Transhumance

Die Schafe sind da! Als wir gestern auf dem Weg ins nächstgrößere Dorf waren, haben wir sie schon gesehen. Sie machten nach dem frühmorgendlichen Aufstieg vom Fluss Var (auf etwa 800 Metern), wo sie ein paar Tage gegrast hatten, eine Pause auf dem Plateau, wo der Lavendel wächst (auf etwa 1200 Metern).

Am Nachmittag ging es dann weiter bis auf 1700 Meter ins Oberdorf. Dort werden sie auch ein paar Tage die Wiesen abgrasen, bevor sie noch weiter nach oben „transhumieren”. Was bedeutet nochmal Transhumance?

Transhumanz oder Wanderweidewirtschaft ist (nach der deutschen und romanischen Literatur) eine vorwiegend für den Markt produzierende Form extensiver Fernweidewirtschaft unter der Obhut von halbsesshaften oder halbnomadischen Hirten mit einem klimabedingten saisonalen Wechsel der in verschiedenen Klimazonen oder Höhenstufen liegenden Weidegebiete, weil diese jeweils nur während einer Jahreszeit ausreichend Futter bieten.

Mehr dazu hier bei Wikipedia

Auf dem Rückweg halten wir kurz an, begrüßen die Schäfer, die sich ebenso ausruhten, plaudern ein bisschen über das Metier, das nicht mehr das ist, was es mal war, seufzt der Senior, nicht nur der Wolf, auch die französische Verwaltung und die neuseeländische Konkurrenz machen ihnen das Leben schwer. Die Herde ist klein dieses Jahr. Ob ich mal “Touristin” spielen dürfe, frage ich, und zeige auf mein Smartphone. “Klar”, stimmt der Senior zu, “nehmen sie sie auf, wer weiß wie lange es uns und die Schafe noch gibt.”

Ich mache trotzdem nur ein paar Fotos der Herde, von dort, wo ich stehe und nähere mich nicht, ich will die Wachhunde und die kleinen Hütehunde, die die Herde umkreisen, nicht beunruhigen. Zwei der Schäfer nehmen den Schafen während der Ruhepause das Geläut ab.

Nachmittags wollen wir ins Oberdorf fahren, wird es Probleme geben, wenn wir später wieder runter fahren und der Schafherde begegnen? Eigentlich wissen wir es, wir haben schon oft genug Schafherden getroffen, wir fragen aber trotzdem. Nein, der Schäfer schüttelt dann auch den Kopf. Wir müssten im Zweifelsfall kurz stehenbleiben, würden einen Moment von Schafen überflutet, aber dann ziehen die Schafe weiter hinauf und wir können ohne Probleme weiter nach unten fahren.

So wird es dann auch. Wir treffen die Schafe allerdings schon ziemlich weit unten, wo es Ausweichstellen gibt, so dass sie einfach an unserem Auto vorbeitraben, blöken, bimmeln und brummeln.

Es ist wirklich nur eine kleine Herde, in weniger als fünf Minuten sind sie an uns vorbei und bereits den Feldweg hinaufgetrottet.

Ich veröffentliche hier noch einmal ein Filmchen, das ich schon vor ein paar Jahren gemacht habe, das die Schafe beim Aufstieg zum Plateau zeigt und wo man das Blöken der Schafe, das Glockengeläut und die Rufe der Schäfer hören kann. Das muss man sich bei den Fotos immer dazudenken.

Einmal bin ich einen Teil des Weges bei einer Transhumance mitgelaufen, das war im Juni 2009. Ich habe damals nicht davon berichtet, aber das Erlebte ist später in einen Kriminalroman miteingeflossen.

(c) Jean-Pierre Champoussin

Damals habe ich versucht, ein kleines Lamm, das von seiner Mutter nicht angenommen wurde, und am Straßenrand zurückblieb, zu retten, in dem ich es zur alten Schäferin Maria gebracht habe. Darüber habe ich hier schon einmal geschrieben. Es ist ein, wie ich finde, sehr berührender Text, den ich zum Tod der beiden Schäferinnen, Maria und ihrer Tochter Rosette, verfasst habe.

(c) Geneviève Sozzani

Sie merken schon, es wird ein erinnerungslastiger Sommer!

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16 Responses to Transhumance

  1. Trulla sagt:

    Traumlandschaft mit Schafen, ganz wunderbar von Ihnen eingefangen.

    Und was für ein zauberhaftes junges Mädchen Sie gewesen sind, ich bin ganz entzückt!

    • dreher sagt:

      Oh danke, liebe Trulla! Über das “junge Mädchen” muss ich kichern, ich war da schon etwas über Mitte 40, aber ich finde tatsächlich auch, dass ich jung aussah :-)

      • Marion sagt:

        Du siehst auch immer noch viel jünger aus 😊. Eine schöne Haut macht viel aus – und die Ausstrahlung natürlich! Schwelge noch schön in deinen Erinnerungen!

        • dreher sagt:

          Danke dir 😊🙏😘

          (unter uns : die Ménopause hat ihre Spuren hinterlassen 😅😳🥴)

  2. sunni sagt:

    Jung und voller Lebenslust und Vorfreude auf das Leben- so sehen Sie auf den Bildern aus. Und ja, mit vielen Einschränkungen, wie überall, trifft es das doch, wenn Sie heute die Schafherden noch treffen, ins Dorf fahren, ins Weite blicken oder über das Meer…Alles Liebe! Sunni

  3. Wendy sagt:

    Hier gibt es auch noch (allerdings im flachen Land) Wanderschäfer – sie werden bezuschußt, weil es auch ein Nachhaltigkeitsprojekt ist. Die Entstehung der Flussschotterheiden steht im engen Zusammenhang mit der Schafbeweidung als traditioneller Bewirtschaftungsform. Die Beweidung unterscheidet sich von einer Pflegemahd durch das selektive Fraßverhalten, durch die Trittwirkung und den Artenaustausch durch die Schafe. Die Auswahl der Schäfer erfolgte auf Empfehlung des Schäfereifachberaters am Landwirtschaftsamt. 1998 gelang die Renaissance der Wanderschäferei. Um die Schäfer bei der Vermarktung der produkte zu unterstützen, wurde extra eine Marke gegründet und Kontakte zu Metzgern etc. geknüpft. Außerdem Öffentlichkeitsarbeit, Infoblätter und Führungen. Das ist jetzt seit 28 Jahren eine Erfolgsgeschichte.

  4. Wendy sagt:

    Was ich damit sagen wollte: Auf diese Art kann ein wichtiges – aber vielleicht wirtschaftlich unrentables – traditionelles Geschehen weiterleben. Es muß erkannt werden, daß über den reinen Ertrag hinaus wichtiger ökologischer Sinn in diesem Gewerbe steckt.

    • dreher sagt:

      Vielen Dank! Gute Initiative!

      Ich fürchte, die derzeitige Politik hierzulande unterstützt die Schäferei nur vordergründig; um mit einem passenden Zitat zu antworten: es ist ein weites Feld …

  5. Ursula Weber sagt:

    Vielen Dank für die schönen Fotos und den interessanten Bericht. Herzliche Grüße 🍀💕

  6. Pingback: 25-07-10 Some users may experience a loss of freshness (Berlin-> Dithmarschen) – iberty.de

  7. Croco sagt:

    Das sind so schöne Fotos. Ich mag Schafe sehr.