Corona Tagebuch – Tag 39

Heute morgen zum ersten Mal unsicher, welcher Wochentag ist. Etwas, was andere ja schon länger zu spüren scheinen, hatte ich bisher eher selten. Zu gut strukturiert vermutlich. Gestern haben wir bis sehr spät oder sehr früh, je nachdem, vor dem Fernseher gehangen, aber nach der neuen Miniserie auf arte mit Eric Cantonna kam noch ein spannender Film über eine in Syrien entführte deutsche Ärztin. Eher unübersichtlich die Situation in den diversen Krisengebieten, wo die Ärztin auch nicht dem richtigen Helfer vertraut, weil er so aggressiv und brutal wirkt, sondern dem wuschelhaarigen, eher sanften Typen. Falsche Entscheidung. Das alles hat mich aufgewühlt, ich schlafe spät und schlecht und komme heute entsprechend spät aus dem Bett und fühle mich wie Samstag.

Herrjeh, im Vergleich dazu, wie ist das alles so schön geordnet und übersichtlich bei uns, dachte ich nach dem Film und was für ein Glück wir haben, hier zu leben. Auch wenn die URSSAF, die Sozialversicherung, man spricht es übrigens wie ein Wort aus und buchstabiert nicht durch: Ührsaf, nicht UErEsEsAEf. Man macht aus allen Abkürzungen Worte, was es sie mir noch unverständlicher macht. SDEG heißt Sdeg, was so ähnlich klingt wie ein Steak, ist das Syndicat Départemental de Électricité de du Gaz. L’URSSAf also tut so, als habe sie meine Briefe nicht bekommen und schickt mir jetzt alle Unterlagen als Autorin mit Microentreprise zu. Es nervt. Ich soll so viel anderes tun, zusätzlich ein Briefstreit mit der Französischen Verwaltung, passt mir nicht in den Zeitplan.

Heute erstmals die Wäsche draußen aufgehängt, und auch nachmittags, zur zweiten Wäscheserie, die Vögel in einer Lautstärke zwitschern gehört, die schon fast frech erscheint. Und zusätzlich den weit entfernten Lärm der Baustelle. Normalerweise hört man vorne, vor lauter Straßenlärm, und hinten, wegen der Wasserspiele im Park, gar nichts anderes. Es ist immer noch so ruhig, obwohl schon deutlich mehr Autos fahren, ich stelle mich nicht mehr in die Mitte der Straße zum Fotografieren! Und der Staubfilm in der Wohnung ist auch nicht weniger geworden.

Bisschen Internet, zwei Mails, ein neues Projekt, super, aber wann soll ich das alles machen? Vor allem die Technik kapieren?! Ich dreh mich um und schon ist es mittags. Es gibt mein absolutes Lieblingsessen, Spaghetti Aglio, Olio, Peperoncini und Crevetten. Schnell, easy, saulecker. Kann es immer kaum fotografieren, weil schon aufgegessen.

Danke auch für das Rezept für “Caviar d’Aubergine”. Ich probiere das gerne einen Tag. Als ich das zum ersten Mal, angekündigt wie eine Delikatesse sondergleichen, vorgesetzt bekam, bei einem Freund, der auch schon nicht mehr lebt übrigens, erwartete ich ein wahres Wunder: Kaviar aus Auberginen, hmmm. Und dann sah ich es und lachte fassungslos auf. WAS? Dieser kalte graue Brei ist es jetzt? Das ist KAVIAR d’Aubergines? KAVIAR! Weder die Konsistenz noch die Farbe noch sonst irgendwas daran erinnerte an KAVIAR und naja, es war essbar, aber es schmeckte wie ein kalter grauer Brei. Das Auge isst mit, immerhin. Die Franzosen nennen jedes pürierte Gemüse Caviar. Man isst es zum Apéro und stippt Chips ein oder streicht es auf gegrillte Brotscheiben. Dip würde man bei uns auf Neudeutsch sagen. Gemüsematsch. Brei. Dickliche Soßen. Mus. Auberginenmus. Na gut.

Pastour, der Maler. Ja, da gäbe es gerade auch eine sehr schöne Ausstellung in Cannes, dieser Provinzstadt. Diese Stadt hat auch andere Ecken, aber da komme ich gerade nicht hin. Man hält sich ja an seinen Kilometer-Auslauf und saust nicht in der Gegend herum. Wozu auch, gibt ja eh nix. Aber mein täglicher Stadtteilblick auf das provinzielle Cannes und die Cannois beeinflusst sicher das Leben meines Kommissars. Die Pastour-Ausstellung, die jetzt ungesehen hängt, wird hoffentlich verlängert. Wir haben sie glücklicherweise schon Anfang des Jahres gesehen.


Lehrer der Ricarda Huch Schule in Braunschweig schicken einen Gruß an SchülerInnen und LehrerInnen. Nett was? Danke an Markus Franz!

Mehr geht heute nicht. Ich habe mich ein zweites Mal umgedreht und schon ist es Abend. Qu’est-ce qu’on mange chérie? Ich weiß es doch auch nicht. Guten Abend in die Welt gewünscht! Hoffe, Ihr Tag war froh und so gesund wie möglich. Bis morgen! Sie wissen schon ….

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein abgelegt und mit , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

7 Responses to Corona Tagebuch – Tag 39

  1. Mumbai sagt:

    Dieser Behoerdenkrieg ist nervig und kann einem richtig die Tage vermiesen…als waeren sie dzt. nicht ohnehin schwierig genug. Es tut mir leid fuer Sie, Frau Dreher. Ich war heute das 1.Mal nach 6 Wochen wieder draussen, weil ich schon vor laengerer Zeit einen Arzttermin vereinbart hatte und diesen nicht verschieben wollte. War ohnehin muehsam ueberhaupt einen Termin zu bekommen. Also…startete ich los und war schon an der 1.Kreuzung entsetzt, wieviel Autos und Menschen unterwegs waren. Bei letzteren fragte ich mich, ob die auch alle zum Arzt gingen? Unmittelbar danach kam dann eine grosse Polizeisperre die Autos bzw. deren Insassen kontrollierten ob sie auch einen Grund hatten unterwegs zu sein.
    Einerseits fand ich diese Kontrolle (bisher hoerte ich, war zwar dsbzgl. gar nichts) sinnvoll anderseits kommt man sich doch sehr bevormundet vor. Nach dem Arztbesuch habe ich dann noch schnell meinen Wocheneinkauf (diesmal persoenlich) erledigt und bin dann nach 4 Std. erschoepft daheim angekommen. So einen Tag brauch ich so bald nicht wieder, beschwerte ich mich bei meinem marido und wir tranken auf den restlichen Tag ein Glas Cava. So war der Tag eine Erfahrung mehr und endete dennoch gemuetlich.

    • dreher sagt:

      Danke für Ihr Mitgefühl! Sie haben meines! Ich glaube, wenn man eine gewisse Sensibilität hat, wird man die spätere Umstellung auf “Normalmodus” (Menschen, Lärm, Hektik) nur schwer ertragen.

  2. Christine sagt:

    Madame, wie wäre es mit Baba Ghanoush? Die ist aus Auberginen (und macht Monsieur glücklich) und man kann dann leckere Gemüsesticks reinstippen :-)

    • dreher sagt:

      Merci, aber Baba Ghanoush ist Caviar d’Aubergines plus etwas Tahin … ich werde das ausprobieren, so oder so ;)

  3. Trulla sagt:

    Liebe Christine, Sie beschreiben so wunderbar das Vergehen Ihrer Tage, eingebettet in die äußeren Bedingungen. Es macht Freude, dabei zu sein. Unser aller Schicksal, das jeder auf seine Weise erlebt, gewinnt dadurch eine solidarische Gemeinsamkeit.
    Ich bin fast 20 Jahre älter als Sie, liebe Christine, und frei von Pflichten. Ihr Tagespensum würde ich nicht mehr schaffen. Erst recht natürlich könnte ich keine Bücher schreiben, bewundere diese Fähigkeit aber außerordentlich.

    Und dann schenken Sie uns noch tolle Fotos und Anregungen. Danke auch dafür.

    Mein besonderes Glück besteht darin, dass mein Mann die Küche unter sich hat (mein Teil ist nur Kuchen und Dessert, kommt selten vor) und ich in etwa die Fragen von Monsieur stelle: was gibt es, wann gibt’s was, wie wär’s mal mit…? Und auch wenn ich nie eine begeisterte Köchin war, eine begeisterte Genießerin bin ich.

    Bei Ihrem Lieblingsessen treffen wir uns übrigens. Pasta jeder Art geht immer, mit Crevetten usw. ist es perfekt.

    Ich lese täglich hier und ja, Sie wissen schon…

  4. Ute sagt:

    Liebe Christiane,
    auch von mir noch mal ein herzliches Danke dafür, dass Du uns so an Deinem Leben teilhaben lässt (so fühlt es sich jedenfalls an, wer weiß, welche Geheimnisse Du alle nicht in Deine Blog packst ;-)).
    Es ist immer wieder eine Freude, von Dir zu lesen, obwohl die Inhalte nicht immer Freude verbreiten oder wenn ich Dich wahrlich nicht um den Nerv mit der Ührssafff beneide. Und immer wieder so schöne Fotos. Ich finde ja, dass Cannes, das Du zeigst, hat oft sowas Morbides und gleichzeitig Charmantes…erinnert mich an die runtergekommenen Touriörtchen den Rhein entlang, von Königswinter an aufwärts ;-)
    Was essen wir heute Abend? Was weiß denn ich? Naja, bei Dir klang das freundlicher. Wieder so ein “leckeres” Foto. In den letzten Tagen, immer wenn ich einfallslos schon wieder Möhren und schon wieder Salat eingekauft habe, musste ich oft an Dich denken. Ich koche nicht täglich. Und schon gar nicht zweimal täglich…und bin doch schon überfordert und ideenlos…und seit Jahren schon auf der Suche nach einer schönen Rezeptsammlung mit einfachen, schnellen und gesunden Rezepten für noch dazu leckere Gerichte. Respekt! :-)
    Gerade heute habe ich hier im Tagesblättchen gelesen, dass anscheinend immer weniger Deutsche kochen können und sich das “Dilemma” vor allem jetzt zeigt, wo sie zum Essen nicht ausgehen können. Anscheinend wissen viele noch nicht mal, wie man Kartoffeln kocht. Ob das mal so stimmt? Schwer vorstellbar…
    Wie das so wird, wenn alles um uns herum wieder lärmen und toben kann, habe ich mich auch schon gefragt. Ich habe die Stille, sie wird ja schon weniger, wirklich sehr genossen. Und hoffe einfach, dass sie wis bisher nur scheibchenweise verloren geht…
    Ich wünsche Dir ein wunderbares Wochenende, zuhause, mit Ruhe :-)