2. Wahlgang oder Und irgendwo blökte ein Schaf

Der politischen Aufgeregtheit der letzten Tage sind wir hier oben ohne Fernseher weitestgehend entgangen, Was uns natürlich nicht davon abhält, dennoch immer und ständig an Politik zu denken und darüber zu sprechen. Im Newsletter von Nils Minkmar finden Sie einiges zur aktuellen Situation in Frankreich, was ich Ihnen nicht im Detail mitgeteilt habe. Ich weiß, dass der Newsletter auch schon an anderer Stelle verlinkt wurde.

Hier oben geht das Leben seinen gewohnten sommerlichen Gang, es regnet viel und ist kühl, aber ab und zu haben wir auch sonnige Tage, an denen ich dann schnell eine Maschine Wäsche wasche, die in der überraschend heißen Julisonne in kürzester Zeit trocknet, ich fahre wie immer zum Einkaufen, stoße dabei auf eine kleine Schafherde auf dem Weg zur Sommerweide, Transhumance heißt diese Wanderung, die zumindest auf den letzten Kilometern wie früher zu Fuß erfolgt. Es kann Ihnen in den Alpen derzeit überall passieren, dass Sie von einer Schafherde ausgebremst werden. Obacht in den Kurven!

Im Dorf stehe ich wieder Schlange und plaudere mit den Leuten, freue mich über meine Einkäufe und vor allem über die echten Himbeeren, die ich auf dem Markt finde und die wir später mit dem Schafsjoghurt der Schäfer aus dem Dorf essen.

Es gibt wieder eine Demonstration, aber es ist keine politische Demonstration, die sind kurz vor den Wahlen verboten, sie wird zwar freundlich von Gendarmen begleitet, aber es ist eher ein öffentliches Fest unter dem Motto “Liberté”.

Später gehe ich Lavendel schneiden, denn im Nachbarhaus wird ein runder Geburtstag gefeiert, da will ich einen Strauß hinbringen.

Wie Sie dem Pullover des Gatten im Hintergrund entnehmen können, ist es nicht immer Juliwarm.

Gestern Nachmittag wurde mir dann erstmals die Aufgabe zugeteilt Blumenschmuck aus Krepppapier für die Dorf-Deko am 14. Juli zu basteln. Was man als Französin alles darf! Ich empfinde es als Ehre!

Und dann kamen wieder die Schafe. Diesmal eine große Herde. Sie kündigen sich schon von weitem an, das Läuten der Glocken, das Bellen der Hunde, die Rufe der Schäfer, und ein dunkles Grummeln, das immer näher kommt. Aus dem Grummeln wird ein intensives Mäh mäh, aber es sind französische Schafe, also machen sie natürlich Bê, bê, laut und leise, aber zumindest für unsere Ohren sehr monoton. Ich laufe so schnell ich kann, um strategisch gut zu stehen, aber ich habe ein wenig Angst, mich wie früher direkt an den Weg zu stellen, ich weiß nicht, wie die Hunde reagieren werden. Aber am Ende laufen sie lammfromm in der Herde.

Abends gab es als Vorspeise Beignets de fleurs de courgette, und ich habe probehalber zwei kleine Blüten der wilden Möhre, die hier wie verrückt wächst und die ich auf meinem Kiesplatz immer ausreiße, bevor sie blüht, haha, mit gebacken. Sie sind essbar und schmecken leicht nach Karotte. Der Frittierteig war diesmal nicht so gut, aber es war trotzdem ein Genuss!

Heute morgen um Neun waren wir schon wählen, und es waren schon fünfzehn Personen vor uns da gewesen. Heute Abend werde ich wieder bei der Stimmenauszählung mithelfen.

So viel für eben zur Einstimmung. Die Ergebnisse liefere ich später! Bleiben Sie dran :D

etwas unscharf … die Aufregung …

Hoho! Die ersten Ergebnisse in unserem Dorf sind ermutigend: 33 Stimmen für Leila Tonnerre und den Nouveau Front Populaire, 32 für Max Tivoli und den Rassemblement National. 12 die Blanc gewählt haben und eine ungültige Stimme mit zwei zerrissenen Wahlzetteln im Umschlag. Ein erstaunliches Ergebnis für dieses konservative Dorf!

Die nationalen Ergebnisse werden wir später bei Freunden anschauen. Bis später!

Was für eine Erleichterung

Und was für eine Überraschung! Der Rassemblement National hat weder die absolute noch überhaupt eine Mehrheit im Parlament, sie sind auf dem dritten Platz gelandet, nach dem Linksbündnis Nouveau Front Populaire und Ensemble, der Partei Macrons. Uff!

Falls Sie wissen wollen, wie in einem Département oder in einer bestimmten Stadt gewählt wurde, hier entlang oder hier, diese zweite Karte ist vielleicht leichter zu bearbeiten, bei der ersten müssen Sie zunächst den Wahlkreis wissen, das ist ein bisschen mühsam. Aber es ist ernüchternd zu sehen, dass die Côte d’Azur ziemlich fest in der Hand des Rassemblement National ist. Und auch der Wahlkreis, zu dem mein kleines Dorf, das Hinterland, gehört. Das hatte ich im Prinzip vorausgesagt, aber ich war etwas zu euphorisch über das Wahlergebnis in meinem Dorf.

Im Fernsehen wird deutlich unaufgeregter diskutiert, die Erleichterung ist allen anzusehen (abgesehen vom Kandidaten des RN; Bardella btw. hat eine bemerkenswert positive Rede gehalten, die mit der Hoffnung auf die Zukunft endet), aber natürlich bleibt es herausfordernd, dieses Land zu regieren. Koalitionen kennt man hier so nicht. Ich verlinke Ihnen mal diesen Live-Blog für alle weiteren Informationen. Aber wie es weitergeht, sehen wir ab morgen, vorher wird sich auch Macron nicht äußern. Wir gehen jetzt früh und beruhigt schlafen, genau wie die kleine Schafherde im Wäldchen unterhalb des Hauses. Alles ist friedlich. Ab und zu blökt ein Schaf.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

6 Responses to 2. Wahlgang oder Und irgendwo blökte ein Schaf

  1. Marion sagt:

    Letzte Umfragen: Derzeit sieht es nicht nach einer absoluten Mehrheit aus, immerhin, trotz nun mehr als doppelt so vieler Sitze in der Nationalversammlung 🤔.
    Ach, eure Bergidylle. Schade, dass ihr nicht mehr so gut zu Fuß seid. Die Vorstellung, direkt vor der eigenen Haustür einfach mal aufzubrechen zu einer Wanderung erscheint mir sehr verlockend.
    Noch einen angenehmen Rest-Wahlsonntag, der hoffentlich mit zumindest einer gewissen Erleichterung enden wird.

  2. roswitha sagt:

    wir sind sehr froh über das ergebnis, unter diesen umständen. noch eine rechte regierung in der EU hätte mehr befürchtungen ausgelöst. nun kommt hoffentlich auch für euch sommer…

  3. Croco sagt:

    Ist noch einmal gut gegangen mit der Wahl. Uff!
    So Schafherden möchte man am liebsten mit großer Hand streicheln.