Herr Wurst also. Alain-Xavier Wurst, französischer Journalist, den es aus ungeklärten Ursachen nach Deutschland verschlagen hat, hat ein reizendes Büchlein geschrieben „Zur Sache, Chérie“ in dem er seiner Verzweiflung Ausdruck gibt, dass deutsche Frauen nicht flirten können. Ich war natürlich sofort auf Krawall gebürstet, und dachte, „du fehlst mir grade noch!“…
Der französische Mann ist ja gewohnt, dass nach einem kurzen Wortgeplänkel mit einer Frau der Weg ins Bett geebnet ist. (Darüber habe ich ja schon früher geschrieben, aber leider führt der Weg zu meinem ehemaligen Brigitte Blog ins Leere.) Tatsächlich ist das hier so. Umgekehrt gibt es auch eine Amerikanerin, die staunend bemerkt „French women don’t sleep alone“ und darüber ein weiteres Büchlein verfasst hat. Es gibt diesbezüglich also einen Konsens zwischen französischen Frauen und französischen Männern. Wie schön für sie.
Nicht so mit deutschen Frauen. Und jetzt folgen in Herrn Wursts Oeuvre viele nette Geschichten, über das, was Herr Wurst, immer auf der Suche nach einem kuscheligen Bettchen für eine Nacht oder zwei, das weiß man ja vorher nicht so genau, am späten Abend auf deutschen Partys erlebt, wenn er auf französische Art versucht, den Weg dahin zu ebnen. In der Regel passiert nichts. Deutsche Frauen sind taub auf diesem Ohr. Sie reden, sie tanzen, sie lachen, sie essen und trinken, sie amüsieren sich und das wars. Punkt. Wie grauenvoll. Der arme Herr Wurst versteht die Welt nicht mehr. Hat er Mundgeruch? Achselschweiß? Eine Nudel an der Nase? Nun ja, er versucht zu ergründen, warum keine der doch hübsch anzusehenden deutschen Frauen seinem unwiderstehlichen Charme erliegt und in seine Arme sinkt. Gähn.
Ich gestehe, ich war super sauer, und dachte, „du blöde Pfeife, dich zerreiß ich in der Luft“.
Aber, nach seinem Einstiegskracher über das konsonantenreiche schwerverdauliche Wort „Geschlechtsverkehr“, das unsere Unfähigkeit in dieser Disziplin quasi selbst erklärt, ist Herr Wurst überraschend verletzungsfrei und amüsant zu lesen.
Nach sex, äh, sechs Jahren Trainings diesbezüglich in Frankreich, habe ich mich der französischen Art wohl angenähert, oder sagen wir, ich weiß jetzt, dass es hier so läuft. Ich bin immer noch erstaunt, wann, wo und wie und vor allem wie oft ich hier angemacht werde, und das in meinem Alter! Ich bitte Sie … Ich kann auch immer noch nicht so richtig damit umgehen, aber ich verstehe es immerhin viel schneller und bin nicht mehr schockiert oder gekränkt, sondern nehme es so, wie es gemeint ist, als Kompliment nämlich. So ist er, der Franzose. In Herrn Wursts Büchlein finden sich nun viele realistische Szenen mit der deutschen Frau, und wir sehen das ganze Dilemma, denn die deutsche Frau in Deutschland versteht einfach nicht, was er will. Der französische Mann und die deutsche Frau sind eigentlich nicht füreinander gemacht. Sie passen nicht zusammen. Also sollten sie einfach ein bisschen miteinander plaudern und sich ansonsten in Ruhe lassen, dann wär’ alles gut. Aber Herr Wurst will ja unbedingt un petit tour au petit jour entre les draps machen. Dies ist eine Zeile aus Pour un flirt von Michel Delpech, ein Liedchen, das eigentlich alles erklärt, und das auch in Deutschland in den Siebzigern geträllert wurde, nur hat bei uns vermutlich keiner auf den Text geachtet, geschweige denn ihn verstanden, vor lauter La la la la la la lalala la la la la la la lalala la la la la la la lalalalaaaaaa …
Nun ja, Monsieur Wurst schreibt locker, leicht und amüsant, ein bisschen „intello“ vielleicht, ein paar Worte aus dem Modewortschatz der deutschen Szene kannte ich noch gar nicht, „posh“ zum Beispiel, und „breit aufgestellt“. Ich musste beim Lesen schmunzeln, erkenne mich und viele Situationen wieder und kann aus heutiger Sicht darüber lachen. Ich bin auch beruhigt, dass ich nicht alleine „so“ bin, denn manchmal glaubt man ja, so losgelöst vom deutschen Leben, nur man selbst habe flirttechnisch einen blinden Fleck.
Ich rechne Monsieur Wurst hoch an, dass er sich wirklich um ernsthafte Erkenntnis bemüht, er befragt deutsche Freundinnen und ZEIT-Soziologen, nimmt sich auch den deutschen Mann vor und erkennt in Luther und Werther die Übeltäter, die uns zu dem gemacht haben, was wir sind: Unflirtbare Wesen. Am Ende ist es aber auch gut. Ich hätte keine weitere Geschichte mehr ertragen, denn natürlich wird die französische Art, sich immer und überall den Frauen mehr oder weniger dreist zu nähern, nicht hinterfragt. Das ist sozusagen unantastbares Weltkulturerbe. Herr Wurst hat da noch nicht wissen können, dass Daniel Strauss-Kahn in den USA ein Zimmermädchen in die Quere kam, dem er, als allzeit bereiter Franzose natürlich nicht widerstehen konnte und daher sofort zur Tat schreiten musste. So kommt es auch hier zu bedauerlichen interkulturellen Missverständnissen. Unser deutsches Nicht-Flirten hätte uns niemals in so eine fatale Situation gebracht, sage ich da nur.
Fazit: Es ist nicht einfach mit Männern und Frauen aus zwei Kulturen. Ich erwarte gerne eine französische Übersetzung, um sie dem Franzosen an meiner Seite zukommen zu lassen, der mich und meine kopflastige Art manchmal auch nur verwundert ansieht.
Lesen? Aber ja!