Bucket list

Heute ist Gestern war der letzte Tag der Tour de France, das Einzelzeitfahren zwischen Monaco und Nizza ist war aber ehrlich gesagt ein bisschen langweilig, zumindest vor dem Fernseher, hundertmal den Aufstieg zur Turbie und nach Èze, immer dieselben hysterischen Fans am Straßenrand, und nur sehr wenige Landschaftsaufnahmen. Hier Èze.

(Und wie man auf dem Fernsehfoto sieht, werden hier die Tage bis zur Eröffnung des nächsten Sportevents, den Jeux Olympiques, schon runtergezählt.)

Die Journalistin, die die Radfahrer in Nizza kurz hinter der Ziellinie mit falschen Informationen und eher unhöflichen Fragen abfängt, war mir unerträglich: “Wow, Sie sind die beste Zeit gefahren!” “Nein, ich bin vierter!” “Sie sind erster!” “Ah bon?” Der Radfahrer schaut irritiert und informiert sich: “Nein, vierter!” sagt er dann. Später passiert ihr das noch einmal mit einem sichtlich enttäuschten Fahrer: “Glückwunsch, Sie sind elfter!” “Ich bin keinesfalls elfter, es sind ja noch zig Fahrer unterwegs”. Sie unbeirrt: “Na, im Moment sind Sie jedenfalls elfter!” Und dann zum selben Fahrer: “Die Tour ist nicht so gut gelaufen für Sie, was? Sind Sie enttäuscht?”

Es ist schon den ganzen Tag bedeckt, zumindest in Cannes, die angesagten Gewitter, die die schwüle Hitze mal kurzfristig unterbrechen könnten, wollen aber nicht kommen. Was allerdings beim offenen Fenster kommt, sind Stechmücken und die wummernden Bässe von irgendeinem Electro-Plage-Konzert. Leben, wo andere Urlaub machen, so schön.

Ok, so viel war gestern, es hat dann nicht geregnet, zumindest nicht bei uns. Dafür sollen es heute 32 Grad werden. Ächz.

Bucket Lists oder “Löffellisten”

Im Grunde habe ich keine Wunschliste mit Dingen, die ich vor meinem Tod noch erlebt, getan oder gesehen haben möchte. Oder nicht mehr. Dass ich “ein Jahr im Ausland leben” wollte, wissen Sie. Das war, lange bevor es diese “Bucket Lists” oder “Löffellisten” gab, mein unausgesprochener Lebenswunsch (übrigens: “Löffelliste”, für die, die es nicht wissen sollten, ist die Wunschliste der Dinge, die man noch tun möchte, bevor man “den Löffel abgibt”). Dadurch, dass ich das gemacht habe, ist die “Löffelliste” ziemlich leer geworden, und dadurch, dass ich in diesem Land geblieben bin, mit all den Herausforderungen des täglichen Lebens, sind andere große Wünsche gar nicht erst aufgekommen. Große Reisen oder eine Weltreise zum Beispiel. Um Gottes willen! Ich bin immer noch jeden Tag in einem fremden Land unterwegs. Das reicht mir, ich muss nirgendwo mehr hin. Jedenfalls nicht mit der Dringlichkeit, mit der ich damals hierher musste. Ich habe ein anderes Leben gefunden, einen lieben Mann, und damit es nicht zu langweilig wird, eine herausfordernde Familie, aber vor allem habe ich hier Frieden mit mir selbst geschlossen und anderen vergeben. Genug für ein Leben, denke ich. Ich könnte durchaus den Löffel abgeben.

Aber kleine Wünsche sind manchmal da. Vor einigen Jahren habe ich in einer dieser Sendungen, die man sich manchmal aus Verlegenheit am Freitagabend anschaut, einen Holzbildhauer entdeckt und seitdem den Wunsch, eines seiner Werke zu besitzen. Ich erkundigte mich und erhielt eine Liste seiner Werke. Große und kleine, alle sehr originell, und es waren Werke dabei, die in meinen finanziellen Möglichkeiten lagen, aber ich bin ein haptischer Mensch, es sind Holzskulpturen, ich hätte sie gerne vorher gesehen und angefasst. Der Künstler lebt in einem Dorf in den Bergen bei Grenoble, es lag nie auf dem Weg, es gab Wichtigeres, und die Tatsache, dass Monsieur nicht annähernd von der Idee beseelt war, dorthin zu fahren, “haben wir nicht schon genug Kunst?”, verhinderte, dass wir beim letzten Familientreffen, wo wir schon einmal ziemlich nah dran waren, nicht noch ein Stündchen weitergefahren sind. Im Nachhinein habe ich mich sehr geärgert, dass ich es nicht durchgesetzt hatte.

Kürzlich waren wir wieder in der Gegend, und ich dachte, wenn wir es dieses Jahr nicht machen, dann machen wir es nie, und so habe ich zusätzlich ein kleines Ausflugsprogramm für uns zusammengestellt, die Anreise und die Übernachtungen geplant, und siehe da, Monsieur war einverstanden. Zuerst fuhren wir nämlich an einen Ort, den er schon immer mal sehen wollte, an den Genfersee, ans französische Ufer und über Evian und Montreux nach Vevey. Die Fahrt dauerte viel länger als erwartet, es gab Baustellen und die Fahrt am See war mit Stop and Go nicht so idyllisch. Später hat es auch noch geregnet. Evian und Montreux erinnerten mich dezent an Cannes, wir hielten nicht an, fuhren einfach durch und weiter. In Vevey, besser in einem Stadtteil von Vevey, soll das Grab von Graham Greene sein. Wir kamen zur besten Mittagszeit an, stiefelten aber pflichtschuldigst erst einmal zum gut ausgeschilderten Friedhof, denn dort liegt auch Charlie Chaplin nebst Gattin begraben.

Deren Grab fanden wir schnell, das Grab von Graham Greene nicht. Vergeblich suchten wir alle Gräber des kleinen Friedhofs ab, der sich an der Aktion “Mähfreier Mai” beteiligte.

Das kleine Rathaus, in dem wir uns hätten informieren können, hatte bis 14 Uhr Mittagspause, auch wir gingen erst einmal etwas essen. Im Rathaus hat man später nie etwas von Graham Greene gehört. Ich hatte in der Schweiz kein Internet, aber ich schwöre, dass ich diese Information im Internet gefunden habe. Irgendjemand hatte Mitleid und suchte und fand die erlösende Nachricht: Graham Greene liegt nicht in Corsier-sur-Vevey, sondern in Corseaux, einem anderen Ortsteil, ein paar Straßen weiter, mit einem eigenen kleinen Friedhof. Und dort liegt er. Graham Greene. Monsieur ist nicht nur ein Fan, sondern auch ein Forscher, der vor zehn Jahren ein Buch veröffentlicht hat, das, wie das Grab des Autors, ein wenig brach liegt. Monsieur hat sich aber sofort daran gemacht, das Grab ein wenig vom wuchernden Unkraut zu befreien.

Eigentlich würden wir beide jetzt gerne in Vevey bleiben, für den Tag reicht es, meinen wir, aber ich habe bei der Planung unsere (vor allem meine) Energie über- und die Straßenverhältnisse völlig unterschätzt und uns mutig ein Zimmer in einem Bergdorf in den Chartreuses gebucht. Da wir am nächsten Abend in der Villa Puebla in Barcelonette und am Samstag in unserem Bergdorf sein wollen, gibt es keinen zeitlichen Spielraum. Also fahren wir zurück Richtung Chambéry und dann in die Berge, und dort zu einem winzigen Dorf. Auch die Bergstraßen, deren Enge und Kurven mir überhaupt keine Angst machen, nerven mich am Ende des Tages. Das ist schade, denn die Landschaft ist wunderschön, und dass das kleine Hotel, das ich mir abgelegen und ruhig vorgestellt habe, an diesem Abend für ein Fest privatisiert wurde, so dass wir dort auch nicht essen können, lässt mich nur noch stöhnen.

Der Zugang zu den Zimmern läuft über Codes, die mir angeblich aufs Handy geschickt wurden, aber ich finde sie nicht, kann mir die Erklärungen des ungeduldigen jungen Mannes, der sechzig Gäste zu bewirten hat, nicht mehr merken und fühle mich alt und nur noch sehr müde. Viel passiert an diesem Abend nicht mehr, ich will weder irgendwohin laufen noch fahren, dabei wäre das Dorf sicher einen Spaziergang wert, und nur dem Sculpteur, der nichts von unserer Ankunft ahnt, schicke ich noch eine Nachricht, ob wir am nächsten Tag bei ihm vorbeischauen dürfen. Das dürfen wir, antwortet er kurz darauf. Glücklich schlafe ich ein.

Am nächsten Morgen fahren wir noch ein Dorf weiter, nichts weist auf einen Künstler oder ein Atelier hin. Wenn nicht das Navigationsprogramm meines Telefons darauf bestanden hätte, wären wir daran vorbeigefahren. Aber es ist hier. Mitten im Nirgendwo. Thierry Martenon kommt mit dem Fahrrad angefahren und zeigt uns seine Werkstatt und einige Werke in seinem Ausstellungsraum.

Sie sind in jeder Hinsicht großartig. Und groß! Sehr groß! Eines dieser monumentalen Werke habe er gerade nach Südafrika verschickt, erzählt er. Die Liste der Kunstwerke, die er mir 2017 zugeschickt hat, er kann sich natürlich nicht mehr daran erinnern, ist längst nicht mehr gültig. Er stellt jetzt in Paris und New York aus und er hat keine Werke mehr einfach so herumstehen oder hängen. Er macht große und sehr große Auftragsarbeiten, aber er würde für mich etwas Kleineres kreieren – wir besprechen Holz und Struktur, Farbe und Form, ich mache Fotos und verspreche, ihm die Maße für eine Wand zu senden, an der ich das Kunstwerk sehe. Er ist natürlich, zugänglich und freundlich, und er schenkt uns zum Abschied sein Buch. Auch Monsieur, der mir zunächst sehr reserviert folgte, ist begeistert von seiner Arbeit, seinen Werken und seiner Art. Es war eine absolut bereichernde und beglückende Begegnung.

Ich verlinke Thierry Martenon, wie jeden “Geheimtipp”, mit gemischten Gefühlen: klar, er hat eine Website, klar, er hat ein Buch veröffentlicht, klar, er gibt manchmal Interviews im Fernsehen. Letzteres habe sein Leben und seine Arbeit verändert, sagt er. Seine Werke verkaufen sich nun in alle Welt. Das Holz für seine Arbeit findet er längst nicht mehr (nur) in seiner Umgebung. In der Zwischenzeit arbeitet er auch mit einem Assistenten. Thierry Martenon wollte immer nur “in den Bergen leben und mit Holz arbeiten”. Für das langsame Leben in den Bergen, das Wandern, Radfahren, Einatmen und Ausatmen will er auch weiterhin noch genug Zeit haben.

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Bergpässe

Heute habe ich mir zur Entspannung noch einmal die Tour de France auf dem Sofa angeschaut – und natürlich auch, weil sie auf dem Col de la Couiolle endet, einem kleinen Pass unweit unseres Bergdorfes, über den ich in meinem ersten Jahr in den Bergen ständig gefahren bin, weil ich an den Sommerwochenenden in einem Berghotel (Lo Robur in Roure, ich verlinke es nicht, weil es schon so oft den Besitzer gewechselt hat, damals gab es einen fantastischen Koch, aber das Haus war sehr einfach) in einem anderen Tal gearbeitet habe, dem Tal de la Tinnée, “dem Tine-Tal”, so hat es meine Freundin Tine getauft.

Dass ein Col kein Gipfel sondern eben ein Pass ist, habe ich in diesem ersten Jahr auch gelernt, nachdem ich über mehrere Cols gefahren bin und jedes Mal enttäuscht war. Ich erwartete immer irgendetwas Besonderes, einen Gipfel vielleicht (aus heutiger Sicht eine verrückte Idee) – ich wusste nicht, was ein Pass eigentlich ist, ich, Städterin, wusste damals aber auch nicht, was ein Tal ist.

Als Gebirgspass, Passübergang oder kurz Pass bezeichnet man den Übergang in das aus Sicht des Talbewohners jenseits des Gebirges liegende Tal. Als Übergang oder zur Überfahrt geeignet ist eine möglichst tief gelegene, gangbare oder befahrbare Stelle eines Bergkamms, Höhenrückens oder Gratverlaufs zwischen zwei Bergstöcken oder -ketten.

Danke Wikipedia

Die Journalisten bissen sich heute zu Beginn der Übertragung der Etappe über vier Pässe bzw. Cols (Col des Braus, Col de Turini, Col de la Colmiane, Col de la Couiolle) immer wieder lachend auf die Lippen und schoben die Aussprache des Zielpasses gerne einem anderen in der Runde zu. “Couiolle” kommt dem Wort “couille” sehr nahe, das vulgär für – hüstel – Hoden steht, oder auch “couille molle”, was man mit “Weichei” übersetzen könnte. Die im Französischen häufig verwendete Redewendung “Il nous casse les couilles” bedeutet wörtlich “er geht uns auf den Sack”, meint natürlich, auf die Nerven.

Der Col de la Couiolle, eher bescheiden und unspektakulär (abgesehen von der seit einigen Jahren existierenden Spitzenküche in einer von außen schlichten Unterkunft), sorgte heute also für Gesprächsstoff und Gelächter. Ich freute mich vor allem auf die allerletzte kurvige Bergstrecke bis zum Ziel auf diesem Col, denn ich bin sie schon so oft gefahren, mag sie sehr und fand sie immer ein bisschen verwunschen mit den grün bewachsenen Felswänden, den kleinen alten gemauerten Brücken und den Wasserfällen, den winzigen Tunnels und zu meiner Zeit wenig Gegenverkehr. Außer ein paar Motorradfahrern fuhr kaum jemand auf dieser schmalen, kurvenreichen Straße, die an ein paar einsamen Bergdörfern (Roure, Roubion) vorbeiführt. Heute dann ein paar verrückte Radfahrer, für die, so scheint es, die Straße neu geteert und hier und da verbreitert wurde. Ich habe mich schon vor vielen Jahren von der Tour de France “verabschiedet”, die Zeiten, in denen ich die Teams und ihre Fahrer kannte, sind lange vorbei. Damals wurde mir zu viel gedopt und der junge Mann, der heute zum fünften Mal die Tagesetappe gewonnen hat, erscheint mir auch zu leichtfüßig im Vergleich zu den anderen, die sich deutlich mehr quälen. Aber was weiß man schon.

Was mich heute beim Zuschauen genervt hat, war die Präsenz des Supermarkt-Sponsors Leclerc, der das diesjährige “gepunktete T-Shirt” für den besten Bergfahrer gesponsert hat (das hässlich und billig aussieht und mich an eine Salamiverpackung erinnert) – und dass sie es wohl entlang der Tour an fast alle ZuschauerInnen verteilt haben, die es auch brav getragen haben. Sie wissen es vielleicht, aber bevor sich die Radfahrer den Berg hinaufkämpfen, fahren erst einmal wie beim Karneval jede Menge Sponsorenautos an den seit Stunden ausharrenden ZuschauerInnen vorbei, und normalerweise werden dann zur Bespaßung großzügig Kamelle, äh, Werbeartikel oder Käse oder Salami (in Plastikverpackung) verteilt – das sollte aber auf den südlichen Bergstrecken, die durch den Nationalpark Mercantour führten, vermieden werden, insofern gab es wohl “nachhaltige” T-Shirts. Man sah nur das, fand ich, Leute in billigen Salamiverpackungs-T-Shirts. Ätzend. (Und nein, ich zeige Ihnen jetzt nicht auch noch ein Foto davon!)

Hier jetzt aber unsere Col-Überquerung vom Ubaye- ins Vartal von Anfang Juni. Die Strecke von Barcelonette zum Col de la Cayolle (Achtung, nicht verwechseln!) ist toll schön, spektakulär, und die meiste Zeit einspurig, die Monsieur mit einer wieder neu erwachten Rennfahrerleidenschaft fuhr. Nicht nur, dass ich kaum sinnvolle Fotos machen konnte, (bitte verzeihen Sie mir die Unschärfe!) mir wurde erstmals auch schlecht und ich bat ihn inständig, weniger ruppig zu fahren, denn sonst hätte ich mich am Straßenrand übergeben müssen.

Alles Schöne und Besondere (“Halt an! Eine Schlüsselblumenwiese!”) wurde mit “kennen wir schon!” abgetan und durchgebrettert, als gäbe es einen Rekord zu brechen.

Oben auf dem Col lagen nur noch ein paar schmutzige Schneefelder, grün war es Anfang Juni noch nicht.

Die “andere” Seite, das Var-Tal – letzte Berge vor dem Meer :-)

Für den Enzian, den sieht man nicht so oft, hielt Monsieur tatsächlich mal kurz an, so dass ich ein Foto aus dem Fenster machen konnte. Da waren wir aber auch schon auf der anderen Talseite, fast “zu Hause” und durften uns einen Verschnaufer gönnen.

Die tief hängenden gelblich-grauen Wolken auf beiden Seiten des Cols waren übrigens voller Saharasand und regneten in der Folge mehrfach ab.

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Die Villa Puebla in Barcelonette

Wer derzeit die Tour de France schaut, ist meiner französischen Bergwelt ganz nah. Da in Paris die Vorbereitungen für die Olympischen Spiele laufen, wird die triumphale Schlussetappe der Tour de France, die traditionell immer auf den Champs Elysées in Paris stattfindet, kurzerhand in den Süden nach Nizza verlegt. Und auch die letzten (nicht nur bergigen) Etappen finden hier im Süden statt. Gestern habe ich die Tour (im Französischen ist die Tour übrigens männlich, le Tour de France heißt es!) aus allen möglichen Gründen verpasst, aber heute habe ich wenigstens ein bisschen davon gesehen (es ging über den höchsten Col Europas, den Col de la Bonette). Vor dem Fernseher natürlich. Ich gehe nirgendwo hin, leider auch nicht zu der sommerlichen Hochzeit. Die Gründe kann man sich an zwei Fingern abzählen. Kein Kommentar.

Gestern war die Tour in Barcelonette angekommen, einer Kleinstadt im Ubaye-Tal (sprich etwa: Ü-baij), das von Nizza aus gesehen hinter dem Col de la Cayolle liegt und nicht nur deshalb ein eher seltenes Ziel für uns ist, auch weil es für uns in den Wintermonaten unzugänglich ist (der Col de la Cayolle ist eine von mehreren Etappen der Route des Grandes Alpes und in der Regel von Oktober bis Ende Mai wegen Schnees gesperrt). Im Juni dieses Jahres waren wir in der Nähe von Grenoble unterwegs, und der kürzeste, aber fahrerisch anspruchsvollste Rückweg in unser Bergdorf (wo wir zur Europawahl hinfuhren! Können Sie sich daran noch erinnern? Was ist seither nicht alles geschehen und auch nicht geschehen! Die politischen Diskussionen zur Regierungsbildung nehmen kein Ende!) – der kürzeste Weg also führte von den Chartreuses über Barcelonette und den Col de La Cayolle.

In Barcelonette hatte ich uns eine Übernachtung in einer der “mexikanischen Villen” gebucht, so dass wir dort zum ersten Mal einen Abend und eine Nacht verbrachten. Von den Villen wusste ich, und dass man auch in einer komplett erhaltenen Villa übernachten kann, die zu einem Guesthouse oder auf Französisch chambres d’hôtes umgebaut wurde, hatte ich kürzlich in der Sendung Echappées belles gesehen. Ich hoffe, Sie können sich die verlinkte Sendung anschauen, es ist natürlich auf Französisch, um die mexikanischen Geschichte von Barcelonette, die Villen und die Villa Puebla im Besonderen geht es aber erst ab 1:23:10 und es ist auch der letzte Beitrag der Sendung.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wanderten Bewohner Barcelonettes nach Mexiko aus, wo sie in der Textilindustrie erfolgreich wurden. Die reichsten unter ihnen kehrten nach Barcelonette zurück und errichteten hier stolz ihre Sommervillen, einige im Art-Déco-Stil, andere im eklektischen Stil, eine Villa erinnert dezent an Schloss Neuschwanstein. Die Villa Puebla ist eine der ältesten “mexikanischen” Villen und wurde von Laurent und Tessi, einem Franzosen und einer Schwedin, zu einem Gästehaus umgebaut.

Die Villa bekam eine Heizungsanlage, die Zimmer bekamen Bäder, die Betten neue Matratzen, die Küche wurde durch einen Wanddurchbruch vergrößert und außerdem modernisiert, aber das Haus war und ist, auch mit seiner Einrichtung, unverändert erhalten geblieben.

Sogar die originalen Tapeten konnten mit Tapetenrollen, die man auf dem Dachboden gefunden hatte, und die wie durch ein Wunder weder von Mäusen zerfressen noch von Schimmel befallen waren, repariert werden.

Natürlich gibt es keinen Fernseher im Haus, aber es gibt W-lan, und Monsieur konnte Motorsport, ich glaube, es war der Grand Prix von Monaco, auf seinem Laptop sehen.

Währenddessen bin ich ein wenig durch Barcelonette gelaufen, das an Markttagen sehr belebt sein kann, aber an diesem Freitagabend sehr verschlafen war, nicht nur wegen des regnerischen Wetters. Aber es hat mir gefallen, vor allem, weil man von jeder Gasse aus einen Blick auf die Berge hat.

Und nein, ich aß dann nicht beim Mexikaner, sondern holte mir eine Pizza und aß sie in der Küche des Hauses, wo sich ein junger Mann zu mir gesellte, ein Gast der Villa, aus Australien stammend, aber in New York lebend, ein Künstler, von Laurent und Tessi zu einem Aufenthalt als “artist in residence” eingeladen. Wir sprachen über das Leben, das uns jeweils in andere Länder verschlagen hat, er ist jung, schüchtern und sehr bescheiden, und erst als ich später seinen Namen googelte, den er mir auf ein Stück Papier geschrieben hatte, wusste ich, dass ich mit einem der aktuell erfolgreichsten Illustratoren geplaudert hatte, während ich mir mit vollem Mund und wie ein Kind die Käsefäden der Pizza von Hand in den Mund geschoben habe.

Ilya Milstein heißt der Künstler und seine Wimmelbilder zieren manchmal den New Yorker, vor kurzem auch eine Ausgabe des Süddeutschen Magazins.

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Sommer

Diese Überschrift steht schon eine ganze Weile hier, der Sommer ist da, es ist heiß, die Schokokekse schmelzen im Küchenschrank und die Zikaden zirpen, nur ich bin krank. Ich habe die Symptome gegoogelt, es ist nur eine Erkältung, und nein, ich habe kein Fieber, aber ich bin müde und schlapp wie lange nicht mehr. Ich habe alle Termine für diese Woche so weit wie möglich nach hinten verschoben, aber am Freitag wollen wir zu einer Hochzeit fahren, ich bin mir derzeit nicht sicher, ob ich wirklich mitkomme. Im Moment schlafe ich auf einer Matratze im Wohnzimmer (um den Gatten nicht anzustecken) und huste Tag und Nacht trocken vor mich hin. Sechs Stunden in einem Auto mit drei anderen MitfahrerInnen, Maske, Klimaanlage … keine reizvolle Aussicht.

Um der Hitze etwas entgegenzusetzen, schreibe ich Ihnen mal einen kleinen erfrischenden Sommertext. Heute ist nämlich Anne Hidalgo, die Bürgermeisterin von Paris, zum Anschwimmen für die JO, in die Seine getaucht. Vor drei Tagen war noch nicht sicher, ob die Seine eine fürs Schwimmen ausreichende Wasserqualität habe. Heute durfte Anne Hidalgo dann in einem Neoprenanzug schwimmen gehen und tauchte tatsächlich beim Kraulen mit dem Kopf unter Wasser.

Falls sie sich die nächsten Tage keinen Magen-Darm-Virus eingefangen hat, wird dort wohl das Freiwasserschwimmen der Olympischen Spiele stattfinden. Oder vielleicht doch auf der RegattaStrecke – bis vor kurzem gab es keine Alternative, und die SchwimmerInnen bereiten sich mit einer komplexen Technik auf die starke Strömung der Seine vor.

Vor Monaten schon habe ich die Folge des Podcasts Übers Meer über die Segeljungs Tim und Vince gehört. Ursprünglich beschließen vier Jungs aus Bayern ein Segelboot zu klaun und einfach abzuhaun – ach nein, das war ein anderer Film*. Zwei der vier Jungs fuhren dann auf einem (gekauften) Segelschiff fünf Jahr um die Welt.

Erst seit kurzem sind sie wieder an Land und ich folge Tim Hund nun auf Instagram, der peu à peu aus den Segeln der Arrya Taschen, Rucksäcke und Kulturbeutel näht.

Was ich Ihnen auch schon lange, eigentlich schon letzten Sommer, verlinken wollte, ist diese Bahn-Urlaubsreise der deutsch-finnischen Familie (gefunden via Iberty) von Turku über Istanbul und wieder zurück. Es scheint Grenzüberschreitend leichter zu sein mit der Bahn, ich bin auf jeden Fall erstaunt, wie gut das alles geklappt hat. Am Ende des verlinkten Artikels finden Sie alle Reiseabschnitte in der richtigen Reihenfolge. Jetzt habe ich mich auf dem Mäusedoktor-Blog festgelesen, den gibt es schon lange, aber vielleicht kennen Sie ihn (wie ich) auch noch nicht.

Ach so, und ich habe gestern im Dämmerzustand noch einmal den Film La Baule-les-Pins gesehen, den hatte ich im Zusammenhang mit dem Tod des Schauspielers Pierre Bacri schon einmal verlinkt. Es ist ein typischer französischer Sommerfilm, und er ist noch bis Ende Juli auf arte Replay zu sehen. Er ist nicht nur amüsant, aber sehr französisch, vielleicht schauen Sie ihn im Original und mit deutschen Untertiteln, es gäbe ihn aber auch in deutscher Version: ein Sommer an der See.

So viel für heute! à bientôt!

* Das war Nordsee ist Mordsee mit dem Song von Udo Lindenberg, Gott, ist das lange her!

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2. Wahlgang oder Und irgendwo blökte ein Schaf

Der politischen Aufgeregtheit der letzten Tage sind wir hier oben ohne Fernseher weitestgehend entgangen, Was uns natürlich nicht davon abhält, dennoch immer und ständig an Politik zu denken und darüber zu sprechen. Im Newsletter von Nils Minkmar finden Sie einiges zur aktuellen Situation in Frankreich, was ich Ihnen nicht im Detail mitgeteilt habe. Ich weiß, dass der Newsletter auch schon an anderer Stelle verlinkt wurde.

Hier oben geht das Leben seinen gewohnten sommerlichen Gang, es regnet viel und ist kühl, aber ab und zu haben wir auch sonnige Tage, an denen ich dann schnell eine Maschine Wäsche wasche, die in der überraschend heißen Julisonne in kürzester Zeit trocknet, ich fahre wie immer zum Einkaufen, stoße dabei auf eine kleine Schafherde auf dem Weg zur Sommerweide, Transhumance heißt diese Wanderung, die zumindest auf den letzten Kilometern wie früher zu Fuß erfolgt. Es kann Ihnen in den Alpen derzeit überall passieren, dass Sie von einer Schafherde ausgebremst werden. Obacht in den Kurven!

Im Dorf stehe ich wieder Schlange und plaudere mit den Leuten, freue mich über meine Einkäufe und vor allem über die echten Himbeeren, die ich auf dem Markt finde und die wir später mit dem Schafsjoghurt der Schäfer aus dem Dorf essen.

Es gibt wieder eine Demonstration, aber es ist keine politische Demonstration, die sind kurz vor den Wahlen verboten, sie wird zwar freundlich von Gendarmen begleitet, aber es ist eher ein öffentliches Fest unter dem Motto “Liberté”.

Später gehe ich Lavendel schneiden, denn im Nachbarhaus wird ein runder Geburtstag gefeiert, da will ich einen Strauß hinbringen.

Wie Sie dem Pullover des Gatten im Hintergrund entnehmen können, ist es nicht immer Juliwarm.

Gestern Nachmittag wurde mir dann erstmals die Aufgabe zugeteilt Blumenschmuck aus Krepppapier für die Dorf-Deko am 14. Juli zu basteln. Was man als Französin alles darf! Ich empfinde es als Ehre!

Und dann kamen wieder die Schafe. Diesmal eine große Herde. Sie kündigen sich schon von weitem an, das Läuten der Glocken, das Bellen der Hunde, die Rufe der Schäfer, und ein dunkles Grummeln, das immer näher kommt. Aus dem Grummeln wird ein intensives Mäh mäh, aber es sind französische Schafe, also machen sie natürlich Bê, bê, laut und leise, aber zumindest für unsere Ohren sehr monoton. Ich laufe so schnell ich kann, um strategisch gut zu stehen, aber ich habe ein wenig Angst, mich wie früher direkt an den Weg zu stellen, ich weiß nicht, wie die Hunde reagieren werden. Aber am Ende laufen sie lammfromm in der Herde.

Abends gab es als Vorspeise Beignets de fleurs de courgette, und ich habe probehalber zwei kleine Blüten der wilden Möhre, die hier wie verrückt wächst und die ich auf meinem Kiesplatz immer ausreiße, bevor sie blüht, haha, mit gebacken. Sie sind essbar und schmecken leicht nach Karotte. Der Frittierteig war diesmal nicht so gut, aber es war trotzdem ein Genuss!

Heute morgen um Neun waren wir schon wählen, und es waren schon fünfzehn Personen vor uns da gewesen. Heute Abend werde ich wieder bei der Stimmenauszählung mithelfen.

So viel für eben zur Einstimmung. Die Ergebnisse liefere ich später! Bleiben Sie dran :D

etwas unscharf … die Aufregung …

Hoho! Die ersten Ergebnisse in unserem Dorf sind ermutigend: 33 Stimmen für Leila Tonnerre und den Nouveau Front Populaire, 32 für Max Tivoli und den Rassemblement National. 12 die Blanc gewählt haben und eine ungültige Stimme mit zwei zerrissenen Wahlzetteln im Umschlag. Ein erstaunliches Ergebnis für dieses konservative Dorf!

Die nationalen Ergebnisse werden wir später bei Freunden anschauen. Bis später!

Was für eine Erleichterung

Und was für eine Überraschung! Der Rassemblement National hat weder die absolute noch überhaupt eine Mehrheit im Parlament, sie sind auf dem dritten Platz gelandet, nach dem Linksbündnis Nouveau Front Populaire und Ensemble, der Partei Macrons. Uff!

Falls Sie wissen wollen, wie in einem Département oder in einer bestimmten Stadt gewählt wurde, hier entlang oder hier, diese zweite Karte ist vielleicht leichter zu bearbeiten, bei der ersten müssen Sie zunächst den Wahlkreis wissen, das ist ein bisschen mühsam. Aber es ist ernüchternd zu sehen, dass die Côte d’Azur ziemlich fest in der Hand des Rassemblement National ist. Und auch der Wahlkreis, zu dem mein kleines Dorf, das Hinterland, gehört. Das hatte ich im Prinzip vorausgesagt, aber ich war etwas zu euphorisch über das Wahlergebnis in meinem Dorf.

Im Fernsehen wird deutlich unaufgeregter diskutiert, die Erleichterung ist allen anzusehen (abgesehen vom Kandidaten des RN; Bardella btw. hat eine bemerkenswert positive Rede gehalten, die mit der Hoffnung auf die Zukunft endet), aber natürlich bleibt es herausfordernd, dieses Land zu regieren. Koalitionen kennt man hier so nicht. Ich verlinke Ihnen mal diesen Live-Blog für alle weiteren Informationen. Aber wie es weitergeht, sehen wir ab morgen, vorher wird sich auch Macron nicht äußern. Wir gehen jetzt früh und beruhigt schlafen, genau wie die kleine Schafherde im Wäldchen unterhalb des Hauses. Alles ist friedlich. Ab und zu blökt ein Schaf.

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Zwischen den Wahlen

weiße Wäsche

Seit gestern Abend stehen die Kandidaten für den zweiten Wahlgang fest: In unserem Wahlkreis wird es Leila Tonnerre vom Linksbündnis NFP Nouveau Front Populaire sein, die gegen Max Tivoli vom RN Rassemblement National antritt. In unserem Dorf hat sie zwar weniger Stimmen bekommen als die Republikaner und auch als die Macron nahestehende Partei Horizons, aber insgesamt liegt sie im Wahlkreis, vor allem in Grasse, ihrem “Hauptquartier”, oft an zweiter Stelle und hat dort je nach Wahlkreis auch ein paar Mal mehr Stimmen bekommen als der Kandidat des RN. Ein gutes Zeichen also? Vielleicht.

Es ist ganz und gar nicht sicher, ob die Menschen in den Dörfern des Hinterlandes, die im ersten Wahlgang konservativ gewählt haben, im zweiten Wahlgang am kommenden Sonntag für die Neue Volksfront stimmen werden, um den Sieg des Rassemblement National zu verhindern. Leila Tonnerre ist Kandidatin von LFI, La France Insoumise, der Partei von Mélenchon. Ich wiederhole mich, hier ist konservatives Terrain, Mélenchon ist für viele ein rotes Tuch und dass er in verschiedenen Interviews schon wieder die Decke zu sich zieht: “J’ai l’intention de gouverner ce pays” , er habe die Absicht dieses Land zu regieren, sagte er, das gefällt vielen nicht. Man munkelt außerdem, dass das kleine rote Dreieck, das nicht nur Mélenchon am Revers seines Anzugs trägt, offiziell ein Zeichen der Erinnerung an die politischen Häftlinge in den Konzentrationslagern und überhaupt ein Zeichen des Widerstandes gegen die Nazis, auch anders gedeutet werden kann: das rote Dreieck, Teil der palästinensischen Flagge, könne auch als Unterstützung für die Palästinenser verstanden werden. Zumal Mélenchon bei verschiedenen Auftritten von einer Parteifreundin mit einem Palästinensertuch um die Schultern begleitet wurde.

Wir haben also in unserem Dorf genau das Szenario, das vor allem die Juden fürchten, nämlich die Wahl zwischen Mélenchon und Le Pen. Auch wenn in unserem Dorf keine Juden leben, befürchte ich, dass es viele NichtwählerInnen oder “Blanc”-WählerInnen geben wird. “Voter blanc” bedeutet, zur Wahl zu gehen, aber einen leeren Stimmzettel (oder einen leeren Umschlag) abzugeben. Diesen Stimme werden zwar dokumentiert, sie werden aber, genau wie die ungültigen Stimmen, nicht gezählt. Man kann damit aber seine Unzufriedenheit ausdrücken und zeigen, dass man für keinen Kandidaten ist.

Aber, und das befürchte ich zumindest für den ländlichen Raum, es wird mehr Le Pen WählerInnen geben.”So schlimm wird es schon nicht werden”, sagt man hier. “Le Pen ist nicht so verrückt wie Hitler”, fügt man noch hinzu, wenn ich ein skeptisches Gesicht mache. Ich habe das ungute Gefühl, unsere (deutsche) Geschichte noch einmal zu erleben. Dieses Gefühl haben die Franzosen natürlich nicht. Nur Monsieur, der gerade ein Buch von Laurence Rees liest, das ist der Historiker, der sämtliche BBC-Sendungen zum Ersten und Zweiten Weltkrieg gemacht hat, erzählt mir aufgeregt, wie es damals war, als Hitler gewählt wurde. Er sagt jetzt: “Was wir gerade erleben, erinnert total an die Zeit der Weimarer Republik!” “Ich weiß”, sage ich bitter.

Aber die Franzosen wissen davon wenig, die deutsche Geschichte ist nicht die ihre. Sie wollen Veränderung, sie hatten Rechte und Linke und jetzt mit Macron sogar die Mitte, sie haben vor allem den arroganten Macron satt, aber auch den ganzen elitären Politklüngel in Paris. Den RN haben sie nie ausprobiert, Marine Le Pen mit ihren populistischen Phrasen und “Frankreich den Franzosen” scheint vielen eine echte Alternative zu sein. Endlich eine, die für Ordnung sorgt. Und wie gesagt: “So schlimm wird’s schon nicht werden”.

Géraldine Schwarz vertritt in ihrem lesenswerten Buch “Die Gedächtnislosen” die These, dass sich die rechtspopulistischen Strömungen in Europa aus dem Umgang des Kontinents mit seiner Geschichte nach dem letzten großen Krieg erklären lassen. Zur Veranschaulichung verknüpft die in Frankreich aufgewachsene deutsch-französische Autorin ihre Familiengeschichte mit der großen Geschichte.

Géraldine Schwarz entdeckt eines Tages, dass ihr deutscher Großvater, ein Mitglied der NSDAP, 1938 im Zuge der Arisierung ein jüdisches Unternehmen in Mannheim erworben hatte. Nach dem Krieg weigerte sich Karl Schwarz, dem einzigen Überlebenden der in Auschwitz ermordeten Fabrikantenfamilie Julius Löbmann eine Entschädigung zu zahlen. Hier beginnt ihre Recherche über drei Generationen ihrer Familie, immer mit der Frage, wie die Verwandten und andere mit der Vergangenheit umgegangen sind – auch in Frankreich, denn bald erfährt die Autorin, dass ihr Großvater mütterlicherseits unter dem Vichy-Regime als Gendarm in einem Gebiet diente, in dem die Franzosen mit Razzien nach Juden fahndeten.

Deutlich werden für sie die Unterschiede im Umgang mit der nationalen Geschichte: Während in Deutschland Mitläufertum und Mittäterschaft zu bestimmenden Themen wurden, blendeten die Franzosen diese weitgehend aus. In der Bundesrepublik entstand auf dieser Grundlage ein differenziertes Verständnis von individueller Verantwortung in der Demokratie und ein kollektives Bewusstsein für die Gefahren rechtspopulistischen Denkens. […] Die Kehrseite dieser These zeigt sich in ganz Europa: Wo die Auseinandersetzung mit der Kollaboration spät oder gar nicht stattfand, erstarken die Parolen des Rechtspopulismus umso unkontrollierter.

Geraldine Schwarz: Die Gedächtnislosen

Am Sonntag kann alles passieren. Ich bin mir nicht sicher, ob die Franzosen dieses Ergebnis wirklich wollen.

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Die Wahl 1. Durchgang

Um zehn Uhr morgens, als ich wählen ging, hatten schon 30 Personen gewählt! Wir haben derzeit 88 Personen, die hier zur Wahl eingeschrieben sind, darunter auch die ehemaligen Aubergisten und andere, die im Prinzip mit dem Dorf nichts mehr zu tun haben. Von diesen 88 haben 75 gewählt, das ist eine Wahlbeteiligung von 85%, noch nie dagewesen, oder schon lange nicht mehr.

Ich habe wieder an der Stimmauszählung teilgenommen, es waren zwar mehr Wahlzettel aus den Umschlägen zu nehmen und mehr Stimmen zu zählen, aber es standen viel weniger KandidatInnen zur Wahl, so dass es wieder in einer halben Stunde erledigt war.

Ja, das Rassemblement National, RN, hat die meisten Stimmen bekommen, 24 nämlich, hat damit aber nicht die absolute Mehrheit, sondern wie beim letzten Mal ein Drittel der abgegebenen Stimmen. LR, die Republikaner, die konservative Partei, die hier familiär bedingt eine Hochburg hat, bekamen immerhin 19 Stimmen, und Horizons, die Macron-nahe Partei ebenso 19 Stimmen. Die Kandidatin von La France Insoumise bzw. dem Neuen Front Populaire hat weniger Stimmen bekommen als letzes Mal Raphael Glucksmann, neun nur, und die Grünen bekamen ganze zwei Stimmen. Und es gab zwei “Blanc”-WählerInnen, die einen weißen Zettel in den Umschlag gesteckt haben, weil sie damit ausdrücken wollen, dass sie mit keinem der Kandidaten zufrieden sind.

Hier wurden Sätze wie “Glucksmann hat sich selbst versenkt, weil er sich mit Mélenchon zusammengetan hat” gesagt, und dass Mélenchon sich mit “nur ein toter Flic ist ein guter Flic …” amüsiert hat, hat dem Ansehen des Nouveau Front Populaire noch einmal geschadet. Hier ist ein konservatives Terrain. Hier macht man keine Witze über tote Polizisten.

Hier wird es aber auch ruhig ausgehen, selbst, wenn die extrem rechte Partei auch national gut abschneiden wird. In Paris hingegen verbarrikadieren die Geschäfte in der Innenstadt bereits die Schaufenster, weil sie für dieses Szenario (die Rechtsextremen bekommen die Mehrheit) Angst vor Ausschreitungen der Linken haben.

Um 20 Uhr werden wir bei Freunden die nationalen Hochrechnung im Fernsehen ansehen. So viel für eben. Ich melde mich wieder. Beinahe ein Liveblog :D

Es bleibt schwierig

In den Politiksendungen, die wir heute Abend kurz gesehen haben, geht es hoch her, alle rufen durcheinander, sprechen gleichzeitig, fallen sich ins Wort und lassen auch die Moderatoren der Sendung kaum zu Wort kommen. “Taisez vous” herrschte Yannick Jadot, ein grüner Politiker einen Politiker von extrem Rechts an, der, von diesem Ton überrascht, vorübergehend zumindest, tatsächlich still wurde. Sie haben es bestimmt irgendwo gelesen oder gehört, in der Tat hat der RN von Marine Le Pen mit 34,2% mehr Stimmen als der Nouveau Front Populaire, der immerhin 29,1% bekommen hat, und die Partei von Macron ist nur die dritte Kraft mit 21,5%. Die Republikaner LR haben nur 10% Stimmen bekommen.

Der Rassemblement National kann also im zweiten Wahlgang nächsten Sonntag tatsächlich die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung erreichen und damit den Premierminister stellen. Im zweiten Wahlgang stehen sich die zwei Parteien gegenüber, die im ersten Wahlgang die meisten Stimmen erhalten haben. Häufig zieht sich die drittstärkste Partei zurück, und ruft dazu auf, auf jeden Fall den Gegner des RN zu wählen, selbst, wenn es nicht die Partei ist, die man freiwillig wählen würde. So wählten viele Linke jahrelang im zweiten Wahlgang rechts oder wie in der jüngsten Geschichte Macron, nur um Le Pen zu verhindern.

In meinem Wahlkreis werde ich vielleicht zwei oder auch drei Kandidaten zur Wahl haben, natürlich den des Rassemblement National und dann den oder die Kandidaten, die in meinem Wahlkreis (der von Carros und Grasse bis nach Valberg reicht, viel ländliches Hinterland) als zweitstärkste Kraft gewählt wurde. Wer das ist, ist derzeit noch offen. Es gibt von vielen Politikern, Edouard Philippe, Raphael Glucksmann, Mélenchon schon deutliche Wahlempfehlungen. Glucksmann sagt: auf jeden Fall Le Pen verhindern, dafür auch rechtskonservativ wählen, wenn es sein muss. Edouard Philippe sagt: “weder La France Insoumise von Mélenchon noch Le Pen”. Eric Ciotti, Sie erinnern sich, ein konservativer Politiker, der kurzfristig zum RN gewechselt ist, ruft nun alle konservativen Wähler auf, wie er RN zu wählen.

Sie hören mich tief atmen. Es bleibt schwierig.

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Die Unentschiedenen

Das wäre ein guter Filmtitel. Die Prognosen sprechen von einer großen Gruppe von “Unentschlossenen”, die sich erst auf den letzten Metern vor dem Wahllokal entscheiden könnten. Ich bin also nicht allein. Wenn ich mir vorstelle, dass Trump wiedergewählt wird, der bereits angekündigt hat, die Unterstützung für die Ukraine zu beenden, möchte ich sofort ein linkes Statement abgeben und Le Nouveau Front Populaire wählen. Wenn ich höre, wie Mélenchon es lustig findet, dass auf den Demonstrationen skandiert wird: “Ein toter Flic ist eine Stimme weniger für den RN”, bin ich wieder weit davon entfernt, eine Partei zu wählen, in der auch Mélenchon mitarbeitet.

Auch der Sommer ist hier im Süden unentschlossen. Vor zwei Tagen endlich mal kein Regen und fast blauer Himmel. Wir sind früh an den Strand gegangen, ich war so lange nicht mehr schwimmen. In den letzten zwei Wochen hat sich dort alles verändert. Die Bademeisterhütte steht und ist geöffnet, coole junge Männer stehen dort herum, grüne Fähnchen, die unbeschwertes Baden ankündigen, flattern im Wind. Viele Sonnenschirme stehen schräg im Sand, der Strand ist schon um 10 Uhr morgens gut besucht. Das Meer ist kühl, aber schmutzig. Die Kläranlage scheint zu schwächeln, wir schwimmen ein paar Runden durch schäumendes Spülwasser. Weiter draußen wird es sauberer.

Gestern war es wieder bedeckt und um die 24 Grad, nicht gerade das, was man sich unter Sommer an der Côte d’Azur vorstellt. Aber egal, wir sind sowieso wieder in die Berge gefahren. Wir müssen ja wählen. Auf halbem Weg zum Bergdorf ist es plötzlich sonnig, blauhimmelig und die Temperaturanzeige im Auto, eben noch bei 24 Grad, zeigt plötzlich 34 Grad an. Das ist er also, der Sommer! Für uns dauert er noch genau einen halben Tag, jetzt, am Samstag, war der Himmel morgens schon wieder gelblich und haben wir schon wieder Saharasandregen und Temperaturen um die 20 Grad.

Heute Morgen fahre ich ins “große” Dorf zum Einkaufen: Ich erstehe, und das ist wörtlich zu nehmen, denn überall stehen die Leute Schlange: Käse und Joghurt bei der Schäferin, Salat, Zucchini, Mangold und Blumen (meine ersten und vermutlich auch letzten Pfingstrosen und Rittersporn in diesem Jahr!) bei einem kleinen Erzeuger, Pfirsiche, Aprikosen und Melonen, Tomaten und Auberginen am Gemüsestand. Brot (eine Fougasse) beim Bäcker, Schinken und Mittagessen beim Metzger, Milch, Butter, Schokoladenkekse beim kleinen Tante-Emma-Laden und Bio-Müsli und getrocknete Aprikosen bei der Kooperative. Überall steht man an und plaudert mit dem Verkäufer oder der Verkäuferin und mit den ebenfalls anstehenden Dorfbewohnern und Sommergästen, außerdem treffe ich beim Schlendern von einem zum anderen Menschen von “früher”, man bleibt stehen, gibt sich Küsschen, erzählt sich, was es Neues gibt. Mit einer Freundin trinke ich noch einen späten Kaffee in einem der Bistros. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass sich eine Demo formiert. Eine Demo im Dorf! Liberté, Égalité, Fraternité steht auf einem Leintuch, es gibt fetzige Musik, ein paar Plakate und die etwa 50 Leute ziehen, begleitet von zwei Gendarmen, die Straße hinunter, durchs Oberdorf zurück und versammeln sich auf dem Platz vor der Schule, sie tanzen, singen und machen gut gelaunt Lärm: Es sind die “Linken” aus dem Tal, ich erkenne ein paar ehemalige Hippies und Aussteiger aus verschiedenen Dörfern, von meinem Hof sind Leute dabei, man winkt und ruft mich dazu, ich winke und umarme hier und da, aber ich gehe nicht mit; und es sind auch ein paar Jüngere und Ältere dabei, die ich nicht kenne. Es sei die erste politische Demonstration in Guillaumes, sagt mir einer der jungen Männer zufrieden und stolz. Später würden sie noch Wahlprogramme des Nouveau Front Populaire in den Dörfern verteilen.

Beim Metzger treffe ich eine Frau aus der alternativen Szene, ich frage sie, warum sie nicht mitdemonstriere – ich muss mir einen langen Vortrag anhören, dass es ja schön sei, für die “Brüderlichkeit” zu demonstrieren, im Alltag spüre sie davon nichts, da denke wieder jeder nur an sich. Sie wählt links, aber mit “diesen Leuten” würde sie nicht mehr demonstrieren. “Diese Leute” – ich habe mich in diesem sehr linken und alternativen Milieu auch nie so richtig zu Hause gefühlt, aber die Leute vom Hof sind irgendwie doch auch meine Familie, selbst wenn es den Hof so nicht mehr gibt, Leute gestorben sind, andere weggezogen, Paare sich getrennt haben und die Kinder, die zu meiner Zeit zwei und drei Jahre alt waren, erwachsen sind und in Paris studieren, in Marseille oder in der weiten Welt.

Eines der kleinen Mädchen vom Hof, mit dem ich damals “Engelchen flieg” gespielt habe, ist jetzt Anfang 20, ich folge ihr auf Instagram, sie ist so radikal geworden, ich kann es kaum glauben, mir gefällt nicht immer, was sie schreibt, manchmal schockiert es mich auch. Sie hat aber immerhin eine politische Haltung. Die angeheirateten Enkel sind viel unpolitischer, aber auch sie werden wählen gehen. Was wissen sie von der Welt? Die Ukraine berührt sie nicht, viel zu weit weg, obwohl wir die kleine Familie hier aufgenommen haben. Israel interessiert sie nicht, viel zu kompliziert, jüdische Freunde und Freundinnen scheint es nicht zu geben, arabischstämmige auch nicht, das gute katholische Gymnasium, das sie auf das Leben vorbereitet hat, ein weltfremder Ort.

Ich fahre wieder hoch in “mein Dorf”, ich bereite das Mittagessen zu; ich bin immer so tief zufrieden, wenn ich frische Lebensmittel direkt vom Erzeuger gekauft habe, ich koche dann lieber und esse es auch lieber. Und ich bin so verliebt im meine Blumen. Tatsächlich ein Glücksmoment.

Der wird nur kurz getrübt, weil Monsieur während meiner Abwesenheit zwei alte Radios repariert hat und jetzt verkratzt und verrauscht und etwas zu laut Radio hört.

Nachmittags habe ich mir immerhin die Kandidaten meines Wahlkreises in einer Fernsehsendung angesehen, also vier von sieben durften sich vorstellen und auf Fragen antworten. Später besuchen wir Freunde und diskutieren über Unerfreuliches, das sich im Dorf ereignet hat und natürlich auch Politik. Am Abend auf dem Dorfplatz tranken wir einen Apéro, das Dorf ist voll wie selten, die Wahl morgen ist wichtig, alle sind gekommen. Wir diskutieren vor allem Politik. Um 21 Uhr gab es ein Gitarrenkonzert in der kleinen Kirche, die ebenfalls voll ist. Félix Lalanne, ein Gitarrist und Komponist aus Nizza hat ein leichtes aber angenehmes Konzert konzipiert, spielt uns Filmmusiken vor, lässt uns Filmmusiken raten und erzählt kleine Anekdoten aus der Musikwelt. Es ist ein schöner Abend. Ich weiß immer noch nicht, was ich wählen werde.

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Vor der Wahl (Dienstag)

Gestern sind die Wahlunterlagen angekommen – normalerweise bekommt man ein paar Tage vor der Wahl einen Haufen Papier mit den Infos zu den Parteien und den Namen der Kandidaten, die im jeweiligen Wahlkreis zur Wahl stehen, damit man sich schon mal alles in Ruhe anschauen kann. Wir wählen in den Bergen und gehören zum 2. Wahlkreis des Départements. Ich finde es immer furchtbar unübersichtlich, auch wenn wir in unserem Wahlkreis nur die Wahl zwischen sieben verschiedenen Parteien bzw. Kandidaten haben. Dass sich hinter “Horizons” die Partei von Macrons ehemaligem Premierminister Edouard Philippe verbirgt, der jetzt Bürgermeister von Le Havre ist, musste ich erst herausfinden. Er steht etwas weiter rechts als Macron, aber er schließt sich ihm an.

Konservativer als Horizons sind die Republikaner, LR.

Bei Marine Le Pen und Jordan Bardella kann man sich nicht irren: RN, rechtsextrem. Die junge Frau mit dem komplizierten Namen Indiana Poret-Rinck, Tochter eines Landwirts, will sich besonders um die Menschen in den Dörfern im Hinterland kümmern: “Sie verdienen es, gehört zu werden! Wir werden Ihnen zuhören”. Etwas dünn, aber vielleicht reicht es ja zusammen mit Marine Le Pen, denn natürlich verteidigt auch sie “unser kulturelles Erbe, unsere Werte und unsere Wurzeln”.

Die extreme Linke hat eine Kandidatin für La France Insoumise, von der ich weder ein Bild noch eine konkrete Aussage finde, dafür aber das Konterfei von Mélenchon auf dem Wahlzettel. Eine klare Botschaft. Zur Wahl stünde auch die Lutte ouvrière, die Arbeiterkampfpartei, die Trotzkisten, ebenso linksradikal..

Ach ja, die Grünen, weder links noch rechts, sie stellen die Natur in den Mittelpunkt ihres Handelns, die einzige konkrete Maßnahme, die sie durchsetzen wollen, ist der Erlass der Grundsteuer für diejenigen, die ihr Land einem nachhaltigen Projekt zur Verfügung stellen, aber mit dem Slogan “Generation animal” und dem Foto eines Mädchens, das ein Kaninchen im Arm hält, kommen sie dann doch eher als Tierschutzpartei daher.

Wen soll ich bitte davon wählen? Wen will ich in der Nationalversammlung sehen und wem traue ich zu, dort sinnvoll zu handeln? Es ist ein Dilemma!

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Dies und das am Montag

Von wegen Sonne. Wir haben gestern Nachmittag den Regen in den Bergen gegen den Regen an der Côte d’Azur eingetauscht. “Du bist so sommerlich angezogen!” wunderte sich eine Freundin aus einem benachbarten Bergdorf, mit der wir zum Essen verabredet waren, und die selbst Fleecepullover über Langarm-T-Shirt trug, und lange Hosen und Socken, klar. “Ich fahre nachher runter und unten ist es Sommer” behauptete ich da noch. “Runter fahren” (descendre) oder “hoch fahren” (monter) sagt man hier, wenn man von den Bergen an die Küste fährt oder eben umgekehrt von der Küste in die Berge.

Beim Runterfahren habe ich aber durchgängig bedeckten Himmel und der Scheibenwischer arbeitet immerhin intermittierend, ich weiß nicht, ob es dafür ein deutsches Wort gibt, er arbeitet nicht durchgängig, so viel Regen ist es nicht, aber doch ein bisschen. Auf der Schnellstraße kurz vor Nizza immer noch kein blauer Himmel in Sicht, uns überholen zwei deutsche Motorradfahrer, ich spare mir hier die weibliche Form, aus RZ, das muss ich erst nachschauen, Ratzeburg, irgendwo im Norden von Deutschland. Die Armen, denke ich, da wollten sie dem grauen deutschen Junihimmel entfliehen und finden satte 1500 km weiter südlich nur grauen französischen Junihimmel. Und Regen. Auf der Autobahn Stau, weil die Autonbahn stellenweise überschwemmt war. Der Regen war, wie in letzter Zeit so häufig, voller Saharasand.

Bevor wir runterfuhren habe ich noch ein bisschen gejätet und dank des vom Regen durchfeuchteten Terrains nun erfolgreich wilde Möhren aus dem Kiesgelände gezogen. Die wachsen hier wie, hm, Unkraut, haha.

wilde Möhre

Und Königskerzen und Variationen von Ampfer und der hübsche gelbe Steinklee, der voller Bienen ist, weshalb er zumindest auf der Zufahrt weiterhin wuchern darf.

Ich weiß nicht mehr, ob und wer sie mir empfohlen hat, aber so wenig ich mit den Vogelgezwitscher-Apps erfolgreich bin, so sehr bin ich es mit der App zur Pflanzenbestimmung Flora Incognita. Funktioniert super und super einfach!

Von der Freundin mit dem Garten weiter unten bekamen wir echte Bergradieschen geschenkt.

Die Kirschen wurden halbreif geerntet, weil sie bei dem Regen sonst aufplatzen, sie sind nicht besonders süß, sie werden (von ihr) mit den ebenso sehr sauren Johannisbeeren zu Konfiture verarbeitet.

Unten angekommen wurde sofort der Fernseher eingeschaltet, es geht natürlich um Politik und alle möglichen Szenarien mit dem Rassemblement National als Sieger der Wahl werden durchgespielt, denn die Wahlprognose sieht sie weit vorne. Und es wird erneut das Mehrheitswahlrecht Frankreichs kritisiert, es wäre alles nicht so dramatisch, wenn man die extrem rechte Partei seit Jahren “verhältnismäßig” im Parlament vertreten hätte, wie es dem WählerInnenverhalten entspricht; jetzt scheint die absolute Mehrheit der extrem Rechten nicht mehr aufzuhalten zu sein. Vielleicht hat Frankreich sich verändert, sagte gestern im Fernsehen auch resigniert der Schauspieler und Regisseur Matthieu Kassowitz, wenn sogar die Juden Marine Le Pen wählen wollen. Vor zehn Jahren wäre das noch nicht möglich gewesen.

Wie gesagt, wenn es ganz schlimm kommt, dann gehen wir in die Berge. Dort geht es schon immer deutlich konservativer zu, und ich habe gelernt damit umzugehen. Es ist so ein bisschen wie in den Büchern von Juli Zeh, “Unter Leuten” etwa, die umstritten sind, aber doch ziemlich nah dran am ländlichen Leben wie es wirklich ist. Also es gibt zumindest Parallelen zu französischen Bergdörfern. Von außen sieht das Leben in den südlichen Alpen, so rau es ist, aber auch sehr romantisch aus. Dies ist ein Lesetipp, der bei Regen oder Sonnenschein passt. Bis die Tage!

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Lektüre bei Regen

Es ist immer wieder erstaunlich, wie alles zusammenhängt oder zumindest zusammenzuhängen scheint. Bei Herrn Buddenbohm habe ich neulich aus dem Augenwinkel den Link zu Konsalik wahrgenommen – den ich aber gar nicht angeklickt habe – Konsalik, an den habe ich bestimmt seit dreißig Jahren nicht mehr gedacht, obwohl ich glaube, dass ich nie wirklich an Konsalik “gedacht” habe, aber man hat seine Bücher wahrgenommen – auf dem Weg zum Zug in der Bahnhofsbuchhandlung, die damals noch einen schlechten Ruf hatte, eben wegen der trivialen Titel, die sie verkaufte; Aber jetzt, wo diese Erinnerung kurz im Hirn aufflackert, was entdecke ich nur wenige Tage später in dem Bergdorf im Hinterland der Côte d’Azur, in der ehemaligen Telefonzelle, die zur “cabine à livres” umfunktioniert wurde? Konsalik! Viele Bände! Natürlich auf Französisch.

Konsalik, leider unscharf

Nein, “Der Arzt von Stalingrad” ist nicht dabei, aber “Kosakenliebe” und “Das Geheimnis der sieben Palmen”, letzteres wird aber selbst von Konsalik-Liebhabern als “seicht” und “eine Zumutung” eingeschätzt, ich habe mich nämlich gerade ein bisschen informiert, den Podcast über Konsalik habe ich mir nun auch angehört. Es hat heute nämlich noch einmal so wahnsinnig viel geregnet, dass ich nicht “Un”-kraut jäten konnte.

livres accès

Im schönen Bücherschrank hier im Dorf (kleines Wortspiel mit “libre accès” und “livres accès”, meint freier Zugang zu Büchern) steht zwar kein Konsalik, dafür aber Erich Maria Remarques “Im Westen nichts Neues”.

Aber ich bin gerade gedanklich im Osten und auch in einem anderen Krieg, ich lese Jonathan Littells “Die Wohlgesinnten” (aus dem Französischen von Hainer Kober), das ich mir leider in einer gebrauchten Taschenbuchausgabe bestellt habe. Nicht nur, dass man es mit fast 1400 Seiten kaum in der Hand halten kann, die Schrift ist auch noch unglaublich klein. Ich habe gerade gesehen, dass es das auch als Hörbuch gibt, aber ich weiß nicht, ob ich mir das antun will. Ich mag das Blättern, das Vor- und Zurücklesen, das fehlt mir beim Hörbuch sehr, und wenn ich da etwas überspringe (was ich mir bei 50 Stunden Vorlesen durchaus vorstellen kann), dann habe ich immer das Gefühl, dass ich etwas Entscheidendes verpasst habe, das ich dann nicht so einfach nachhören kann, wie ich es nachblättern könnte. Verstehen Sie, was ich meine?

Ich weiß nicht, ob Sie “Die Wohlgesinnten” kennen? Ich bin darauf gestoßen, als ich mich mit der Geschichte der Ukraine beschäftigt habe und dabei auf das Massaker von Babyn Jar (es gibt mehrere Schreibweisen) gestoßen bin. Davon hatte ich noch nie gehört – oder nur vage, es war mir vor Jahren bei der Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht schon einmal begegnet. Aber zu dieser Zeit hatte ich keinen Bezug zur Ukraine und es blieb ein Massaker unter vielen (dass man das sagen kann, ist erschütternd genug).

Von dem Callsen-Prozess, der in Darmstadt stattfand, zugegebenermaßen zu einer Zeit, als ich noch in der Grundschule war, hatte ich übrigens auch noch nie etwas gehört, aber auch später war dieser Prozess nie ein Thema, und ich habe doch in Darmstadt Abitur gemacht und hatte junge engagierte Sozialkunde- und Geschichtslehrer, die mit uns über den Nationalsozialismus gesprochen haben. Dass Kuno Callsen damals in Neu-Isenburg wohnte, wohin es auch meine kleine Herkunftsfamilie verschlagen hat, ist nur ein zusätzliches überraschendes Detail.

“Die Wohlgesinnten”, im französischen Original “Les Bienveillantes”, erschien während meiner Kulturabstinenz, die etwa von 2005 bis 2010 dauerte – meine persönliche Auszeit, in der ich mit dem Eintauchen in das Bergleben, in eine fremde Welt und Sprache völlig ausgelastet war. Deutsche Kultur und Bücher interessierten mich damals nicht (mehr), für französische Kultur und Neuerscheinungen war mein Französisch noch viel zu rudimentär. Auch heute lese ich lieber auf Deutsch (vor allem, wenn es sich um so dicke Wälzer handelt). Aber ich glaube, ich hätte es damals auch nicht gelesen, weil mir der Bezug zur Ukraine gefehlt hat. Es geht um die Erinnerungen des fiktiven SS-Offiziers Maximilian Aue und vor allem um das Massaker von Babyn Jar.

Wegen des Regens bin ich mit dem Ich-Erzähler Maximilian Aue gestern schon in Lemberg, Lviv heißt es heute, angekommen und über Tausende von stinkenden Leichen gestolpert, es gibt Vergeltungsmaßnahmen gegen die Juden, die als Täter gelten. Wir sind erst auf Seite 80 und es ist schon ziemlich unerträglich.

So viel für heute. Wir essen Fertigsuppe, die ich mit frischer Tomate und Knoblauch etwas aufpeppe, aber nein, keine kalte Suppe à la Gazpacho, nein, eine schöne wärmende Gemüsesuppe wird das. Ein Feuer machen wir am ersten Tag des Sommers dennoch nicht, wir ziehen einen zweiten Pullover an. Und Socken, die sowieso. Machen Sie’s gut.

Das hatte ich gestern Abend geschrieben, und dann erschien es mir doch zu düster für den längsten Tag des Jahres, an dem im Norden Mittsommer gefeiert wird und in Frankreich, zumindest in den größeren Städten, “La fete de la musique” stattfindet: viele Open-Air-Konzerte zum Mitsingen und Tanzen. Davon war gestern hier nichts zu spüren und zu hören. Wenn es ganz schlimm kommt, ziehe ich mich in die Berge zurück, sage ich immer und hoffe, dass ich dann auch davon hier nichts mitkriege.

Heute endlich Sonnenschein und blauer Himmel, ich putze die vom schmutzigen Schlammregen verdreckten Fenster und schaue kritisch auf den schon wieder grün werdenden Kiesplatz. Diesen trüben Text schicke ich nun ins hoffentlich überall sonnige Wochenende. Mal sehen, ob ich in nächster Zeit noch einen “Sonnenschein-Lektüre-Text” zusammenbasteln kann. à bientôt!

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We can do it

Wo anfangen? Nein, es ist doch noch nicht richtig Sommer geworden, zumindest nicht in den Bergen, wo wir gerade sind. Hier ist es heute eher herbstlich und ausgesprochen nass.

20. Juni 2024

Nass war auch das Haus, als wir ankamen. So nass, dass die Eingangstür verquollen und nur mit einem beherzten Fußtritt aufzustemmen war. Schon wieder ein Wasserschaden. Ambiente wie in einem Dampfbad und Schimmel an den Wänden. Wären wir ein paar Tage später gekommen, wäre vermutlich die ganze Etage durchgeschimmelt gewesen. So hält sich zumindest der zu beziffernde Schaden in Grenzen. Ich war trotzdem außer mir.

Der Regen lässt alles wachsen, auch sehr viel Löwenzahn, Klee, Spitz- und Breitwegerich, Disteln und Schafgarbe und allerhand Gräser, die ich bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr in einer mehrtägigen Aktion aus der rustikalen und völlig überwucherten Kieszufahrt (nein, wir haben kein Schloss!) gehackt habe. Ich kann fast sehen, wie der Kies schon wieder grünlich wird und verstehe zum ersten Mal, dass die alten Leute hier “un petit produit” nehmen (einen bösen “Un”-krautvernichter), damit es ein für allemal “propre”, sauber ist, denn das wollen sie hier gern haben. Man lebt mitten in der Natur, aber sie soll bitte nicht überall sein. Nicht im Innenhof, nicht zwischen den Fugen, nicht an der Mauer, nicht auf den Gehwegen, nicht hier und nicht da. Ich möchte meinen rustikalen Kiesplatz auch gerne Löwenzahnfrei haben und Gräserfrei, und ich möchte das alles vielleicht einmal in der Saison von Hand und mit der Hacke jäten, aber dann hätte ich es auch gerne für den Rest des Jahres propre. Man hat ja nicht nur das zu tun, nicht wahr. Falls Sie etwas wissen, was funktioniert, gleichzeitig Bienen- und Schmetterlinge aus den benachbarten Heckenrosen nicht irritiert, nehme ich gerne Hinweise entgegen. Abflammen funktioniert nicht auf dem Kies, und so viel heißes Wasser, wie gebraucht würde, um die stets wiederkehrenden Löwenzahnwurzeln auszurotten, kann ich gar nicht die lange und steile Kellertreppe runtertragen. Alles schon versucht. Und glauben Sie mir, ich lasse rundherum noch genug stehen und wachsen, und die unter den großen Blättern herumlümmelnden Schnecken töte ich auch nicht, sondern werfe sie auf die angrenzende Wiese. Morgen werde ich weiter jäten, nach dem Regen gehen auch die längsten und dicksten Wurzeln leichter aus der Erde.

Immerhin ist es ruhig hier oben. Gestern kamen die Schafe an, sie logierten eine Nacht auf der Wiese unterhalb des Hauses, es mäh-mähte und bimmelte und die Hütehunde bellten.

Näher konnte ich nicht hingehen, die Hunde, die die Schafe gegen die Wölfe beschützen sollen, sind auch super aggressiv gegen Menschen, die sich der Herde nähern. Gerne hätte ich heute morgen ihren Aufbruch zur Sommerweide dokumentiert, es ist immer berührend zu erleben, wie eine Schafherde vorbeizieht, aber die Schäfer sind mit der Herde um halb fünf und bei strömenden Regen losgezogen, es fehlte mir ehrlich gesagt die Motivation, mich bei diesem Wetter so früh aus dem warmen Bett zu bewegen, nur um ein paar Fotos zu machen, ich ließ die Schäfer und die Schafe alleine ziehen und drehte mich im Bett noch einmal um.

Sehr viel mehr Lärm gibt es derzeit nicht. Und da wir hier oben keinen Fernseher haben, sind wir auch den wild durcheinander rufenden PolitikerInnen und JournalistInnen entkommen, die ohne Unterlass die politische Situation durchkauen. Ich nehme die Information nur punktuell, gezielt suchend und in geschriebener Form zur Kenntnis. Es reicht vollkommen aus, um zu verzweifeln. Von Raphael Glucksmann war ein paar Tage nichts zu hören und zu sehen, aber natürlich kann er sich als Linker dem linken Schulterschluss gegen Extrem Rechts nicht entziehen. Aber wie enttäuscht sind seine Wählerinnen und Wähler von ihm, dass er sich mit der linksradikalen LFI (La France Insoumise) von Mélenchon verbündet hat, was er immer kategorisch ausgeschlossen hat. Da kann er sich noch so viel Mühe geben zu erklären, dass “nur die als Front populaire vereinigte Linke stark genug sein wird, um das Bollwerk gegen die extreme Rechte zu bilden” (Link zu einem frz. Artikel aus Le Monde), da kann er noch so sehr versichern, dass Mélenchon sich in dem Bündnis nicht durchsetzen wird, es bleibt ein schaler Beigeschmack und die Angst, dass das Linksbündnis gerade noch bis zu den Wahlen hält, dann wieder auseinanderbricht und man statt Glucksmann den antisemitischen, populistischen und Hamas-nahen Mélenchon bekommt. Serge Klarsfeld, Holocaust-Überlebender und Nazi-Jäger, sagt, wenn er die Wahl zwischen Mélenchon und Marine Le Pen hätte, würde er lieber Marine Le Pen wählen. Dafür wird er zwar von vielen Seiten kritisiert, aber es zeigt die Stimmung (nicht nur) der Juden in Frankreich.

Sowohl Mélenchon als auch Marine Le Pen stehen Putin nah, was, was im Falle einer Mehrheit in der Nationalversammlung die Situation für die Ukraine vermutlich noch prekärer machen würde. Dass die kleine ukrainische Familie derzeit Ferien in Cannes macht, wissen Sie schon. Es ist so schön, sie wohlauf wiederzusehen! Sie sehen noch genauso aus wie vor zwei Jahren, nur die beiden Ms sind gewachsen. Der große M kommt im September in die 7. Klasse, der kleine M wird nach einem Jahr Vorschulklasse in die richtige Schule kommen. Beide können immer noch “ça va!” antworten und “oui” und “non” und “merci” und “bonjour” und “au revoir” sagen. Der große M versteht auch noch eine Menge und traut sich sogar ein paar Worte zu sagen (leider wird in seiner Schule kein Französisch angeboten, er lernt Englisch und Polnisch). Tetiana hatte große Angst, dass ihr ganzes Französisch verschwunden sein würde, aber sie versteht viel und spricht auch viel. Es hilft, dass sie sich immer bei ihrem Bruder rückversichern kann, ob sie es richtig verstanden hat, was meistens der Fall ist. Mit dem kleinen M ist die Kommunikation weniger ausgeprägt, er spielt mit dem Smartphone und kann das nur unterbrechen, wenn er stattdessen Fußballspielen oder ins Meer rennen kann. Er wolle gern nach Cannes, aber in die Schule würde er hier keinesfalls gehen, hatte er im Vorfeld erklärt.

Sie wollten drei Wochen ohne Sirenenalarm, ohne das nächtliche Dröhnen der russischen Flugzeuge. Sich sicher fühlen, Leichtigkeit, Sonne, Strand, Meer, den Bruder wiedersehen, ein paar Freunde und auch uns. Und ein normales Leben mit kontinuierlicher Stromversorgung. Im Moment gibt es in der Ukraine nur drei Stunden am Tag Strom, das Leben muss anders organisiert werden als hier. Sie arbeiten mit Stromgeneratoren und Powerbanks und essen abends bei Kerzenschein. Sie haben Angst vor dem nächsten Winter. Der letzte Winter war nicht so kalt gewesen (gemessen an ukrainischen Wintern) und sie hatten noch mehrere Stunden Strom am Tag. Wie sie den kommenden Winter mit nur drei Stunden Strom und Heizung überstehen sollen, wissen sie noch nicht. Aber sie werden es schaffen, da sind sie sich sicher. Tetiana sagt, “wir lassen uns nicht unterkriegen. Ich ziehe mich jeden Tag hübsch an, frisiere mich, schminke mich, trage Lippenstift auf, und dann”, sie macht die kämpferische “We can do it”-Geste mit angespanntem Bizeps, “gehe ich raus!”

We Can Do It! de J. Howard Miller, 1943.

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Und es wird Sommer

Wir waren nur eine knappe Woche unterwegs, es gab schöne und bereichernde Begegnungen, darüber unbedingt ein ander Mal, es war auch anstrengend, und was ist nicht alles passiert in dieser einen Woche! Der Künstler Ben ist tot. Er hat sich das Leben genommen, nachdem seine Frau an einem Schlaganfall verstorben ist, und ohne die er nicht weiterleben wollte. Ben ist eine Institution, zumindest hier im Süden kennen alle seine krakeligen Kunstbotschaften. Ich habe einmal sein Haus, ein Gesamtkunstwerk oberhalb von Nizza aufgesucht, das man schon damals nicht mehr einfach so besichtigen konnte.

être libre maintenant

imagination – la vie ne s’arrête jamais
doute – incertitude

Er soll auf dem Grundstück auch eine legendäre Bidet-Sammlung haben – wir haben hier ein altes und besonderes Bidet aus der Erbschaft meiner Schwiegermutter, das ich ihm immer zukommen lassen wollte. Gestern habe ich das neue Frankreich-Magazin erhalten, darin meine Kolumne über eben dieses Ding: das Bidet! Und mein letzter Satz dort lautet: “Von meinem Bidet werde ich mich nur trennen, wenn es in die Bidet-Sammlung des Künstlers Ben aufgenommen wird.” Das wird jetzt nicht mehr stattfinden. Bleibe ich also auf meinem Bidet sitzen. Haha. Kleiner Scherz.

Vielleicht sind Sie zu sehr mit den deutschen Wahlergebnissen beschäftigt und haben es noch nicht bemerkt: In Frankreich ist es noch schlimmer. In fast ausnahmslos allen Städten und Gemeinden Frankreichs hat die rechtsextreme Partei von Marine Le Pen mit ihrem jungen, smarten Kandidaten Jordan Bardella gewonnen. Ganz Frankreich ist dunkelblau, die Farbe des ehemaligen Front National, kurz FN, der jetzt RN heißt, Rassemblement National, als ob das ständige Umbenennen der Parteien irgendetwas ändern würde.

Ich habe im Bergdorf beim Auszählen der Stimmen geholfen, das durfte ich, weil ich jetzt Französin bin und sogar eine Carte d’identité habe, die dann keiner sehen wollte, weil sie mich persönlich kennen, aber ich habe sie trotzdem gezeigt (die neuen Karten sind nur noch so groß wie Scheckkarten, die hat noch keiner gesehen); ich war schon ein bisschen stolz darauf, Striche auf einem offiziellen Dokument zu machen, es war ziemlich unübersichtlich mit über dreißig Parteien, die zur Wahl standen, aber gut, es hatten nur 52 Leute gewählt, wir hatten also eine Wahlbeteiligung von etwa 50%, das war für eine Europawahl für unser Dorf ein ziemlich gutes Ergebnis, aber es war natürlich immer noch überschaubar und so war es relativ schnell erledigt. Dass wir ein Drittel rechtsextreme Wähler im Dorf haben, hat mich nicht überrascht, ich war ganz zufrieden, dass Raphael Glucksmann, ein Kandidat der Sozialisten mit einem guten Wahlprogramm, der eine dezidierte Meinung zur Unterstützung der Ukraine und auch zu Israel und Gaza hat, immerhin auch zehn Stimmen bekommen hat. Erst als ich um 20 Uhr die Nachrichten sehe und feststelle, dass dieses Drittel rechtsextremer Stimmen ganz Frankreich erfasst hat, wird mir ein wenig anders. Und dann der nächste Schock, Macron löst die Nationalversammlung auf und beschließt vorgezogene Parlamentswahlen für den 30. Juni (1. Wahlgang) und den 7. Juli (2. Wahlgang) (er selbst bleibt Präsident, nur die Nationalversammlung wird neu gewählt!) Das ist historisch, das hat es noch nie gegeben. Und seitdem reden alle in allen politischen Sendungen durcheinander.

Von linker Seite wird sofort zu einem Bündnis gegen Rechts aufgerufen, und die eben noch extrem gespaltene Linke schließt sich zusammen – oder auch nicht. Raphaël Glucksmann, der ein Zusammengehen mit Mélenchons linksextremer Partei LFI, La France Insoumise, die als offen antisemitisch gilt, auch wenn die Linke das nicht hören will, immer ausgeschlossen hat, will keinesfalls nur der nützliche Idiot sein (er hatte mehr Stimmen als die LFI) und sich jetzt anschließen und unterordnen. Was wird passieren? Wird man Mélenchon opfern, der ohnehin (zu) alt und zu populistisch geworden ist? Werden die Sozialisten Glucksmann rausschmeißen, dem sie ihr gutes Ergebnis verdanken? Und warum haben die Grünen in Frankreich eigentlich nur mit Ach und Krach 5% erreicht?

Gestern dann der nächste Kracher, Eric Ciotti, ein sehr konservativer Politiker der kaum noch existenten in etwa der CDU vergleichbaren Partei LR, Les Républicains, hat sich der extrem rechten Partei von Le Pen und Bardella angeschlossen, der er vermutlich beste Chancen bei den parlamentarischen Neuwahlen gibt, und man muss ja schauen, wo man bleibt. Es wundert mich eigentlich nicht, Ciotti, der in etwa mit Stoiber von der CSU vergleichbar ist, falls sich noch jemand an diesen Herrn erinnert, ist in der Tat schon immer rechter als rechts gewesen. Kein Verlust. Aber die klassische konservative Partei ist schockiert. Und während auf allen Fernsehkanälen Journalisten, Fachleute und Politiker wild durcheinander rufen, sich gegenseitig ins Wort fallen und heftig diskutieren, wird plötzlich allen das Wort abgeschnitten, um betroffen bekanntzugeben, dass Françoise Hardy gestorben sei. “Maman est partie” habe Thomas Dutronc, ihr Sohn, auf Instagram bekanntgegeben, die Anzahl der Herzen, die er gesetzt hat, seine Liebe zu seiner schon lange schwer kranken Mutter, wird jedes Mal betont. Und wir sehen jetzt alle Fotos aus den sechziger Jahren und dieses zarte Mädchen, das die weiche Seite des “Yeah Yeah” wie die Sechziger-Jahre-Musik hier genannt wird, gewesen sei. Schluss mit der Politik für diesen Abend. Alle summen nun “Tous les garcons et les filles de mon age se promènent dans la rue deux par deux” und erinnern sich an ihre Jugend und ihre erste Liebe.

Heute sollen wir zwei neue Sofas bekommen, zwischen 8 und 12.30 Uhr wurde sie angekündigt. Morgens um Sieben drängt mich Monsieur, mit ihm schwimmen zu gehen, ich kann es fast nicht machen, weil ich die Möbellieferanten nicht verpassen will. “Die kommen nicht vor zehn” wehrt Monsieur meine Einwände ab und schließlich gebe ich meiner cooleren französischen Seite nach und wir fahren los. Am leeren Strand hüpfe ich trotzdem sofort schnell ins Wasser und schwimme dann doch nur die halbe Strecke, auch weil es gerade sehr starke Wellen hat und wir legen uns nicht in die ersten Morgensonnenstrahlen. Wie froh bin ich, dass ich wenigsten das gemacht habe, die Sofas kommen (kamen) nämlich erst um halb zwei! Sehr schick und sehr weiß. Aber wir haben ja keine Katze mehr, die ihre Haare darauf verteilen wird, und wir müssen uns eben einfach öfter die Hände waschen ;-)

Um ehrlich zu sein, ist die Überschrift ein bisschen geflunkert, so besonders sommerlich ist es hier noch nicht, wir hatten auch unterwegs immer Bewölkung und Gewitter, einmal regnete es auch wieder dieses schmutzige Schlammwasser, aber ich will mich nicht beschweren, ich kann zu viel Hitze ja nicht gut vertragen. Alles gut also.

Wir haben aber dennoch schon Sommerbesuch: Die kleine ukrainische Familie ist für drei Wochen angekommen! Wir freuen uns so! Bleiben Sie dran, ich berichte bald!

ps: gerade gesehen, auf arte gibt es eine Doku über Françoise Hardy, falls Sie mehr von ihr sehen, hören und wissen möchten. Françoise Hardy. Die Diskrete.

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Über Männerliteratur, Buchmesse in Nizza und ein Restaurant

Bei Herrn B. habe ich heute morgen in aller Frühe über Austers letzten Roman “Baumgartner” gelesen und mir die kürzlich schon bei ihm verlinkte Literatursendung angesehen, in der sich vor allem Elke Heidenreich über das sentimentale Gejammer über das Älterwerden der Hauptfigur (Seymour Baumgartner) und vor allem über dessen pornographische Briefe, die er an seine verstorbene Frau schreibt, aufregt. Darf man Milde walten lassen bei einem letzten Roman eines gerade verstorbenen Autors? Nein, da sind sich zumindest drei der vier KritikerInnen einig. Drei Frauen und nur ein Mann übrigens, der den Roman aber auch nicht gut findet. Ich habe “Baumgartner” nicht gelesen und ich werde ihn, nachdem, was ich darüber gehört habe, sicherlich auch nicht lesen. Aber vielleicht wird man Auster auch nicht gerecht, wenn man nicht selbst ein gewisses Alter erreicht hat und unter den gleichen Zipperlein leidet und die gleichen Sehnsüchte hat. Aber wir müssen ja in der hohen Schule der Literaturkritik Autor und Werk trennen, und ein alter männlicher Autor muss doch ein frisches Werk über das Alter schreiben, wenn er ernst genommen werden will. Ein frisches Werk, das auch Mittvierziger und Frauen gerne lesen. Kann das funktionieren? Ich fürchte nein.

Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass ich nach einigen (eher unglücklich verbrachten) Semestern Komparatistik, einem Studiengang, der sich mit den Gemeinsamkeiten und gegenseitigen Einflüssen der Literaturen der Welt beschäftigt, auch die (vielleicht sehr banale) Theorie vertrete, dass in jedem Kunstwerk (Buch, Film, darstellende Kunst) immer etwas vom Autor (oder der Autorin) steckt, selbst wenn es sich nicht explizit um Autofiktion handelt, wie zum Beispiel bei Annie Ernaux.

Das Älterwerden (vor allem) der anderen nervt einen, solange man jung ist. Ich habe seinerzeit aufgehört die Krimis von Henning Mankell zu lesen, weil er seinem alternden Helden Kurt Wallander, sowieso kein richtiger Sympathieträger, eine Diabetes verpasste, der dann immer pinkeln muss, auch im entscheidenden Moment den Täter nicht fassen kann, weil er, anstelle ihm hinterherzurennen, schon wieder so dringend hinter ein Auto pinkeln muss. Ich habs gehasst. Alte pinkelnde Männer, ich bitte Sie. Damals glaubte ich, Henning Mankell habe Diabetes bekommen und sie ebenso seinem Helden mitgegeben. Anscheinend war das nicht der Fall, wie ich eben in einem Interview gelesen habe, tut mir leid, ihn fälschlicherweise verdächtigt zu haben, Autor und Werk sind nicht immer eins, aber für mich war der Fall Wallander damit erledigt.

Georges Simenon hat ein Alterswerk verfasst, “Mes dictées”, das etwa zwanzig Bände umfasst; er hat in ein Diktiergerät gesprochen, was ihm so durch den Kopf ging: Alltag, seine Krankheiten und Operationen und unter anderem seine nachlassende Libido. Man muss wissen, dass Simenon zeitlebens ein sexuell sehr aktiver Mann war, 100.000 Frauen soll er gehabt haben, jeden Tag nicht nur eine, und seine Sekretärinnen waren auch alle zu diesem Zweck eingestellt worden. Monsieur, großer Fan von Simenon, hatte diese Bände erstanden und sie als jüngerer Mann (quer-)gelesen und für schlecht befunden. Keine Literatur, überhaupt nicht, aber auch sonst enttäuschend banal. Altmännergejammer. Belanglosigkeiten. Die Bände wurden in der Presse schlecht besprochen und vermutlich hat sie niemand jemals gelesen. Mit Mitte siebzig greift Monsieur noch einmal nach einem der Bände, und siehe da, die Altersweisheiten Simenons “haben jetzt was”. Plötzlich versteht man den alten Simenon, nickt mit Nachsicht, vielleicht fühlt man sich auch an der einen oder anderen Stelle getröstet. Aber banal ist es immer noch, findet Monsieur.

Heute waren wir auf der Buchmesse in Nizza. Festival du Livre, wie es richtig heißt. Courage, also Mut ist diesmal das Thema. Mut brauchte es auch von meiner Seite, um etwas, das Monsieur geschrieben hat, an die AutorInnen zu verteilen. Das war eigentlich der Grund, warum wir dort waren.

Es war schönstes Wetter und die Buchmesse findet in Nizza draußen statt, am Ende der sogenannten “coulée verte”, einem innerstädtischen Park, der sich über dem Flüsschen Paillon durch die Stadt schlängelt. Das haben sie gut hingekriegt in Nizza, das muss man sagen, dieser Park ist toll und wird so gut besucht, dass man sich fragt, wo all die Leute eigentlich vorher hingegangen sind. Die Buchmessestände stehen auf der anderen Seite der Place Massena, im Park Albert I, der bis zum Meer reicht.

Was für ein schöner Ort! Ich bin entzückt von dem wilden Durcheinander von Gräsern, Blumen und Bäumen.

Genauso entzückt bin ich von den schönen kleinen versteckten Plätzen, an denen später Interviews und Gespräche stattfinden werden.

Autorinnen und Autoren sitzen hinter einem Stapel ihrer Bücher und versuchen, diese an den Mann oder die Frau zu bringen. Manche der AutorInnen sind bekannter, andere weniger. Gleich am ersten Stand fragt mich ein Autor, ob ich mich für Krimis interessiere, ich lächle leicht und er fühlt sich ermutigt, mir seinen sechsten Krimi anzupreisen. Er sei Hochschullehrer gewesen und erst mit Mitte sechzig als Pensionär zum Schreiben gekommen, erzählt er mir in einem Atemzug mit dem Inhalt. Ich lese den Klappentext: Eine Serienmörderin, die ihre männlichen Opfer beim Liebesakt entmannt und erwürgt. Vorsichtig lege ich das Buch weg. Die Phantasien alter Männer dominieren heute.

Mit einem anderen (ebenfalls älteren) Krimiautor aber sympathisiere ich: Er schreibt historische Krimis, die im Mittelalter in Nizza und im Hinterland spielen, damals das Herzogtum Savoyen. Er ist erstaunt, dass ich die Orte und ihre Besonderheiten kenne (in Roure, einem kleinen Bergdorf, wo ich vor langer Zeit in einem Hotel als Zimmermädchen gearbeitet habe, gibt es zum Beispiel eine kleine Kapelle mit Fresken, die den Teufel darstellen). Dann kaufe ich ihm einen Krimi über die mittelalterliche Malerfamilie Bréa ab (in meinem Bergdorf hängt so ein Bréa in der Kirche!).

Später gehen Monsieur und ich Mittagessen in ein klitzekleines Restaurant, dass Anja und Aila von @rivierago kürzlich in einem ihrer Videos vorgestellt haben: La Merenda. Zwanzig Plätze gibt es. Keine Reservierung, keine Kreditkarten. Eine kleine Speisekarte mit typischen regionalen und saisonalen Gerichten: frittierte Zucchiniblüten als Vorspeise oder gefüllte Sardinen, Stockfisch, Daube (Rindfleischeintopf) oder Tripes (das sind Kutteln) als Hauptgericht. Zum Dessert tarte au citron, Mousse au chocolat oder Erdbeeren mit Rosé. Wir sind, neben dem Koch und Besitzer Dominique le Stanc, Ex-Sterne Koch des Negresco, und seinem Team, die einzigen Franzosen im Restaurant. Das ist ein bisschen bizarr, aber wundert auch nicht, denn, wenn das kleine Restaurant überall als Geheimtipp angepriesen wird, dann ist es irgendwann einfach keiner mehr. Weshalb ich mit meinen Tipps immer sehr zurückhaltend bin. Das Essen (Pissaladière, frittierte Zucchiniblüten, Pates Pistou, Tripes) ist sehr fein!

hier schon beim Nachtisch: tarte au citron

Die Teller hat ein Künstler für das Merenda geschaffen

und auf dem Klo hängt ein Kunstwerk von Schlote, der wie ich gegoogelt habe, früher in Nizza gelebt hat. Den kennen vermutlich nur noch so alte Boomer wie ich.

Wir sprechen beim Essen über Männer und Frauen und das Älterwerden. Vielleicht kann der letzte Roman von Paul Auster nur von einem älteren Mann gelesen und geschätzt werden. Und vielleicht sollte er auch konsequenterweise von einem älteren Mann übersetzt werden. Männerliteratur eben. :D

Schönes Wochenende!

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Anora – La Palme d’or 2024

Nun, ich reiche es hier noch nach, falls Sie es noch nicht anderweitig gelesen haben, “Anora” hat die Goldene Palme 2024 in Cannes bekommen. Anora ist der Vorname der Sexarbeiterin, die in einem Nachtclub, vielleicht ist Stripclub das bessere Wort, arbeitet. Einer ihrer Kunden ist der sehr junge Ivan, der Sohn einer ultrareichen russischen Oligarchenfamilie, der sich ein paar schöne Tage in New York macht, wo die Familie ein protziges Anwesen besitzt. Er bezahlt Anora dafür, dass sie eine Woche mit ihm verbringt, es erinnert hier leicht an “Pretty Woman”, in dieser Woche wird gefeiert getrunken und gekokst, was das Zeug hält, Ivan ist begeistert von Anora, die alles mitmacht und sich nebenbei von ihm vögeln lässt. Er macht ihr einen Heiratsantrag und sie heiraten spontan in Las Vegas. Großer Schock als das bis nach Russland durchsickert, die armenischen Aufpasser des jungen Ivan sind in Schwierigkeiten, wie konnte das passieren? brüllen die russischen Eltern durchs Telefon, und reisen unverzüglich im Privatjet an, damit diese Ehe mit allen Mitteln annuliert wird.

Die Zuschauer werden kurz vor Filmbeginn noch einmal auf die kommenden Sex- und Gewaltszenen hingewiesen, ich erwarte das Schlimmste, aber die Sexszenen sind nicht verstörend, später kämpft die kleine Anora tapfer gegen die bulligen Armenier, während ihr frisch angetrauter Ehemann sich aus dem Staub macht. Das alles ist auch komisch. Selten habe ich bei einer Goldenen Palme so viel gelacht. Ob es unbedingt der richtige Film für diese große Auszeichnung ist, das sei dahingestellt. Katja Nicodemus von der ZEIT ist auf jeden Fall enttäuscht, man hätte die Palme, so findet sie, dem aus dem Iran geflohenen iranischen Regisseur Mohammad Rasoulof für den heimlich gedrehten Film “The seeds of the sacred fig” geben und damit auch ein politisches Statement abgeben sollen, hier ein link zu arte und einem Interview mit ihm, anstatt ihn mit einem eigens geschaffenenen Preis “abzuspeisen”. Ihren Rückblick und ihre Enttäuschung über ein Festival das unpolitisch in seiner “Blase” geblieben ist, könnten Sie sich hier anhören.

Ich hatte mich am Samstag früh für Karten angestellt, Sie wissen, dass es für die Einwohner von Cannes, die sich mit Wohnsitznachweis in Form etwa einer Telefonrechung bei der Stadt einfinden (derzeit im Gebäude der Hafenmeisterei), pro Haushalt jeweils zwei Karten für die Goldene Palme, die einen Tag nach dem Festival gezeigt wird, gibt. Was ich nicht wusste, ist, dass dieses Kartenkontingent endlich ist. Bislang wurde mir immer erzählt, es gäbe so viele Vorstellungen wie es Interessenten gäbe. Njet. Es gibt drei Vorstellungen, ein Großteil der Karten geht vermutlich vorab an die Vereine und ich weiß nicht wohin, und der Rest ist “so lange Vorrat reicht” unter den erwähnten Bedingungen erhältlich. Man muss rechtzeitig da sein, das Büro öffnet um 9 Uhr. Ich war um 10 Uhr da und stand so weit hinten am Kai, wie nie zuvor.

Angeblich waren Menschen schon um 7 Uhr da. Das Besondere in französischen Gruppen, auch wenn sie sich wie hier in einer Schlange formieren, ist, dass immer sofort mit den Umstehenden gequatscht wird. Ich bin ein bisschen müde, vormittags bin ich nicht die Gesprächigste, ich tausche ein paar lustlose Sätze mit der Dame hinter mir aus. Vor uns steht eine weißblonde Dame russischer Herkunft und man diskutiert den Ukrainekrieg. Man ist pro Putin, es macht mich fertig, diesen Mist anhören zu müssen, aber ich habe weder Energie noch Lust, mit einer Russin und ein paar selbsternannten Spezialisten zu diskutieren. Es reicht mir, dass ich das am Dienstag wieder mit meiner weltpolitisch ebenso bewanderten Friseurin durchkauen muss. Die Russin ist außerdem Influencerin und hauptberuflich auf Kreuzfahrtschiffen unterwegs. Sie zeigt ein paar Videos von sich auf irgendeinem Schiff. Das beeindruckt die Umstehenden, man diskutiert Kreuzfahrten, die Russin hat Kontakte und kann Kreuzfahrten verbilligt anbieten, sie liest die zehn Namen der Unternehmen vor, für die sie arbeitet. Das interessiert die Dame hinter mir und zum Austausch der Telefonnummern rückt sie ein paar Plätze nach vorne und bleibt so plaudernd neben der Russin stehen. Ich lasse es zu, denn so finden die spannenden Gespräche vor mir statt und ich stehe nicht mehr mittendrin, während wir schrittchenweise vorrücken. Ich betrachte den Yacht-Alltag, ein junger Mann reinigt und weißelt per Hand zentimerterweise ein Schlauchboot, ich mache Fotos und schweige.

Plötzlich geht das “Gerücht” durch die Reihe, dass die 18 Uhr Vorstellung complet sei. Es gäbe nur noch Karten für die 14 Uhr Vorstellung. Ist mir egal, ich wollte sowieso Karten für die 14 Uhr Vorstellung. Wir kommen der Hafenmeisterei näher. Es gäbe nur noch 48 Karten heißt es plötzlich. 48?! Ich zähle die Köpfe vor mir. Etwa hundert. Aufregung in der Reihe. Ich werde auch aufgeregt, dass ich keine Karten bekommen könnte, hatte ich nicht bedacht. Wie soll ich das der Freundin sagen, die extra deswegen anreist, und der ich vollmundig Karten versprochen habe?

Exakt eine Stunde später stehe ich endllich auf den Stufen zur Hafenmeisterei.

Vor mir noch etwa fünfzehn bis zwanzig Personen. Schluss. Aus. Keine Karten mehr, heißt es jetzt. Es beginnt ein lautes Diskutieren an der Tür, die irgendwann mit Hilfe der Security geschlossen wird. Sofort stehen fünf Security Männer in schwarzen Anzügen vor der geschlossenen Tür. Es ist zwecklos. Ich bin fassungslos und so enttäuscht. Wäre es nur um mich gegangen, dann hätte ich gesagt, tant pis, na gut, dann eben nicht. Aber die Freundin! Wie soll ich ihr das sagen? Ich gehe zur Nervenstärkung erstmal ein Eis essen. Dann rufe ich die Freundin an, sie sitzt im Zug zum Flughafen. Sie IST enttäuscht. Sehr.

Wieder zuhause, rät mir die Familie, es anderntags mit einem Zettel “Suche Karten” zu versuchen. Der Rat, den ich ja auch immer gerne gebe, wenn man mich fragt, wie man hier an Karten kommen könnte. Das mache ich auch. Anderntags um 13 Uhr komme ich zum Palais des Festivals und die Schlange für den Einlass, der noch nicht begonnen hat, ist schon lang. Ich ziehe meinen Zettel aus der Tasche, atme einmal kurz durch und laufe freundlich lächelnd an der Schlang entlang. Bedauerndes Kopfschütteln hier, abweisende Blicke da. Aber dann zieht eine Dame eine Karte aus einem Umschlag. Eine hätte sie übrig! Super! Ich bin so froh, wenigstens die Freundin hätte ihre Karte! Und dann bekomme ich die zweite Karte zugesteckt! Boah! So schnell! Beide Karten im Balkon, wir werden nicht getrennt sein! Es gibt keine reservierten Plätze, aber wir können uns zwei Plätze zusammen suchen.

Vorausgesetzt die Freundin ist rechtzeitig da, denn sie sitzt in einem Vorort fest und es kommt kein Bus. Ich warte am Security-Check und sehe, wie hier noch manche(r) versucht, Karten loszuwerden. Denn ja, man nimmt samstags früh natürlich immer zwei Karten, aber dann erfährt man am Samstag Abend, welcher Film die Goldene Palme bekommen hat, auf den manch eine(r) dann keine Lust hat. Oder die Begleitperson hat keine Lust oder Zahnweh oder weiß der Kuckuck. Ich kann jetzt also aus eigener Erfahrung sagen, dass man, wenn man sich traut, nach Karten zu fragen, man mit ziemlicher Sicherheit auch eine bekommt oder gar zwei.

Und ja, die Freundin schafft es, wir liegen uns kurz in den Armen, dann stürmen wir die roten Stufen hinauf, genießen kurz den Blick, machen ein Selfie (nicht dokumentiert) und suchen uns einen Platz.

Der Film bekam wenig Applaus, auch mich hat er nicht komplett hingerissen. Er ist sehr laut, sehr schnell, “bodenständig” und linear erzählt, und die Dialoge bestehen fast nur aus dem Wort “fu**” in allen denkbaren Variationen. Aber ich finde ihn dennoch gut. Der Blick auf die Welt der Sexarbeit im amerikanischen Kino ist ein Verdienst. Die junge Schauspielerin Mikey Madison ist beeindruckend. Und bei allem Elend ist der Film auch komisch. Sean Baker hat seinen Film in seiner Dankesrede allen Sexarbeiterinnen früher, heute und zukünftig gewidmet. Das hat es in Cannes auch noch nicht gegeben.

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Monaco und anderes

Eigentlich ist es umgekehrt, erst kommt etwas anderes, dann die Fotos von Monaco, aber es hörte sich überschriftsmäßig nicht sehr rund an und ich wollte das inflationär genutzte “dies und das” heute mal vermeiden.

Kurzer Besuch in Deutschland also, am Flughafen in Nizza entging man dem Festival aber auch nicht. Ich vermute stark, es handelt sich nur um Deko und es wird kein ausgelagertes Festival-Event in der Flughalle des Terminal 1 geben.

Ausnahmsweise hatte ich beim Hinflug einen Fensterplatz, die Umbuchung des Sitzplatzes ist jetzt (bei den Economy-Flügen) kostenpflichtig, also lasse ich mir den Fensterplatz gefallen und auf dem Rückflug zähneknirschend den mittigen Platz, den ich wirklich nicht mag. Der Blick aus dem Fenster aber bringt mir das Foto zum vorletzten Artikel, in dem ich berichtete, dass sich der vom Regen aufgewühlte und verschlammte Fluss Var bei St. Laurent ins Meer “wirft”. Hier sehen Sie, wie das aussieht. Ganz rechts im Bild sieht man den sich dahin schlängelnden Fluss, die Mündung aufzunehmen habe ich leider knapp verpasst, aber das Ergebnis ist eben Schlammgrau in Türkis.

Auf dem Rückflug erlebe ich zum ersten Mal, dass die Business Class die Hälfte des Flugzeugs einnimmt, viele mittelalte und ältere Herren sitzen dort, der Sprache nach amerikanisch, mit edlem Sporthemd und Baseballkappe. Die Formel 1 lässt schön grüßen. Und damit sind wir auch schon beim Thema. Ich war bisher nur ein paar Mal in Monaco und noch nie während oder gar wegen der Formel 1. Schnelle und zudem viel zu laute Autos im Kreis fahren zu sehen, ist überhaupt nicht mein Ding. Monsieur war als junger Mann mehrmals als Zuschauer dabei, heute schaut er sich das Spektakel lieber gemütlich vom Sofa aus an, wo es allerdings oft so langweilig ist, dass er dabei einnickt. Früher, ja früher, als noch nicht alle Autos gleich schnell fuhren und es noch weniger Sicherheit gab, dafür aber spektakuläre Überholmanöver und leider auch immer wieder Unfälle, brennende Autos und verletzte Fahrer, da war die Formel 1 noch spannend. Der letzte Tote in der Formel 1 war Ayrton Senna (1994 beim Grand Prix von San Marino/Imola). Das habe ich aus dieser makabren Liste. Es gibt ja Listen für alles. Aber der Tod von Jules Bianchi, einem sehr jungen Rennfahrer aus Nizza, der aus einer südfranzösischen Rennfahrerfamilie stammte und 2014 in Japan verunglückte und an den Spätfolgen starb, ist der, an den man sich hier am meisten erinnert. Ich persönlich erinnere mich nur an den Unfall von Niki Lauda. Dazu gibt es übrigens Videos im Internet, die man sich ohne die heute so übliche Vorwarnung für “sensible Menschen” anschauen kann. Aber das verlinke ich Ihnen nicht.

Als wir kürzlich von Beausoleil, das ja an Monaco grenzt, zum monegassischen Hafen wollten, um die in der Zeitung erwähnte historische Ferrari-Sammlung im Auto-Museum des Fürsten anzusehen, stießen wir auf Absperrungen und Umleitungen und sahen von Ferne Tribünen. Aah! Hier denken Sie sich ein “Mit-der-Hand-auf-die-Stirn-klatsch-Geräusch”. Die Formel 1! Wie konnten wir das nur vergessen? Erstaunlicherweise finden wir doch noch einen Parkplatz in einer kleinen Seitenstraße unweit des Hafens und erkundigen uns bei einem Mitarbeiter der Stadt (in erkennbarer Warnweste), der gerade einer Dame beim Aufladen ihres Elektroautos hilft, nach dem Weg zur Ausstellung. Er erklärt uns den Weg, sagt aber auch, dass wir wahrscheinlich nicht hinkommen, weil alles abgesperrt ist, oder wir möglicherweise lange Umwege machen müssen oder vielleicht über die “passerelle” auf die andere Seite kommen. Ich werde etwas aufgeregt, als wir uns in den Strom der Menschen einreihen, die sich an den Absperrgittern vorbeischieben.

Aber es ist natürlich kein richtiger Formel-1-Tag, letztes Wochenende fand hier der “Historische Grand Prix von Monaco” statt, aber heute ist ein ganz normaler Montag, die Autos, die auf der Rennstrecke an uns vorbeifahren, sind “normale” Porsche, Mercedes oder Nullachtfünfzehn, dazwischen auch ein paar Motorräder.

Die passerelle, eine Behelfsbrücke, ist gesperrt, aber es gibt überraschend eine kleine Öffnung in der Absperrung.

Überqueren auf eigene Gefahr, Blick nach links (eigentlich überflüssig), Blick nach rechts (von dort kommen heute alle) und los.

Wir hoppeln über die Rennstrecke, ich gebe zu, dass ich das aufregend finde,

dann unter Tribünen und über Behelfstreppen zickzack zum Hafen hinab, vorbei am Automobilclub (der andere Prestigeträchtige Verein Monacos neben dem Yachtclub),

Blick aufs Schwimmbad, Monte Carlo und Monaco. Und überall Tribünen.

Die Ausstellung aber hat bereits geschlossen, man kann sich noch so sehr die Nase am gläsernen Eingang platt drücken, man sieht absolut nichts von den Ferraris. Dann also auf dem gleichen Weg wieder zurück.

Monsieur bestaunt wenigstens den neuen Lotus und einen neuen Ferrari in einem Autohaus,

Wir kommen am Polizeirevier vorbei, dort eine Büste von Fürst Rainier, mit rot-weißem Blumenschmuck (rot-weiß sind die monegassischen Nationalfarben)

ich mache noch ein paar Bilder und dann fahren wir schon wieder davon.

Nach zwei Umleitungen sind wir plötzlich auf der Rennstrecke! Und das mit unserem kleinen Fiat, ich kann es nicht glauben, und ich kann kein Foto machen, weil ich fahren muss, herrjeh!

Wer sich für alte Ferraris interessiert, hier ein kleiner Einblick: Die Erfolgsgeschichte von Ferrari begann 1950 in Monaco! In der Ausstellung sind alle Ferraris zu sehen, die von berühmten Rennfahrern (Niki Lauda! Michael Schuhmacher!) gefahren wurden und heute privaten Sammlern gehören! Nebenbei gibt es einige Filmschnipsel von den fast gemütlich anmutenden Autorennen der 50er Jahre, als die kleinen runden Autos noch ohne Sicherheitsvorkehrungen an den Geschäften und Cafés der Innenstadt vorbeifuhren, und von heute.

Und falls Sie sich jetzt für den Grand Prix de Monaco interessieren, der findet jetzt am Wochenende statt. Gut sehen könnten Sie das Spektakel etwa von einer Hochhausterrasse oder von einer Jacht, wenn Sie dafür vielleicht schnell noch ein VIP-Paket erstehen wollen. Buffet, Champagner und Anti-Lärm Kopfhörer inklusive. Preis für die Hochhausterrasse am morgigen Samstag etwa ab 4950€. Schnäppchen.

Man setzt hier übrigens große Hoffnungen in den jungen Monegassen Charles Leclerc, ein enger Freund von Jules Bianchi.

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Dies und das am Pfingstmontag

drei Freundinnen

Dann bekommen Sie gleich noch einen Meer-Eindruck von heute früh. Es war nicht sehr sonnig, auch nicht sehr warm. Der Fünfmaster ist weg, dafür haben wir ein Kreuzfahrtschiff bekommen. Wir gehen nacheinander schwimmen; als ich ins Wasser gehe, kommt Wind auf, Ostwind, der mich deutlich nach Westen treibt. Ich muss im Prinzip die ganze Zeit gegen Wind und Wellen nach Osten schwimmen, um wieder zurück an den Strand zu kommen, an dem mein Handtuch liegt. Es ist anstrengend und irgendwann lasse ich es sein und lasse mich nach Westen treiben und versuche die Kurve zum nächsten Strand zu bekommen. Von dort laufe ich zurück.

Vom Strand aus sehe ich (neben Kreuzfahrtschiff und Fischerboot) einen Stand-up-Paddler (winzig klein, rechts von den gelben Bojen, sorry für die schlechte Handy-Qualität), der rasant schnell in den Westen rauscht, wie der wieder zurückkommen wird, frage ich mich. Auch zu Fuß?

Zuhause bereite ich das Mittagessen vor, es soll ein Schweinefilet (Filet mignon) auf einem Frühlingsgemüsebett geben, alles zusammen geschmort im Backofen, nach einem Rezept von Aurelie Bastian alias @französischkochen. Als ich gerade alles in den vorgeheizten Ofen schieben will, geht mit einem Schlag der Backofen aus. Ich drücke auf die Lichtschalter, auch sie reagieren nicht. Es ist also nicht nur der altersschwache Backofen, sondern eine größere Störung in der Wohnung oder im Haus. Die Sicherung ist jedoch nicht rausgeflogen. Ich versuche das Licht im Treppenhaus anzuschalten. Ebenfalls vergeblich. Ich warte ein paar Minuten, kurze Stromausfälle haben wir hier immer mal wieder. Aber nach zwanzig Minuten rufe ich den Stromanbieter Enedis auf der Hotline an. Das geht natürlich nur, weil ich ein Mobiltelefon habe, das Festnetztelefon funktioniert nicht ohne Strom – bevor man mich zu einem echten Menschen durchstellt, erzählt mir eine Computerstimme, ich möge erst sicherstellen, dass ich meine Stromrechnung bezahlt habe und ansonsten doch im Internet nachschauen, woran die Panne läge. Dass man ohne Strom im Internet in der Regel nichts recherchieren kann, zumindest nicht am PC, regt mich immer wahnsinnig auf. Aber dann habe ich schon einen Herrn am Telefon, dem ich die Störung in Cannes melde. Er prüft und schweigt. Es sei eine Panne im secteur sagt er dann. Ein ganzes Gebiet sei betroffen. Er könne keine Auskunft geben, wie lange es dauern werde, aber man kümmere sich bereits darum. Ich denke mir, dass die hochgetunte Technik während des Festivals daran schuld ist. Gleichzeitig bin ich sicher, wenn es beim Festival auch einen Stromausfall gab, dann wird es bestimmt schnell repariert werden. Es sei denn, es ist wieder, wie letztes Jahr, eine Aktion der Gewerkschaft, die dem kapitalistischen Trallala mal eben den Strom abgestellt hat. Nun, ich warte noch ein bisschen, aber nach einer Dreiviertelstunde mache ich mich daran, das Essen auf dem Gasherd zuzubereiten. Glücklicherweise hat man im altmodischen Frankreich immer noch Gasherde! Fünfzig Minuten später, das Filet mignon ist nun im gusseisernen Topf durchgebraten, das Gemüse in der Pfanne geschmort, ist der Strom wieder da. Das Rezept kann ich empfehlen, ist einfach zuzubereiten (noch einfacher gehts vermutlich im Backofen, vorausgesetzt man hat Strom) und es war äußerst lecker!

Beim Filmfestival wurde der neue Film von Jacques Audiard gefeiert: “Emilia Perez”: ein spanisches Musical über einen Drogenboss, der aussteigen will und sich dafür einer Geschlechtsumwandlung unterzieht. Klingt skurril, hat aber ausnahmslos alle in seinen Bann gezogen. Zehn Minuten Applaus! Der Film sei ein Kandidat für die Goldene Palme wird hier laut gesagt.

So viel für heute und von hier. Jetzt bereite ich ein paar Sachen vor, denn morgen fliege ich kurz nach Deutschland. Ende der Woche melde ich mich vermutlich wieder. Passen Sie schön auf sich auf!

à bientôt!

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Am Fluss und im Meer

Auf dem Weg zum Flughafen hatten wir noch Zeit, wir waren extra früh losgefahren, um nicht in den Berufsverkehr zu geraten – auf dem Rückweg sahen wir den Stau, dem wir so entkommen waren – und hielten kurz vor dem Flughafen, am Ufer des Var an. Monsieur las oder döste vielmehr, ich machte einen Erkundungsspaziergang im Var; das wollte ich schon lange mal machen. Sie haben richtig gelesen, im Var! Der Fluss Var, der ein paar Kilometer oberhalb des Bergdorfes aus mehreren Quellen entspringt und auf seinem Weg nach unten von vielen kleinen Nebenflüssen gespeist wird, “wirft sich hier ins Meer”. Dass die Flüsse, die sich ins Meer werfen (le Var se jette dans la mer) eigentlich Ströme sind und im Französischen männlich, die Flüsse, die sich in den Strom werfen, durchweg weiblich sind, wissen Sie vielleicht, ich habe es früher schon einmal erzählt.

Der Var also, in dem man oben in den Bergen manchmal baden kann, in sehr heißen Sommern, wenn einen das sehr kalte Wasser nicht mehr schreckt, er wirft sich hier, knapp einen Kilometer vor uns bei St Laurent du Var ins Meer. Manchmal, wenn es tagelang stark geregnet hat, ist der Var (auch aufgrund seiner Schiefererde, die er mit sich führt) nicht nur sehr groß, sondern auch sehr grau und aufgewühlt und führt, trotz einiger Schleusen unterwegs, viel Unrat mit sich, das sieht man an der Mündung, wo sich das blaue Meer und die graue Schlammbrühe vermischen. Manchmal ist dann das Baden verboten, manchmal hat man auch von alleine keine Lust. Wahrscheinlich ist das Wetter sowieso schlecht.

Am Freitag war der Fluss zwar schmutzig grau und aufgewühlt, es regnet hier zur Zeit ungewöhnlich viel, aber das Flussbett war dennoch weit und leer. Manchmal ist es im Sommer so weit und leer, dass sich Wohnsitzlose dort vorübergehend niederlassen. Ist aber natürlich verboten, denn nach einem Gewitter, und davon gibts im Sommer in den Bergen viele, kann der Fluss hier unten, ohne ersichtlichen Grund (das Gewitter und der Regen in den Bergen sind hundert Kilometer weiter südlich nicht zu erahnen) überraschend schnell anschwellen. Auch oben in den Bergen, wenn man etwa eine der beliebten Wanderungen durch die Schluchten macht, steigt das eben noch nur knöchelhohe Wasser bei Regen schnell an, und man kann nirgendwo ausweichen. Ich nähere mich dem Var also vorsichtig, während ich über die Kieselsteine und den etwas schlammigen, aber festen Boden seines Flussbettes gehe. Aber natürlich passiert nichts. Ich treffe nur ein paar fette und unerschrockene Großstadttauben, die im Schlamm nach Würmern suchen.

Gestern dann war es endlich wieder so warm, dass wir morgens an den Strand gehen konnten. Es wehte dann aber doch so sehr, dass ich zunächst nicht glaubte, dass ich schwimmen gehen würde, aber nachdem ich den Strand einmal entlang gelaufen war, um den Fünfmaster (es soll das Schiff vom Club Med sein) besser sehen zu können, war es mir so warm, dass ich mich in die Wellen warf.

Am Strand traf ich übrigens eine Gruppe der “Mamadous”, der senegalesischen Straßenverkäufer. Wir begrüßten und und ich fragte wie die Geschäfte liefen. “Très bien”, sagte mir einer der ehemaligen Nachbarn. Um dann “un peu” nachzuschieben. “Un peu bien” meinte er dann schließlich. Ein bisschen gut.

Dann sah ich, wie sie einer nach dem anderen im Abstand von etwa 15 Minuten schwer bepackt den Strand entlanggingen.

Ich schwamm ein ordentliches Stück, nicht so weit wie im Schwimmbad, das Schwimmen war in den Wellen ein bisschen anstrengender als das bloße Geradeausschwimmen im Hallenbad, ich musste quasi kreuzen, um nicht an den nächsten Strand im Westen abgedrängt zu werden. Zuerst kam ich euphorisch aus dem Wasser, “jeden Tag werde ich wieder schwimmen gehen”, sagte ich großspurig, nachmittags war ich dann völlig erschöpft und machte eine zweistündige Sieste. Vor ein paar Jahren war ich noch in der Lage, das ohne das geringste Anzeichen von Müdigkeit zu tun. Älterwerden ist ein bisschen ernüchternd.

Heute früh war ich dann auch gleichmal nicht schwimmen, sondern einkaufen. Da ist es wieder. Frau darf natürlich Schwimmen, Lesen oder Schreiben, aber das Essen muss trotzdem mittags auf dem Tisch stehen, vor allem, wenn Gäste da sind. Immerhin habe ich gerade eine Stunde in “Das Lächeln meiner Mutter” von Delphine de Vigan gelesen. Ich mag den Stil, aber ich bin nicht sicher, ob das Thema und die Stimmung des Buches mir gerade gut tun.

Das Filmfestival geht ein bisschen an mir vorbei dieses Jahr. Nicht nur, dass ich keine Tickets bekommen habe (ich ging bei der Verlosung von Kartem, Invitations wie das hier heißt, für die Einwohner von Cannes leider leer aus), früher musste ich gar nicht viel tun, um vom Festival mitgerissen zu werden, denn Serge, der verstorbene Freund, der natürlich immer akkreditiert war und mir hin und wieder Karten weitergab, und der uns über alles, was er gesehen, erlebt und gehört hatte, auf dem Laufenden hielt, stets begeistert und von ungeheurem Mittelungsdrang beseelt, brachte uns das Filmfestival quasi nach Hause. Das fehlt jetzt. Er fehlt.

Statt Festivalfilmen schaue ich mir abends die neue iranische Serie “The Actor” auf arte an. Absolut spannend!

Noch einen schönen Pfingstsonntagabend! à bientôt!

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Dies und das am Freitag

Ich wollte den Eintrag eigentlich “Der Müll, die Stadt und das Festival” nennen, frei nach Fassbinder, aber ich habe weder Stadt noch Festival zu bieten. Ich komme einfach nicht hin. Auf der Mülldeponie war ich immerhin gestern. Ich musste das Auto vom Müll befreien, weil wir heute jemanden am Flughafen abgeholt haben und drei Sitze brauchten.

Ich bettelte Monsieur also gestern um eine Prokuration an, er amüsierte sich prächtig, dass er seiner Frau eine Vollmacht zum Müll wegbringen schreiben durfte. In der Zwischenzeit hatte ich die Zugangskarte aktualisiert, man musste im Prinzip nur nachweisen, dass man noch dort wohnte, wo man vor Jahren bei der Ausstellung der Karte angegeben hatte.

Gestern Nachmittag fuhr ich also wieder ans andere Ende der Stadt, bewaffnet mit Zugangskarte, Prokuration und meiner eigenen Carte d’identité. Und was passierte? Nichts! Ich drückte die Zugangskarte auf das entsprechende Feld und die Schranke öffnete sich wie von Zauberhand, niemand wollte etwas von mir wissen. Ich war kurz davor, auszusteigen und die Herren am Eingang aufzufordern, dass sie meine Vollmacht gefälligst scannen, damit ich sie nicht jedes Mal mitnehmen muss. Aber dann habe ich es gelassen und bin einfach zu den Containern hochgefahren. Die Herren dort waren wie immer freundlich und haben mir die richtigen Container gezeigt, aber getragen und entsorgt habe ich alles selbst. Und das war’s!

Ich habe auf dem Rückweg noch in einem Supermarkt eingekauft, der dort in der Nähe liegt, denn bis dahin kommen die wenigsten Festivaliers. In der Innenstadt, und das ist einzige, was ich derzeit über die Stadt zu Zeiten des Festivals sage kann: in der Stadt sind die kleinen Supermärkte leergekauft. Gähnende Leere in den Regalen: Kaffee, Klopapier, Mineralwasser – weg.

Am Montag, als wir unterwegs waren, erblickte ich die Nachricht, dass Alice Munro gestorben war, aber ich war voll mit dem Unterwegssein, und dann hatten wir knapp zwei Tage lang kein Internet und somit auch kein Fernsehen und auch nur ein schwaches Mobilfunknetz, da verliert man schnell den Anschluss an die Tagesaktualität. Wir sind dann abends in ein kleines Stadtteilkino gegangen und haben ein Kino für uns alleine gehabt und “L’homme aux mille visages” gesehen.

Ein Dokumentarfilm über einen Mann, der unter vielen Identitäten und mit vielen Frauen gleichzeitig lebt(e). Interessant und verstörend. Als wir zurück kamen, gab es in unserem Viertel keine Straßenbeleuchtung mehr. Auch verstörend, wie finster unser Viertel ist. Alice Munro war mir bei alledem wieder entfallen. Herr Buddenbohm erwähnte sie heute, vor allem erwähnte er, wie wenige Menschen sich zu ihrem Tod geäußert hätten, im Vergleich zu Paul Auster. Das trifft mich, denn obwohl ich spät zu ihren Kurzgeschichten gefunden und bei weitem nicht alles von ihr gelesen habe, ist sie meine Heldin!

Als sie den Nobelpreis bekommen hat, habe ich ein bisschen über sie gelesen und bin dabei auf dieses Interview gestoßen, das lange vor dem Nobelpreis geführt wurde. Ich habe es gerade noch einmal gelesen und fand und finde sie darin immer noch so sympathisch! Das war auch der Grund, warum ich mir ihre Kurzgeschichten gekauft habe! Ich bin dann nicht sehr weit gekommen, weil ich die Personen in ihren Kurzgeschichten so spannend fand, dass ich gerne mehr über sie und ihre Geschichte erfahren hätte und sie nicht schon nach zwanzig Seiten wieder verlassen wollte.

ZEIT: Woher rührt Ihre Liebe zur kurzen Form?

Munro: Als ich zu schreiben begann, in den Fünfzigern, war ich wie alle Frauen damals eine Hausfrau, ich hatte kleine Kinder, mein Mann arbeitete außer Haus. Ich hatte schlicht zu wenig Zeit für das Schreiben, keine Zeit für große Würfe. Zur Kurzgeschichte fand ich also aus sehr praktischen Gründen. Und ich glaube, es ging den meisten schreibenden Frauen meiner Generation so: Sie mussten sich ihre Zeit fürs Schreiben zusammenstehlen.

ZEIT: Wie muss man sich diesen Alltag vorstellen?

Munro: Nun, als die Kinder klein waren, mussten sie immer einen Mittagsschlaf halten, und zwar alle zur gleichen Zeit, ob sie wollten oder nicht – denn das gab mir eine oder zwei ungestörte Stunden für mein Schreiben. Als sie dann zur Schule gingen, wurde es etwas besser, da hatte ich pro Tag etwa drei Stunden für mich. War ich einmal richtig drin in einer Geschichte, ging im Haushalt alles drunter und drüber. Ich schälte die Kartoffeln, dachte mir dabei die nächsten paar Sätze aus, setzte die Kartoffeln auf, und während diese kochten, rannte ich ins Wohnzimmer und schrieb wieder ein paar Zeilen. Dann schnell wieder in die Küche – mehr als einmal waren die Kartoffeln dann verkocht. Ich hatte damals kein eigenes Arbeitszimmer – und bis heute habe ich keines. Ich schreibe an einem kleinen Sekretär in einer Ecke des Wohnzimmers.

ZEIT: Warum tun Sie das?

Munro: Heute ist es bloß noch eine Marotte, aber es kommt natürlich daher, dass ich in einer Zeit zur Schriftstellerin wurde, als dies für Frauen kein Beruf war. Männer waren Schriftsteller. Und sie waren es mit Leib und Seele, sie fühlten sich berufen, taten nichts anderes. Männer hatten deshalb auch ein Büro zum Schreiben. Frauen nicht. Frauen schrieben nebenbei, heimlich. Ich glaube, dass ich bis heute ganz anders arbeite als ein schreibender Mann.

ZEIT: Nämlich wie?

Munro: Noch heute schreibe ich in relativ kurzen Konzentrationsphasen, um dazwischen irgendetwas anderes zu machen im Haus. Nach wie vor trage ich die Verantwortung für den Haushalt. Oder fühle mich zumindest verantwortlich dafür. Verstehen Sie mich nicht falsch, mein zweiter Mann und ich, wir teilen uns die Hausarbeit, er ist ein wunderbarer Koch, aber ich weiß, an welchem Tag der Müll raus muss, und ich überlege, was wir einkaufen müssen. Bei männlichen Schriftstellern ist das anders. Kürzlich las ich ein Interview mit dem irischen Autor William Trevor, den ich sehr schätze. Das Gespräch findet bei Trevor zu Hause im Wohnzimmer statt, und während er mit dem Journalisten spricht, kommt irgendwann Mrs. Trevor in den Raum und bringt Sandwiches und Tee. Verstehen Sie: Ich bin gleichzeitig Mr. und Mrs. Trevor.

Das ganze lesenwerte Interview ist hier zu finden.

Ich fühlte mich so verstanden! Damals habe ich auch einen Text über das Schreiben verfasst, oder vielmehr über die Unmöglichkeit zu schreiben, wenn man in den Ferien von der Familie umgeben ist. Ich habe ihn vorhin mit etwas Wehmut gelesen, die Enkel, die damals noch so klein waren, sind jetzt schon junge Erwachsene, das geht so schnell, und im Nachhinein denke ich, dass ich wohl nicht genug Federball und Tischtennis mit ihnen gespielt habe.

Die Kurzgeschichten von Alice Munro aber habe ich gerade wieder aus dem Regal gezogen.

Und wenn Ihnen das bei mir verlinkte Interview nicht literarisch genug war, dann schauen Sie gerne bei Herrn Buddenbohm vorbei, da wird im heutigen ersten Absatz viel verlinkt, insbesondere dieser Blog.

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Cannes Filmfestival 2024 – die Eröffnungszeremonie

Meryl Streep auf dem roten Teppich

Es geht Schlag auf Schlag. Bin selbst schon ganz atemlos. Dabei war ich nicht mal im Kino, um die Eröffnungszeremonie anzusehen, was ich allerdings bedauerte, während ich sie zuhause auf dem Sofa sah: es war so emotional, das hätte ich wirklich gerne “größer” erlebt! Aber ich hatte vor allem keine Lust auf den Eröffnungsfilm, ich kann mit dem Humor von Quentin Dupieux wenig anfangen, und der Eröffnungsfilm soll wahnsinnig komisch sein. Haha. Aber ich fand schon den Vorfilm nicht interessant. Gähn.

Camille Cottin führt gut gelaunt durch die Zeremonie

So viel hatte ich gestern Abend geschrieben, dann sahen wir uns einen Film mit Juliette Binoche im Fernsehen an: “Ouistreham”, “Wie im echten Leben” heißt er auf Deutsch, kein witziger, aber ein guter Film. Danach aber war ich zu müde, um hier zu schreiben. Heute morgen dann muss ich gar nichts mehr schreiben, es gibt schon alles, ich kann einfach einen Text verlinken. Hier bitte schön, es schreibt Katja Nicodemus von der ZEIT. Da steht alles drin, aber mir fehlen die Emotionen.

Eins nach dem anderen. Die High Heels sind jedes Jahr Thema, und ich, die ich noch nie wirklich in hohen Schuhen laufen konnte, finde das schon immer skandalös. Einmal ließen sie eine Schauspielerin nicht hinein, weil sie im Rollstuhl saß. Und wenn man Greta Gerwig und Meryl Streep im engen langen Kleid und mit hohen Schuhen mühsam die zwei Stufen auf die Bühne hinabsteigen sieht, sehe ich sie im Geiste auch jedes mal schon umknicken und dann den Saal mit einem geschwollenen Knöchel hinkend oder gleich im Rollstuhl sitzend verlassen. Zaho de Zagazan, Überraschungsgast, stand mitten im Publikum auf und sang als Überraschungsgeste für Greta Gerwig, die diesjährige Präsidentin der Jury, “Modern Love” von David Bowie. Es ist eine Anspielung auf den Film “Frances H” mit Greta Gerwig, in dem übrigens auch Meryl Streep mitspielte. Sie schleudert irgendwann mit energischem Tritt, ha! das glaubte ich gesehen zu haben!, aber nein, sie streifte elegant ihre Schuhe davon ab, um auf der Bühne richtig zu tanzen. Yeah!

Einmal wurde auch ein Schauspieler nicht eingelassen, weil er kein konformes Schuhwerk trug – in dem Fall ging es nicht um High Heels, sondern um traditionelle Schuhe amerikanischer (oder kanadischer? ich erinnere mich nicht genau) Ureinwohner, früher hätte man gesagt “Indianerschuhe”, damit Sie sich bildlich etwas vorstellen können. Er immerhin konnte den Zugang zum Festival erringen, kulturelle Besonderheiten genießen ja in der Zwischenzeit einen Schutz.

Emotional wurde es auch bei dem Zusammenschnitt der Filme von Meryl Streep. Das wissen Sie alles: “Kramer gegen Kramer”, “Out of Africa”, “Die Brücken am Fluss”, was habe ich da jedes Mal im Kino geheult! Und was habe ich kürzlich erst gelacht, als ich sie in dem Film “Julia und Julia” als die amerikanische Köchin Julia Child in Frankreich entdeckte (Dank an Marion für diesen Tipp). Und “Mamma Mia”, “Der Teufel trägt Prada”, “Die Suffragetten” – und zig andere Filme. Was für ein Werk! Es gab lange standing ovations!

Nächster emotionaler Moment, als Juliette Binoche, btw. ich glaubte zu sehen, dass sie sich mit roten Plateausohlen aus der Schuh-Affaire zog, die goldene Palme für ihr Lebenswerk an Meryl Streep vergab.

“Wort- und Tränenreich” sagt Katja Nicodemus kurz. Ja, es war emotional, Herrgott, darf man nicht mal aufgeregt und berührt sein bei so etwas? Beide Damen schätzen sich, das sah man, beide waren gerührt, Meryl Streep von der auf englisch vorgetragenen Rede Binoches und Binoche von dem Dank Meryl Streeps, und sie lagen sich kurz in den Armen. Ich fand Binoches Frisur, einfach glatt gegeeltes Haar, ein bisschen befremdlich, insbesondere weil Meryl Streep nicht nur dem Publikum, das sie immer noch sehen will dankte, sondern auch ihrem Agenten und vor allem ihrem Friseur und Make-up-Artist, der sie in allen Rollen erst zu der Person mache, die sie spiele.

Beide eröffneten dann offiziell das 77. Festival in Cannes.

Und heute regnet es in Strömen, wie könnte es anders sein. Auch das ist Cannes zu Zeiten des Festivals, es regnet immer mindestens an einem Tag!

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