Tipps für Cannes (1)

Essen gehen

Unser Lieblingsrestaurant in Cannes wird in mehreren deutschen Reiseführern als Tipp aufgeführt. Wie sehr hatten wir uns* das für die Auberge gewünscht. Regelmässig (deutsche) Gäste hätten wir in der Auberge gut gebrauchen können. Aber Reiseführer in Buchform sind noch ein langsames Medium. Jetzt stehen wir drin, aber es kommt leider zu spät. Wie sinnvoll ist es daher, Tipps zu geben? Das kleine Restaurant in der Altstadt ist wirklich sympathisch, drinnen wie draussen, hier wird noch wirklich fein gekocht und nicht nur Metro-Essen aufgewärmt. Der Preis für das Drei-Gänge-Menü ist angemessen. Der Laden lief schon gut, bevor er zum Tipp wurde. Jetzt läuft er immer noch gut, nur das Publikum verändert sich. Immer mehr überwiegend deutsche Touristen suchen und finden den Weg dort hin. Ich kann es ihnen nicht verdenken, natürlich nicht. Nur Franzosen kommen immer seltener. Wie typisch französisch ist ein französisches Restaurant, wenn rundherum nur noch deutsche Gäste sitzen? Das muss doch auch für die deutschen Gäste enttäuschend sein, oder? Der einzige, der dort noch fliessend französisch spricht, ist der Kellner. Reicht das für das Flair?

Soll ich also Tipps geben? Jeinja. Ich kann immerhin so viel sagen, dass die Restaurants am Hafen so schnell den Besitzer wechseln und/oder den Koch, was ungleich schlimmer ist, dass man sie in jeder Saison aufs Neue probieren muss. Gehen Sie also da hin, wo Ihnen entweder die Karte, das Preisniveau oder ein Tisch mit schönem Blick gefällt, eine Garantie gibt es nicht. Ähnliches gilt für die Altstadt, Le Suquet. Hier ist es niedlich verwinkelt und steil, viele kleine schnuckelige Restaurants mit zwei Tischchen auf der Mini-Terrasse stapeln sich geradezu übereinander. Soo romantisch! Auf engstem Raum Sehen und Gesehen werden heisst es hier aber. Das muss man bezahlen. Aber es gilt im Prinzip das Gleiche wie für die Restos am Hafen. Keine Garantie. Gehen Sie also einfach dort hin, wo es Ihnen aus irgendwelchen Gründen gefällt oder wo noch ein Tisch frei ist!

Wenn Sie Meeresgetier lieben, werden sie ohnehin früher oder später auf DAS Restaurant stossen: Astoux & Brun, den Namen sage ich, da es eh’ kein Geheimtipp mehr ist und so teuer und immer voll, dass es auch eh’ egal ist. Es liegt an einer Ecke zwischen Filmpalast und Le Suquet. Eigentlich ist es ein Laden mit angeschlossenem Restaurant. Draussen stehen mehrere Männer in grünen Schürzen, die stolz, aber vermutlich schlecht bezahlt, im Akkord Austern und Muscheln und dergleichen fest verschlossenes Schalengetier öffnen und auf grossen Schüsseln voller Eis anrichten. Sie können natürlich auch einfach zwei Dutzend Austern kaufen oder rosafarbige Crevetten oder Seeigel – frischer kriegen Sie das hier alles nirgends, – und sich mit einem gekühlten Weisswein an den Strand setzen – bezahlbar ist das Vergnügen so auch, aber aufkriegen müssen Sie die Dinger dann selbst.

Wenn Sie mittags einfach nur viel Hunger haben und wenig Geld, keinen Wert auf Draussen legen und Französisch auch auf Zuruf verstehen, dann hätte ich Lust, Sie ins Pacific zu schicken. Ich habe lange gezögert, ob ich den Namen nenne, aber ich denke, der Laden ist so einschüchternd hässlich, die Atmosphäre kantinenartig und ein Draussen gibts nicht, dass es nur die wenigsten Cannes-Besucher wirklich verlockt, dort rein zu gehen. Wer will denn so was in Cannes, wenn man halbwegs erschwinglich auch Steak & Frites am Hafen kriegen kann, draussen, in der Sonne mit Blick auf Palmen und Schiffe? Na also. Wie gesagt, französisch sollten Sie schon verstehen, denn Zeit, Ihnen hier irgendwas zu erklären, gibt es nicht. Hier werden die Tische zwischen zwölf und zwei Uhr wenigstens zweimal vergeben, und wenn etwas “aus” ist, sollten Sie ganz schnell umdisponieren können. Sie sollten auch verstehen, wenn eine der beiden emsigen Kellnerinnen Ihnen von weitem einen Tisch anweist. “Les filles, hier ist ein Eckchen für euch” ruft sie vielleicht drei älteren Damen zu, die zögernd am Eingang stehen bleiben, und vielleicht setzt sie auch mal zwei Einzelpersonen zusammen. Stellen Sie sich mal nicht so an, wollen Sie essen oder nicht? Na also. Sie sind in guter Gesellschaft, keine Sorge. Hier essen die “kleinen” Leute von Cannes und das Publikum ist nicht jung, viele ältere Damen und Herren kommen hier jeden Tag zum Essen, so lange sie noch zu Fuss gehen können. Die Handwerker von nebenan, die Angestellten der Verwaltung und die Polizisten von der Polizeiwache von gegenüber sind auch da. Und die beiden Bedienungen kennen jeden ihrer Stammgäste mit Namen und Vorlieben. Für knapp zehn Euro bekommen sie hier ein Drei-Gänge-Menü, einfach, schmackhaft, viel. Ein Viertel Rosé dazu, einen Espresso. So einfach, so schnell. Die Rechnung wird auf die Papiertischdecke geschrieben. Ohne Frage ist das Ambiente sehr unschick, das Restaurant existiert seit 1968 und seitdem hat sich nichts darin verändert, Klimaanlage gibt es nicht und im Sommer eiern die alten Deckenventilatoren bedrohlich über den Köpfen der Gäste. Hier drinnen geht es nicht um Sehen und Gesehen werden sondern einzig um Nahrungsaufnahme. Einfach und ehrlich. Aber man kann in manch teurem Restaurant auch schlechter essen.

Das Carlton. Wenn Sie bereit sind, 12 Euro für einen Espresso zu zahlen, dann könnten Sie den in der Bar des Carlton einnehmen. Oder auf der Terrasse. Habillé, also fein angezogen, sollten sie aber schon sein, sonst lässt man Sie gar nicht erst rein. Ich habe neulich dort eine Margarita getrunken, die der kleine Auszubildende hinter der Theke aufgeregt zusammengeschüttelt hat. Ich schlenderte später noch ein bisschen vor den Vitrinen im Foyer herum, fand den Blumenschmuck wirr und die schwülstigen Schmuckobjekte hässlich, die aber vielleicht dem Geschmack manches arabischen oder russischen Gastes entsprechen. Danach war ich immer noch die Gleiche.

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*LeserInnen, die mich von French Connection kennen, wissen, dass das “uns” im ersten Satz sich vom “uns” im zweiten Satz unterscheidet. Den neu Hinzugekommenen sei das doch immerhin gesagt. Ich kann hier nun nicht in zwei Sätzen mein ganzes vorheriges Leben erläutern, wer mehr wissen möchte, sei auf den Blog (ich weiss, ich weiss, es heisst DAS Blog) French Connection rechts in der Linkliste verwiesen oder auf mein Buch, auch irgendwo da oben rechts zum Anklicken!

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12 Responses to Tipps für Cannes (1)

  1. Wunderbar, Christiane, ich freue mich, dass du wieder schreibst! Ich mag deinen Stil, bewundere deinen Mut und wünsche dir gaaaanz viel Erfolg, nicht nur für das/den Blog!

  2. skizzenblog sagt:

    ehrfurchtsvoll wage ich mir kaum vorzustellen, was die ( wenn auch mir dem manko des vom azubi zusammengerührtseins behaftete ) margarita gekostet haben mag… olalal!

    • dreher sagt:

      *lach* es war der billigste “Longdrink”, der mir einen etwas längeren Aufenthalt verschaffte als nur ein kurzer Espresso…

  3. Barbara sagt:

    Oh wie schön dass du wieder schreibst!!!

  4. Marianne sagt:

    Im Laufe der Worte ……
    liebe Christjann, et aussi cher Thierry,
    schön, dass Du wieder schreibst in einem Blog und ich freue mich für Dich/Euch, dass
    das Leben neue Kurven bereit hält.
    Von/an und in Cannes habe ich viele Erinnerungen, die nun doch schon auch sehr überholt sind, zumal es jetzt Jahrzehnte sind, als ich dort war. Das war vielleicht aufregend damals, ein unbeschreibliches Gefühl, in der Stadt sich aufzuhalten, wo doch alle Welt sich zeigte. Das sehe ich heute komplett anders, denn als junges Ding schien mir so eine Glitzerwelt mit den hübsch angezogenen Mädels sehr verlockend.
    Und die Sache war perfekt, an dem Tag, wo sich Scharen von Hippies am Strand niedersetzten. Das gab mir ein Lebensgefühl von ungeahnter, grenzenloser Freiheit.
    Ein paar Jahre später fuhr ich mit meinem Mann mit dem Motorrad in die Gegend und wir fanden neben der Glitzerwelt die einfachen Dinge des Lebens, une flute avec du jambon am Strand genau so gut.
    Wenn man genau jetzt hier im Schnee steckt und friert und schaufelt und die Scheiben frei kratzt, ist es wie eine Verheißung nach seidiger Wärme, wenn man von Deinem Bericht liest. Aber sehnen wir uns nicht immer genau nach dem, was wir gerade nicht haben?
    Ich schicke Dir herzliche Grüße
    Marianne

    • dreher sagt:

      oh Mariann, merci fuer deine Erinnerungen — Hippies in Cannes sind kaum vorstellbar… die grosse Freiheit aber schon, Meer, Himmel, Palmen, Sonne… Liebe, Baguette und Café Crème… Fronkreisch, Fronkreisch… Im täglichen Gebrauch wird das alles dann leider unspektakulärer… aber ich bin sicher, wäre ich wieder in Deutschland fehlte mir Frankreich wahnsinnig.
      Bises und Sonne aus Südfrankreich in den Schnee nach Süddeutschland…

  5. marana Z3 sagt:

    Hallo cricri,
    da bin ich aber froh, wieder hier und von dir lesen zu können und es fängt ja gut an, immer wieder das Essen. O, oo, wenn dieses angenehme Vergnügen nur nicht direkt proportional zur Veränderung des Leibesumfangs stünde, zumal im fortgeschrittenen Alter bei eingeschränktem Bewegungspotential, dann würde es noch viel mehr Spaß machen. Natürlich ist es hilfreich, zu wissen, wo man wie bedient und beköstigt wird, und wenn wir es auf Reisen nicht so recht wussten, dann sind wir nur der Nase nachgegangen: ” Hier riecht es so gut, lass und doch mal reingehen.” Allerdings musste die Preisliste im Kästchen vor der Tür unserm Gedbeutel angemessen sein, sonst konnte es schon geschehen, dass wir gar nicht mehr hungrig waren.
    Nun freu ich mich schon, was du uns weiter erzählen wirst und fasse mich in Geduld bis zum nächsten Bericht.
    Gruß marana.

    • dreher sagt:

      Hallo marana,
      oh jaaaah , leider ist es genau so: “direkt proportional” seufz; unaufhaltsam runden sich mit den Portionen die Proportionen… ich hab es manchmal so satt ;)
      bises in den Nooorden ausm Süden
      Christjann

  6. Oh ja, Seeigel aufkriegen ist nicht ganz trivial. Und besonders gut schmecken sie dann auch nicht ;).

    • dreher sagt:

      ooooh was für schöne Igelchen… Wie sind Sie denn hierher gekommen?!?
      Ich glaube, der Geschmack ist Gewohnheitssache… meine allerersten fand ich auch nicht so doll, das kommt dann so… so ähnlich wie mit Austern oder Sushi… ich sagte das schon mal an anderer Stelle, erst denkt man, och nee, so’n Rotz ess ich nicht, und dann ist man ratzfatz süchtig danach… schöne Grüsse an die Seeigelforschung!