
Eigentlich hatte ich geplant, heute etwas anderes zu veröffentlichen, aber heute ist der 9. November. Ein Gedenktag, der nicht nur an die sogenannte Kristallnacht von 1938 und den Mauerfall von 1989 erinnert, sondern in Frankreich auch den Beginn der Gedenkveranstaltungen für die Attentate vom 13. November – nicht nur im Bataclan – markiert.
Heute Abend wird in einem der Säle des Palais des Festivals eine szenische Lesung aus dem Buch „Inconnu à cette adresse” aufgeführt. Das Stück, das seit 2001 mit wechselnden Schauspielern und in wechselnden Pariser Theatern aufgeführt wird, ist mit den Schauspielern Jean-Pierre Darroussin und Stéphane Guillon auf Tournee in der Provinz. Ich habe im Internet recherchiert und festgestellt, dass das Buch „Adressat unbekannt” bereits 2012 in Deutschland erschienen ist – es ist mal wieder komplett an mir vorbeigegangen. Vermutlich kennen Sie es also schon. Es gibt sogar einen frei zugänglichen Film, allerdings in englischer Sprache. Falls Sie das Buch nicht kennen sollten, hier ein kurzes Zitat von der Verlagsseite:
Das “Meisterwerk einer aufs Äußerste verknappten Erzählkunst” (FAZ) erscheint als Neuausgabe zum 75. Jubiläum seiner Erstveröffentlichung. Adressat unbekannt, der große literarische Erfolg von Kathrine Kressmann Taylor, die als Schriftstellerin nur mit ihren beiden Nachnamen an die Öffentlichkeit trat, ist ein Roman von beklemmender Aktualität. Gestaltet als Briefwechsel zwischen einem Deutschen und einem amerikanischen Juden in den Monaten um Hitlers Machtübernahme, schildert er die tragische Entwicklung einer Freundschaft und die Geschichte einer bitterbösen Rache.
Schon vor einiger Zeit bin ich hier in Cannes über das Plakat mit der Ankündigung gestolpert. Ich habe recherchiert, mich dann aber entschieden, mir diese dunklen Geschichten nicht zusätzlich zu aller Tristesse geben zu müssen. War „Freude” nicht mein Wort für dieses Jahr? Als ich gestern aber erneut am Plakat vorbeilief, dachte ich, dass man sich das nicht nicht ansehen kann, wenn einmal etwas mit Gewicht und guten Schauspielern aus Paris in Cannes gezeigt wird, vor allem am 9. November.
Ich suchte also gestern Abend, ob es noch Karten gab – und siehe da, es gab welche! Diese Banausen in Cannes, dachte ich grimmig. So etwas wollen sie natürlich nicht sehen! Ich reservierte zwei Karten, unsicher, ob Monsieur mit seinem Husten wirklich mitkommen würde, aber entschlossen, den Saal zu füllen. Und siehe da, das System schlug mir ganze drei Plätze zur Auswahl vor! Von über 1000 Plätzen sind gerade noch drei frei. Alle drei waren in den Seitenbalkonen, weit oben und nicht einmal nebeneinander. „Möchten Sie die Plätze dennoch nehmen?”, fragte mich das Reservierungssystem. „Ja!”, entschied ich. Jetzt erst recht!
Was ich, zum heutigen Tag passend, gerade auch gelesen habe, ist die Graphic Novel “Der Duft der Kiefern” von Bianca Schaalburg, das mir von meiner Buchhänderfreundin Wiebke freundlicherweise geschenkt und promptissimo zugesandt wurde! Merci, ma chère! Ich werde mich revanchieren!

Die Autorin/Zeichnerin nimmt uns mit auf eine Reise durch ihre Familiengeschichte, die von den Anfängen des Nationalsozialismus bis in die 68er Jahre reicht und rund um ein Haus im Berliner Viertel namens „Onkel Toms Hütte” spielt. Die Siedlung wurde, weshalb mich die Geschichte auch angesprochen hat, ebenso wie die “Hufeisensiedlung” von Bruno Taut erbaut. Bianca Schaalburg versucht herauszufinden, was ihr Großvater während des Kriegs in Riga gemacht hat. Und hat sich die Familie seinerzeit ein Haus angeeignet, das Juden gehört hat?

Sehr spannend, trotz und wegen des dunklen Themas gerne gelesen.
Und jetzt pudere ich mir die Nase und wir gehen ins Theater!











