Cannes Filmfestival Q&A

Mesdames et Messieurs, wir nähern uns dem 76. Festival des Films in Cannes! Voici das diesjährige sogenannte affiche, das Filmplakat mit der jungen Catherine Deneuve.

Frag was! Was wollt ihr wissen? Wird es einem auf Instagram zugerufen. Das macht man ja jetzt so, nicht wahr, Q&A meint Fragen und Antworten, falls Sie nicht ganz so Instagram-affin sein sollten. Ich mache hier mal einen Text zum Festival und den immer wieder gestellten Fragen oder zu der einen immer wieder gestellten Frage, nämlich: Wie komme ich, Hänschen Schmidt oder Lieschen Müller, an Karten fürs Filmfestival?

Die kürzeste und schnippischste Antwort wäre: Gar nicht. Denn das Filmfestival ist nämlich, trotz des glamourösen Trallala auf dem Roten Teppich, das nur die Spitze des Eisbergs ist, eine seriöse und wichtige Business Messe, ein Filmmarkt, Le Marché du Film, und nur für akkreditiertes Publikum aus der Filmbranche zugelassen. Dazu gehören neben SchauspielerInnen, AgentInnen, MusikerInnen, TechnikerInnen, AutorInnen, SzenaristInnen KinobetreiberInnen, FilmverleiherInnen und und und …. auch die jeweiligen KulturministerInnen oder BotschafterInnen der verschiedenen Länder, aus denen die Wettbewerbsfilme eingereicht wurden.

Aber geht nicht doch irgendwas? Du warst doch auch schon da! Wie machst du es denn? Insistieren Sie vielleicht.

Ja, tatsächlich habe ich schon Filme des offiziellen Wettbewerbs im Großen Auditorium gesehen, also Filme, die für die Goldenen Palme in den Wettberb gehen; dass ich das konnte liegt daran, dass ich a) Einwohnerin von Cannes bin, und die EinwohnerInnen sich zu Beginn des Festivals (mit Adressnachweis!) auf Listen im Rathaus eintragen dürfen, um dann jeweils eine (EINE) Karte für eine Filmvorführung zugeteilt zu bekommen. Das bedeutet, auf den Film, den Tag und die Uhrzeit habe ich keinen Einfluss.

Und ich bin b) auch Mitglied in dem einen oder anderen Cannoiser Verein, vor allem bin ich Mitglied in einem Kinoverein, Cinécroisette nämlich. Der Vorsitzende des Vereins ist offiziell als Cinéphil akkreditiert (erkläre ich gleich noch genauer) und verfügt über ein gewisses Kontingent an Karten, die er selbst mit seiner Frau nutzt oder gelegentlich weitergibt (vor allem für die Filme, die ihn oder seine Gattin weniger interessieren). Einmal zugeteilte Karten müssen nämlich genutzt werden (das wird heute alles elektronisch kontrolliert), sonst bekommt man beim nächsten Mal sofort deutlich weniger Karten zur Verfügung gestellt. So komme ich, auch ohne mich groß um etwas gekümmert zu haben, manchmal spontan an eine Karte – allerdings auch hier, ohne dass ich mir Film, Tag oder Zeit ausgesucht habe. Manchmal ist es die erste Vorstellung am Tag, die für die Presse, sie findet schon um 8.30Uhr statt, sie ist aber auch die unglamouröseste. Es gibt dann noch ein paar Vorstellungen im Laufe des Tages, die Abendvorstellung, das ist die, von der man in der Regel via TV oder Internet das Getöse auf dem Roten Teppich sieht, findet mit den anwesenden SchauspielerInnen statt, die vorab die Treppenstufen unter Blitzlichtgewitter erklommen haben. Karten für diese Vorstellung sind so gut wie nie zu bekommen, sie werden nur für VIPs und die Menschen mit den “wichtigen” Akkreditierungen vergeben. Denn ja, es gibt Unterschiede bei den Akkreditierungen und den zugeteilten Badges, den Ausweisen in unterschiedlichen Farben, die die sogenannten Festivaliers um den Hals tragen. Für die Abendvorstellung wird übrigens von einem erwartet, dass man in Abendgarderobe erscheint. Die Damen im langen Kleid, die Herren im Smoking und mit Fliege bitte!

Kommen wir zu den Akkreditierungen, es gibt verschiedene. Für dieses Jahr ist die Bewerbungsfrist aber schon beendet.

Falls Sie sich mit dem Gedanken tragen, sich (im nächsten Jahr) akkreditieren zu wollen, gäbe es (für nicht Filmschaffende) zwei Möglichkeiten: entweder Sie sind jung (zwischen 18-28 Jahren) und studieren an einer Filmhochschule, dann können Sie sich für den Pass “Drei Tage in Cannes” bewerben oder Sie sind ein/e Normalsterbliche/r aber “cinephil”, also Kino- und Filmbegeistert, dann käme für Sie die “Cinephil-Akkreditierung” infrage. Und ja, Sie bewerben sich jeweils dafür! Und bekommen eventuell eine Akkreditierung zugeteilt, manchmal auch nicht. Ihre Cinephilität müssen Sie nachweisen, am besten sind Sie schon einmal Mitglied in einem Kinoclub oder Sie haben eine Kino-Jahreskarte oder Sie schreiben einen Filmblog oder was weiß ich, das enthebt Sie aber nicht der Verpflichtung zusätzlich une lettre de motivation, ein Bewerbungsschreiben beizufügen, in dem Sie Ihre Begeisterung für das Kino ausdrücken. Innerhalb dieser “Cinephilen” Akkreditierung sind die Möglichkeiten weit gefasst – falls Sie LehrerIn sein sollten und Sie mit ihrer Abiturklasse ein Filmprojekt behandelt haben, bekommen Sie unter Umständen auch einen Zugang für sich und die SchülerInnen. Aber wie gesagt, Sie müssen sich rechtzeitig und offiziell dafür bewerben (Anschreiben, Passfoto, Kopie des Ausweises).

Bislang wurden so jedes Jahr etwa 4000 Plätze an ein cinephiles Publikum vergeben. Dieses Jahr aber wurden, wie ich gerade erfahren habe, 2000 Akkreditierungen in diesem Bereich gestrichen. Es wird also noch schwieriger an einen CinephilenBadge zu kommen, der ohnehin der am wenigsten Wichtigste ist, und mit dem Sie, obwohl Sie unter Umständen schon eine Stunde vorher für einen Film bei Wind und Wetter anstehen (Das Festival findet in der Regel während der Eisheiligen statt, und jedes Jahr regnet und stürmt es fürchterlich), trotzdem nicht in den Saal kommen, weil andere und wichtigere Menschen, die man an ihrem andersfarbigen Badge erkennt, an Ihnen vorbeiziehen und in den Saal dürfen, und Sie haben das Nachsehen.

Sie sehen, es ist kompliziert, es kostet Zeit und Geduld und Nerven, und man braucht hin und wieder eine gewisse Frustrationstoleranz. Ich will Ihnen gar nicht von all den anderen Festivals (la Quinzaine des Cinéastes, Un Certain Regard, Kurzfilm, ACID) die es zeitgleich auch in anderen Sälen und Kinos in Cannes gibt und die jeweils andere Zugangsmodalitäten haben, erzählen. Man muss wirklich vom Filmfieber befallen sein, um da durchzusteigen und sich das anzutun.

Will man einen bestimmten Film unbedingt sehen und hätte außerdem viel Zeit, dann könnte man sich immer noch mit einem Schild “Cherche Invitation pour XY” oder, da es sehr viele englischsprachige Festivaliers gibt “Tickets for XY please” in der Nähe des Palais des Festivals aufstellen oder auch an den dort Schlange stehenden Menschen freundlich lächelnd vorbeilaufen und einfach fragen. Vielleicht hat jemand eine Karte übrig, die er abgeben kann. Das soll, so sagte man mir, nachwievor und immer wieder klappen. Und es ist, auch wenn Sie es vielleicht (zunächst) peinlich finden sollten, um Karten zu betteln, die einfachste Möglichkeit, abgesehen vom Zeitfaktor, den Sie einplanen müssen. Und möglicherweise klappt es auch nicht.

Auf der stets aktualisierten offiziellen Seite zum Cannes Filmfestival finden Sie alles: die Filmauswahl für die Sélection officielle (darunter Filme von Wim Wenders, Aki Kaurismäki, Pedro Almodovar und Wes Anderson) wer der Jury vorsitzt (der schwedische Filmemacher Ruben Östlund, der mit seinem Film “The Triangle of Sadness” letztes Jahr die goldene Palme gewonnen hat), alles über die vergangenen Festivals und alles Aktuelle. Klicken Sie sich durch!

Warum es sich aber auch ohne die begehrten Eintrittskarten lohnt, Cannes während des Festivals zu besuchen (weil die Atmosphäre einfach so besonders ist, weil es Open-Air-Kino am Strand gibt (kostenlos übrigens! Man muss nur rechtzeitig da sein!) zeigen Anja und Aila in ihrem neuesten Video.

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5 Responses to Cannes Filmfestival Q&A

  1. Pingback: 23-04-30 Put on some makeup. Turn on the 8-track – iberty.de

  2. Marion sagt:

    Puh, wie kompliziert – da vergeht einem selbst als stolze Besitzerin einer “Kino-Jahreskarte” echt die Lust. Hatte mal vor vielen Jahren jd. getroffen, der gerade vom Festival zurück war und dort akkreditiert gewesen war. Er machte schon beruflich was mit Film, aber was genau kann ich mich gar nicht mehr erinnern. Wünsche ein erholsames langes Wochenende Euch beiden!

    • dreher sagt:

      Ja, es ist kompliziert. Ich habe weder Zeit noch Lust, das Prozedere jedes Mal zu verstehen (es ändert sich ja auch jedes Jahr etwas) und zu durchlaufen und gehe nur, wenn sich spontan für mich die Möglichkeit ergibt.
      Hier regnet es. Vielleicht gehe ich ins Kino.
      Schönes Wochenende auch für Dich!

  3. Barbara sagt:

    Du meine Güte, und ich dachte bisher, nur in Deutschland gebe es irre Nachweispflichten für alles Mögliche – auf eine Nachweispflicht für Kinobegeisterung wäre ich aber im Leben nicht gekommen. :-) Vielen Dank für die lehrreiche und unterhaltsame Aufklärung!

    • dreher sagt:

      Sehr gerne :-) Und ja, es ist kompliziert und wird immer komplizierter! Ein seit zig Jahren cinephil akkreditierter Herr wurde dieses Jahr abgelehnt : seine Begründung (Jahreskarte fürs Kino) war dieses Jahr nicht mehr ausreichend. :-(