Dies und das am Montag

Von wegen Sonne. Wir haben gestern Nachmittag den Regen in den Bergen gegen den Regen an der Côte d’Azur eingetauscht. “Du bist so sommerlich angezogen!” wunderte sich eine Freundin aus einem benachbarten Bergdorf, mit der wir zum Essen verabredet waren, und die selbst Fleecepullover über Langarm-T-Shirt trug, und lange Hosen und Socken, klar. “Ich fahre nachher runter und unten ist es Sommer” behauptete ich da noch. “Runter fahren” (descendre) oder “hoch fahren” (monter) sagt man hier, wenn man von den Bergen an die Küste fährt oder eben umgekehrt von der Küste in die Berge.

Beim Runterfahren habe ich aber durchgängig bedeckten Himmel und der Scheibenwischer arbeitet immerhin intermittierend, ich weiß nicht, ob es dafür ein deutsches Wort gibt, er arbeitet nicht durchgängig, so viel Regen ist es nicht, aber doch ein bisschen. Auf der Schnellstraße kurz vor Nizza immer noch kein blauer Himmel in Sicht, uns überholen zwei deutsche Motorradfahrer, ich spare mir hier die weibliche Form, aus RZ, das muss ich erst nachschauen, Ratzeburg, irgendwo im Norden von Deutschland. Die Armen, denke ich, da wollten sie dem grauen deutschen Junihimmel entfliehen und finden satte 1500 km weiter südlich nur grauen französischen Junihimmel. Und Regen. Auf der Autobahn Stau, weil die Autonbahn stellenweise überschwemmt war. Der Regen war, wie in letzter Zeit so häufig, voller Saharasand.

Bevor wir runterfuhren habe ich noch ein bisschen gejätet und dank des vom Regen durchfeuchteten Terrains nun erfolgreich wilde Möhren aus dem Kiesgelände gezogen. Die wachsen hier wie, hm, Unkraut, haha.

wilde Möhre

Und Königskerzen und Variationen von Ampfer und der hübsche gelbe Steinklee, der voller Bienen ist, weshalb er zumindest auf der Zufahrt weiterhin wuchern darf.

Ich weiß nicht mehr, ob und wer sie mir empfohlen hat, aber so wenig ich mit den Vogelgezwitscher-Apps erfolgreich bin, so sehr bin ich es mit der App zur Pflanzenbestimmung Flora Incognita. Funktioniert super und super einfach!

Von der Freundin mit dem Garten weiter unten bekamen wir echte Bergradieschen geschenkt.

Die Kirschen wurden halbreif geerntet, weil sie bei dem Regen sonst aufplatzen, sie sind nicht besonders süß, sie werden (von ihr) mit den ebenso sehr sauren Johannisbeeren zu Konfiture verarbeitet.

Unten angekommen wurde sofort der Fernseher eingeschaltet, es geht natürlich um Politik und alle möglichen Szenarien mit dem Rassemblement National als Sieger der Wahl werden durchgespielt, denn die Wahlprognose sieht sie weit vorne. Und es wird erneut das Mehrheitswahlrecht Frankreichs kritisiert, es wäre alles nicht so dramatisch, wenn man die extrem rechte Partei seit Jahren “verhältnismäßig” im Parlament vertreten hätte, wie es dem WählerInnenverhalten entspricht; jetzt scheint die absolute Mehrheit der extrem Rechten nicht mehr aufzuhalten zu sein. Vielleicht hat Frankreich sich verändert, sagte gestern im Fernsehen auch resigniert der Schauspieler und Regisseur Matthieu Kassowitz, wenn sogar die Juden Marine Le Pen wählen wollen. Vor zehn Jahren wäre das noch nicht möglich gewesen.

Wie gesagt, wenn es ganz schlimm kommt, dann gehen wir in die Berge. Dort geht es schon immer deutlich konservativer zu, und ich habe gelernt damit umzugehen. Es ist so ein bisschen wie in den Büchern von Juli Zeh, “Unter Leuten” etwa, die umstritten sind, aber doch ziemlich nah dran am ländlichen Leben wie es wirklich ist. Also es gibt zumindest Parallelen zu französischen Bergdörfern. Von außen sieht das Leben in den südlichen Alpen, so rau es ist, aber auch sehr romantisch aus. Dies ist ein Lesetipp, der bei Regen oder Sonnenschein passt. Bis die Tage!

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7 Responses to Dies und das am Montag

  1. Marion sagt:

    Diesen Sahararegen gibt es hier auch! Na ja, jetzt ist es gerade mal ein bisschen sonnig und wärmer, sehr schön. Sehe gerade, dass mein Lieblingsfreibad endlich diese Woche mal auf hat (aber nur bis Freitag einschließlich), so eine verspätete Saison gab es noch nie. Und meinen Balkon habe ich auch noch nicht geputzt, geschweige denn draußen gesessen.

  2. N. Aunyn sagt:

    In der Hauptstadt hatten wir gestern und heute allerschönstes Wetter. Von daher Beileid für die Ratzeburger.

  3. Marion sagt:

    P.S.: Julie Zeh steht auch schon lange auf meiner Leseliste, besonders dieses Buch interessiert mich auch. Leider ist der Artikel hinter einer Paywall. Und die App habe ich jetzt auch installiert! Hatte mir während Corona zwar ein Buch gekauft (leider nur für Bäume), aber man hat es ja doch nie dabei.

    • dreher sagt:

      Das tut mir leid wegen der Paywall, habe versucht, es zu aktualisieren, vielleicht klappt es jetzt? Ich habe die ZEIT aber abonniert, insofern habe ich Zugang und mein Link ist vielleicht für andere gesperrt.
      Die App funktioniert echt prima!
      “Unter Leuten” gefiel mir ganz gut. “Über Menschen” wurde grenzwertig – aber ich habe auch rechtsextreme Nachbarn, die durchaus frequentabel sind – es ist ein Spagat, der auf dem Land vollzogen werden muss. Das ist nicjht immer für alle verständlich (etwa für Städter, die sich ihr Umfeld aussuchen können).

  4. Gabriele sagt:

    Ich habe Über Menschen zum Geburtstag, mit Widmung der Autorin, geschenkt bekommen. Ich fand es gut geschrieben und es hat mich durchaus gefesselt, aber sehr ratlos zurückgelassen. Ich habe lange darüber nachgedacht und dann entschieden, dass ich das Buch nicht behalten will. Ich habe keine Lust auf so „auch der Nazi hat einen guten Kern“-Geschreibe – auch wenn ich natürlich in Berlin in einer besonderen Blase lebe. Es ist schwierig…

    • dreher sagt:

      Ja, verstehe ich, ging mir ähnlich, ich sagte ja “grenzwertig”. Ich habe damals viel über Juli Zeh nachgelesen, um zu verstehen, ob ich irgendetwas verpasst habe, und auf welcher Seite ich sie suchen muss.
      Aber wie gesagt, das Leben in einem Dorf mit einer Handvoll Einwohner funktioniert anders als in einer Großstadt.

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