Lavendel und Lost places

Das Internet ist extrem schwach, ich habe zwei Finger meiner rechten Hand in heißes Frittieröl getaucht und war danach nicht in der Lage, längere Texte zu tippen. Das Wenige, was ging, wurde in eine Übersetzung investiert – dieses “Ich habe ein Problem mit meinem neuen Teichfilter, es ist ein deutsches Produkt, kannst du mal eben die Installationsanleitung übersetzen? Es ist nicht viel” – es ist nie viel. Es sind immer nur fünf Seiten voller Fachbegriffe, die ich noch nie gehört habe und deren französische Entsprechung ich nur dank Übersetzungsprogrammen (danke künstliche Intelligenz!) im Internet finde. Toll ist auch immer, dass die “Hinweise” und “Achtung” nach der jeweiligen Anweisung kommen: “Sägen Sie das Zuleitungsrohr an geeigneter Stelle ab. Achtung! Vor dem Absägen darauf achten, dass Zulaufrohr und Schlauch (nicht im Lieferumfang enthalten) den gleichen Durchmesser haben”.

Anyway. Alles hängt immer mit allem zusammen, es ist erstaunlich. Ging es gestern in den Kommentaren des letzten Blogtextes auch um Ameisen und Nacktschnecken (die Enkelin, die gerade von einem Praktikum bei einem deutschen Gemüseanbauer zurück ist, erzählte gestern von der Nacktschneckenplage im Salat), so wird mir heute dieser Artikel in der ZEIT zugespielt: Die Weinbergschnecke schmeckt nach Wald.

Außerdem hat mich gestern eine Wespe in die Kniekehle gestochen, sie hatte sich wohl unter mein weites wehendes Kleid verirrt und als ich mich hinsetzte, habe ich sie eingeklemmt. Glücklicherweise kam gestern auch das kleine Ding, das aussieht wie ein USB-Stick, und Insektenstiche mittels Hitze so “bearbeitet” (also im Prinzip funktioniert es über Reizunterbrechung im Gehirn), dass der Juckreiz nachlässt. Es funktioniert zuverlässig bei klassischen Mückenstichen (sofort getestet) der Wespenstich erfordert etwas mehr Einsatz. Das Ding heißt “heat it”. Werbung unbeauftragt und unentgeltlich. Kennen Sie vielleicht auch schon. (Und es ist so winzig klein, dass es in diesem großen Haus auch schon wieder verloren gegangen ist. Herrjeh.)

Doch nun zu meinem persönlichen Glücksmoment in diesem Sommer. Ich hätte nie gedacht, dass ich noch einmal ein kleines Stück des GR 52 A gehen könnte. Eigentlich nur ein ganz kurzes Stück, aber der Weg führt meistens über Geröll oder Schotter und außerdem, wie im Gebirge so üblich, immer auf und ab. Eigentlich sind wir nur losgegangen, um rund um den alten Friedhof im Oberdorf Lavendel zu schneiden, der junge Mann, der mich begleitete, rannte aber ohne sich wirklich um den Lavendel zu kümmern, wie eine junge Gämse ohne Weg und Steg über den Berg, nur um mal kurz zu sehen, was hinter der Kuppe ist (Landschaft), und war verschwunden; wir hatten immerhin vereinbart, uns nach einer Stunde wieder an der gleichen Stelle zu treffen.

Ich genoss den Lavendel, der gerade in voller Blüte stand, ich war bislang noch nie zur richtigen Zeit dort gewesen, ich genoss das Summen der Bienen und Hummeln, die vielen Schmetterlinge, die Aussicht, die Stille, machte Fotos und irgendwann wurde es mir zu langweilig, und ich lief ein Stück den Wanderweg entlang, einfach so, ohne Ziel.

Doch dann traf ich Freunde (winzig klein in der Bildmitte), die mit ihren Enkelinnen ein Stück weiter oben bei den Ruinen des ehemaligen Bauernhofes übernachtet hatten, und sie erzählten mir, dass sie den Abstieg zur kleinen Kapelle zugänglich gemacht hatten. Ich wusste nicht einmal, dass das Häuschen, das ich schon oft fotografiert hatte, eine Kapelle war (als ich noch gut zu Fuß war, habe ich jedes Jahr die Ruinen des Hofes dokumentiert, der ursprünglich der Familie Monsieurs gehörte und der durch Erbstreitigkeiten verloren gegangen war). Das wurde also mein Ziel.

Wirklich nicht weit, vielleicht zwei Kilometer hin und zurück, aber durch unwegsames Gelände. Und es ging! Ich hatte Wanderstöcke dabei, aber natürlich auch den Korb voller Lavendel, den ich dann irgendwo am Wegesrand stehen ließ und auf dem Rückweg wieder mitnahm.

Und so ging ich also bis zur Ruine des Hofes und wagte den kurzen aber steilen Abstieg zur Kapelle, denn der Eingang liegt nicht oben am Weg, sondern unten. Wie schön war und ist sie geschmückt! Mit Lilien, genauer gesagt Lys Martagon, auf Deutsch Türkenbundlilie, die hier im Frühling oft blüht, wir haben auch eine vor der Tür. Ansonsten ist es natürlich eine Ruine, wie der ganze Hof, die weiter verfallen wird, spätestens wenn das morsche Dach eingestürzt ist.

Wenn man kaputte Knie hat, weiß man: Hoch geht’s noch irgendwie, aber zurück und runter nicht mehr. Und es ging doch! Nicht schnell, ich hatte auch den Blick auf den Boden gerichtet und nicht in die Ferne, aber es ging! Ganz, ganz stolz und glücklich und zufrieden!

Den Lavendel musste ich dann feucht einpacken, denn ich kam nicht dazu, ihn zu verarbeiten. Ständig ist Besuch da, angekündigt und unangekündigt, es wird geplaudert, gekocht, gegessen oder manchmal gehen wir auch essen (zum Glück). Aber heute Nachmittag, während Monsieur Tennis schaute (Djocovic-Alcaraz) machte ich mich daran, neue Lavendelfläschchen zu machen. Sie wurden ein bisschen unförmig, aber gut, Übung macht die Meisterin, weiß man ja.

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12 Responses to Lavendel und Lost places

  1. Ute sagt:

    So schön 😍
    Ich stelle mir vor, wie glücklich Du gewesen sein musst, ganz unverhofft so eine kleine Wanderung gemacht zu haben, und Dich ganz verwegen einfach getraut hast, auch mit “Knie” und wissend, dass Du ja wieder runter musst🌞🥰

  2. Croco sagt:

    Die Lavendelfläschchen hängt man in den Kleiderschrank? Wie hübsch die sind!
    Seit Wochen kaufe ich Lavendelpflänzchen, wo ich sie nur bekommen kann. Wir haben eine wilde Wiese gekauft, eigentlich ein Baugrundstück, um den Expansionswillen des einen Dorfteiles etwas einzugrenzen. Und ich will versuchen, nach all den wilden Blumen, da vielleicht ein Lavendelfeld zu etablieren. Einen Vorteil muss der Klimawandel doch haben.
    Um die Kapelle tut es mir so leid. Und um die schönen Lilien. Da hat jemand um Hof und Kirchlein gestritten undnun ist es sein Besitz und er sorgt sich nicht drum. Ein Jammer!

    • dreher sagt:

      Ja, oder man legt sie in eine Schublade oder ins Wäschefach … dankeschön :-)
      Ja, ein Jammer. Da haben, vor zwei Generationen allerdings schon, sieben Leute nichts teilen wollen, dann wurde es versteigert, es hat jemand ersteigert, der gar kein Geld hatte, das hat alles blockiert – in der Zwischenzeit haben Schäfer im Haus “gehaust” und aus Versehen ein Feuer gelegt und das große Haus ist abgebrannt. Peu à peu haben alle Leute aus der Gegend sich Sachen rausgeholt (Balken, Möbel, Türen). Monsieur hat immerhin das Altarbild aus der Kapelle geholt und restaurieren lassen. Es hängt jetzt in der Kirche. Der Hof etc. gehört heute irgendjemanden, der sich nicht dafür interessiert und da es quasi auf der Grenze zum Nationalpark Mercantour liegt, darf man nicht mehr bauen (es gilt die Regel, so lange noch ein Dach drauf ist, darf instandgesetzt werden, sonst ist es vorbei). C’est la vie.

    • dreher sagt:

      Croco, vielleicht magst du dir das Video anschauen, das ich im nächsten Kommentar verlinkt habe, möglicherweise hilft dir das beim Anbau deines zukünftigen Lavendelfelds.
      LG

  3. N. Aunyn sagt:

    Inzwischen gibt es auch in der Uckermark, einem Teil Brandenburgs, ein Lavendelfeld mit 16 000 Pflanzen und zehn unterschiedlichen Sorten, das einen großen Zulauf hat.

  4. Ursula Weber sagt:

    Gratulation liebe Christiane, dass du diese Wanderung geschafft hast 👏 und vielen Dank für die schönen Fotos.
    Schade um die hübsche Kapelle und das im Zerfall befindliche Haus. Eine traurige Geschichte 😪.
    Dir gute Besserung für die verbrannten Finger und den Wespenstich!
    Ich lese mit großer Freude
    deine interessanten Berichte – auch wenn ich nur noch wenig kommentiere.
    Alles Gute für Euch und liebe Grüße Uschi 🍀💕🍀
    PS
    Ich liebe auch Lavendel und habe sie im Balkonkasten und Säckchen im Kleiderschrank

    • dreher sagt:

      Danke dir liebe Uschi! Keine Sorge, ich erwarte nicht, dass du oder dass generell hier kommentiert wird, alles gut!
      Ich habe Lavendel lange nicht gemocht, erst seit kurzem habe ich mich mit dem Geruch angefreundet und habe Säckchen in der Wäsche! Mein Lavendel in Cannes aber ist eingegangen, aber ich werde einen neuen pflanzen, habe ich mir vorgenommen!
      Liebe Grüße und alles Gute auch für dich!