieu! Was für eine widersinnige Geschichte! Ich wünsche gute Nerven für die Tochter und die Kids und weiterhin gute Gesundheit! Ich bin gerade ganz dankbar, dass ich die letzten Wochen und Monate zuhause verbracht habe, das werde ich jetzt einfach noch ein bisschen fortsetzen.

  4. Marion sagt:

    Et alors? ;-)

  5. croco sagt:

    Bin sehr gespannt auf das neue Buch!
    Und auf den de Gaulle-Fim.
    Mein Vater hat ihn richtig verehrt, obwohl er im Krieg auf der anderen Seite stand.
    Mit 17 Jahren war er schon in Bordeaux, als Funker. Und liebte die französische Lebensart und die Menschen. Später war er viel geschäftlich in Frankreich, hatte sogar schon ein Haus gekauft bei La Rochelle, damit wir dahin ziehen konnten. Meine Mutter wollte nicht, was ich sehr schade fand.
    Zurück zu de Gaulle: in der Hausbar gibt es immer noch eine Gedenkecke, ein de Gaulle-Kopf auf einer Likörflasche und davor eine Postkarte vom Place de Gaulle in Paris. Ich muss den Film sehen!
    (Das Video kann man leider in Deutschland nicht abrufen)

    • dreher sagt:

      Ah, danke, schade, dass man den Trailer nicht sehen kann. In F läuft der Film gut an, für die Vorpremiere haben wir die Karten eine Woche im voraus gekauft, war bis auf den letzten Platz ausverkauft. Nicht so sicher, ob das Thema in D interessiert. Danke für deine persönlichen Erinnerungen 🙏❤️