
Eine der wenigen kostenlosen und für alle zugänglichen Veranstaltungen während des Filmfestivals in Cannes sind die Open-Air-Kinovorstellungen am Strand, das sogenannte Cinéma de la plage. Das Ambiente ist eigentlich toll, aber das Wetter macht den Vorstellungen oft einen Strich durch die Rechnung. Außerdem werden dort in der Regel bekannte Klassiker gezeigt, die ich entweder schon gesehen habe oder die mich nicht interessieren.

Die Vorstellung beginnt erst spät, wenn es wirklich dunkel ist. Man muss aber früh da sein, um überhaupt auf den Strand gelassen zu werden und um möglicherweise einen Liegestuhl zu ergattern. Dann wartet man lange, bis es losgeht. Hin und zurück geht es im Festivalgetümmel nur zu Fuß. All das hat dazu geführt, dass ich in all den Jahren bislang nur ein einziges Mal dort war.

Eine Freundin hat mich jetzt aber motiviert, hinzugehen. Der gestrige Film sei bestimmt ein toller Musikfilm und es gäbe außerdem ein Konzert im Stil der Gipsy Kings vorher. Außerdem sei es eine Vorpremiere, der Film komme erst im Juni in die Kinos. Ich lasse mich überreden und wir verabreden uns vorher im Suquet zum Abendessen.

Den ganzen Tag über weht ein starker Wind. Wir befürchten, dass der Film gar nicht gezeigt werden kann. Gegen 18 Uhr legt sich der Wind jedoch und kurz scheint die Sonne. Auf dem Weg zum Restaurant zieht sich der Himmel bedrohlich zu und ein Gewitter scheint im Anmarsch zu sein. Laut diverser Wetter-Apps, die wir konsultieren, wird es gegen 22 Uhr erwartet. Ob die Veranstaltung stattfinden wird, ist absolut ungewiss.

Wir gehen trotzdem rechtzeitig los, bleiben hier und da stehen und schauen dem heute eher schwach besuchten Festivalgetümmel zu. Das Festival neigt sich dem Ende zu. Die großen Produktionen wurden bereits gezeigt und die bekannten Stars waren auch schon da.



Gestern Abend wurde im Wettbewerb ein chinesischer Film gezeigt, der die Massen jedoch nicht anzog. Es war ziemlich leer um den roten Teppich herum, nur ein paar junge chinesische Mädchen, manche in traditioneller Kleidung, standen auf der anderen Seite des Palais und warteten auf Jackson Yee, einen sehr süß aussehenden jungen chinesischen Sänger und Schauspieler.

Dann erreichen wir den Kinostrand. Es sind erstaunlich wenige Menschen da – Wind und das drohende Gewitter haben wohl viele abgeschreckt. Die Sicherheitsleute am Eingang wissen auch nicht, ob alles wirklich stattfinden wird. Im Moment regnet es aber noch nicht, zucken sie mit den Schultern und überprüfen unsere Taschen, in denen wir Jacken und Decken mitgeschleppt haben.
Schon sind wir drin! Und oh Wunder, wir bekommen die letzten der gerade aufgestellten freien Liegestühle. Man merkt, dass alles auf den letzten Drücker entschieden wurde.
Die anderen, die jetzt noch kommen, müssen sich in den Sand setzen, der aber trocken sei, wie uns von der Bühne zugerufen wird.
Zunächst gibt der Hauptdarsteller des musikalischen Road-Movies, Arthur H., ein kleines Konzert, dann folgt ein spanisches Gypsie-Konzert, das auf den Film einstimmt.
Die Menschen vor der Bühne tanzen im Sand. In der Zwischenzeit ist es dunkel geworden. Man sieht die schwarzen Gewitterwolken nicht mehr. Laut einer Wetter-App sind sie auch gar nicht mehr über Cannes. Nun zieht man doch die Kinoleinwand hoch und dann beginnt der Film „Ange”.
Lustigerweise beginnt der Film mit einem wahnsinnigen Gewitter, ob das ein böses Vorzeichen ist? Arthur H. spielt einen seltsamer Musikhistoriker, der auf der Suche nach einem verschollenen Musiker-Freund mit einem alten Campingwagen durch die Gegend fährt. Er besucht zunächst seine frühere Geliebte. Zwölf Jahre hat er sich nicht sehen lassen und kein Lebenszeichen von sich gegeben. Dennoch fällt sie ihm voller Glück in die Arme. Da beginne ich, genervt zu sein. Das ist eine typische Männerfantasie der Männer (nicht nur?) meiner Generation. Der Mann, der einsame Cowboy, lebt sein Leben, kommt, wie es ihm passt, und die Frau erwartet ihn stets mit offenen Armen. Er erfährt, dass die Tochter (okay, es ist nicht seine Tochter, erfahre ich später) „Dummheiten” gemacht habe, und fragt ziemlich trottelig „Warum denn das?”. Klar, wenn man sich zwölf Jahre lang nicht um (s)ein Kind kümmert, kriegt man auch nichts mit. Und dann fängt es an zu regnen. Die Menschen verlassen fluchtartig den Strand – wir auch. Alle fürchten jetzt das große Gewitter und suchen Schutz. Aber es regnet überhaupt nur wenig und kurz. Pech ist nur: Einmal draußen, dürfen wir nicht mehr rein. Man kann natürlich auch von der Mauer aus zusehen, aber der Film ist sowieso nichts für mich. Ich verabschiede mich und laufe nach Hause.
Unterwegs werde ich Zeuge einer süßen Szene – zwei langbeinige Damen in fast durchsichtigen Kleidern lassen sich von einem Herrn filmen, immer wieder laufen sie vor dem hell erleuchteten Fenster von Prada hin und her. Ein kleines Mädchen ist fasziniert von den beiden Damen, die es vermutlich für Prinzesinnen hält und rennt spontan ins Bild, um sich stolz mit ihnen fotografieren zu lassen. Die beiden Damen waren sehr gerührt.
Und hier noch der Trailer von “Ange”. Vielleicht schaue ich ihn mir doch noch mal im Kino an.
Aber hat doch bestimmt trotzdem ganz gut getan, mal ein bisschen raus zu kommen. Den Film finde ich gar nicht so uninteressant. Hast du schon “L’amour ouf” gesehen? Soviel junges Talent und die 80er! Bon weekend!
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