Ich habe ein bisschen spät daran gedacht, dass heute 12 von 12 ist und es auch zwischendurch immer wieder vergessen. Sie wissen schon: 12 Bilder von unserem Tag, dem 12. des Monats, werden heute gemacht und dann bei Caro Kännchen eingestellt, die sich dankenswerterweise zuverlässig um diese Aktion kümmert. Caro hat heute außerdem Geburtstag! Glückwunsch nach Hamburg!
Wir haben heute im Bergdorf die Zelte abgebrochen und sind zurück nach Cannes gefahren. Das bedeutet aufräumen, Kühlschrank leeren, Koffer packen und dabei allerhand logistischen Kleinkram bedenken : was kann dableiben? Was brauche ich unten? Foto von kurz vor der Abfahrt.
Es geht bergab.
Unterwegs nehme ich etwas von dem aromatischen wild wachsenden Bergthymian mit, den ich unten einpflanzen will. So feinen Thymian gibts in keiner Gärtnerei.
Blick von dort ins Tal.
Heute war in Guillaumes die foire agricole – ein landwirtschaftlicher Markt, der im Oktober auch immer Tiere und landwirtschaftliche Geräte zeigt; die jungen Landwirte und Erzeuger der Region bieten auch ein Mittagessen an, klar, dass wir dort essen, bevor wir weiterfahren. Ich war schon lange nicht mehr auf einem der Märkte und noch länger nicht auf dem Oktobermarkt. Früher kannte ich dort alle Leute – heute sind es nur noch eine Handvoll. Ich könnte einen ganzen Blogeintrag über diese alternative Stimmung und die junge Generation, die da nachkommt, und meine Erinnerungen an früher schreiben – ich fürchte, ich schaffe es nicht. Ich unterhielt mich mit ein paar Leuten, wir aßen mit Freunden und ich vergaß wieder einmal zu fotografieren. Ich habe nur halbherzig und so nebenbei fotografiert und eigentlich wenig aussagekräftiges – aber da ich sonst nicht auf 12 Fotos komme, gibt es sie trotzdem.
Gegen 14 Uhr fahren wir dann wirklich los und werden gleichmal von einer kleinen Schafherde ausgebremst, die jetzt von der Sommerweide wieder nach unten “transhumiert” – wir zockeln zwei Kilometer hinter den Schafen her, bis sie auf einen kleinen Pfad seitlich der Straße abbiegen.
Es ist noch üppig grün, es hat auch die letzten Tage wieder viel geregnet, aber die Sumacbüsche an den Hängen und entlang der Straße werden doch orange und rot. Aus dem fahrenden Auto geknipst.
Um 17 Uhr sind wir angekommen, ich mache eine kurze nicht dokumentierte Sieste, packe dann die Taschen und Koffer aus und verräume alles. Später mache ich ein Thymianhähnchen, mit dem feinen Thymian aus den Bergen. Wie immer, wenn ich etwas so nonchalant mache, wird es köstlich – wenn ich versuche, es für Gäste besonders gut hinzukriegen, wird es oft nicht halb so gut.
Nachtrag: Ich sehe in den Eingeweiden des Bloglebens, dass jemand das Thymian-Hähnchen-Rezept suchte, ich gebe es Ihnen am Ende des Beitrags!
Ich scrolle durchs Internet – und siehe da: Oktoberfest, jetzt auch in Monaco.
Ich hatte mich auf irgendeinen Film im Replay gefreut, aber Monsieur wollte lieber eine Doku mit anschließender Diskussion über Marokkos König Mohammed VI sehen. Nun gut.
So viel von hier. Lieben Dank fürs Anschauen. Die anderen 12 von 12er wie immer hier.
Und hier zum Thymian Hähnchen:
Ich habe weiche Butter zusammen mit den abgerebelten Thymianblättchen unter die Haut des (in diesem Fall halben) Hähnchens geschoben und den Rest der Thymianbutter dann auf die Haut desselben gestrichen. Unter das halbe Hähnchen habe ich eine halbe Bio Zitrone gegeben (wenn man ein ganzes Hähnchen hat, kann man die halbe Zitrone hineinstecken ) und dann noch etwas Thymian großzügig über das Hähnchen rebeln. Das Hähnchen in eine (mit Olivenöl) gefettete Auflaufform geben, eine in Teile geschnittenen Zwiebel, zwei zerdrückte Knoblauchzehen und halbierte kleine Kartoffeln (so viel man essen will) drumherum drapieren. Grobes Salz und Pfeffer über alles. Dann in den auf 210 Grad vorgeheizten Backofen; halbe Stunde Bratzeit pro 500 Gramm, bei mir waren es 40 Minuten (700 Gramm). Nach der Hälfte der Zeit das Hähnchen mit dem ausgetretenen Bratfett übergießen. Das ist alles Gutes Gelingen und Bon appetit.
Ich weiß nicht mehr, wo ich das Originalrezept gelesen habe, es kommt dem von Lea Linster recht nahe.
Falls Sie es kürzlich noch nicht gelesen haben, Herr Buddenbohm hat sich sehr detailreich zum Oktoberfest geäußert, das jetzt wohl zur hanseatischen Tradition wird. In meinen Kommentaren lese ich, dass Oktoberfeste jetzt gefühlt überall in Deutschland stattfinden. Auf Instagram folge ich ein paar Fahrradjungs, wie ich sie nenne, die aus unterschiedlichen Gründen mit dem Fahrrad um die Welt reisen. Ich könnte altersmäßig ihre Mutter sein, aber ich bin echt angefixt von den großartigen Landschaftsfotos und Geschichten, die sie teilen. Einer von ihnen ist Fabian alias @permacycle; er sucht weltweit Permakulturfarmen auf und schleppt zum Zweck des Saatguttauschs anderthalb Kilo Saatgut mit sich herum, weil er möchte, dass es weltweit mehr Vielfalt bei Obst und Gemüse gibt, als das, was einem standardmäßig im Supermarkt angeboten wird. Tolle Sache. Etwas, was all die Jungs gemeinsam haben, ist die Lust auf Bier, immer wieder werden erstaunliche Bierfunde in Minisupermärkten der abgelegensten Gebirgsregionen Zentralasiens in den Stories gezeigt. Neulich war Fabian in Kasachstan. In Almaty, der größten Stadt des Landes, gibt es, man glaubt es kaum, ein Paulaner Brauhaus, ein riesiges, nagelneues Brauhaus im bayrischen Stil, Kellner und Kellnerinnen in Tracht (er Lederhose und rotkariertes Hemd, sie Dirndl), und es gibt dort nicht nur Paulaner Bier zu trinken, sondern auch Laugenbrezeln und Weißwurst zu essen! Unfassbar! Und in einem Filmschwenk in der Story auf Instagram habe ich Hinweisschilder entdeckt, die zu den “Stuberl” und zum “Biergarten” führen! Ich habe mir dann heute mal die Internetseite von Paulaner angesehen, und es wird noch viel verrückter, denn Brauhäuser im Bayrischen Stil gibt es fast überall auf der Welt, unzählige allein in China, aber auch in Taiwan, Indonesien und in Singapur, und eben auch in Almaty (Kasachstan) und in Baku (Aserbaidjan). Alle Paulaner Brauhäuser auf der ganzen Welt können Sie hier entdecken. Der internationale Werbespruch lautet übrigens: Celebrate the Prost.
Und siehe da, es gibt Oktoberfeste in solchen Brauhäusern, etwa in Südamerika, aber auch in Spanien, Griechenland und ich staune sehr, sogar in Cuneo, das ist eine kleine italienische Stadt im Piemont gleich nebenan. Da wird neben der Piemontkirsche auch dem Bier und der Weißwurst gefrönt. Wer hätte das gedacht!
Wenn man mir in Frankreich etwas Nettes über Deutschland sagen will, dann kommt in der Regel ein anerkennendes “La fete de la bière est super!”Fete de la bière, Bierfest, so heißt das Oktoberfest in Frankreich. Alle waren schon einmal dort. Auch eine recht vornehme Dame, neben der ich kürzlich bei einem Essen zu sitzen kam, fand das Bierfest formidable! Ich selbst war wie gesagt noch nie da, und werde da wohl auch nicht mehr hinkommen, Bier kann ich ja eh keines mehr trinken, und nüchtern ist das Ganze vermutlich nicht zu ertragen.
Ich glaube aber auch, dass man diese Art des Feierns von “außen” nicht wirklich verstehen kann. So ging es mir mit dem Kölner Karneval, zu dem ich damals “gezwungen” wurde: Die gesamte Verlagsbelegschaft zog an Weiberfastnacht nach einem ausgiebigen Frühstück (u.a. mit Mett-Igel!) verkleidet in die Südstadt, um in einer bestimmten Kneipe zu feiern. Am liebsten hätte ich mich davor gedrückt. Erwachsene Menschen, die sich verkleiden, kölsche Lieder singen und tagelang Bier trinken, das war mir so suspekt. Aber sich als neue Mitarbeiterin dem Karneval zu entziehen, ging einfach nicht. Die Kolleginnen halfen mir bei der Kostümauswahl (ich meine mich zu erinnern, dass ich als Nichtschwimmerin ging, nein, nicht im Badeanzug, ich hatte etwas blau-weiß Geringeltes an, hatte eine Schwimmbrille auf der Stirn, Schwimmflügelchen und ein Quietscheentchen im Arm (die Flügelchen und das Quietscheentchen verlor ich bald) und versicherten mir, großes Ehrenwort, dass ich am Donnerstagmorgen bestimmt nicht die Einzige sein würde, die verkleidet im Bus sitzen würde. Am meisten Angst hatte ich davor, mich zu blamieren und auf irgendeinen Scherz hereinzufallen. Aber es war wirklich erstaunlich, was sich am Karnevalsmorgen schon alles in der Stadt und in den öffentlichen Verkehrsmitteln tummelte: dicke Männer im Biene Maja-Kostüm, Clowns, Piraten, ältere Damen mit Blumenhut und Herzchen auf der Wange, Erwachsene, alle verkleidet, aber vor 11.11 Uhr noch mit ernsten Arbeitsgesichtern. Na gut, beim ersten Karneval war ich noch etwas verklemmt, aber nach ein paar tanzenden und singenden Tagen hatte mich das Karnevalsfieber gepackt – Außenstehenden kann man nicht erklären, was da los ist und dass man Lust hat, verkleidet am helllichten Tag in überfüllten Kneipen auf Tischen zu tanzen, zu schunkeln und zu singen. Der Rheinländer ist ja auch im Alltag eher aufgeschlossen und sangesfreudig, zumindest was das kölsche Liedgut angeht, das es wohl in keiner anderen Stadt so gibt, aber im Karneval potenziert sich das ins Unendliche, alle reden, lachen, singen und tanzen miteinander, liegen sich in den Armen und teilen inbrünstig eine geradezu trunkene Köln-Liebe. Ach Kölle, do bes e Jeföhl!
Vielleicht ist das Oktoberfest, wenn man “drin” ist und mit FreundInnen oder KollegInnen feiert, auch “ein Gefühl”, das man Außenstehenden nicht erklären kann. Ich kann es mir zumindest vorstellen. Ob man dieses Gefühl aber bis nach Almaty, Sao Paolo und in irgendeine entlegene chinesische Provinz transportieren kann, das bezweifle ich stark. Und, Nachtrag, bis eben war ich davon überzeugt, dass es in Frankreich keine Oktoberfest-Varianten gibt, aber oh Schreck, es geisterte heute sogar ein Bierfest in Cannes (!) durch meine Timeline. Aber nein, ich werde nicht mal zu Recherchezwecken dort hingehen!
Ein ganz anderes Thema. Michel Blanc ist gestorben, ein französischer Schauspieler, der in Frankreich vor allem durch die Serie “Les Bronzés” bekannt wurde, in der er in jeder der drei Episoden einen Loser spielt, unattraktiv, unbeholfen und verzweifelt auf der Suche nach Liebe, und sei es nur für eine Nacht. Es gelingt ihm nie. Er tut einem von Herzen leid, zumal seine “Freunde” sich auch noch über ihn lustig machen. Auch wenn die Serie ein finanzieller Erfolg wurde und die Schauspieler (Michel Clavier, Thierry Lhermitte, Josiane Balasko, Gérard Jugnot) Freunde fürs Leben wurden und sich in dieser oder ähnlicher Zusammensetzung bis heute für alle möglichen anderen Komödien zusammenfanden, hatte Michel Blanc es bald satt, nur als Jean-Claude Dusse gesehen zu werden und suchte sich bewusst andere Rollen.
Das Fernsehprogramm wurde ihm zu Ehren geändert, und als erstes wurde mein persönlicher Lieblingsfilm (ich habe eine Schwäche für Komödien, die im landwirtschaftlichen Milieu spielen) “Je vous trouve très beau” gezeigt. Ich mochte Michel Blanc in der Rolle des mürrischen Bauern Aimé Pigrenet sehr und habe meinem Kommissar Duval einen Kollegen zur Seite gestellt, der von dieser Figur inspiriert ist und nur wenig verhüllt Michel Le Blanc heißt. Sozusagen mein persönliches Denkmal.
Heute lief auch die erste Folge von “Bronzés”; die Serie, die in Frankreich Kult ist, habe ich natürlich irgendwann gesehen, aber nie wirklich lustig gefunden; aus heutiger Sicht geht der Humor der 70er Jahre, sexistisch und auch ein bisschen rassistisch, gar nicht mehr.
Hier eine Zusammenstellung der “besten” Szenen
Dann aber auch “Monsieur Hire”, der erste Film, in dem Blanc eine ganz andere Rolle spielt; ich finde den Film sehr bedrückend, vor allem weil Monsieur Hire, ein russischstämmiger Jude, der eigentlich Hirovitch heißt und Schneider ist, als Außenseiter der Gesellschaft dargestellt wird. Und das am Vorabend des 7. Oktober.
Ich bin umzingelt vom Oktoberfest. War das schon immer so und fällt es mir nur dieses Jahr verstärkt auf? Als ich 1999 für ein knappes Jahr in München lebte und arbeitete, galt das Oktoberfest (zumindest in meinen Kreisen) noch als spießig-reaktionäres Riesenbesäufnis älterer Herrschaften. Ich habe damals die Theresienwiese weiträumig gemieden und über das Gedränge der folkloristisch gekleideten Touristen in der U-Bahn gestöhnt. In diesem Jahr sehe ich auf Instagram viele junge Leute, die sich stolz in Dirndl und Lederhosen werfen und mit Freunden gleich mehrfach die Wiesn besuchen. Ich war bis heute noch nicht dort. Vielleicht habe ich etwas verpasst?
Heute ist der Tag der Deutschen Einheit, passend zum Thema habe ich “Adam und Evelyn” (von Ingo Schulze) zu Ende gelesen – es ist mir ein Rätsel, wie man aus diesem dialoglastigen Buch einen so stillen Film machen konnte. Es ist zunächst ein leichtes Buch, es erinnerte mich anfangs stellenweise an Tucholskys Sommerliebesroman “Schloss Gripsholm”, und doch bekommt es einen schwereren Ton, denn die Paare aus West und Ost, die sich da im Sommer 1989 in Ungarn scheinbar leicht und unbeschwert verlieben, trennen und wiederfinden, wollen nicht nur Urlaub machen, sondern vielleicht auch in den Westen, es gibt das Gerücht, dass Ungarn die Grenzen nach Österreich öffnet; Für Adam, Evelyn, Katja und Mona aus dem Osten geht es bei dieser Entscheidung um ihre Existenz. Deshalb überlegt Evelyn länger und lässt ihren Westler schließlich allein in den Westen fahren. Der versteht das nicht, was gibt es da noch zu überlegen, das bessere und freie Leben ist im Westen, hallo, da kann man nach New York! Und nach Rio, da kann man sogar im Winter baden! Und da sein Urlaub zu Ende ist, er wieder arbeiten MUSS (“aber das versteht ihr nicht, dass man arbeiten muss”), rauscht er beleidigt ab. Mona dagegen fährt zurück in die DDR, und Adam will auch nicht weg, er hat im Osten alles, was er will und braucht, sein Elternhaus, seinen Garten, sein Atelier und jede Menge Kundinnen, die ihn anhimmeln. Aber Evelyn hat sich nun entschieden, und für Evelyn fährt Adam überall hin, auch in den Westen, und dort wohnen sie zunächst bei seinen etwas spießigen Westverwandten. Kompliziert wird es, als Evelyn merkt, dass sie schwanger ist. Von Adam oder doch von dem Westler? Adam ist wütend und fährt zurück in den Osten, findet aber sein Elternhaus verwüstet vor, alles Wertvolle ist gestohlen, sogar die Mischbatterie in der Küche, und sein Fahrrad findet er beim Nachbarn. Ein Weiterleben dort ist unmöglich geworden, er kehrt in den Westen und zu Evelyn zurück, aber er ist deprimiert, und die Forderung seiner Westverwandten, er solle sich jetzt nicht hängen lassen, sondern bitte mal richtig arbeiten, wie zum Beispiel Flaschen im Supermarkt annehmen, stößt ihm bitter auf. Auch ein Praktikum bei einem persischen Änderungsschneider ist nicht nach seinem Geschmack. Er ist Mitte dreißig, hat im Osten alles gehabt, und jetzt soll er im Westen wieder ganz unten anfangen? Für die erst einundzwanzigjährige Evelyn erweist sich der Weg in den Westen als die richtige Entscheidung, sie wird Kunstgeschichte und Romanistik studieren, sie freut sich auf das Studium und darauf, von nun an Geld zu haben, mit dem man sich alles leisten kann, sogar teure Schweizer Schokolade, und bald werden sie in einer schicken WG zusammenwohnen: “Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie ich das alles hier genieße”, sagt Evelyn zu ihrer zukünftigen Mitbewohnerin, während Adam im Garten Fotos von früher verbrennt.
In der Ausnahmesituation jenes Spätsommers 1989, dem Schwebezustand plötzlicher Wahlfreiheit, entdeckt Ingo Schulze die menschliche Urgeschichte von Verbot und Verlockung, Liebe und Erkenntnis und nicht zuletzt der Sehnsucht nach dem Paradies. Doch wo ist das zu finden? In der Verheißung des Westens, der Ungebundenheit eines endlosen Feriensommers am Plattensee oder doch im vertrauten Amtsstubenduft einer frisch geöffneten Brotkapsel und dem eigenen Garten?
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Eine lesenswerte Lektüre, wenn man ein Gefühl für die Ost-Seite (nicht nur) in diesem Sommer 1989 bekommen will.
Wir sind immer noch in den Bergen, heute waren zwei Handwerker da (hier ist ja kein Feiertag) und morgen kommen sie wieder, andere Handwerker kommen, so ist es zumindest geplant, nächste Woche. Oh, wie schön, wenn all die Arbeiten, die schon vor Monaten begonnen wurden, endlich zu Ende gehen!
Gestern waren wir im Oberdorf, auch da wurde (mit schwerem Gerät) gearbeitet, denn die Stromleitungen im Dorf werden jetzt unterirdisch verlegt, und dafür reißen sie die gepflasterte Dorfstraße auf, und um an den schwer zugänglichen oberen Teil zu kommen, haben sie Trassen über die steile Wiese gezogen. Im Moment sieht es etwas verwüstet aus. Aber all die Stromleitungen, die bei jedem Foto immer im Bild waren, werden verschwinden, ich habe sie ein letztes Mal dokumentiert.
Dort oben waren die Hirsche auch am hellichten Tag zu hören. Es ist so laut und beeindruckend! Zu sehen allerdings gab es nichts. Die Tiere verstecken sich in den kleinen Wäldchen auf der gegenübenliegenden Bergseite und kommen erst gegen Abend auf die freien Flächen, um sich dort mit den anderen Hirschen zu messen und unter Umständen zu kämpfen. Um sie zu sehen, braucht man ein sehr starkes Fernglas oder eine Kamera mit riesigem Zoom, so etwa wie hier in dem Film.
Die Jagdsaison hat im Übrigen auch begonnen, es empfiehlt sich, vor allem am Wochenende und mittwochs (die hier genehmigten Jagdtage) nicht nur wegen der Hirsche nicht im Wald spazieren zu gehen, oder wenn, dann unbedingt mit einer bunten Jacke bekleidet und machen Sie ruhig etwas Lärm, damit man Sie nicht für ein im Unterholz herumwühlendes Wildschwein hält, nur weil Sie sich gerade nach einem Pilz bücken. Lachen Sie nicht, es gibt jedes Jahr Jagdunfälle. Ich hab Sie gewarnt!
Auf den Wiesen blühen die Herbstzeitlosen und im Garten des Sommerhauses verausgaben sich die letzten Stockrosen, während sie von eifrigen Hummeln besucht werden. Dazwischen brummte ein schwarzblau schimmerndes Fluginsekt, das ich erst googeln musste – fast so groß wie ein Maikäfer, nein, keine Hornisse, die Blauschwarze Holzbiene ist es, eine solitär lebende Biene, sie wurde 2024 zur Wildbiene des Jahres gekürt. Und wir haben eine im Garten!
Ein Lied zum Oktober von Francis Cabrel, zu dem ich durch Hilke Maunders Newsletter inspiriert wurde. Merci Hilke!
Die klassischen Denkmäler, die jeweils an den beiden Tagen des offenen Denkmals in Cannes zu besichtigen sind, habe ich alle schon in den vergangenen Jahren besucht, die Stadtbibliothek in der Villa Rothschild, das Palais des Festivals, die Synagoge, eine Moschee, ein Museum, und die eine oder andere Villa sowie den Friedhof habe ich schon mit den sogenannten Greeters von Cannes gesehen. Ich dachte, es gäbe nichts Neues, suchte sogar in der Umgebung, aber auch hier hatte ich das meiste irgendwann schon einmal im Rahmen einer Ausstellung oder eines Museumsbesuchs gesehen. Und plötzlich, fast am Denkmalwochenende selbst, tauchten in der Liste im Internet ein, zwei neue Dinge auf, zum Beispiel ein altes Segelschiff, das man im Port Canto hätte besichtigen können – zumindest, wenn man gleich einen Termin gemacht hätte. Ich zögerte etwas zu lange, dachte auch etwas naiv, dass man da einfach so hingehen kann, aber nein, da suchen ja noch andere wie ich etwas Neues zu besichtigen, und so viele Leute passen nicht auf das Schiff, das muss schon organisiert werden. Als ich schließlich anrief, waren alle Besichtigungstermine für das ganze Wochenende schon ausgebucht. Plan B waren die Gärten des Parfümmuseums in Grasse, die man nach Voranmeldung auch ganzjährig besuchen kann, oder der Leuchtturm auf dem Cap d’Antibes, Le Phare de la Garoupe. Ich entschied mich trotz des windigen und bedeckten Wetters für den Leuchtturm, der mich schon lange reizte, Er war jahrelang nicht zugänglich, wurde dann von der Stadt Antibes restauriert und kann jetzt sogar an Wochenenden kostenlos besichtigt werden, man muss sich also nicht unbedingt am Tag des offenen Denkmals mit allen anderen drängeln, aber das wusste ich vorher nicht. Ich mag die Strecke um das Cap d’Antibes, finde trotz des Andrangs auch einen Parkplatz und bekomme eine Eintrittskarte für knapp eine Stunde später, denn auch hier können immer nur zehn Personen in einem zwanzigminütigen Rhythmus den Leuchtturm besichtigen. So viel Platz ist da oben nicht und man soll auf den engen Stufen auch in Ruhe hinauf und hinunter gehen können.
Die Wartezeit überbrückte ich, indem ich die benachbarte Kapelle “Notre Dame de la Garde” besuchte, später im angeschlossenen kleinen Laden “Kloster-Pudding” erstand und bei einem auf dem Platz herumstehenden Obst- und Gemüsehändler Zwetschgen kaufte; andere standen für selbst gemachte Apfelküchlein (beignets de pommes) an. Es gibt wohl auch ein kleines Café, ich könnte mir vorstellen, dass es an anderen Tagen, wenn es nicht so voll ist und nicht so viel anderes gleichzeitig angeboten wird, dort sehr nett ist.
Die Kapelle, die auch “La Chapelle de la Garoupe” genannt wird, zu der man auch von Antibes aus über einen Kreuzweg pilgern kann, ist der Jungfrau Maria geweiht, die über die Seeleute und Fischer wacht. Natürlich muss man daran glauben. Aber “es ist leichter (an Gott) zu glauben, wenn man allein auf dem Meer ist”, wird die große Seefahrerin Françoise Arthaud gern zitiert. Auch sie wurde einmal auf wundersame Weise aus dem Meer gerettet, als sie nachts mit ihrem Segelboot über Bord gegangen war. Später kam sie jedoch bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben. In der kleinen Kirche hängen viele Schiffsmodelle und die Wände zeugen davon, dass hier viel und erfolgreich um Hilfe und Schutz gebetet wurde und wohl auch heute noch wird: Votivtafeln aus allen Jahrhunderten, selbst gemalte Bilder und viele Zeugnisse von Menschen, die wie durch ein Wunder schwierige Situationen, Krieg und Unglück (nicht nur auf See) überlebt haben.
Passend zum Thema lief gerade die Info durch meine Timeline auf Instagram, dass Notre Dame in Paris am 8. Dezember wieder für das Publikum geöffnet wird. Falls es Sie interessiert, schnell Tickets reservieren!
Danach kletterte ich auf den kleinen Leuchtturm, “Le Phare de la Garoupe”, 116 Stufen, die sich aber angenehm ersteigen lassen. Was heißt denn eigentlich dieses “Garoupe” fragte ich mich. Bei Wikipedia habe ich folgende Erklärung gefunden.
Das Plateau de la Garoupe ist ein Plateau auf der Halbinsel Cap d’Antibes in der Gemeinde Antibes Juan-les-Pins. Der Name des Ortes bezieht sich auf die Kamelie, einen mediterranen Strauch, der dort häufig vorkommt und dessen provenzalische Bezeichnung garopa lautet, was im Französischen als garoupe transkribiert wird.
Bislang sind mir dort keine Kamelien aufgefallen, ich werde beim nächsten Besuch verstärkt darauf achten.
Jetzt ging es also hinauf.
Nachdem ich in alle Richtungen geschaut hatte und ordentlich durchgeweht war, stieg ich wieder hinunter.
Kürzlich aßen wir in einem netten Restaurant mit Seeblick, ein See in diesem Fall und nicht die See, der Lac de St. Cassien um genau zu sein, und dort standen erstaunlich viele Erdbeerbäume oder auch Arbusiers. Gerade nachgesehen, die Bäume gehören zur Gattung der Heidekrautgewächse, verrückt. Und ja, die Früchte sind essbar, schmecken süßsauer und mehlig, man macht wohl gerne Konfitüre daraus, sie enthalten wie auch die Hagebutte viel Vitamin C.
Dann wurde Cannes wieder überschwemmt, völlig überraschend, ohne die sonst vom Wetterdienst angesagten Warnstufen orange oder rot, brach ein Gewitter über uns herein und Wassermassen überfluteten das gleiche Viertel wie 2015, die gleiche Straße brach wieder von den unterirdisch anschwellenden Strömen auf, Erdgeschosswohnungen, Geschäfte, Apotheke, Patisserie und natürlich alles was tiefer liegt, Garagen und Keller standen wieder unter Wasser. Unser Keller auch, aber diesmal waren es nur 15 Zentimeter Wasser und nicht ein Meter fünfzig wie beim letzten Mal. Das lag aber nur daran, dass der Wolkenbruch nur eine halbe Stunde dauerte. Glück im Unglück. Wir wuchteten feuchte Kartons nach oben, diesmal aber nicht mit Büchern, sondern mit Geschirr und Kochtöpfen, die ohnehin für den Flohmarkt bestimmt waren. Andere trugen wieder Möbel und Matratzen hinaus und hängten durchnässte Wäsche zum Trocknen an den Zaun und in die Sonne. Was soll ich sagen? Die Jahrhunderthochwasser kommen jetzt alle zehn Jahre oder schon nach neun Jahren oder vielleicht noch öfter. Wenigstens ist diesmal niemand umgekommen.
So fuhren wir zwei Tage später als geplant in die Berge, und das war gut so, denn wir bekamen überraschend Besuch von Tetiana und ihrer Mutter, die zum ersten Mal in ihrem Leben ein paar Tage Urlaub machte. Sie hatten eine lange und aufregende Reise hinter sich, denn Tetianas Mutter war natürlich auch zum ersten Mal geflogen. Es war eine sehr bewegende Begegnung, wir umarmten uns immer wieder und sie dankte uns dafür, dass wir ihre Kinder und Enkelkinder bei uns aufgenommen hatten. Wir haben gesagt, dass wir froh sind, in diesem Krieg etwas getan zu haben. Dass wir uns alle so mögen, ist natürlich ein großes Glück. Sie zeigte uns Fotos von ihrem Dorf, dem Haus, dem Garten, den Katzen, dem Hund und den Hühnern und lud uns zu sich nach Hause ein. Wir versprechen zu kommen, sobald der Krieg vorbei ist.
Wir zeigen uns Fotos und erzählen. Der kleine M ist jetzt in die Schule gekommen, der große M hat die Schule gewechselt. Aber er geht nur jeden zweiten Tag hin, weil die Schutzräume nicht groß genug sind, um alle Kinder aufzunehmen. Denn ja, auch in der Westukraine gibt es Sirenenalarm und Bombenangriffe. Auch wenn sie gelernt haben, damit zu leben. “Ich gehe jetzt schlafen, die Sirenen haben aufgehört”, habe ihm sein Sohn schon ein paar Mal am Telefon gesagt, erzählt Ivan, und dass er das immer befremdlich finde.
Am Abend sind wir dann in die Berge gefahren, auf der Serpentinenstraße nach Châteauneuf sind zwei Hasen vor unserem Auto vorbeigeschossen, und nach einer Kurve standen wir überraschenderweise nez à nez, wie man hier sagt, direkt vor einem Hirsch, oder er vor uns, je nachdem. Wow! So nah habe ich noch nie einen Hirsch gesehen. Was für ein großes Tier, wie majestätisch er da stand! Sehr beeindruckend! Doch bevor ich mein Handy zücken konnte, um ihn zu fotografieren, machte er einen Satz über den Zaun der Schafweide und war verschwunden. Später hörten wir ihn und andere laut röhren. Es ist die Zeit der Hirschbrunft – le brame du cerf heißt das hier – und viele wandern mit Fotoapparat und Fernglas hier hinauf, um die Hirsche in der Brunft zu hören und wenn möglich auch kämpfen zu sehen.
Oben angekommen mussten wir erst einmal ein Feuer machen, der Temperaturunterschied zur Küste ist doch enorm und auch das Haus war auf 15 Grad ausgekühlt. Nachts habe ich dann auch wieder in meiner Winterausrüstung geschlafen: warme Skiunterwäsche inklusive Mütze, Socken und Wärmflasche.
Anderntags war es sonnig und während der Gatte auf Handwerker wartete (der eigentliche Grund, warum wir hier oben sind), die aber nicht kamen, wanderte ich in den Wald, um Pilze zu sammeln, – des sanguins wurden gewünscht, Reizker zu Deutsch.
Ich fand ein paar kleine, ganz frische, noch fest im Fleisch ohne irgendwelche Würmchen darin. Zwar habe ich noch allerhand andere ebenso frische und hübsche Pilze gefunden, die haben wir aber letzten Endes aussortiert. Von den rötlichen und orangefarbenen Sanguins habe ich abends ein Pilzomelette gemacht – es war köstlich, wurde aber leider nicht dokumentiert.
Was hier neben Thymian auch wild wächst, ist Bohnenkraut.
Nochmals vielen Dank für die Empfehlung dieser Pflanzenbestimmungs-App! Es macht wirklich Spaß damit zu arbeiten! Ich habe heute beim Unkraut jäten auch noch ganz andere Dinge entdeckt – einen Kriechenden Knöterich und die violett blühende Bergminze, die ich noch nicht kannte.
Für Pilze habe ich leider nicht annähernd so eine gute App gefunden, alles bleibt etwas vage, scheint mir, vielleicht ist es zu gefährlich, konkrete Angaben zu machen. Die Pilzbestimmungs-Apps lehnen auch jede Verantwortung für Pilzvergiftungen ab und fragen vorher, ob man suizidgefährdet ist.
Was es auch gab (und noch gibt) ist Zwetschgenkuchen, denn ich habe noch einmal überraschend kleine und gute Zwetschgen gefunden.
Kuchen musste sein, denn wir hatten unseren vierzehnten Hochzeitstag. “Elfenbeinhochzeit” heißt es edel in Deutschland, in Frankreich wiegen die vierzehn Jahre schwerer: Noces de plomb, Blei-Hochzeit heißt es hier.
Das formbare und feste Blei symbolisiert die Flexibilität und Robustheit der Beziehung. Es symbolisiert die Stärke und Stabilität der Bindung zwischen dem Paar sowie ihre Fähigkeit, Prüfungen zu widerstehen und schwierige Zeiten gemeinsam zu überstehen.
Merci à salondelalliance.com
Vierzehn! Für mich, die ich vorher keine Beziehung länger als drei Jahre durchgehalten habe, sodass ich insbesondere unser drittes Jahr sehr bang anging, sind vierzehn Jahre Ehe, in der wir in der Tat Prüfungen und schwierige Zeiten zu überstehen hatten, eine unglaubliche Geschichte.
Und zum Abschluss das Vitamin-Gegenbild aus den Bergen. Die Hagebutte!
Dass ich am Tag des offenen Denkmals zwar nicht auf ein altes Segelschiff gekommen bin, aber immerhin einen Leuchtturm erkommen habe, davon berichte ich Ihnen in einem anderen Eintrag. Bis dahin!
Texte en français à la suite. Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, denn ich habe gerade den Text des letztjährigen Festivals gelesen, ja, auch das 5. Deutsche bzw. das 4. Defa-Filmfestival, das wir in Zusammenarbeit mit Cinécroisette und dem Goethe Institut vergangenes Wochenende veranstaltet haben, war ein Erfolg! Alle Veranstaltungen waren wieder gut besucht, wir hatten jedes Mal mindestens 50 Zuschauer. Das klingt vielleicht nicht nach viel, aber wenn man bedenkt, dass ich selbst “Emilia Perez”, einen hochgelobten Film, der auf dem Festival in Cannes lief, nur mit einer Handvoll anderer Leute in einem fast leeren Saal gesehen habe, dann sind 50 Leute für unsere unbekannten deutschen Filme an einem Vormittag in Cannes oder am Nachmittag in einem kleinen Stadtteilkino etwas außerhalb schon eine ganze Menge! Außerdem hatten wir wie immer mit Konkurrenzveranstaltungen zu kämpfen: In Cannes war wie jedes Jahr “Boat Show”, die Stadt war voller Menschen, die die neuesten Boote und schicksten Yachten sehen wollten.
Wie schon in den vergangenen Jahren hatten wir ein sehr interessiertes und filmkundiges Publikum, das der Einführung von Wieland Koch bzw. der Übersetzung von Franka Günther aufmerksam lauschte und nach dem Film Fragen und Anmerkungen hatte. Das alles wussten wir aber noch nicht, als wir mit gemischten Gefühlen zum Eröffnungsfilm am Freitagabend “La belle affaire” (deutsch: “Zwei zu eins”) gingen.
Es ist eine witzige Komödie, die uns in den Osten Deutschlands im Sommer 1990 zurückversetzt. Gleich in einer der ersten Szenen kehrt einer der Protagonisten, der ein Jahr zuvor über Ungarn nach Westdeutschland ” abgehauen ” ist, wie ihm vorgeworfen wird, aus dem ” goldenen Westen ” zurück, weil er sich dort einfach “fremd” und nicht zu Hause gefühlt hat. Die DDR-Bürger und -Bürgerinnen, die in ihren Wohngebieten geblieben sind, reisen nun ebenfalls in eine andere Welt, und das, ohne sich auch nur einen Zentimeter zu bewegen, denn um sie herum verändert sich gerade alles grundlegend und wird ihnen fremd: politisch, gesellschaftlich, wirtschaftlich – alles wird anders, selbst das DDR-Geld ist nur noch wenige Tage gültig. Westdeutsche Hausierer versuchen sich in dieser Zeit eine goldene Nase zu verdienen, indem sie den Ostdeutschen an der Haustür Mikrowellen und Kochtöpfe andrehen. Doch auch die Bewohner des Viertels nutzen das neue System und tauschen ihr gefundenes Ostgeld in Waren um, solange es noch geht: “Erst haben wir den Sozialismus ruiniert, jetzt ist der Kapitalismus dran”, lachen sie.
Am nächsten Morgen trafen wir uns im Kino Arcades; nach einer kurzen Ansprache von Franka Günther, die daran erinnerte, dass es ursprünglich kein “Deutsches Filmfestival” war, sondern ein “Ostdeutsches”, und dass es nur existierte, weil Serge den von ihr vor einigen Jahren mit bangem Herzen unterbreiteten Vorschlag, dem französischen Publikum eventuell Defa-Filme zu zeigen, ohne zu Zögern und mit großer Begeisterung aufgenommen hat.
Und dann sahen wir den einzigen Defa-Film, den wir dieses Jahr im Programm hatten (ich erwähnte es bereits, wir haben in den letzten Jahren bereits fast alle Defa-Filme gezeigt, die französisch untertitelt sind!): “Ich war 19” von Konrad Wolf; die Geschichte des jungen Gregor Hecker, der, ursprünglich aus Köln stammend, in den dreißiger Jahren mit seinen kommunistschen Eltern nach Russland emigriert war, und nun in den letzten Kriegstagen als junger Soldat der Roten Armee erstmals wieder nach Deutschland zurückkehrt. Es ist Konrad Wolfs eigene Geschichte, die er mithilfe seines damals geschriebenen Tagebuchs so authentisch wie möglich erzählen wollte. Ich zitiere hier aus der Ankündigung der Defa Stiftung
April 1945. In der Uniform eines sowjetischen Leutnants kommt der 19-jährige Deutsche Gregor Hecker in seine Heimat zurück. Er war acht, als seine Eltern mit ihm nach Moskau emigrierten. Vom 16. April bis zum 2. Mai fährt er im sowjetischen Militärfahrzeug auf dem Weg der 48. Armee von der Oder nördlich an Berlin vorbei. Mit einem Lautsprecher fordert Gregor die noch vereinzelt kämpfenden Soldaten zum Überlaufen auf. Einige kommen, andere antworten mit Schüssen. Täglich begegnet Gregor Menschen unterschiedlicher Art, hoffnungsvollen, verwirrten, verzweifelten. Bei seinen russischen Freunden fühlt er sich zu Hause, viele der Deutschen geben ihm Rätsel auf. Langsam begreift er, dass es “die Deutschen” nicht gibt. Er trifft einfache Leute, Mitläufer, Rückversicherer, Überläufer, Durchhaltefanatiker, eingefleischte Faschisten. Die erste Begegnung mit aus dem Konzentrationslager befreiten Antifaschisten wird für ihn zu einem bewegenden Erlebnis. Und als sein Freund Sascha bei einem letzten Kampfeinsatz fällt, steht für den erschütterten Gregor fest, dass er hier am Aufbau eines anderen, besseren Deutschlands wirken wird.
Wir können es vorwegnehmen, es ist der Film, der uns alle bei diesem Festival am meisten beeindruckt hat. Gregor Hecker wird gespielt vom jungen Jaecki Schwarz, den Sie vielleicht als Kommissar aus dem “Polizeiruf 110” kennen. Dort mochte ich ihn nicht so, aber in “Ich war 19” gibt er dem jungen Rotarmisten eine erfrischende Naivität, mit der er Deutschland und die Deutschen entdeckt. Ein junges deutsches Mädchen wird von Jenny Gröllmann gespielt, die kennen wir im Westen spätestens seit der Serie “Liebling Kreuzberg”.
Der Nachmittagsfilm im kleinen Kino Cannet Toiles in Le Cannet ist “Adam und Evelyn”. Der melancholische, langsam erzählte Film, der uns in den Spätsommer 1989 entführt, hat mich beim ersten Anschauen trotz der idyllischen Bilder zugegebenermaßen sehr gelangweilt. “Hallo, passiert hier nochmal was?”, wollte ich rufen. “Hallo, redet ihr mal was?”, hätte ich die Schauspieler am liebsten geschüttelt. Erst im Gespräch mit Wieland Koch und Franka Günther verstand ich den Film besser. Es war ein ungewisser Sommer. Freunde verschwanden von einem Tag auf den anderen, ohne sich zu verabschieden. “Das kann doch nicht sein, dass alle einfach weggehen, Freunde und Familie verlassen, wer bleibt denn da?” fragten sie sich. Es ist eine Zeit, in der man nachdenkt, zweifelt. Die DDR war wirtschaftlich am Ende, politisch war es vermutlich unerträglich, aber man ist dort verwurzelt, hat Freunde, seine Familie, vielleicht alte oder kranke Eltern, Heimat eben. Adam hat als Damenschneider seine Nische gefunden, in der er sich eingerichtet hat. “Ist es nicht egal, wo man lebt?” fragt er Evelyn. Aber Evelyn hat die Nase voll von dieser Beschaulichkeit, sie will mehr, vielleicht Kunstgeschichte studieren, und außerdem will sie jetzt weg von Adam, der sie mit all den Frauen, für die er schöne Kleider näht, betrügt. Adam fährt Evelyn hinterher, “eine langsame Verfolgungsjagd” beginnt, ein langsames Roadmovie in einem türkis-weißen Wartburg 311, der immer wieder heißgelaufen stehenbleibt, und begleitet sie dann, eher spontan, in den Westen. Zweifelnd und mit bangem Lächeln, ohne ein Wort zu sprechen, schauen sie sich an, als sie die Grenze nach Österreich überqueren. Werden sie das Paradies finden oder haben sie es gerade verloren?
Wieland Koch hat mir den Roman von Ingo Schulze geschenkt, der als Vorlage für den Film diente und in dem es viel mehr Dialoge gibt als im Film. Er gefällt mir gut, ich lese ihn gerne und habe dabei die schönen warmen Spätsommerbilder des Films im Kopf. Passt.
Am nächsten Morgen zeigten wir, dieses Mal im Olympia, “Almanya”, die Geschichte einer türkischen “Gastarbeiter”-Familie über drei und fast schon vier Generationen. Der Film stammt aus dem Jahr 2011, ist aber zeitlos und hat mich auch beim erneuten Ansehen sehr berührt. Auch die ZuschauerInnen waren gerührt und haben mit der türkischen Familie gelacht und geweint. Ich habe ihn in einem Blogtext zum Thema “Heimat” schon einmal besprochen.
Der ganze Film hat mich berührt, weil ich mich in meiner Situation als Ausländerin in Frankreich plötzlich und erstmals den „Ausländern“, den Türken in Deutschland oder den Deutschen mit Migrationshintergrund annäherte. Erstmals konnte ich sie verstehen, und ich habe plötzlich viel Liebe für diese kulturell durcheinandergewirbelten Kids. Mir tat weh, dass der kleine Cenk (im Film) in der Grundschule von seiner (durchaus netten) Lehrerin gefragt wird, wo er denn her stamme. Deutschland sagt er. Nein, sagt die Lehrerin. Falsche Antwort. „Wie heißt das schöne Land, aus dem dein Vater kommt?“ Eigentlich müsste er noch mal Deutschland sagen, denn sein Vater ist auch schon in Deutschland geboren. Aber er weiß schon, dass er Türkei sagen muss, Anatolien genauer gesagt, das sich dann nicht mal auf der Europakarte in der Klasse finden lässt. Armer Cenk. Was ist er denn jetzt? Hat zwar einen türkischen Namen, kann aber nicht mal türkisch sprechen. Gar nix ist er, sagen seine Spielkameraden kategorisch. Und beides kann man wohl nicht sein, denn man kann Fußball nur in einer Mannschaft spielen. Und so fragt er wütend seine Familie: Was sind wir denn jetzt? Türken oder Deutsche? Cenks Großeltern haben ganz frisch deutsche Pässe, der Großvater aber sagt: „Ist nur Papier, wir sind doch Türken!“, und er hat zum Entsetzen der ganzen Familie ein Haus gekauft „in Türkei, in Heimat“.
Am Nachmittag zeigten wir dann im kleinen und wieder sehr gut besuchten Kino Ciné Toile in Rocheville unseren letzten Film “Kaddish für einen Freund”, der Film stammt bereits aus dem Jahr 2012. Ich kannte ihn nicht und war unsicher, wie die Geschichte um den Konflikt und eine langsam entstehende Freundschaft zwischen dem alten russischstämmigen Juden Alexander und dem jungen palästinensischen Rebellen Ali aufgenommen werden würde. Seit dem 7. Oktober ist es kaum noch möglich, über den Konflikt zwischen Juden und Palästinensern auf sachliche Weise zu sprechen. Auch dieser Film, obwohl er mir manchmal etwas schematisch vorkam, in der Kritik stand, vieles sei „mehr gut gemeint als gut gemacht“, hat mich berührt und am Ende nicht nur mir eine Träne in die Augen getrieben. Die im Film gezeigte Brutalität und der Hass hielten sich in erträglichen Grenzen, denn der Film ist als Jugendfilm konzipiert und wurde 2013 in dieser Kategorie als “Bester programmfüllender Kinderfilm” ausgezeichnet.
Der Regisseur Leo Khasin ist selbst russischstämmiger Jude, der in Deutschland zunächst Zahnmedizin studiert hat und mit seiner Schwester in Berlin eine Zahnarztpraxis betreibt. Später besuchte er eine Filmhochschule und drehte mehrere Kurzfilme. Er lebt und arbeitet in einem sozialen Brennpunkt und kennt das, was er im Film zeigt. “Kaddish für einen Freund” ist sein erster Spielfilm.
Das Publikum applaudierte, diskutierte noch lange und bedankte sich mehrfach für die Filmauswahl. Das Wissen von Wieland Koch zu allen Filmen und rundherum sowie die kongeniale Übersetzung von Franka Günther wurden geschätzt und dankbar aufgenommen.
Anschließend hatten wir zusammen mit Cinécroisette zu einem kleinen Umtrunk eingeladen – Wieland und Franka hatten mehrere Kilo typischer DDR-Süßigkeiten mitgebracht, Hallorenkugeln, Russisch Brot, Geleebananen, Knusperflocken und allerlei mehr, und wir tranken dazu Prosecco, Rosé oder Orangina und unterhielten uns noch bestimmt eine Stunde lang angeregt mit allen Anwesenden. Und alle verabschiedeten sich mit einem fröhlichen und ermutigenden “Bis zum nächsten Jahr!”
Wir danken Françoise Waintrop, der neuen Präsidentin von Cinécroisette und den Mitgliedern des neu gebildeten Büros für ihr Vertrauen, uns dieses Festival fortführen zu lassen. Ich danke Franka Günther und Wieland Koch, die die (ehrenamtliche) Hauptarbeit trugen und dieses Festival überhaupt ermöglichen, denn ohne sie würden wir insbesondere die Defa-Filme aber auch die aktuellen Filme mit DDR-Bezug nicht annähernd verstehen. Und vor allem danken wir dem großartigen französischen Publikum, das sich auch in diesem Jahr erneut für deutsche und ostdeutsche Filme interessierte!
Le 4e festival du film allemand-Defa
Au risque de me répéter, car je viens de lire le texte du festival de l’année dernière, oui, le 5e festival du film allemand, ou plutôt le 4e festival du film Defa, que nous avons organisé le week-end dernier en collaboration avec Cinécroisette et le Goethe Institut, a également été un succès ! Toutes les manifestations ont à nouveau été bien fréquentées, nous avons eu à chaque fois au moins 50 spectateurs. Cela peut ne pas paraître beaucoup, mais si l’on considère que j’ai moi-même vu « Emilia Perez », un film très apprécié qui a été présenté au festival de Cannes, avec seulement une poignée d’autres personnes dans une salle presque vide, 50 personnes pour nos films allemands inconnus, un matin à Cannes ou un après-midi dans un petit cinéma de quartier un peu en dehors, c’est déjà beaucoup ! De plus, comme toujours, nous avons dû faire face à des événements concurrents : à Cannes, c’était comme chaque année le « Boat Show », la ville était pleine de gens qui voulaient voir les derniers bateaux et les yachts les plus chics.
Comme les années précédentes, nous avons eu un public très intéressé et connaisseur du cinéma, qui a écouté attentivement l’introduction de Wieland Koch ou la traduction de Franka Günther et qui avait des questions et des remarques après chaque film.
Mais nous n’étions pas sur du succès avant d’avoir vu le film d’ouverture du vendredi soir , “La belle affaire”.
Il s’agit d’une comédie amusante qui nous ramène à l’Allemagne de l’Est en été 1990. Dès l’une des premières scènes, l’un des protagonistes, qui “s’était cassé» un an plus tôt vers l’Allemagne de l’Ouest via la Hongrie, comme on le lui reproche, revient de « l’Ouest doré » parce qu’il s’y sentait tout simplement « étranger » et pas chez lui. Les citoyens et citoyennes de la RDA qui sont restés dans leurs quartiers voyagent eux aussi vers un autre monde, et ce sans bouger d’un pouce, car tout change fondamentalement autour d’eux et leur devient étranger : politiquement, socialement, économiquement – tout change, même l’argent de la RDA n’a plus cours que quelques jours. Les colporteurs ouest-allemands tentent à cette époque de gagner de l’argent en vendant aux Allemands de l’Est des micro-ondes et des casseroles sur le pas de leur porte. Mais les habitants du quartier profitent eux aussi du nouveau système et échangent tant qu’il est encore temps l’argent de l’Est qu’ils ont trouvé contre des marchandises : « Nous avons d’abord ruiné le socialisme, maintenant c’est le capitalisme », rient-ils.
Le lendemain matin, nous nous sommes retrouvés au cinéma Arcades; après un bref discours de Franka Günther, qui a rappelé qu’à l’origine, il ne s’agissait pas d’un « festival du film allemand », mais d’un « festival du film est-allemand », et qu’il n’existait seulement parce que Serge avait accepté sans hésiter et avec beaucoup d’enthousiasme la proposition qu’elle avait faite il y a quelques années, le cœur serré, de montrer éventuellement des films Defa au public français.
Et puis nous avons vu le seul film Defa que nous avions programmé cette année (je l’ai déjà dit, nous avons montré presque tous les films Defa sous-titrés en français ces dernières années !): « J’avais 19 ans » de Konrad Wolf ; l’histoire du jeune Gregor Hecker, originaire de Cologne, qui avait émigré en Russie avec ses parents communistes dans les années 30, et qui revient pour la première fois en Allemagne dans les derniers jours de la guerre en tant que jeune soldat de l’Armée rouge. Il s’agit de la propre histoire de Konrad Wolf, qu’il a voulu raconter de la manière la plus authentique possible à l’aide du journal qu’il avait écrit à l’époque. Je cite ici l’annonce de la fondation Defa
Avril 1945 : Gregor Hecker, un Allemand de 19 ans, rentre chez lui dans l’uniforme d’un lieutenant soviétique. Il avait huit ans lorsque ses parents ont émigré avec lui à Moscou. Du 16 avril au 2 mai, il passe devant Berlin dans un véhicule militaire soviétique sur le chemin de la 48e armée depuis l’Oder vers le nord. À l’aide d’un haut-parleur, Gregor invite les soldats qui se battent encore isolément à faire défection. Certains viennent, d’autres répondent par des coups de feu. Chaque jour, Gregor rencontre des gens de toutes sortes, pleins d’espoir, désorientés, désespérés. Il se sent chez lui avec ses amis russes, beaucoup d’Allemands lui posent des énigmes. Il comprend peu à peu que « les Allemands » n’existent pas. Il rencontre des gens simples, des suiveurs, des réassureurs, des transfuges, des fanatiques de la persévérance, des fascistes invétérés. Sa première rencontre avec des antifascistes libérés des camps de concentration est pour lui une expérience émouvante. Et lorsque son ami Sascha est tué lors d’une dernière mission de combat, Gregor, bouleversé, sait qu’il participera ici à la construction d’une Allemagne différente et meilleure.
Nous pouvons le dire d’emblée, c’est le film qui nous a tous le plus impressionnés lors de ce festival. Gregor Hecker est interprété par le jeune Jaecki Schwarz, que vous connaissez peut-être comme commissaire dans « Polizeiruf 110 ». Je ne l’aimais pas trop, mais dans « J’avais 19 ans », il donne au jeune soldat de l’armée rouge une naïveté rafraîchissante qui lui permet de découvrir l’Allemagne et les Allemands. Une jeune fille allemande est interprétée par Jenny Gröllmann, que nous connaissons à l’Ouest au moins depuis la série « Liebling Kreuzberg ».
Le film de l’après-midi au petit cinéma Cannet Toiles au Cannet est « Adam et Evelyn ». Ce film mélancolique à la narration lente, qui nous entraîne à la fin de l’été 1989, m’a, je l’avoue, beaucoup ennuyé lors du premier visionnage, malgré ses images idylliques. « Allô, il se passe encore quelque chose ici ? », ai-je voulu crier. « Vous parlez un peu ? “, j’aurais préféré secouer les acteurs. Ce n’est qu’en discutant avec Wieland Koch et Franka Günther que j’ai mieux compris le film. C’était un été incertain. Des amis disparaissaient d’un jour à l’autre sans dire au revoir. ” Ce n’est pas possible que tout le monde parte, quitte ses amis et sa famille, qui restera ?” se demandaient-ils. C’est une période où l’on réfléchit, où l’on doute. La RDA était économiquement en faillite, politiquement c’était probablement insupportable, mais on y est enraciné, on a des amis, sa famille, peut-être des parents âgés ou malades, sa patrie en somme.
Adam a trouvé sa niche en tant que couturier pour dames, dans laquelle il s’est installé. « Ça n’a pas d’importance où l’on vit ? » demande-t-il à Evelyn. Mais Evelyn en a assez de cette tranquillité, elle veut plus, peut-être étudier l’histoire de l’art, et en plus, elle veut maintenant s’éloigner d’Adam, qui la trompe avec toutes les femmes pour lesquelles il coud de belles robes. Adam suit Evelyn en voiture, « une lente course-poursuite » commence, un lent road-movie dans une Wartburg 311 turquoise et blanche qui s’arrête régulièrement en surchauffe, puis l’accompagne, plutôt spontanément, à l’Ouest. Doutant et souriant avec angoisse, sans prononcer un mot, ils se regardent lorsqu’ils traversent la frontière vers l’Autriche. Vont-ils trouver le paradis ou viennent-ils de le perdre ?
Wieland Koch m’a offert le roman d’Ingo Schulze, qui a servi de modèle au film et dans lequel il y a beaucoup plus de dialogues que dans le film. Je l’aime bien, je le lis avec plaisir et j’ai en tête les belles images chaudes de fin d’été du film. Parfait.
Le lendemain matin, nous avons projeté, cette fois à l’Olympia, « Almanya », l’histoire d’une famille de « travailleurs immigrés » turcs sur trois et presque quatre générations. Le film date de 2011, mais il est intemporel et m’a beaucoup touché lorsque je l’ai revu. Les spectateurs et spectatrices ont également été émus et ont ri et pleuré avec la famille turque. J’en ai déjà parlé dans un texte de blog sur le thème de la « patrie ».
Tout le film m’a touché parce que, dans ma situation d’étranger en France, je me suis soudain et pour la première fois rapproché des « étrangers », des Turcs en Allemagne ou des Allemands issus de l’immigration. Pour la première fois, je pouvais les comprendre, et j’ai soudain beaucoup d’amour pour ces enfants culturellement mélangés. Ce qui m’a fait mal, c’est que le petit Cenk (dans le film), à l’école primaire, se voit demander par son institutrice (tout à fait gentille) d’où il vient. L’Allemagne, répond-il. Non, dit l’enseignante. Mauvaise réponse. « Quel est le nom du beau pays d’où vient ton père ? » En fait, il devrait dire encore une fois Allemagne, car son père est déjà né en Allemagne. Mais il sait déjà qu’il doit dire la Turquie, l’Anatolie plus précisément, qui ne se trouve alors même pas sur la carte d’Europe dans la classe. Pauvre Cenk. Qu’est-ce qu’il est maintenant ? Il a certes un nom turc, mais il ne sait même pas parler turc. Il n’est rien du tout, disent catégoriquement ses camarades de jeu. Et on ne peut pas être les deux, car on ne peut jouer au football que dans une seule équipe. Et c’est avec colère qu’il demande à sa famille : « Qu’est-ce que nous sommes maintenant ? Turcs ou Allemands ? Les grands-parents de Cenk ont des passeports allemands tout frais, mais le grand-père dit : « Ce n’est que du papier, nous sommes turcs ! », et il a acheté une maison « en Turquie, dans la patrie », au grand désarroi de toute la famille.
L’après-midi, nous avons projeté notre dernier film « Kaddish pour un ami » dans le petit cinéma Ciné Toile de Rocheville, qui a de nouveau attiré beaucoup de monde. Le film date déjà de 2012. Je ne le connaissais pas et j’étais incertain de la manière dont l’histoire du conflit et d’une amitié qui se développe lentement entre Alexandre, un vieux juif d’origine russe, et Ali, un jeune rebelle palestinien, allait être reçue. Depuis le 7 octobre, il n’est pratiquement plus possible de parler du conflit entre les Juifs et les Palestiniens de manière objective. Ce film aussi, bien qu’il m’ait parfois semblé un peu schématique, m’a touché et m’a fait verser une larme à la fin, et pas seulement à moi. La brutalité et la haine montrées dans le film sont restées dans des limites supportables, car le film est conçu comme un film pour la jeunesse et a été récompensé dans cette catégorie en 2013 comme ” Meilleur long métrage pour enfants “.
Le réalisateur Leo Khasin est lui-même un juif d’origine russe qui a d’abord étudié la médecine dentaire en Allemagne et gère un cabinet dentaire avec sa sœur à Berlin. Il a ensuite fréquenté une école de cinéma et tourné plusieurs courts métrages. Il vit et travaille dans un quartier sensible et connaît ce qu’il montre dans le film. « Kaddish pour un ami » est son premier long métrage.
Le public a applaudi, a discuté encore longtemps et a remercié à plusieurs reprises pour le choix des films. Les connaissances de Wieland Koch sur tous les films et tout autour ainsi que la traduction géniale de Franka Günther ont été appréciées et accueillies avec gratitude.
Ensuite, nous avions invité avec Cinécroisette à un petit pot – Wieland et Franka avaient apporté plusieurs kilos de sucreries typiques de la RDA, des “Hallorenkugeln”, “Russisch Brot”, “Geleebananen”, “Knusperflocken” et bien d’autres choses encore, et nous avons bu du Prosecco, du Rosé ou de l’Orangina et avons discuté de manière animée pendant encore une heure avec toutes les personnes présentes. Et tout le monde s’est quitté avec un joyeux et encourageant « à l’année prochaine » !
Nous remercions Françoise Waintrop, la nouvelle présidente de Cinécroisette et les membres du bureau nouvellement constitué pour leur confiance à nous laisser continuer ce festival. Je remercie Franka Günther et Wieland Koch, qui ont porté le gros du travail (bénévole) et qui permettent à ce festival d’exister, car sans eux, nous ne serions pas près de comprendre les films de la Defa en particulier, mais aussi les films actuels en rapport avec la RDA. Et surtout, nous remercions le formidable public français qui, cette année encore, s’est intéressé aux films allemands et est-allemands !
Sie kennen die Überschrift, am 12. des Monats machen wir 12 Bilder vom Tag. Gesammelt wird das alles seit Jahr und Tag verlässlich von Caro vom Blog “Draußen nur Kännchen”. Heute habe ich es immer wieder vergessen, Fotos zu machen. Ich kriege aber trotzdem zwölf zusammen.
Ich stehe auf und mache schon in aller Frühe Ratatouille, die braucht Zeit und muss köcheln. Wir bekommen Besuch zum Mittagessen, bis dahin soll sie gut sein. Ich vergesse Fotos von der Zubereitung zu machen. Hier das Zwischenergebnis.
Danach trinke ich meinen Kaffee und lese eine kleine Kulturbroschüre der Stadt.
Gestern habe ich noch überlegt, ob es zum Mittagessen draußen nicht zu sonnig ist, die Frage erübrigt sich heute, es ist bedeckt und windig. Blick aus dem Fenster.
Den Tisch decke ich nun drinnen.
Ich vergesse vom Essen Fotos zu machen. Es gab diverse Kleinigkeiten als amuse gueule, Melone mit Schinken als Entrée, dann Onglet (ein Stück Rindfleisch), dazu Grenailles (kleine Kartoffeln, angebraten mit Rosmarin) und Ratatouille.
Es gibt nur ein Foto vom Geschirr danach. Nein, wir haben keinen Geschirrspüler. Das Geschirr wird verlässlich von Monsieur gespült, allerdings nur einmal am Tag bzw. in der Nacht. Monsieur macht sozusagen eine nächtliche Spülmeditation, hilft zuverlässig gegen Insomnie.
Der Kaffee wird nach dem Essen im Wohnzimmer gereicht. So siehts da auf dem Couchtisch aus. Für mehr Realität im Internet.
Ich bringe erst den Gatten zum Bridge, und sehe dabei Marilyn im Rückspiegel.
Später begleite ich eine der eingeladenen Damen mit leichter Gehbehinderung zum Physiotherapeuten. Danach finde ich einen Parkplatz nur weit entfernt, aber mit schönem Blick auf den nun blauen Himmel.
Unterwegs entdeckt. Die kleinen grauen führerscheinfreien Elektroautos haben Konkurrenz bekommen. Niedlich oder?
Ich versuche eine späte Sieste, werde aber durch einen Anruf gestört. Höre mir dann den Podcast von einem der Fahrradjungs an, dessen Tour von Gießen bis nach Hongkong ich auf Instagram gefolgt bin.
Abendessen. Es gibt Reste von mittags.
Es ist auch noch ein Dessert übrig. Dieses komische Tierchen heißt “religieuse”(Nonne) und ist ein Eclair in anderer Form: Brandteig gefüllt mit Kaffeecreme. Sehr lecker!
So viel von hier und heute. Danke fürs Anschauen. Die anderen 12von12er gibts wie immer hier. (Mon Dieu, ich bin schon die 112.!)
Und jetzt musste ich mich nochmal verlinken, weil der erste Link nicht funktioniert *augenroll*
Es wird unmerklich jede Nacht ein bisschen frischer. Vorgestern Nacht zum ersten Mal kalte Füße gehabt (ich friere immer zuerst an den Füßen!), war aber zu schläfrig, mir Socken zu suchen. Habe dann gestern eine Wolldecke über das Leintuch gelegt UND Socken angezogen – das war dann aber des Guten zu viel, ich habe die Socken nachts wieder ausgezogen und die Wolldecke runtergestrampelt. Wir versuchen es mit Variationen. Bald ist es ohnehin wieder Wärmflaschenzeit.
Tagsüber laufe ich nicht mehr barfuß durch die Wohnung, die Fußbodenkacheln kommen mir nun kalt vor. Abends kann man zwar noch ohne petite laine, meint ohne Weste draußen sitzen, später aber suche ich mir dann doch meine Filzhausschuhe aus dem Schrank.
Am Strand ist es leerer, sogar um 10 Uhr sind noch Plätze in der ersten Reihe frei. Die Sonne scheint mild und das Meer ist wohltemperiert. Hach. Ich liebe den September!
Strandszenen. Kleiner Spaziergang vor dem Schwimmen.
Es ist alles ein bisschen holpriger dieses Jahr ohne Serge, der Monsieur Cinécroisette in Personalunion war, bei dem alle Wege und Informationen zusammenliefen und mit dem alles so schön eingespielt war – die Kontakte zu den Filmverleihern, zu den AnsprechpartnerInnen des Goethe-Instituts, zu den Kinos. Jetzt hat Cinécroisette eine neue Präsidentin und ein neues Büro, die Verantwortung ruht so auf mehreren Schultern, aber alles muss allen neu erklärt und mit allen Beteiligten neu definiert werden. Erschwerend kam hinzu, dass wir beinahe alle Defa-Filme, die französisch untertitelt sind, schon gezeigt haben. Manche Filme, die wir gern zeigen würden, liegen nur in 35mm-Technik vor, die die Kinos nicht mehr haben. Bei anderen Filmen ist die Rechtelage ungeklärt. Wir schrieben Mails und suchten und telefonierten herum und bekamen manchmal einfach keine Antwort. Aber wir haben doch ein kleines Festival zusammenbekommen! Das Thema ist “Heimat, Migration und Integration”. Ich übersetze und zitiere aus der französischen Ankündigung:
“Zwischen zwei Heimaten“ –
Vier deutsche Filme über Migration und Integration, präsentiert von Ciné Croisette in Partnerschaft mit dem Goethe-Institut. Zu allen Zeiten haben Menschen ihre Heimat verlassen, um anderswo auf der Welt ein besseres Leben zu suchen. Oft sind es unerträgliche Bedingungen in ihrem Heimatland, die sie dazu veranlassen, Sicherheit, Frieden, Freiheit oder Lebensunterhalt zu suchen. Für die Auswanderer bedeutet dies den Verlust ihrer Heimat, ihrer Herkunftskultur und ihrer vertrauten Umgebung. Die Bedingungen der Einwanderer im Zielland erfordern eine Anpassung, Neuorientierung und Veränderungen in ihrer Lebensweise. Gelingt es ihnen, in der Fremde eine Heimat zu finden? Können sie zwei Heimaten haben?
Wir zeigen zunächst den DEFA-Filmvon Konrad Wolf aus dem Jahr 1968 “Ich war neunzehn”
Im April 1945 drängt die Rote Armee die Wehrmacht allmählich zurück. Der junge deutschstämmige Leutnant Gregor Hecker kehrt nach zwölf Jahren im Exil zum ersten Mal in sein Heimatland zurück. Mit einigen Männern unter seinem Befehl wird ihm die Verwaltung einer kleinen Stadt anvertraut. Er versucht, die Gegend zu befrieden und kommt mit den Einwohnern in Kontakt. Doch schon bald stellt sich für ihn die Frage nach seiner Identität: Ist er ein Sowjetbürger oder ein Deutscher? Was bedeutet ihm sein Heimatland, das sich im Zusammenbruch befindet, das unverzeihliche Verbrechen begangen hat und in dem er sich so fremd fühlt?
Der Film läuft am Samstag, 14. September um 10.30Uhr im Kino Les Arcades in Cannes
Am Nachmittag zeigen wir den melancholischen, langsam gedrehten Film mit schönen Spätsommerbildern “Adam und Evelyn” (2018) von Andreas Goldstein, nach einem Roman von Ingo Schulze
Er führt uns in die DDR des Jahres 1989, die dem Untergang geweiht ist. Adam, ein von seinen Kundinnen geliebter Damenschneider, fehlt es an nichts. Seine Freundin Evelyn erwartet mehr vom Leben. Sie ertappt Adam dabei, wie er sie betrügt, und fährt ohne ihn in den Urlaub nach Ungarn. Er will sie nicht verlieren und sucht sie. Genau zu dem Zeitpunkt, als Ungarn seine Grenzen öffnet. Neue Möglichkeiten eröffnen sich für sie und sie müssen sich entscheiden, wo sie leben wollen und somit ihr „Paradies“ finden
Der Film läuft am 14. September um 15 Uhr im Kino Cannet Toiles in Le Cannet
Am Sonntagvormittag zeigen wir (die vielleicht dem deutschen Publikum bereits bekannten) Filme Almanya, Komödie von 2012 gedreht von der Deutsch-Türkin Yasemin Şamdereli, über drei Generationen türkischer Einwanderer im Ruhrgebiet
Sonntag, 15. September 10.30 Uhr im Olympia in Cannes
und nachmittags Kaddish für einen Freund (von Leo Khasin, 2015) : Ein russischstämmiger Jude, der den zweiten Weltkrieg erlebt hat und heute in einem schlichten Hochhaus in Berlin-Kreuzberg lebt, bekommt palästinensische Nachbarn – es ist die Geschichte einer unmöglichen Freundschaft.
Sonntag, 15. September um 15 Uhr im Kino Cinetoile in Rocheville
Wieland Koch von der Defa-Stiftung wird anwesend sein und jeweils eine kurze Anmoderation zu den Filmen geben, um sie richtig einzuordnen. Nach dem Film steht er für Fragen und Diskussion zur Verfügung. Die Veranstaltung wird wie immer zweisprachig sein, Franka Günther vom Deutsch-französischen Bürgerfonds in Erfurt wird, wie schon in den vergangenen Jahren, in beide Richtungen übersetzen.
Und, kleines Zusatzangebot, am Freitag, den 13. September zeigt Cinécroisette (unabhängig von unserem Filmfestival) den in Frankreich gerade angelaufenen Film “La belle affaire” (deutscher Titel “Zwei zu eins”), eine Komödie von Natja Brunckhorst.
13. September, 20 Uhr, Cinéma Les Arcades, Cannes
Interessiert? Dann kommen Sie vorbei! Wir freuen uns, wenn Sie einen, zwei oder sogar alle Filme sehen möchten! Für Mitglieder von Cinécroisette sind die Festivalfilme kostenlos, für alle anderen kostet der Eintritt pro Film 4 € (so sollte es zumindest sein, muss ich nochmal überprüfen) für “La belle affaire” ermäßigt 7 €.
Da ist er, der Wind, den ich mir gewünscht habe. Ist natürlich gleich wieder zu viel. Man kann mir auch nichts recht machen, sagen Sie vielleicht. Ja, kann schon sein. Und nein, ich glaube nicht wirklich, dass ich diesen Einfluss auf den Wettergott hatte, es ist so vorgesehen im meteorologischen Jahr, dass es im September um Equinox (Tag-und-Nacht-Gleiche) wieder stürmischer wird, nicht umsonst finden sämtliche Regatten im September statt.
Es ist trotzdem sonnig, es ist diese warme, schon tief stehende, lange Schatten werfende Spätsommersonne. Sie blendet mich, als ich am frühen Abend aus dem Kino komme. Im Souvenirladen neben dem Kino gibt es schon Weihnachtsdeko. Es geht jetzt schnell. Lebkuchen könnte es beim deutschen Discounter geben, aber obwohl ich in der Nähe einkaufen gehe, sehe ich nicht nach. Es ist noch viel zu heiß für klebrige Schokolade.
Dafür gibt es frische Feigen! Diese hier wurden mir von der Nachbarin geschenkt! Es waren deutlich mehr, ich habe sie aber erst kurz vor knapp fotografiert. Als ich vor etwa vierzig Jahren Ende August in Italien das erste Mal frische Feigen vom Baum pflückte, wusste ich nichtmal, was das für Früchte waren, ich kannte bis dahin nur getrocknete Feigen, und die gab es im Winter! Seitdem liebe ich frische Feigen, aber selten sind sie so reif und so süß wie damals, oder wie sie es zumindest in meiner Erinnerung sind. Diese hier waren köstlich!
Und bei Grand frais ich habe tatsächlich Zwetschgen gefunden, sie sahen ganz gut aus, aber da ich nicht wusste, ob mir der Geschmack zusagt, habe ich nur ein knappes Kilo genommen; ich habe sie handverlesen, und sie waren dann so lecker, dass ich vielleicht morgen nochmal welche nachkaufen werde (ja, hier haben die Geschäfte auch sonntags vormittags auf!) – jetzt habe ich mich entschlossen, damit ich endlich zu meinem Zwetschgenkuchen komme, einen Zwetschgenstreusel zu machen (Hefeteig kann ich nicht). Miammiam, wie man hier sagt.
Peu à peu kommen die Filme ins Kino, die beim Filmfestival im Mai von sich reden gemacht haben. Tatami ist bereits angelaufen, “The seeds of the sacred fig” wird demnächst anlaufen. Ich habe “A son image” gesehen, auch ein Film, der dieses Jahr in Cannes gelaufen ist, und hier und da hochgelobt wurde; erzählt wird, im wahrsten Sinn, denn es gibt eine Erzählerstimme (die mich nervte), die Geschichte von Antonia, einer jungen Frau, die ihren Weg sucht mitten im vom FLNC nationalistisch aufgewühlten Korsika der achtziger Jahre – die literarische Vorlage war ein ebenso hochgelobter Roman von Jerôme Ferrari. Das (französische) Buch blieb lange Zeit ungelesen neben meinem Bett liegen, aber ich werde es nochmal zur Hand nehmen, denn der Film lässt mich eher ratlos zurück – eine Aneinanderreihung von starken und schwachen (und zu langen) Szenen, die mich störende Erzählerstimme, Antonias zumindest mich nicht überzeugende Arbeit als Fotografin, sie wirkte weder perfektionistisch, wie die Erzählerstimme behauptet, noch besonders professionell, und sie, die ihr Leben frei und selbstbestimmt leben wollte, scheitert, weil sie zu sehr in den FLNC verstrickt ist. Ist das die Botschaft?
Im Moment scheine ich schwer zufriedenzustellen zu sein, denn vorgestern Abend habe ich die erste Staffel der englischen Serie Mum auf arte gesehen. Ich weiß nicht, ob ich die zweite und dritte Staffel sehen muss. Ich finde diese empathielose, sagen wir toxische Familie (ganz unerträglich schrecklich die Mutter von Kelly) nicht lustig. Eigentlich bin ich nur drangeblieben, um zu sehen, ob die gutmütige Cathy, die ihren Mann verloren hat, dem sie heimlich verehrenden Jugendfreund Michel, einem ebenso netten wie gutmütigen, aber nicht sehr mutigen Charakter, näher kommt – und irgendwie hatte ich gehofft, so tumb der Sohn Jason und die Schwiegertochter Kelly auch sein mögen, dass die beiden sich trennen und eine positive Entwicklung nehmen. Aber ich fürchte, es bleibt auf diesem unterirdischen Niveau. Vielleicht ist das britischer Humor und ich bin inzwischen zu sehr französisch geprägt, ich weiß es nicht. Haben Sie die Serie gesehen?
Und hier noch etwas ganz anderes, denn die Nachrichten haben nur ein Thema: Michel Barnier, unser neuer Premierminister. Gegen den in Paris heute schon demonstriert wird. Eine etwas ausführlichere Darstellung der Situation rund um den neuen Premierminister und das Parlament gibt es in der ZEIT. Und hier ein Artikel (ebenfalls in der ZEIT) über die Staatsverschuldung, die der neue Premierminister in seinem ersten (und vielleicht letzten) Haushaltsplan zu regeln hat, notfalls gegen die Linke und mit Marine Le Pen, all das nur, falls es Sie interessiert, keine Angst, der Text ist allgemeinverständlich.
ps: Sonntagmorgen, es regnet, und ich ergänze hier noch schnell den heutigen Newsletter von Herrn Minkmar, der sich nicht nur zum Notizbuch des neuen Premierministers äußert. Wie immer lesenswert.
So, der Kuchen ist fertig (und lecker, hätte aber mehr Zwetschgen vertragen können)! Schönen Sonntag!
Jedenfalls war die ganze Nacht erleuchtet von über 2500 Blitzen, dazu ein ständiges Donnergrollen und hier lange Zeit nur wenig, dann aber, wie so oft, sintflutartige Regenfälle. Es platschte und klatschte so sehr im Hinterhof, die Dachrinnen liefen über, dass ich gegen halb eins in der Nacht vorsichtshalber nachschaute und den kleinen Gully vom Laub befreite, damit das Wasser von dort bitte möglichst unter dem Haus durchfließen kann und nicht wieder wie 2015 durch das Erdgeschoss muss.
Das Gewitter hatte sich schon am Morgen angekündigt und braute sich den ganzen Tag über zusammen. Am ersten Mittwoch im Monat um Punkt 12 Uhr heulen hier immer die Sirenen für einen Probealarm. Untermalt vom Donnergrollen und vielleicht auch, weil ich so viele Bilder aus dem derzeit zerstörten Lviv (Lemberg) in der Ukraine gesehen und gleichzeitig einen neuen Blogeintrag aus Israel gelesen hatte, auf dem auch der nächtliche Bombenbeschuss zu sehen war, hatte ich ein beklemmendes Gefühl. So könnte Krieg aussehen, dachte ich. Dabei ist es nur ein Gewitter, und ich habe es mir sogar gewünscht! Das stundenlange Blitzen und Donnern war jedenfalls sehr beeindruckend. Vorsichtshalber habe ich nachts auch Internet und PC vom Netz getrennt, und wie man sieht, ist alles noch da. Außer dem Fernseher, wie wir gerade feststellen. Monsieur hört also Radio, um sich zu informieren, ganz wie früher.
Ja, man soll sich nicht leichtfertig etwas wünschen, das Universum erhört einen vielleicht sofort. So haben wir seit etwas mehr als einer Stunde einen neuen Premierminister. Hier eine erste Meldung des Deutschlandfunks. Zwischenzeitlich hatte es schon Gerüchte über einen Rücktritt Macrons gegeben, denn gestern hatte sein ehemaliger Premierminister Edouard Philippe verkündet, er sei “bereit” – bereit für das Amt des Präsidenten, sollte es überraschend zu Neuwahlen kommen.
Die Linke, die bei den letzten Wahlen immerhin die Mehrheit errungen hat, ist natürlich empört, dass Macron keinen linken Premierminister:in ernannt hat und es somit kein entsprechend links aufgestelltes Parlament geben wird. Aber nachdem die Linke (und die extreme Rechte) angekündigt haben, die unpopuläre Rentenreform sofort rückgängig zu machen, obwohl schon jetzt feststeht, dass sie unzureichend ist und den hoch verschuldeten Staat finanziell weiter schwächen wird und spätestens 2030 angepasst werden muss, kam für Macron nur ein Premierminister in Frage, der zumindest die Rentenreform nicht antastet. Was gestern in einer Nachrichtensendung bemängelt wurde, war, dass es keine Kommunikation gibt, die uns Wähler:innen erklärt, warum es mit dem Premierminister so lange gedauert hat. Und wie schwierig, um nicht zu sagen blockiert, die Situation im Parlament sein wird, je nachdem, welche Person dieses Amt übernimmt, weil sie sofort von den einen oder den anderen Parlamentariern abgelehnt wird. Mélenchon hat bereits außerparlamentarische Proteste angekündigt. Es bleibt schwierig.
Nur so viel für eben. Ich weiß, heute ist auch der 5. und sie warten vielleicht auf “Was machst du eigentlich den ganzen Tag”, aber es passt heute leider nicht.
Vermutlich wollen Sie mich nicht schon wieder und immer noch über die Hitze stöhnen hören, ja, die Sonne steht nicht mehr ganz so hoch, das Licht ist nicht mehr ganz so gleißend, aber wir haben erneut erschöpfende 29 Grad Innentemperatur und draußen ist es entsprechend heißer. Ich war gerade ein paar Tage in Deutschland, und ja, es war in etwa genauso heiß, erstmals musste ich an meiner Garderobe überhaupt nichts ändern, die mitgebrachten Söckchen und das Wolljäckchen brauchte ich definitiv nur im stark klimatisierten Flieger, aber nachts wurde es in Deutschland kühler und ich begann die Tage dort immerhin mit einem frischen Kopf.
“Herr es ist Zeit” rufe ich ihm zu, höchste Zeit, mach mal Schluss jetzt mit dieser Hitze, er war sehr groß der Sommer, es reicht! “Aber ihr habt doch das Meer”, sagt man mir in Deutschland. Ich verstehe erst gar nicht, was damit vermutlich gesagt werden sollte. Das Meer. Es ist so wüstengleich heiß am schattenlosen und überdies schmalen Stadtstrand, man verbrennt sich die Füße im Sand, und das Meer ist so warm, häufig schmutzig, und voll und laut ist es auch. Denn nein, wir haben keine Weite und keine leichte Brise am Mittelmeer, wir haben, wenn sich überhaupt etwas bewegt, heißen Wind. Also bitte! Schatten auf die Sonnenuhren, ein ordentliches Gewitter und dann Herbstwind in den Fluren. Es ist immerhin September. Im Supermarkt gibt es schon Trauben und Pflaumen und die ersten Äpfel (ich habe übrigens nirgends Pflaumen/Zwetschgenkuchen bekommen in Deutschland, dabei stand das ganz oben auf der to-eat-Liste! Aber immerhin Käsekuchen und Apfelschorle, auch ein Klassiker.)
C’est la rentrée, die Kinder sind zurück in der Schule, die großen Kinder in der Hochschule, auch wenn sie immer noch keinen Bildungsminister haben, der sich symbolisch um sie sorgt. Kein weißer Rauch über dem Matignon. Non habemus Premierminister:in und damit auch weiterhin keine von ihm ernannten anderen Minister:innen. Aber während ich hier schreibe, treffen sich erneut Politiker:innen mit Macron, vielleicht ist am Ende des Tages und dieses Textes doch eine Entscheidung gefallen. On verra.
In Deutschland haben wir eine Flussfahrt auf dem Neckar gemacht, eher ein Touristen-Event, aber es war trotzdem sehr nett. Mich freute es zu sehen, dass es auf dem Neckar noch Binnenschiffahrt gibt, und Ruderer und Angler und jede Menge Kormorane. Und Burgen natürlich auch.
Es empfiehlt sich, dieser Tage auf dem Oberdeck einen Schirm gegen die Sonne dabeizuhaben, ein Regenschirm tut es völlig, dennoch waren wir auf der Rückfahrt dankbar, dass wir nun unten einen Platz gefunden haben. Danach fielen wir in eine Eisdiele ein und dort gab es Eispresso, das ist eine tolle Erfindung! In Frankreich gibt es in der Zwischenzeit immerhin eine Art Eiskaffee, falls Sie einen solchen bestellen wollen, er heißt hier häufig Café Liégeois (gesprochen etwa: Kaffee Li-eh-schoa), ist aber häufiger ein Dessert mit viel Eis und Schokoladensoße, und gerade nachgelesen, es ist keine Spezialität aus Liège (Lüttich, in Belgien) wie man vermuten könnte, sondern hat einen Kriegshintergrund, die Alliierten waren Liège im Erster Weltkrieg wegen seines tapferen Widerstandes dankbar und widmeten ihm daher dieses Dessert, so ganz erschließt es sich mir nicht, warum es dieses Dessert wurde, aber ich verlinke es Ihnen, falls Sie es nachlesen mögen (Text auf Französisch!). Ansonsten gibt es hier Café glacé oder Café frappé, das ist geeister Kaffee mit Eiswürfeln, erfrischend, aber nicht ganz die Art Eiskaffee, die wir uns vorstellen (kein cremiges Eis, keine Schlagsahne)
Zurück in Frankreich brach ich beim Verlassen des klimatisierten Flughafengebäudes unter der nächtlichen Schwüle fast zusammen. Anderntags gingen wir erstmal schwimmen und dann fein essen, aber beinahe hätten wir wieder ohne Essen zurückfahren müssen, es gab nämlich ums Verrecken keinen Parkplatz. Wir standen dann fast zwei Kilometer entfernt vollkommen unkorrekt entlang der Straße. So ähnlich ist es auch zu Hause. Eben noch zu viele Touristenautos, die uns zwangen, irgendwo außerhalb zu parken, jetzt verstopfen schon wieder die kleinen führerscheinfreien Autos der Gymnasiast:innen das Viertel. La rentrée, wie gesagt.
Eigentlich wollte ich auch auf unser deutsches Filmfestival hinweisen, das am 14. und 15. September stattfinden wird, aber es ist alles etwas holpriger dieses erste Jahr ohne Serge, und das Programm steht noch nicht auf der Webseite des Kinoclubs. Die dafür zuständige Dame ist im Moment bei der Mostra in Venedig, kommt erst am Wochenende zurück und dann dazu, es auf die Seite zu stellen. Hier aber immerhin schonmal ein Screenshot. Der rote Faden unserer Filmauswahl ist dieses Mal “Heimat/Fremd sein/Integration”.
Kurzfristig haben wir noch eine aktuelle Komödie von Natja Brunckhorst mit Sandra Hüller vorangestellt: Am Freitag Abend läuft im Kino Arcades “La belle affaire” oder “Zwei zu Eins” (deutscher Titel).
Es ist trotz der gelegentlichen frühmorgendlichen Bewölkung (Foto vom Samstag) immer noch heiß, aber gegen Morgen decke ich mich jetzt mit einem Leintuch zu, obwohl es indoor zumindest tagsüber noch knapp 29 Grad sind! Draußen, falls Sie das auch wissen möchten, haben wir angeblich auch 29 Grad, keine Ahnung, wo die gemessen wurden, bei der Apotheke an der Ecke wurden innerstädtische 36 Grad angezeigt, und das fühle ich auch eher.
Zurück nach Innen: Es gibt da ja ganz fein gefühlte Abstufungen zumindest für nachts: erschöpftes Schlafen bei 31 Grad indoor mit Ventilator ohne Bekleidung und ohne Leintuch auf kühler Baumwollwäsche (Fenster für den Versuch eines Luftaustauschs hinter den geschlossenen Fensterläden weit geöffnet, aber nur da, wo der Autoverkehr nicht durchrauscht), erschöpftes Schlafen ohne Ventilator (bei 29 Grad), schlafen mit leichtem Nachthemd oder Leintuch, mit der Variante, dass man das eine oder andere im Laufe der Nacht von sich reißt. Ich zumindest bin jetzt einen Schritt weiter: Schlafen mit leichtem Nachthemd plus in der Nacht vergebliche Versuche, das Leintuch unter dem tief schlafenden Gatten herauszuziehen. Insofern nicke ich noch einmal ein, als Monsieur das Bett verlässt und ich mich komplett unter das Leintuch kuscheln kann.
Wir haben nur noch ein Auto, der kleine alte Yaris, den wir von der Schwiegermutter übernommen haben, kam definitiv nicht mehr über den TÜV und wurde zur “Démolition” gebracht, wir haben nicht mal ein Abschiedsfoto gemacht. Das erschwert neuerdings die Organisation unseres Alltags. Monsieur ist frühmorgens schon unterwegs zur Baustelle, dort haben die Handwerker erst die Gasleitung beschädigt (der Gasnotdienst ist sehr reaktiv, das muss man lobend sagen, auch mitten in der Nacht schicken sie umgehend einen Experten, der dann entscheidet, ob man die ganze Straße oder nur einzelne Haushalte vom Gas nimmt). Die Baustelle wurde um eine Gasleitungsbaustelle erweitert. Kaum ist das wieder in Ordnung und der Bürgersteig wieder zugeschüttet, ruft eine Mieterin an, dass jetzt Wasser in den Keller liefe. Freitagsabends natürlich. Monsieur ist also heute morgen dort und schaut, dass dort gearbeitet wird, möglichst ohne eine weitere Baustelle zu eröffnen.
Ich habe also kein Auto, um mal schnell an den Strand zu fahren, der im Übrigen immer noch voll ist – es gäbe sicherlich Möglichkeiten, Monsieur hätte mich am Strand absetzen können und ich führe mit dem Bus wieder nach Hause, aber das konnte ich mit meinem müden Kopf nicht so schnell entscheiden und auch nicht umsetzen (Kontaktlinsen rein!), wie Monsieur das bräuchte. Also bleibe ich da und schreibe darüber. Auch schön.
Außerdem schreibe ich eine erneute Mail an den Service Client der Post, denn, nein, mein Paket hat sich natürlich nicht gefunden und glauben Sie mal nicht, dass ich vom Service Client je eine Antwort auf meine letzte Mail bekommen hätte, die man natürlich nicht mehr direkt, sondern nur über ein Formular auf der Internetseite senden kann.
In meiner Timeline geht es schon um den Herbst. Der ist hier noch nicht spürbar, das raschelnde vertrocknete Weinlaub, das in unserem Innenhof von einem warmen Lüftchen durchgewirbelt wird, hat eher damit zu tun, dass auch im Park nebenan, wo der wilde Wein seine Wurzeln hat, Wasser gespart wird und nicht mehr überall so üppig gegossen wird. Ich höre von dort eine geduldige freundliche Männerstimme, die anscheinend Kindern und Boule-Anfängern die Regeln erklärt. “Jaaaa!” und “ooooh!” freut er sich über jede Kugel, die geworfen wird. Man muss die Kinder früh an diesen Sport heranführen, damit ihnen die Techniken und Regeln in Fleisch und Blut übergehen. Mich hat das Boule-Fieber nie gepackt, obwohl mir einmal von einem passionierten Boulisten extra ein “Schweinchen” geschenkt wurde, in der Hoffnung auf den Beginn einer wunderbaren Beziehung (nicht zum Boulisten, sondern zum Boulespielen). Wurde aber nix.
Herbst ist hier also gefühlt noch nicht, aber die Rentrée kündigt sich an. Die “Enkelkinder” sind ja jetzt Studierende, sie brauchen keine neuen Schulsachen mehr, von denen die Supermärkte gerade überquellen, aber sie kommen noch einmal kurz nach Hause von ihren diversen Ferienunternehmungen, bevor sie in dieser Woche beide wieder nach Lyon fahren. Und: untrügliches Zeichen, dass der Sommer zu Ende geht, “L’amour est dans le pré”, eine Sendung in der Art “Bauer sucht Frau”, geht in die 19. Staffel und hat bereits begonnen, um uns den Übergang in den Nach-Ferien-Alltag zu versüßen. Ich bin ja quasi seit Beginn der Serie dabei, und, vermutlich dank meiner landwirtschaftlichen Prägung in diesem Land, seit vielen Jahren bekennender Fan; Karine Le Marchand macht diese Sendung sehr liebevoll und engagiert.
Auch politisch wird es demnächst bald weitergehen, Sie erinnern sich vielleicht, dass wir in Frankreich immer noch kein Parlament haben, es scheint auch ohne ganz gut zu gehen; Macron hat die von der NFP (Nouvelle Front Populaire, dem linken Zusammenschluss) vorgeschlagene Kandidatin Lucie Castets für den Posten der Premierministern weder akzeptiert noch jetzt abgelehnt. Er hatte sich eine Pause für die Zeit der Olympischen Spiele erbeten. Keine Entscheidungen vor dem 23. August hieß es. Jetzt ist die Entscheidung gefallen.
Wir waren nochmal im Kino und haben uns in einem der auf Kühlschranktemperaturen runtergekühlten Säle des hässlichen Kinokomplexes außerhalb der Stadt “Emilia Perez” angesehen, den beim letzten Filmfestival hochgelobten neuen Film von Jacques Audiard. Er wurde damals sogar in die Nähe der Goldenen Palme gerückt, bekam aber dann zwei andere Preise, einmal den für die beste weibliche Hauptdarstellerin (für Karla Sofia Gascón, eine Transfrau, ich erinnere mich noch an ihre sehr emotionale Dankesrede) und den Preis der Jury.
Wenn nicht nur die linke Presse, sondern sogar der konservative Figaro dazu sagt “man dürfe den Film nicht verpassen”, dann müssen wir ihn sehen. Es ist eine zeitweise sehr gewalttätige Geschichte des Chefs eines Drogenkartells in Mexiko, der sein Leben ändern und vor allem endlich eine Frau werden will. Und es ist ein Film in Form einer Comédie Musicale, es wird also gesungen und getanzt. Klingt bizarr? Ist bizarr. Funktioniert aber. Ein absolut überraschender Film, spektakulär und aufwändig gemacht. Könnte Ihnen gefallen, wenn Sie Filme von Pedro Almodovar lieben. Allerdings hat er mich letztlich nicht wirklich mitgerissen oder berührt – vielleicht lag es daran, dass alle ihn so hochgelobt haben und ich nun etwas noch Außergewöhnlicheres erwartet habe, keine Ahnung. Ich bereue aber nicht, ihn gesehen zu haben.
Kürzlich wurde mir angeboten, mich für meine Arbeit hier finanziell zu unterstützen, so wie es andernorts etwa mit einem hingehaltenen “virtuellen Hut” oder über “buy me a coffee” gemacht wird. Es hat mich sehr gefreut, zu lesen, dass viele andere den Vorschlag gut fanden, danke Ihnen sehr dafür! Ich habe lange darüber nachgedacht, aber ich werde diese Form der Unterstützung nicht annehmen, ich werde ebenso weiterhin keine Werbung auf meinem Blog mitlaufen lassen, aber wenn Sie meine Arbeit unterstützen wollen, dann freue ich mich, wenn Sie meinen Blog weiterempfehlen, und wenn Sie meine Bücher, die Krimis und die persönlichen Bücher erwerben wollen. Falls Sie sie schon kennen, dann mögen Sie sie vielleicht verschenken? “Von hier bis ans Meer” ist im ersten Corona-Jahr erschienen und dabei leider nicht so wahrgenommen worden, wie ich mir das gewünscht hätte. Wenn Sie diesem Buch eine neue Chance geben wollen, wäre das eine große Freude und Unterstützung für mich! Herzlichen Dank!
Ich habe es neulich schon erwähnt, hier wird gerade des 80. Jahrestages des Débarquement en Provence gedacht. Ich hatte gehofft, am 24. August, dem Tag, an dem Cannes “von den Nazis befreit” wurde, eine Fotoausstellung im Rathaus zu sehen, aber nein, der Himmel weiß, wie ich all die Ankündigungen dieses Jahr missverstehen konnte, es gab keine Fotoausstellung. Nirgendwo. Es gab nur klassische Gedenkfeiern mit Fahnen, Reden, Niederlegung eines Blumengestecks vor dem Kriegerdenkmal und so weiter. Was es auch gab, war ein Autokorso mit Militärfahrzeugen und Panzern durch die Innenstadt. Das gibt es jedes Jahr und wird von einem Automobilclub für historische Fahrzeuge organisiert, dieses Jahr waren es anlässlich des 80. Jahrestages ein paar Autos und Panzer mehr. Rund um die Militärautos, die man den Rest des Tages auf einem Platz am Hafen bewundern kann, gibt es einen militärhistorischen Flohmarkt. Mehr gibt es nicht, und das ist alles nicht so mein Ding, und das Publikum auch nicht. Btw. die Fremdenlegion war auch da und warb für sich.
Aber ich mache pflichtschuldigst ein paar Fotos, weil es nichts anderes gibt. Den Korso, für den alle parkenden Autos entlang der Croisette, auch die Luxuskarossen der Superreichen vor den Luxushotels, weggeparkt werden mussten, erlebe ich nicht.
Ich sehe und höre einen Panzer wegrollen, das reicht mir. Ein Gemüsehändler, bei dem ich später im Zelt gegenüber ein paar Tomaten und Zucchini kaufe, erzählt, wie in aller Herrgottsfrühe die Panzer angerollt kamen, um sich auf dem Platz zu formieren, mit einem brüllenden Lärm, der wohl alle Anwohner aus den Betten geschreckt hat.
Aber ich habe einige Artikel gelesen und eine Dokumentation im Fernsehen gesehen. Das alles habe ich leider nicht auf Deutsch gefunden, auch nicht auf arte, das “Débarquement en Provence”, das “andere Débarquement”, das nicht minder wichtig war, wie alle Beteiligten und die Historiker, die sich damit beschäftigen, trotzig sagen, wird in der großen Geschichte der Libération, der Befreiung Frankreichs von den Nazis, gerne vergessen. Und das, obwohl anders als in der Normandie auch die französische Armee an diesem Débarquement beteiligt war! Und zwar die Armée d’Afrique, wo die sogenannten Pieds noirs, die Algerienfranzosen, Seite an Seite mit Algeriern, Marokkanern, Tunesiern und Senegalesen kämpften.
Ab dem 15. August 1944 landeten 260.000 Mann der Armee B, so der Kriegsname der Armée d’Afrique, unter dem Befehl von General de Lattre de Tassigny in der Provence. Diese Armee bestand zu 82 % aus Soldaten, die aus Einheiten der Armée d’Afrique stammten, davon 50 % Algerier, Tunesier und Marokkaner, 32 % der sogenannten Pieds Noirs, das sind Algerienfranzosen, zu 10 % aus Schwarzafrikanern und zu 8 % aus Franzosen aus dem Mutterland.
Das Débarquement war erfolgreich, die ersten strategisch wichtigen Städte, die es zu “befreien” galt, sind Marseille und Toulon. Trotz des Widerstandes der Deutschen in Marseille, die erst am 28. August kapitulierten, gelang dies überraschend schnell – man hatte mit viel härteren und längeren Kämpfen gerechnet, so dass sich die Armee bereits einen Monat früher als vorgesehen in Richtung Norden und Paris in Bewegung setzte, um die Deutschen “in die Zange zu nehmen”.
Hier ein leicht verständlicher Teil einer vierteiligen Kurzfilm-Serie, die das Verteidungsministerium herausgegeben hat.
Doch dann beginnt das, was man im Französischen “Blanchiment des troupes” nennt, was man mit “Truppen weißwaschen” übersetzen könnte, denn die schwarzen Soldaten werden durch weiße ersetzt – angeblich, weil die schwarzafrikanischen Soldaten dem bevorstehenden Winter in Nordfrankreich nicht gewachsen wären. Der wahre Grund war jedoch, dass die amerikanische Armee, die noch sehr rassistisch gegenüber ihren eigenen schwarzen Soldaten war, keine Schwarzen beim Siegesmarsch in Paris dabei haben wollte. Also wurden die schwarzen Soldaten der Afrikanischen Armee in ein Lager irgendwo im Süden gesteckt und später wieder nach Hause geschickt, obwohl sie die ersten waren, die heldenhaft den Weg freigekämpft hatten. Da es nicht genügend “französische” Uniformen gab, für die “neuen” weißen französischen Soldaten, die bis dahin im FFI (Forces Françaises de l’Interieur), also im Widerstand, aktiv gewesen waren und jetzt in die Armee eintraten, zog man den nun inaktiv gewordenen schwarzafrikanischen Soldaten ihre Uniformen aus und zog damit die “neuen” weißen französischen Soldaten an.
Raffael Scheck, der Historiker im hier noch einmal verlinkten Film, sagte, dass es aus damaliger Sicht und in den Augen de Gaulles keine rassistische Entscheidung gewesen sei – zunächst hatten die Franzosen, die von der amerikanischen Armee und ihrer Hilfe abhängig waren, keine Wahl, sich deren Wünschen zu widersetzen. De Gaulle habe es außerdem “nützlich” gefunden, die bislang eher rebellisch tätig gewesenen Résistance-Kämpfer, unter denen auch viele bewaffnete Kommunisten waren, nun offiziell in die Armee eingegliedert zu haben, und somit ein waches Auge auf und Kontrolle über sie zu haben.
Erst seit wenigen Jahren wird den schwarzafrikanischen Soldaten bei den Feierlichkeiten rund um das Débarquement der Ruhm und die Wertschätzung zugestanden, die sie sich bei diesen Kämpfen verdient hatten. (Beide im Text verlinkten Artikel aus Le Monde sind teilweise hinter einer Paywall, aber der lesbare Text ist meines Erachtens ausreichend, um die Zusammenhänge zu verstehen.)
Ich habe kürzlich erst verstanden, dass das komische Bauwerk in den Bergen, hinter den Gorges de Daluis und kurz vor dem Dorf Guillaumes, auch ein Bunker ist. Irgendwie ist man ja manchmal blind für Offensichtliches. Wollte ich mir nicht vorstellen, dass die deutschen Soldaten auch bis in mein friedliches Bergdorf gekommen waren? Als ich das letzte Mal “runtergefahren” bin, wollte ich diesen Bunker endlich dokumentieren, und siehe da, er hat, anlässlich der 80-Jahr-Feier eine Erklärungstafel bekommen.
Mit Staunen lese ich, dass es ein von den Franzosen gebauter Bunker ist, ein Teil einer Verteidigungsanlage, der alpinen Maginot-Linie, er sollte verhindern, dass die italienischen Truppen im Zweiten Weltkrieg weiter vordringen könnten. Die Italiener kamen aber nicht bis dorthin, der Bunker wurde dann später von der örtlichen Résistance genutzt um gegen die deutschen Truppen zu kämpfen.
Alain Delon ist gestorben, Sie haben es sicher schon gehört. Es war heute schon ganz früh hier in den Nachrichten, BFMTV hat sich gerühmt, der erste Sender zu sein, der die Nachricht verbreitet hat. Seitdem überschlagen sich die französische Presse und die Medien mit Sympathie- und Beileidsbekundungen und Nachrufen. Er sei “ein französisches Denkmal”, schrieb Präsident Macron auf X.
Ich bin kein großer Fan von Alain Delon, aber es gab Szenen, in denen ich ihn amüsant fand – als er in Cannes 2019 mit der Ehrenpalme für sein Lebenswerk geehrt wurde, sagte er ironisch, er habe die Palme posthum, aber noch zu Lebzeiten erhalten. Es gab auch Gegenstimmen, die meinten, man solle einem homophoben und mysogynen Schauspieler nicht die Palme verleihen. Alain Delon selbst meinte nach Erhalt der Palme, man müsse mit ihm als Mensch nicht einverstanden sein, aber er habe die Palme für sein Werk bekommen.
Zumindest in der Rolle des Cäsar in der Verfilmung von Asterix bei den Olympischen Spielen konnte er auch über sich selbst lachen.
„Cäsar wird nicht alt, er wird reifer, sein Haar wird nicht weiß, sondern leuchtet. Cäsar ist unsterblich, für lange Zeit. Cäsar hat alles erreicht, alles erobert, er ist ein Gepard, ein Samurai, er schuldet niemandem etwas. Weder Rocco, noch seinen Brüdern, noch dem Clan der Sizilianer. Cäsar ist von der Rasse der Herren, übrigens wurde der Cäsar für den besten Kaiser an Cäsar verliehen … Ave mir!“
Ich habe heute Nachmittag eine (ältere) Dokumentation über ihn gesehen, da lacht er sich in einer Szene mit den anderen Schauspielern und Kamerleuten kaputt über sich als Cäsar, gleichzeitig sieht man, wie stolz er ist, es so genial hingekriegt zu haben (und auch noch so gut auszusehen mit über achtzig!)
Das französiche Fernsehen wirft seine Programmation in dieser Woche um, die ganze Woche werden Delon Filme ausgestrahlt, und heute gibt es quasi einen Themenabend Alain Delon, erst werden wir Le Samourai sehen (dt. “Der eiskalte Engel”)
und anschließend der passende Film zum heißen Sommer, La Piscine mit “unserer” Romy.
Falls ich noch etwas Interessantes entdecke, liefere ich es nach!
Wie zum Beispiel diese Wandfreske von A.D. im Film Plein Soleil in Cannes La Bocca – vielleicht nicht so richtig gelungen, ich habe zumindest jahrelang nicht gewusst, wen sie darstellen soll.
Ich weiß, nicht alle wollen, dass ich etwas zu A.D. nachliefere, aber auf arte Replay sind mehrere kurze und diese längere Doku zu sehen und zwei Filme gibt es auch, einer mit Jean Gabin, der auf Deutsch “Lautlos wie die Nacht” heißt und auf Französisch “Mélodie en sous sol”, und der in Cannes spielt, und dort im Palm Beach Casino, nur deswegen verlinke ich ihn, n’est-ce pas und wegen Jean Gabin natürlich auch. (Und ganz nebenbei, falls Sie es nicht wissen, mein zweiter Krimi Intrigen an der Côte d’Azur spielt unter anderem in eben diesem Palm Beach Casino, das es in der Zwischenzeit nicht mehr gibt.) Der zweite Film heißt “Wie Raubkatzen” oder “Les Félins”, den habe ich noch nie gesehen – aber ich werde ihn mir bei Gelegenheit ansehen, denn er spielt auch teilweise an der Côte d’Azur.
Heute Morgen, kurz nach acht Uhr, auf dem Weg zum Auto, um zum Strand zu fahren: Zwei junge Frauen wanken müde die Escaliers Continental hinauf. Sie haben Reste von dekorativer Schminke im Gesicht, eine schlenkert die Sandalen in der Hand und hat Mühe, geradeaus zu gehen. “Les plages électro?” frage ich. Sie nicken, “war mega!”, murmeln sie.
Gestern wollte ich nicht glauben, dass es 15 Stunden Musik am Tag gibt, aber nach den Konzerten, die von 14 Uhr bis 0.30 Uhr gehen, gibt es noch “After-Konzerte” bis 5 Uhr morgens! Übrigens sind alle drei Tage ausverkauft, und auch der Wettergott meint es gut mit den Festivalbesuchern: Das für heute Abend angekündigte Gewitter hat sich nach ein paar Windböen wieder verzogen.
Ich finde den letzten Parkplatz, aber dann ist fast kein Strand am Strand! Das heute türkisblau verwaschene Meer (leider keine Fotos, wenn ich alleine an den Strand gehe, nehme ich kein Smartphone mit) wirft für mediterrane Verhältnisse sehr hohe und kräftige Wellen, die schäumend und raumgreifend über den Sand laufen. Es gibt heute quasi nur eine Reihe, niemand will vorne liegen, alle drücken sich an die Begrenzungsmauer. Das Publikum ist heute auch ein anderes: kaum Senioren, dafür Familien mit Kindern. Als ich mein Quallenschutz-T-Shirt anziehe und mit Flossen bewaffnet losstapfe, rät mir die junge Mutter, deren Sohn völlig außer Rand und Band in den Wellen herumhüpft, und die ich nach der Quallensituation befragt habe (keine, sagt sie), vorsichtig zu sein. Es würde gleich sehr steil werden. Ich danke ihr, es befremdet mich aber auch. Neulich im Bus ist ein Mann für mich aufgestanden. Ein Mann, der schätzungsweise nur unwesentlich jünger war als ich. Da habe ich noch kategorisch abgelehnt, aber so weit sind wir schon! Seither habe ich im Bus einen Konflikt, für wen stehe ich noch auf? Oder kann ich ohne schlechtes Gewissen sitzen bleiben, weil die anderen in mir schon eine bedürftige Seniorin sehen? Einmal habe ich einer (in meinen Augen) älteren Frau, die zumindest älter war als ich, meinen Platz angeboten, aber auch sie lehnte ab. Vielleicht war sie auch gekränkt?
Ich gehe also vorsichtig ins Wasser, warte lange, bis ein paar weniger hohe Wellen kommen, und ja, es geht sehr steil ins Meer. Rein ist eher kein Problem, aber ich denke, dass ich da später nicht mehr rauskomme. Ich schwimme weit hinaus, weiter draußen sind die Wellen weniger stark und von dort schwimme ich in die nächste Bucht, weil ich sehe, dass die Wellen sich dort weniger heftig brechen. Allerdings ist das Meer hier sehr schmutzig, es ist als würde man durch Spülwasser schwimmen. Ich lasse mich von den Wellen an den Strand tragen und lande beinahe sanft, von dort laufe ich zurück.
Heute Nachmittag besuche ich eine Ausstellung zur Geschichte der “Libération”, der Befreiung Südfrankreichs von der Nazi-Herrschaft. Zum 80. Mal jährt sich das “Débarquement de Provence”, die Landung der Alliierten im Süden, die sogenannte Operation Dragoon, die am 15. August 1944 begann. Die Städte, Gemeinden und Dörfer im Süden wurden nach und nach befreit und feiern jeweils “ihren” Befreiungstag, für Cannes ist es der 24. August. Ich erwartete eine Fotoausstellung, immerhin wurde die Ausstellung mit einem Foto von amerikanischen Soldaten auf einem Panzer in der Rue d’Antibes beworben, aber ich fand nur etwa 80 Schaufensterpuppen in Soldatenuniformen verschiedener Länder und Einheiten. Dazwischen, neben Waffen und Fallschirmen, auch kuriose Objekte wie etwa eine Maschine zum Kodieren oder Dekodieren von Texten (ich habe es nicht ganz verstanden). Alle Uniformen sind Originale, einschließlich der Gürtel, Abzeichen, Schuhe usw. und wurden von einem einzigen Sammler zur Verfügung gestellt. Auch deutsche Soldatenuniformen und Uniformen der Hitlerjugend sind an blonden, blauäugigen Kinderpuppen zu sehen. Etwas schockiert bin ich, als ich dazwischen eine leidend aussehende Puppe in der KZ-Häftlingskleidung eines politischen Häftlings (roter Winkel) sehe. Zum ersten Mal sehe ich diese Kleidung direkt, ohne trennendes Museumsglas. Es ist ein grob gewebter Stoff, der mich an eine Wolldecke erinnert, fleckig und abgetragen, ausgefranst, an manchen Stellen geflickt.
Ob mir die Ausstellung gefällt, fragt mich eine der aufsichtsführenden Damen in diesem Moment. Ich bin schockiert von diesem “Ça vous plait?” Gefallen sei nicht das richtige Wort, antworte ich vorsichtig, aber ich sei beeindruckt von dieser Sammlung. Ich glaube dieses “gefällt es dir?” wird in Frankreich anders verstanden, als ich es empfinde. “Ça t’a plu?” fragt mich auch Monsieur, selbst nach den dramatischsten Filmen, bei denen ich zutiefst erschüttert aus dem Kino gehe. “Hat’s dir gefallen?” Jedes Mal denke ich, was ist das denn für eine gefühllose Frage. Aber vielleicht kann man im Französischen darauf einfach “ja” sagen, und in einem weiteren Satz die Erschütterung oder das Berührtsein ausdrücken. Es gibt noch viele Feinheiten zu lernen.
Als ich die Ausstellung wieder verlasse, habe ich das Bedürfnis ein bisschen Leben zu sehen. Die Musik von den Konzerten der Électro Plages wummert die Croisette entlang – ich gehe aber nicht so weit, sondern bleibe bei den Autos der Superreichen vor dem Carlton hängen. Der weiße Bugatti aus Saudi Arabien hat das Sonderkennzeichen V1! Ich versuchte zu googeln, wem es gehört (vermutlich dem König von Saudi Arabien persönlich), finde aber nur die Preise, für die es verkauft oder versteigert wird – es geht um das Nummernschild! Millionen Dollar für ein Nummernschild! Die kleinstmögliche Nummer muss es sein! Nicht nur das Auto kostet Millionen, sondern auch das Nummernschild! OMG. Und es ist nur ein Stück Blech, nicht einmal mit Diamanten besetzt.
Übrigens: Das teuerste französische Nummernschild kostete 15,90 €. Es wurde extra für die Firma angefertigt, bei der man Nummernschilder bestellen kann.
Hier ein paar nachgereichte Fotos vom 12. und ein paar vom 16.
Blick aus dem geöffneten Fenster, in der Hoffnung auf ein wenig Luftaustausch am frühen Morgen.
Frühstück im Bett. Ich bin schon angezogen, weil ich die Paketbotin erwarte, die manchmal schon um kurz nach Acht da ist. Sie kam aber nicht, das wissen Sie schon.
Wartezeit totschlagen mit Fensterputzen. Zumindest dort, wo die Sonne noch nicht scheint.
Mittagessen. Es gibt sehr feine Ravioli mit Daube gefüllt, das ist ein Rindfleischeintopf, die lagen noch im Tiefkühlfach, dazu fertige Tomatensoße aus dem Glas. Schnell und lecker. Dazu Wasser. Nachtisch: Eis.
Sieste. Die Fenster fest geschlossen. Es ist ätzend heiß, aber von draußen kommt nur noch heißere Luft rein. Man lebt im Sommer so in einem steten Halbdunkel und schleppt den Ventilator mit sich herum.
Pflanzen gießen (Blumen gibt es keine mehr), ich hoffe, wenigstens einen Rosmarin zu retten.
Später sehe ich einen Film von Louis Malle aus den Siebziger Jahren, den ich noch nicht kenne: Lacombe Lucien. Die Geschichte eines Bauernsohns, der zur Resistance will, aber als “zu jung” abgelehnt wird, dann zufällig in die Hände der deutschen Polizei gerät, wo er zunächst unter Alkoholeinfluss Mitglieder der Resistance verrät, und den ihm angebotenen Posten in der deutschen Polizei stolz annimmt und die damit verbundene Macht genießt. Es wird kompliziert, als er sich in eine junge Jüdin verliebt, die mit ihrem Vater und der Großmutter in dem Dorf untergetaucht sind. Der Film ist auf arte Replay noch bis zum 10. November 2024 zu sehen. (hier der Link zur deutschen Version).
Ein Gewitter kündigt sich an, aber es wird kein Tropfen fallen an diesem Abend!
Das war es vom 12. August 2024.
Heute ist der Sechzehnte, es ist Freitag, ich war kurz in der Innenstadt, wollte eigentlich Fisch auf dem Markt kaufen und kam dann aber überraschend nur mit einem Tischläufer von Fragonard wieder nach Hause (bizarre Spontankäufe, das kann ich mir auch nur durch die Hitze erklären), den ich morgen früh wieder zurückbringen werde, er gefällt mir leider nicht auf dem Tisch und mit den Stühlen. Zu bunt, sieht nach Kindergeburtstag aus.
Der Markt Forville ist derzeit eingepackt wie ein Kunstwerk von Christo, das finde ich noch ganz spannend, vor allem auch die alten Ansichten des Marktes, die man dort angebracht hat.
Er wird komplett renoviert und auf dem Dach, seinerzeit ein Parkplatz, soll eine begrünte Terrasse errichtet werden. Die Händler findet man nun in einem Zelt an den renovierten Allées de la Liberté, also laufe ich dorthin. Die Luft in dem Zelt ist schrecklich, es gibt auch schon keinen Fisch mehr, ich fliehe und lasse etwas Wasser bei einem der kleinen Springbrunnenbecken über meine Füße laufen.
Es gibt so tolle miroir d’eau, wörtlich Wasserspiegel, meint Wasserspiele, etwa in Bordeaux und in Nizza, und es ist eine Freude für Kleine und Große, sich im Sommer dort zu erfrischen, in Cannes haben sie nur so halbherzige Mini-Installationen hingekriegt: um den Musikpavillon spucken ein paar verlorene Fontänen eruptiv etwas Wasser, die niedrigen rosa-violett-blauen Wasserspiele erinnern mich leider an Quallen, und sie sind vielleicht für Kleinkinder nett, ganz blöd finde ich aber zwei lange schmale Wasserbecken, in denen eigentlich nichts passiert, außer dass man sich darin den Fuß brechen kann, wenn man nicht aufpasst und hineinstolpert.
“Baden verboten” steht dann auch noch auf dem Täfelchen. Super.
So viel aus dem heißen Sommer-Alltag aus Cannes. Die Musik von den heute beginnenden dreitägigen Plages Électro wummert schon heftig durch die Luft. Die größte Strandparty Frankreichs, 60.000 Leute werden erwartet, 15 Stunden Musik non stop (täglich?) heißt es. Wir haben auf jeden Fall alle etwas davon. Nun gut. Genug gemeckert.
Letzten Freitag bin ich in aller Frühe runter gefahren, ich brachte den jungen Mann zum Zug und wollte ein Paket abholen. Das Paket war aber nicht in der Postfiliale, die auf dem Zettel angegeben war. Man konnte es aufgrund der Trackingnummer zwar in einem Verteilerzentrum orten, aber mehr erfahre ich nicht. “Ils font n’importe quoi les facteurs!” schimpft die Postdame und füllt freundlicherweise für mich einen Reklamations – bzw Nachforschungsauftrag aus. Ich erfahre, dass die “Mist machenden” Paket- und Briefboten (im Sommer gerne Aushilfskräfte) und die stationären Postfilialen zwei unterschiedliche Unternehmen sind und nicht miteinander kommunizieren. Man kann also nicht im Brief- oder Paketverteilerzentrum anrufen und mal bei einem Kollegen nachfragen. Ist nämlich kein Kollege, und es gibt kein Telefon. Alles nur noch per Mail. Na danke schön. Ich bin noch nicht zuhause, da erhalte ich die automatische Nachricht, dass nur der Absender des Pakets einen Nachforschungsauftrag stellen kann, und ich möchte mich bitte an ihn wenden. Dies ist eine automatisch erstellte Nachricht, bitte antworten Sie nicht auf diese Mail.
Wir hatten das schon einmal, das verlorene Paket mit einem Smartphone ist nie wieder aufgetaucht, und ich sehe schwarz für dieses Paket, in dem sich ein ungerahmtes Bild meiner israelischen Lieblingskünstlerin befindet. Ja, man kann vielleicht finanziell entschädigt werden, aber ein einzigartiges Kunstwerk ist im Gegensatz zu einem Telefon nicht mit Geld aufzuwiegen. Es wird ein doppelter Verlust sein, für die Künstlerin und für mich.
Dann besuche ich, einer Eingebung folgend, “meine” Postfiliale, eigentlich eine klassische Bar-Tabac, in der man Zigaretten und Glückslose kaufen, einen Kaffee, ein Bier oder ein Glas Wein trinken kann. Die Kundschaft, die dort den ganzen Tag rumhängt, gefällt mir nicht so sehr, aber das Pächterehepaar ist sehr nett. Als die Postfiliale im Viertel geschlossen wurde, haben sie dort eine “Poststelle” eingerichtet, und auch wenn sie dort nicht alle Postdienstleistungen anbieten, ist die kleine Postecke in der Bar-Tabac eine hundertprozentige Verbesserung für das Viertel, viel bessere Öffnungszeiten, alles geht schneller und die Freundlichkeit der Dame ist jedes Mal eine Freude, auch wenn es nicht schwer war, die Freundlichkeit des ehemaligen Postangestellten, so unwillig und schlecht gelaunt wie er war, zu überbieten. Die Dame hat auch kein Paket für mich, ist aber hilfsbereit und schickt mich zur Hauptfiliale in der Innenstadt, “dahin verirren sich manchmal Pakete”.
So weit bin ich letzten Samstag gekommen, habe den Text mühsam in mein Handy getippt, denn ich hatte den Laptop nicht mit nach Cannes genommen, weil ich dachte, dass ich am Samstag natürlich gleich wieder in die Berge fahren würde. Nix wars. Eine Woche später bin ich immer noch im unerträglich heißen Cannes, das von einer neuen Canicule heimgesucht wird, der wohl größten Hitzewelle dieses Sommers, ich weiß, bei Ihnen ist es auch heiß. Aber hier ist es so heiß, wie ich es schon lange nicht mehr erlebt habe. Ich erinnere mich an meine Reise nach Burkina Faso, wo ich auch nur erschöpft herumsaß und der Schweiß in kleinen Bächen an mir herunterlief. Man duschte oder wusch sich (im Dorf bekamen wir zu dritt einen Eimer Wasser), fühlte sich für eine Sekunde erfrischt und weniger klebrig, und schon war der nasse, feuchte Körper wieder im selben Zustand. So ist es jetzt auch hier. Im finnischen Blog las ich neulich (in einem Reise-Blogeintrag vom letzten Jahr), dass Frau Mäusedoktor gerne in der 38 Grad Hitze Griechenlands “gebadet” habe, so geht es einem wahrscheinlich, wenn man das ganze Jahr in Finnland lebt und sich nach Wärme und Sonne sehnt (ich erinnere mich an meinen ersten Sommer in den Bergen Südfrankreichs, da konnte ich von Hitze und Sonne auch nicht genug bekommen), ich bade ja in gewisser Weise auch in der Hitze, nur in der Form, dass das Wasser in kleinen Bächen am Körper herunterläuft. Siehe oben. Das alles noch dazu in Erwartung des 15. August, dem Feiertag, an dem nun wirklich alle im Süden und am Strand sind, und kurz vor der Eröffnung der dröhnenden Electro-Plages-Tage (und -Nächte), besser geht es kaum. Erschöpft und lustlos tippe ich noch ein paar Stichworte ein, dann lasse ich es.
Nur am Samstag und am Sonntag, an denen ja kein Paket geliefert werden sollte, bin ich ganz früh morgens schwimmen gegangen: das Meer war sauber, klar, ohne Wellen und fast ohne Quallen, dafür schwammen große Fische um meine Füßen herum, nur warm war es, die 30 Grad Wassertemperatur, die gerade durchs Internet geistern sind vielleicht nicht so weit entfernt; so früh morgens ist man zwar in der Hochsaison auch nicht mehr alleine, es wurden schon Stühle, Handtücher und Sonnenschirme in der ersten Reihe installiert, weiter hinten liegen ein paar jüngere Leute, die wohl die Nacht dort verbracht haben, schlafend herum, aber alle unterhalten sich noch leise und man sagt sich sogar hin und wieder lächelnd “Guten Tag” wenn man im Wasser aneinander vorbeischwimmt. ,
An den anderen Tagen versagte ich mir das Schwimmen und erwartete brav zuhause den bzw. die (in der Regel frühe) Paketbotin, und dann noch den normalen Briefträger gegen 13 Uhr, denn da glaubte ich noch, was der freundliche Postbeamte der Hauptpostfiliale mir gesagt hatte, nämlich dass die Reklamation vom Freitag bewirke, dass das Paket am Montag oder Dienstag geliefert würde.
Den Rest des Wochenendes verbrachte ich wie ein lichtscheuer Vampir in der Wohnung und zog beim kleinsten Sonnenstrahl eilig die Fensterläden zu. Raus wollte ich auf keinen Fall, auch wenn ich grundsätzlich gerne braun werde, aber ich kann die Sonne im Juli und August einfach nicht mehr ertragen.
Ich beschäftige mich damit, den nachmittags zwar heißen, aber immerhin schattigen Hof zu säubern, der seit dem letzten Sahara-Regen braun und sandig ist. Wenig bekleidet und barfüßig mit viel Wasser schrubben und putzen ist gar nicht so unangenehm. Am Sonntag putze ich dann in aller Frühe die Fenster. Alle Arbeiten mit Wasser gehen. Nachmittags nehme ich mich nochmal dem Hof an und kümmere mich um die Pflanzen, die bislang überlebt haben. Dazwischen dusche ich (an manchen Tagen konnte ich es nicht mehr zählen, wie oft ich mich unter die lauwarme Dusche gestellt habe, lauwarm, weil auch das kalte Wasser warm geworden ist) döse oder ich sehe vom Ventilator umweht erfrischende Olympia-Beiträge (Synchronschwimmen, Beach Volleyball). Ich kriege so dann doch noch eine ganze Menge von Olympia mit, freue mich über die gute Stimmung, die schönen Bilder, fiebere mit der französischen Frauen-Basketballmannschaft, die beinahe Gold geholt hätte, und bin auch ein bisschen gerührt, zumindest vom Anfang der Abschlussveranstaltung. Ich bin ein großer Fan von Zaho de Sagazan.
Ich schaffe es dann nicht bis zum Schluss, 31 Grad indoor noch um 23 Uhr, machen den Kopf dumpf und den Körper müde, und ich muss daher alles anderntags in den Medien nachlesen. Da erfahre ich dann auch, dass Mireille Mathieu, der alternde Spatz aus Avignon, gerade im Süden Ferien macht, und natürlich enttäuscht war, dass man Celine Dion und nicht sie für die “Hymne an die Liebe” auf dem Eiffelturm gewählt hatte, sie hat das Lied noch in ihrem Repertoire und schmetterte es der Interviewerin ungefragt vor.
Jetzt, wo alles ohne Attentat über die Bühne gegangen ist, kann ich mich auch freuen. Ich gebe zu, ich hatte eine Heidenangst, schon als bei den endlosen olympischen Fackelübergaben immer ein Tross von zwar sportlich aussehenden und gekleideten (verkleideten) Sondereinsatzpolizisten mitrannte, die man an ihren ernsten, unbewegten Gesichtern (während alle anderen lachten und strahlten) und dem Knopf im Ohr erkennen konnte; und als dann kurz vor der Eröffnung in ganz Frankreich Anschläge auf den Bahnverkehr verübt wurden, mon Dieu, da musste ich an die Olympischen Spiele 1972 in München denken, an die Spiele, die fröhlich und heiter sein sollten, offen für alle, mit einer leichten Architektur und einem freundlichen Design. Wir waren damals dort (ich als Grundschülerin). Und dann kam das Attentat. Wie konnte man damals eigentlich “einfach” weitermachen? Hier ein (zwei Jahre alter) Beitrag vom Deutschlandfunk, falls Sie das noch einmal nachlesen möchten.
Ich hatte sehr große Angst vor Anschlägen und Chaos, ich hatte auch Angst, dass nichts klappen würde, der Nahverkehr zusammenbricht und dass alles miserabel organisiert wäre und ich mich schämen würde – Frankreich eben. Und dann hat doch alles geklappt, alle waren begeistert und sogar die Franzosen, eben noch schlecht gelaunte Meckerer, die Macron ausbuhten, jetzt jubelten und feierten sie, waren stolz auf die Athleten und Athletinnen und ihre schöne Stadt und was dort alles vor und in sagenhafter Kulisse stattfinden konnte. Es klappt ja dann doch alles irgendwie. Niemand muss sich schämen. Frankreich eben.
“Wann kommt denn jetzt dein Paket?”, fragt mich montagsnachmittags unwirsch Monsieur am Telefon der Freundin, die ich als persönliche Nachrichtenüberbringerin zu ihm schicke. Wir haben in den Bergen kein Telefon, wenn ich mit dem Handy nicht zugegen bin, ist der Mann nicht erreichbar. “Was weiß denn ich!” gebe ich ebenso unwirsch zurück, “ich habe mir das nicht ausgedacht, falls du das glaubst!” Die Hitze macht mich schnell aggressiv.
Ich mache den ganzen Tag Fotos für “12 von 12”, an dem ich dann nicht teilnehme, weil ich außerstande bin, das alles auf dem Smartphone zu regeln. Vielleicht liefere ich die Fotos nach.
Am Dienstagabend kommt auch noch der Gatte aus den Bergen, Handwerker haben sich überraschend für einen Tag vor dem 15. August in Cannes angemeldet, wo gibts denn sowas. Besser, man ist selbst da. Er kommt mit wenig Gepäck, aber immerhin bringt er den Topf Basilikum und meinen Laptop mit, hurra! Gestern wurde tatsächlich ein Gerüst aufgestellt und der Bürgersteig vor dem Haus aufgerissen. Heute ist entgegen der vollmundigen Ankündigung natürlich niemand gekommen, wir haben Feiertag, klar. Außerdem gab es heute in aller Frühe ein Gewitter. Blitz und Donner satt, viel Wind und ordentlich Regen. Da kommen die Handwerker normalerweise auch nicht. Ich reiße überall die Fenster auf und versuche die Wohnung zu lüften, ich japse wie ein Fisch auf dem Trockenen nach frischer, kühler Luft, mein Mann schließt sofort alle Fenster hinter mir, für das großzügige deutsche Lüften, abqualifiziert als krank machender Durchzug, hat man in Frankreich einfach kein Verständnis. Immerhin schaffe ich es, unsere Wohnung auf 29 Grad herunterzukühlen, zwei Stunden später ist es draußen schon wieder so heiß wie vor dem Gewitter.
Das Paket ist übrigens nicht gekommen. Ich war nochmal auf der Post und deute an, dass es vielleicht damit zu tun haben könnte, dass das Paket aus Israel käme, und man uns einfach ein bisschen ärgern wolle. Es sei nicht unmöglich, seufzt der nette Postbeamte. Ich schlucke. Das will man ja doch nicht wirklich hören. Seine Mutter lebe in Tel Aviv, aber er würde derzeit nichts nach Israel senden, vertraut er mir an. Ich habe die Künstlerfreundin unterstützen wollen, sage ich. Ja, er versteht das. Aber es ist kompliziert. Er breitet hilflos die Arme aus.
Zuhause schreibe ich jetzt den Service Client an, anscheinend die übergeordnete Instanz, die mit den stationären Postfilialen UND den Paketboten kommunizieren kann. Mal sehen, was passiert.
Heute Nachmittag waren wir im Kino, dass mir das nicht schon früher eingefallen ist, um mich für zwei Stunden abzukühlen, kann ich mir nur mit zu viel Hitze erklären. Da arbeitet das Gehirn einfach auf Sparflamme. Im stark klimatisierten Saal sahen wir ein Melodram, Le roman de Jim, nach einem Roman von Pierric Bailly – die Geschichte von Aymeric, einem sanften und melancholischen jungen Mann, der nach großem Liebeskummer (ich überspringe ein paar Details) eine ehemalige Arbeitskollegin wiedertrifft, die wiederum von einem Kollegen schwanger ist, der sich aber nicht von seiner Familie trennen will. Das alte Lied. Aymeric ist bei Jims Geburt dabei und wird sein Ersatzvater, sie leben zu dritt ein einfaches, idyllisches Leben im Jura, bis der leibliche Vater des Jungen nach sieben Jahren überraschend bei ihnen auftaucht. Überzeugender und berührender Film über Vaterschaft. Toller Soundtrack. Aymeric wird von Karim Leklou großartig gespielt.
Als wir aus dem Kino kamen, liefen wir der Prozession anlässlich Marias Himmelfahrt in die Arme, die wohl einmal quer durch die Innenstadt Cannes’ prozessionierte – auch wenn ich vor kurzem selbst singend an der Prozession für die Sainte Anne teilgenommen habe, kommt mir diese hier inmitten all der verständnislos starrenden Touristen sehr bizzar vor.
Und eben gab es noch ein bollerndes Feuerwerk, wie immer am 15. August. Ich habe nichts davon gesehen, nur die Donnerschläge gehört. Gleich haben wir ihn geschafft, diesen lauten und heißen Tag!
Das über Stunden gehende monotone Fiepen am späten Abend, das ich neulich nicht einordnen konnte, stammt von einer Zwergohreule! Es reicht heutzutage, so etwas Unqualifiziertes wie “montones Fiepsen nachts Vogel” bei einer Suchmaschine einzugeben und man bekommt ein exaktes Ergebnis inklusive Rufton: es ist die niedliche Zwergohreule, von der ich nicht mal wusste, dass sie existiert. Ich verlinke Ihnen mal hier den Ruf (inklusive Hundebellen). Sie ist so klein, dass sie in eine Hand passt. Hier ein kleines Filmchen über eine Zwergohreule, die in einer Greifvogelstation aufgepäppelt wurde, nachdem sie gegen eine Fensterscheibe geflogen war und ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten hatte. Am Ende ist sie schon wieder ganz lebendig und soo süß! Sie ist die zweitkleinste Eule und steht auf der Roten Liste der gefährdeten Tierarten. Und im Wäldchen unterhalb unseres Hauses sitzt eine und ruft sich einen Freund oder eine Freundin herbei. Dass es ein bisschen monoton ist und kein Ende nehmen will, nehme ich jetzt hin. Es gibt eben nicht mehr so viele von ihnen, da kann es schon mal dauern, bis man sich gefunden hat.
Wir sind immer noch in den Bergen, tagsüber ist es immer noch heiß (30 Grad auf 1300 Metern!), auch wenn die Nächte etwas kühler werden. Aber jetzt im August sind viele Leute im Dorf und auch in den anderen Dörfern sind die Urlauber angekommen. Vor einer Woche haben sich noch alle Ladenbesitzer und Gastwirte über die wenigen Leute beschwert, jetzt sind sie da, und wenn ich wie früher um zehn Uhr einkaufen gehe, bekomme ich nichts mehr. Die Schlangen vor dem Gemüsehändler, dem Bäcker und dem Metzger sind noch länger geworden, und wenn man dann beim Bäcker oder Metzger drin ist, sieht man hilflos zu, wie alles, was man haben wollte, weggekauft wird, bevor man an der Reihe ist. Ich hatte das Brot telefonisch bestellt, aber der Anrufbeantworter funktioniert nicht mehr, meine Bestellung ist im Nirgendwo gelandet und jetzt stand ich da mit Gästen und dem jungen Mann, der morgens schon vier Scheiben Brot und ein Müsli isst, und hatte kein Brot. Die Logistik, wer hier wann geöffnet hat und was es wann und wo gibt ist mühsam: Gemüse dienstags, donnerstags und samstags (wie übrigens auch die Post), Brot in der Cooperative nur mittwochs, der Lebensmittelladen wird nur donnerstags beliefert, wenn die frische Milch dienstags schon ausverkauft ist, gibt es vor Donnerstag keine neue, und ich, die ich nur einmal in der Woche einkaufen wollte, bin bestimmt drei und viermal im Dorf, weil ich Nachschub brauche, denn entweder kommen Gäste oder wir sind eingeladen, und ich soll ein Dessert mitbringen; man bietet hier immer an, das Dessert mitzubringen, und es wird in der Regel gern angenommen. Ich mache gerne Nachtisch, das stört mich nicht weiter. Aber ich musste dafür runterfahren, um im Lebensmittelladen auf Knien die letzten zwei Packungen Löffelbiskuits ganz hinten und unten hervorzuklauben, und um Kakao und Mascarpone für das Tiramisu zu kaufen. Das ich im übrigen gerade gemacht habe. Eine Tarte mit den überreifen Pfirsichen habe ich vorhin auch schon gebacken. Es war so warm in der Küche, dass der Teig nicht fest werden wollte, also legte ich ihn kurz ins Tiefkühlfach, dort wurde er so hart, dass er brach, kaum draußen, war er auch schon wieder zu weich. Ich schaffte es dennoch so etwas wie einen großes Plunder zusammenzubasteln. “Rustikal” ist das Wort, mit dem derart handwerklich grob aussehenden Tartes im Internet bezeichnet werden. Hauptsache, sie sind lecker und das war sie! Die Schlagsahne, die ich dafür schlagen wollte, wurde Butter. Sagte ich schon, dass es heiß ist?
Gerade ploppte in meinem Handy der Wetterbericht für morgen auf: Es bleibt bei 30 Grad! In den Bergen!
Awww, die kleine Zwergohreule scheint sich gerade mit einem Uhu zu unterhalten. Der macht húhu, Betonung auf der ersten Silbe. Weiß ich auch nur, weil ich heute die verschiedenen Eulen und Käuzchen durchgeschaut und durchgehört habe. Und das alles immer zweisprachig, die Zwergohreule heißt Petit-duc, der Uhu Grand-duc oder Hibou Grand-duc, falls Sie das mal brauchen sollten. Immer zu Diensten. Ich bin keine Biologin, für mich ist die Eulenfamilie noch etwas unübersichtlich, aber die beiden habe ich erkannt! Djü … Húhu … Djü … Húhu
Sie kennen diese Überschrift schon, was ich eigentlich den ganzen Tag mache, kurz WmdedgT, fragt Frau Brüllen seit Jahr und Tag verlässlich am 5. jeden Monats. Tagebuchbloggen ist angesagt.
Es ist August. Wir sind noch in den Bergen und haben sozusagen Urlaub (sagen wir mal so, ich empfinde das nicht so, wenn Besuch da ist). Der eine (nicht mehr ganz so) junge Mann (zumindest nicht mehr jung an Jahren, aber sozial noch nicht ganz ausgereift), der noch eine Woche bleibt, ist heute früh zu einer großen Wanderung aufgebrochen. Wir haben das gestern vorbereitet, und als ich heute Morgen aufwachte, war er schon weg. Ich muss zugeben, es ist eine gewisse Erleichterung, dass ich in Ruhe meinen Kaffee trinken kann, ohne wieder interagieren zu müssen, ich mag es, wenn der Tag ruhig beginnt.
Monsieur kennt meine Morgenmuffeligkeit und hat gelernt, damit umzugehen, auch wenn er, kaum wach, schon einsatzbereit ist. Nach meinem Kaffee unterhalten wir uns ein wenig über ein unangenehmes Thema, das uns seit einiger Zeit belastet. Monsieur will den Brief, den wir in den letzten Tagen formuliert haben, deutlich aggressiver gestalten, ich seufze, aber ich fürchte, er hat Recht. Aber jetzt geht er erst einmal etwas abschleifen oder absägen, ich weiß es nicht, aber es wird laut.
Erstmal beantworte ich in Ruhe zwei Mails, über die ich nachdenken musste. Auch das geht besser, wenn niemand um mich herumwuselt und meine Aufmerksamkeit einfordert.
Dann durchquere ich das Dorf, das am Montagmorgen wie ausgestorben ist, was mich nicht stört. Ich bin auf dem Weg zur Mairie. In Frankreich ist es mittlerweile Pflicht, seinen Kompost zu sammeln, nächste Woche ist eine Versammlung, bei der uns jemand von der örtlichen Mülldeponie eine Kompostschulung anbietet und man könnte auch kostenlos einen Kompostbehälter bekommen. Ich will mich für den Kurs anmelden, obwohl ich eigentlich weiß, wie man kompostiert, wir haben einen Kompost in unserem Vorgarten in Cannes, aber ich will keinen Behälter, wir sind viel zu selten hier, als dass er jemals voll werden könnte. Aber ich bin bereit, meine Küchenabfälle in einen Kompost bei den Nachbarn zu geben, so wie ich das früher mit dem Hühnerfutter gemacht habe. Zwei der vier Hühner sind inzwischen von Hunden getötet worden. Das Experiment “Hühner im Dorf” hat damit ein jähes Ende gefunden. Die beiden anderen Hühner wurden an die Schäfersleute abgegeben, die etwas außerhalb wohnen.
Die Sekretärin der Mairie notiert, dass ich keinen Behälter will, bittet mich aber trotzdem, mich bei der Mülldeponie anzumelden. Hier oben bin ich bei der Mülldeponie als “Kundin” eingeschrieben, anders als unten in Cannes, wo ich eine Erlaubnis des Gatten brauche, wenn ich Müll wegbringen will, Sie erinnern sich. Aber die Seite der Mülldeponie funktioniert nur mit den Daten, die ich vor Jahren eingegeben habe, und die muss ich jetzt wiederholen, und anscheinend habe ich die Adresse vor Jahren anders eingegeben, keine Ahnung, jedenfalls blockiert die Seite jetzt und verlangt einen neuen Wohnsitznachweis. Die können mich mal. Dann eben nicht. Ich werde einfach so zur Versammlung gehen, ich will sowieso keinen Container.
Der junge Mann schickt uns von weit oben Fotos und Nachrichten (erstaunlicherweise funktioniert das Telefonnetz auf über zweitausend Metern und mitten im Nirgendwo besser als hier im Dorf) auf der Suche nach dem spärlich markierten Weg. Wir machen Ferndiagnosen, ich war noch nie da oben, Monsieur zuletzt vor zwanzig Jahren.
Es gehen einige Mails hin und her, die das zukünftige deutsche Filmfestival (nicht nur Defa) im September betreffen, das wir mit der neuen Präsidentin des Kinoclubs auf die Beine stellen wollen. Es ist alles etwas holprig in diesem Jahr, aber wir sind guter Dinge, dass es klappt.
Und schon hat Monsieur Hunger, es ist ja auch schon Viertel nach zwölf. Ich mache ein schnelles Mittagessen (es gibt Bavette, das ist ein Stück langfaseriges Rindfleisch, Nudeln, Käse und zum Nachtisch überreife Pfirsiche).
Der junge Mann verkündet, dass er nicht mehr weiterwandern wird, weil die Wolken zu dicht werden, er Angst vor Gewitter hat und bald zurück sein wird. Nun gut. Gewitter im Gebirge sind nicht zu unterschätzen.
Ich organisiere mir Termine für Freitag in Cannes, wo ich dringend ein Paket abholen muss, bevor es zurückgeschickt wird, weil es sonst niemand für mich abholen kann. Gleichzeitig bringe ich den jungen Mann zum Zug und fahre am nächsten Tag zurück.
Kurz vor vierzehn Uhr mache ich eine Sieste. Monsieur hat sich gleich nach dem Mittagessen hingelegt. Ich schlafe erstaunlich lange. Gegen 15 Uhr wache ich wieder auf, lese etwas im Internet. Es klopft. Die Nachbarn von rechts sind gekommen und laden uns für heute Abend zum Apéro ein.
Man hat mir einen Film geschickt (den ich vorab für das Filmfestival ansehen soll), ich bin erstaunt, dass ich ihn ohne Probleme herunterladen kann und bin hin- und hergerissen, ob ich den Film anschauen, Papiere sortieren (dringend nötig, ich habe extra vier große Ordner mitgebracht, weil ich dachte, ich hätte Zeit dafür) oder lieber aus den überreifen Pfirsichen einen Kuchen backen soll. Ich bin vernünftig und ordne Papiere! Bis wir zum Apéro gehen.
Der junge Mann kommt vom Wandern und hat Erzählbedarf. Ich bin aber so konzentriert in den Papieren, dass ich nur wenig zuhören kann. Ich will das fertig haben, bevor wir zum Apéro gehen.
Der wird dann sehr nett und wir plaudern bis 20 Uhr draußen im Garten, erstmals in diesem Jahr wurde es so frisch, dass die Nachbarin zwischendurch Schals aus dem Haus holte, die wir uns über die Schultern legten. Später zuhause war ich so ausgefroren, dass ich mir ein Wolljäckchen anzog!
Dann mache ich schnelles Essen, eine große Schüssel Nudeln mit Tomatensoße für den ausgehungerten Wanderer (und Monsieur), ich esse Reste von gestern. Danach gibts wieder Käse und Pfirsiche. Tisch abräumen, Spülmaschine einräumen, anstellen, Küche saubermachen, Tisch abwischen. Beide Herren ziehen sich schon zurück. Und ich schreibe hier. Draußen fiept irgendein Tier monoton, es klingt aber nicht so richtig nach Vogel. Ich will es trotzdem mit der App versuchen, aber ich habe sie neulich gelöscht, weil ich nicht damit zurecht kam (zu viel Lärm in Cannes).
Die Spülmaschine ist fertig (Kurzprogramm 36 Minuten reicht im Normalfall immer). Die werde ich noch ausräumen, dann schaue ich den Film an!
So war mein Tag.
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