Sommerloch-News

Drei Tage Cannes und ich kann schon wieder nur den Kopf schütteln. Ich schaffe es glaube ich nicht, diese Stadt zu mögen. Ich dachte das, als ich heute wieder bei anders anziehen stöberte – die Verfasserin Smilla ist so aufrichtig menschenlieb. Ich könnte hier jeden Tag die grellsten Street-Style-Fotos machen…

aber es hier einfach so voll von stylishen und unstylishen Menschen, dass es mich nur annervt. Natürlich ist die grell geschminkte alte Dame deren zwei Yorkshire-Terrier in rosa Dirndl gekleidet sind, bestimmt auch lieb, hat viel erlebt und ist nur sehr einsam, und Smilla würde eine warme Geschichte dazu hinkriegen, ich krieg nur einen Koller. Die beiden stark geschminkten Jungs in engster Jeans und im noch bartlosen Knabenalter, die sich vor einem teuren Hotel herumdrücken, haben bestimmt auch eine Geschichte. Würd ich gern wissen, würd mich aber vermutlich kotzen lassen. Das beste aber ist jeden Tag Nice Matin, Ausgabe Cannes. Niveauvoll bis zum Abwinken. Europa geht gerade pleite, Angela trifft Nicolas, auch Obama sucht einen Strohhalm zum Festhalten, das lesen wir hier nicht, steht ja auch erst gut versteckt auf Seite 16, die der Frankreichpolitik gewidmet ist und auf Seite 17 gibt’s Weltnachrichten, heute vorzugsweise wieder DSK und seine versuchte Vergewaltigung oder nicht oder doch. Vorher geht’s nur um Cannes und das Umland, danach geht’s um Fussball, Pferdesport, Wett-Ergebnisse und das Wetter. Ach so, klar das Fernsehprogramm geht auch noch über zwei Seiten. Gern lese ich auch das ranking der beliebtesten Artikel. Gestern war das „Er hat mir im Schlaf einen Finger in den Po gesteckt“, knapp gefolgt von dem Artikel „Es gibt wieder Haie vor der Côte d’Azur“. Neinnein, ich schwöre, ich hab mir das nicht ausgedacht.

Heute aber ist der Hauptartikel auf Seite Eins einfach so der Knaller, dass ich meinen giftigen Kommentar nicht mal in Ironie gedämpft kriege. Cannes: la fronde des dames pipi. Aufstand bei den Toilettenfrauen. Wir vermuten schlimmstes, und tatsächlich Die Stadt Cannes ist einem Skandal auf der Spur. Der Bürgermeister untersagt offiziell, dass in den sechs verbleibenden öffentlichen Toiletten in Cannes den zuständigen Toilettendamen ein kleines Trinkgeld für ihre nicht eben angenehme Arbeit hingelegt wird. Schluss mit der Toleranz! heißt es. Die Damen werden immerhin schon von öffentlichen Geldern finanziert. Die Toilettendamen haben sich jahrelang ungerechtfertigt an unwissenden Touristen in dringlichen Pipinöten bereichert. Damit ist ein für alle Mal Schluss. Freies Pipi für alle. Ich füge hinzu: Wir fordern die Einsicht in die Schweizer Bankkonten der Damen. Die Damen wehren sich natürlich und melden sich jetzt enttäuscht und empört zu Wort. Der Bürgermeister aber bleibt hart. Trinkgeld im öffentlichen Dienst ist nicht erlaubt und wird ab sofort streng geahndet. Es werden in Zukunft Kontroll-Pipi-Besuche stattfinden und dann hagelt es Abmahnungen! Ich bin dem Bürgermeister von Cannes außerordentlich dankbar, dass er Cannes vor der drohenden finanziellen Krise bewahrt, indem er hier zero tolérance zeigt. Endlich wird mal hart durchgegriffen. Würden alle so handeln hätten wir vermutlich keine Krise.

Sehr viel Geld wird hier gerade auch in die Luft geschossen, via feu d’artifice, den Feuerwerken. Im Sommer gibt’s hier schon seit vielen Jahren einen Kunst-Feuerwerk-Wettbewerb. Alle zwei Wochen findet hier eines dieser spektakulären mit Musik unterlegten Feuerwerkskunstwerke statt. Ausrichter sind immer unterschiedliche Länder. Letztes Jahr sah ich so ein FeuerwerkKunstwerk überhaupt zum ersten Mal, am Strand sitzend mit etwa einer Million anderer Menschen, und es war trotz des überfüllten Strandes ein tolles Ambiente, ruhig und fröhlich. Ich sah den Feuerwerksbeitrag von Polen und es war toll! Tolle Musik, genial gestaltet, das Bodenfeuerwerk harmonierte oder kontrastierte schön mit dem im Himmel, ich fands sehr perfekt – obwohl die armen Feuerwerker einen Tag später als vorgesehen und auch dann erst sehr spät abends loslegen konnten, da es vorher zu windig war. Vielleicht war es, weil ich es so schön fand, vielleicht auch, weil es mein erstes Kunst-Feuerwerk war, dass ich das in die Luft gefeuerte Geld nicht bedauerte. Dieses Jahr sah ich den Beitrag von Russland. Es war vor allem laut und bombastisch und zu dem etwas abgelutschten Klassiker „Kalinka“ in allen erdenklichen Varianten (Kalinka als HipHop, yeah!) etwas lieblos und unkreativ gestaltet. Ich fands nur enttäuschend und dachte sofort „…und sooo viel Geld …“.  Aber natürlich gefällt es trotzdem, so ein kostenloses Massenspektakel zieht klar immer Tausende an. Ich finde erstaunlich, dass es sich danach immer so schnell und friedlich auflöst.

Danach gehen alle Eis essen und stehen gerne noch etwa eine Stunde friedlich für zwei Kugeln Eis bei Villefeu an, ein Eisladen mit Kultstatus. Etwa 80 Eissorten gibts dort zu extrem überteuerten Preisen. Ich wollte immer mal einen Selbstversuch starten und alle Eissorten testen, bislang kam ich aber nur einmal schnell dran (ich hasse Anstehen), und nahm völlig überfordert von der Auswahl und der ungeduldigen Schlange hinter mir, einfach schnell das, was vor mir angeboten wurde: Käsekuchen-Eis und Bulgarisches-Joghurt-Eis. Toll. Beides. Käsekuchen-Eis ist klasse. Wenn man Käsekuchen mag zumindest. Ich liebe Käsekuchen!

Ich habe noch eine kurze Tour zu meinen Lieblingsläden gemacht. Mitte August bei 30 Grad läuten wir hier ja schon den Herbst und Winter ein, und ich sags Ihnen, in Cannes darf noch furchtlos Pelz getragen werden. Angesagt ist Schlangenhaut bei Stiefeln und Taschen und wenigstens eine kleine Pelzstola sollten Sie dazu schon tragen. Das Prunkstück gestern war eine Tasche aus Nerz bei miu miu für knapp 5000 Euro. Sagte ich schon, dass ich Schwierigkeiten habe, Cannes zu mögen?

Ich bin noch mal kurz weg… wenn ich wieder komme ist es hoffentlich endlich kühler und ich wieder besser gelaunt… muss ja mal besser werden mein Verhältnis mit dieser Stadt…

Machen Sie’s gut, bis die Tage!

 

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