La Quarantaine

Vierzig also. Ich schiele schon seit heute Morgen zu den Blogkollegen, ob denn niemand was geschrieben oder entdeckt hat zur Quarantäne, philosophisch, religiös, medizinisch. Oder ist das Thema schon durch? Gleich zu Anfang abgehakt? Ich suche ein bisschen und finde nicht gerade etwas zur Symbolhaftigkeit der vierzig Tage, mal abgesehen von den vierzig Tagen, die Jesus in der Wüste verbracht hat, aber etwas über Blaise Pascal, mein “Retter” mit dem Satz Le coeur a ses raison que la raison ne connait point. Das wissen Sie aber schon. Und der Satz mit dem “drin bleiben” hat mich damals auch beeindruckt. Dann stolperte ich über Was stärkt uns in der Corona-Krise, dahinter eine Sammlung vieler (nicht nur) religiöser Lebenshilfe-Links, das ist auch nicht neu, aber vielleicht kennen Sie es noch nicht. Ich klickte mal auf den Link zum Podcast Lebenswert. Ich habe dort, mangels Zeit, nicht wirklich viel reingehört, klingt aber alles interessant. Wenn man dafür gerade ein offenes Ohr hat, sagen wir so. (Ich musste auf “Episode herunterladen” klicken, um den Podcast hören zu können.)

Beim Wort Ökumene fiel mir der Verein andere zeiten ein, von dem ich jedes Jahr den anderen Adventskalender beziehe und ein paar Jahre an der Fastenaktion 7 Wochen anders leben teilgenommen habe. Dort habe mich für den Newsletter eingeschrieben. Er kommt aber erst heute Abend.

Das passt ja alles irgendwie. Gestern Abend habe ich einen aus der Mediathek ausgeliehenen Film gesehen, eine Doku über mehrere Pilger, die den Weg nach Santiago del Compostela gelaufen sind. Die Besonderheit ist, dass alle den Weg alleine liefen und sich nicht den zahlreichen Gruppen angeschlossen haben.

Und auf dem Weg, während der langen Wandertage mit ihrer Wut, ihrem körperlichen Schmerz, mit Krankheit (wundgelaufen, Blasen, Knieschmerzen, einer der Wanderer bekam unterwegs sogar einen Herzinfarkt – und wurde gerettet) ihren Tränen, und ihren Ängsten konfrontiert wurden. Ein Wanderer fand abends keine Unterkunft, lief eine zusätzliche Strecke und fand wieder keine Unterkunft, und schlief zum ersten Mal in seinem Leben unter freiem Himmel, zunächst voller Angst, und er war dann von der Stille und dem Sternenhimmel über ihm beeindruckt und schlief tief und fest. Während man einer anderen Pilgerin im Schlagfsaal das Portemonnaie gestohlen hat. Fassungslosigkeit, Wut, Tränen. Aufgeben? Weiterlaufen? Ohne Geld und mit Knieschmerzen unter strömendem Regen? Warum tut man sich das an? Alle wurden mit sich selbst konfrontiert auf diesem Weg – das ist ja auch der Sinn, weniger das tüchtige Wandern und das Ankommen, also zumindest sehe ich das so. Und sie wanderten und hatten manchmal Angst, verliefen sich, fühlten sich einsam, schwach und heulten, jammerten, fluchten, klagten, hatten Schmerzen, nicht durchgängig, aber immer wieder, wurden entttäuscht und dennoch liefen sie weiter und erlebten dann auch Momente voller Glück allein in der Natur, Stille, magische Momente in einer unansehnlichen Kirche oder auf einer Lichtung oder sie trafen punktuell Menschen, die halfen, stützten oder aufmunternd lächelten. So ist das Leben. Das ganze Leben. Und Heulen, Jammern, Angst spüren und sich einsam fühlen gehören dazu. Wenn man diese unangenehmen Zustände nicht immer nur wegschiebt, indem man sich ununterbrochen beschäftigt und ablenkt, wenn man zulässt, all das zu fühlen in all seinem Schmerz, dann merkt man, dass es einen gar nicht so weit hinabzieht. Irgendwo ist Grund, es ist dunkel und schmerzhaft, man weint viele Tränen, aber es geht weiter. Es geht immer weiter. Vielleicht sollten wir die Ausgangssperre als eine Art Pilgerpfad-Zeit ansehen.

Ok, das war schon das Wort zum Sonntag. Heute gabs bei uns Aioli. Ich habe nur knapp 15 Jahre gebraucht, um dieses typisch provenzalische Gericht selbst zu kochen. Als es das zum ersten Mal auf dem Hof gab, war ich schon im Vorfeld verblüfft, dass man dieses komische Brett von trockenem Fisch 24 Stunden lang in fließendem Quellwasser entsalzte. Das kann man in der Stadt nicht essen, dachte ich. Wenn ich dort 24 Stunden lang Wasser laufen lasse, kostet mich das eigentlich einfache Essen ein Vermögen. Der trockene Fisch, Stockfisch, luftgetrockneter, eingesalzener und somit konservierter Kalbejau oder Dorsch wird unter fließendem Wasser entsalzen und weich, bleibt aber leicht salzig. Dazu gibt es dampfgegartes oder gekochtes Gemüse, es passt, was man gerade da hat: Karotten, Zucchini, Lauch, Blumenkohl, ein paar Kartoffeln und hartgekochte Eier. Das alles wird mit einer ordentlichen Menge der dem Gericht namengebenden Aioli, einer Art Knoblauchmajonnaise, gegessen. Als ich das zum ersten Mal vorgesetzt bekam, fand ich es noch unschicklich, mittags frischen Knoblauch zu verzehren. Man muss ja danach noch sozialisieren, dachte ich, und nahm daher nichts von der gelblichen Creme, sondern aß den salzigen Fisch und das fad schmeckende Gemüse so und verstand nicht, was daran so toll sein sollte. Alle anderen strichen die Aioli auf Gemüse und Fisch und schwärmten mit vollem Mund, wie köstlich es sei. Danach stanken alle nach Knoblauch, eigentlich das richtige Essen für Social Distancing, aber sie scherten sich einen Dreck darum, dass sie, wenn sie mit mir sprachen, eine Knoblauchfahne hatten. Ich war schockiert. Wie lecker alles wird, wenn man diese scharfe Aioli darüber streicht, erfuhr ich erst Jahre später, als ich mich traute, an einem helllichten Mittag frischen Knoblauch zu essen wie alle anderen. Aioli ist ein provenzalisches Wort, es besteht aus Ail und Oglio, also Knoblauch und Öl, und es ist nichts anderes. Nur dass noch ein rohes Eigelb dazukommt. Eine Aioli fest (und nicht flüssig) aufzuschlagen, ist eine Kunst. Ich habe es heute zweimal nicht geschafft, giftete Monsieur an, der mich natürlich nicht kritisieren wollte, aber natürlich doch etwas zu sagen hat, ohne jemals in seinem Leben eine Aioli aufgeschlagen zu haben, und am Ende habe ich die zweite flüssige Variante mit gekaufter Majonnaise verrührt, es war nicht perfekt aber immer noch ziemlich lecker, und der Gatte sagte nichts mehr sondern aß vergnügt und wischte die letzten Spuren Aioli mit Brot aus dem Schälchen.


Ein Artikel, der nochmal sagt, warum es hier in Frankreich so anders läuft als in Deutschland. Ich bin ja immer etwas verschämt, die Franzosen offen zu kritisieren. Hier aber spricht eine Französin, die in Deutschland lebt. Derselbe Text in Französisch.

Die Masken sind da! Sie gammeln wohl schon ein paar Tage im Briefkasten herum, normalerweise wirft der Briefträger die Post in den Türschlitz und alles fällt auf den Boden. Diese Masken aber wurden in den innen befindlichen Briefkasten geworfen, und ich fand sie heute nur zufällig. Sie sind grottenhässlich, riesig und sehen aus wie ein Stück Putzlappen.

Es gibt noch eine braune Maske, die aussieht wie ein Socken (es gab drei, für jede Partei im Haus eine, mit der dann die anderen abgeholt werden können). Ok, ich will nicht meckern, es ist ein ziemlicher Akt gewesen und der Bürgermeister reißt sich gerade den Allerwertesten auf für seine Stadt und seine Bürger. Wir haben in der Zwischenzeit die Freitags-Nathalie beauftragt, die bereit ist, uns ein kleines Dutzen Masken zu nähen (zumindest für die Übergangszeit bis es endlich wieder Einweg-Papiermasken geben wird, eines Tages). Problem ist, es gibt nirgends kein allerkleinstes Stückchen Gummiband mehr, sie kreiert also eine Variante ohne Gummi. Das Problem, das sich mit den wiederverwendbaren und waschbaren Masken stellt und weshalb der Gatte sie ablehnt, ist das aufwändige Wasch- und Trockenprozedere. Selbst ich, die ich guten Willens bin, dachte beim Lesen, das mache ich nicht. Und wer von den undisziplinierten Franzosen wird das machen? Die benutzten Masken in einer geschlossenen Plastiktüte aufbewahren und nicht etwa in die Schmutzwäsche werfen. Dann seine Waschmaschine für zwei Masken anwerfen, 30 Minuten bei 60°-95° waschen, die Maschine vorher und nachher mit Javel desinfizieren, die Masken (alle drei Schichten) müssen danach innerhalb kurzer Zeit komplett durchgetrocknet sein, dürfen aber nicht mit dem Fön trockengefönt werden. Also vielleicht trockengebügelt …

Das einzig sinnvolle sind Einwegmasken, sagt der Gatte, aber je nun … es gibt keine.

Bei Agnes trifft geht es heute um Rituale … löst viel bei mir Ritualhasserin aus :-)  Punkt 20 Uhr hupen gerade rituell die Schiffssirenen und lösen das abendliche Applaudieren ein. Ich applaudiere rituell aber nicht. In unserer Straße applaudiert niemand. Bei “Agnes trifft” wird die Sendereihe Alltag anders erwähnt. Kleine Szenen zu einem Thema aus verschiedenen Ländern. So was liebe ich ja. Danke dafür.

Dieses Lied habe ich den ganzen Tag schon im Kopf. Sie jetzt auch.

Danke für all Ihre lieben Kommentare! Ich hoffe, Ihr Tag war erträglich. Ich weiß von so vielen kranken Menschen, die quasi eine Quarantäne in der Quarantäne erleben und zusätzlich Schmerzen haben. Es ist ein Elend. Seien Sie behütet. Und alle andern auch, klar. Bleiben Sie alle so gesund und munter wie Sie können, und bis morgen! 

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18 Responses to La Quarantaine

  1. Mumbai sagt:

    Today like yesterday and possible tomorrow (Mon)day. (Tues)day. (Wednes)day.
    (Fri)day). (Satur)day. (Sun)day……Wir muessen das so sehen, jeder Tag ist ein Tag und jeder versucht ihn so gut wie moeglich zu verbringen. Bei uns ist Tag 43 heute angebrochen und es hat sich noch nichts geaendert. Haette ich das alles vorhergesehen waere ich auch in die Wueste gegangen. 10 Tage allein ohne zu sprechen…dieses Experiment, welches uebrigens eine tolle Erfahrung war, hab ich ja schon mal physisch und psychisch gut ueberstanden. Also alles nicht so dramatisch sehen. Die Welt und
    Menschen haben schon mehr ueberstanden. …und ….alles wird gut!