Gestern sind die Wahlunterlagen angekommen – normalerweise bekommt man ein paar Tage vor der Wahl einen Haufen Papier mit den Infos zu den Parteien und den Namen der Kandidaten, die im jeweiligen Wahlkreis zur Wahl stehen, damit man sich schon mal alles in Ruhe anschauen kann. Wir wählen in den Bergen und gehören zum 2. Wahlkreis des Départements. Ich finde es immer furchtbar unübersichtlich, auch wenn wir in unserem Wahlkreis nur die Wahl zwischen sieben verschiedenen Parteien bzw. Kandidaten haben. Dass sich hinter “Horizons” die Partei von Macrons ehemaligem Premierminister Edouard Philippe verbirgt, der jetzt Bürgermeister von Le Havre ist, musste ich erst herausfinden. Er steht etwas weiter rechts als Macron, aber er schließt sich ihm an.
Konservativer als Horizons sind die Republikaner, LR.
Bei Marine Le Pen und Jordan Bardella kann man sich nicht irren: RN, rechtsextrem. Die junge Frau mit dem komplizierten Namen Indiana Poret-Rinck, Tochter eines Landwirts, will sich besonders um die Menschen in den Dörfern im Hinterland kümmern: “Sie verdienen es, gehört zu werden! Wir werden Ihnen zuhören”. Etwas dünn, aber vielleicht reicht es ja zusammen mit Marine Le Pen, denn natürlich verteidigt auch sie “unser kulturelles Erbe, unsere Werte und unsere Wurzeln”.
Die extreme Linke hat eine Kandidatin für La France Insoumise, von der ich weder ein Bild noch eine konkrete Aussage finde, dafür aber das Konterfei von Mélenchon auf dem Wahlzettel. Eine klare Botschaft. Zur Wahl stünde auch die Lutte ouvrière, die Arbeiterkampfpartei, die Trotzkisten, ebenso linksradikal..
Ach ja, die Grünen, weder links noch rechts, sie stellen die Natur in den Mittelpunkt ihres Handelns, die einzige konkrete Maßnahme, die sie durchsetzen wollen, ist der Erlass der Grundsteuer für diejenigen, die ihr Land einem nachhaltigen Projekt zur Verfügung stellen, aber mit dem Slogan “Generation animal” und dem Foto eines Mädchens, das ein Kaninchen im Arm hält, kommen sie dann doch eher als Tierschutzpartei daher.
Wen soll ich bitte davon wählen? Wen will ich in der Nationalversammlung sehen und wem traue ich zu, dort sinnvoll zu handeln? Es ist ein Dilemma!
Tja, gute Frage. Vielleicht für das kleinste Übel entscheiden?
Du meinst die Kaninchenstreichelpartei?
Womöglich 😉.
Guck’ mal hier, gute Zusammenfassung der Lage:
https://www.spiegel.de/ausland/marine-le-pen-und-die-wahlen-in-frankreich-alle-szenarien-sind-beunruhigend-a-9ef06c07-39fe-4548-9da5-43d4b1a653f1
Danke! Ich wollte es erst ansehen, bevor ich es freigab. Ja, gute Zusammenfassung!
Sinnvoll in der Assemblée Nationale handelt zunächst der/die Kandidat/in des “Nouveau Front Populaire”, weil er oder sie eventuell eine absolute Mehrheit der “Front National” (“Rassemblement” verweigere ich) verhindern kann. Alles andere ist erstmal zweitrangig. Meine Sensibilität ging immer schon Richtung PS (diesmal noch überzeugter: Glucksman) und in den vergangenen 30 Jahren habe ich für Balladur, Bayrou, Chirac, Macron gestimmt, jeweils um die Familie Le Pen (für die übrigens auch nicht alle Juden stimmen) zu verhindern. Ich verstehe die Probleme mit Mélenchon durchaus aber wie gesagt, für mich ist das erstmal zweitrangig, Le Pens und Bardellas Programm widerspricht allem, was einmal Frankreich ausmachte. Liebe Grüße aus dem Hérault, Annette
Ich verstehe Ihre Argumentation durchaus, selbst wenn ich mich besser fühle, wenn ich FÜR jemanden wählen kann (Glucksmann) als ständig GEGEN Le Pen. Für mich aber ist Mélenchon nicht zweitrangig. Und klar, wählen nicht alle Juden Le Pen und Bardella.
Nun, es sind ja noch ein paar Tage bis zur Wahl, und es gibt ja auch noch einen zweiten Wahl-Durchgang.
Ich wünsche uns eine hohe Wahlbeteiligung!
Liebe Grüße in den Hérault!
Sonst nur stille Leserin, aber hier muss ich auch kommentieren, die Lage ist zu ernst. Ich schließe mich Annette Boisseau an – jede Stimme für den Nouveau Front Populaire zählt, in dem Mélenchon ja nicht allein ist, sondern nur einer unter Ruffin, Tondelier, Glucksmann, Roussel, die ihn nicht das Ruder übernehmen lassen werden. Die Gewerkschaften stehen hinter dem NFP, die Nobelpreisträgerin Ester Duflo und Tomas Piketty haben am Wahlprogramm mitgearbeitet (der NFP hat ein richtiges Wahlprogramm! Mit sozialen Maßnahmen und Umweltschutz!). Aus meiner Sicht stellt diese Union die Hoffnung auf wirkliche Veränderung dar. Herzliche Grüße aus Grenoble
I hear you.
Danke, dass Sie dazu kommentiert haben! Ich freue mich, auf diese Art auch mal andere Leserinnen zu “sehen”.
Nur zur Richtigstellung, Ester Duflo hat nach eigener Aussage nicht am Programm mitgearbeitet.
Herzlich nach Grenoble gegrüßt (bin gerade noch durchgefahren)
Pingback: Jahre im Rückspiegel - Buddenbohm & Söhne
Ganz herzlichen Dank für diesen guten Beitrag! Ich wähle wegen doppelter Staatsbürgerschaft als Einwohnerin der 7ième Circonscription. Ein wenig ist es zwar wie immer – “strategisch” wählen oder nach Neigung? Nur steht diesmal bedeutend mehr auf dem Spiel als sonst.
Ja, es ist noch schwieriger als sonst (doppelte Staatsbürgerschaft auch hier), und die Kandidaten meines Wahlkreises inspirieren mich alle nicht.