Donner-Wetter

Was hier mit dem Sommer einhergeht sind die Sommergewitter. Spätestens ab dem 15. August kann man fast täglich mit einem Gewitter rechnen, in der Regel nachmittags. Wenn die Blumenkohlwölkchen, die zunächst vereinzelt über den Bergkuppen auftauchen mehr und mehr werden und sich letztlich zusammenschließen, sollte man zusehen, dass man von seiner Wanderung schleunigst heimkommt…

oder wenigstens einen Unterschlupf findet. Und da bleibt man dann tunlichst, bis das Gewitter wirklich vorbei ist. Keinesfalls sollte man während es noch kracht und blitzt über eine große ebene Fläche laufen, die Gefahr, dass der Blitz einen als Ziel auswählt, ist nicht gering: vom Blitz getroffene tote Schafe und Kühe und selbst einen toten Schäfer hat die jüngste Geschichte hier aufzuweisen. Aber auch wenn man im Trockenen zu Hause sitzt, sind die Gewitter nicht zu unterschätzen. Manchmal blitzt, donnert und regnet es wie aus Kübeln und ist nach zwanzig Minuten vorbei, manchmal steht das Gewitter zwei Stunden lang über dem Dorf und man denkt, die Welt geht unter. Es ist am helllichten Tag dunkel, die Donner krachen, als würden sie Bäume spalten, die Blitze zucken gespenstisch und es regnet sintflutartig. So geschehen letzten Freitag. Da kann man dann mitten am Tag zwei Stunden lang gar nichts machen, außer dem Gewitter zusehen, vielleicht bei flackerndem Kerzenschein Zeitung lesen oder ein Buch, oder man flüchtet sich zu den Nachbarn und spielt ebenfalls bei Kerzenschein Karten. Oder man versucht ein Schläfchen. Vorausgesetzt man hat keine Angst, denn Blitz und Donner sind hier oben bedrohlich nah und laut. Es empfiehlt sich tunlichst nichts zu tun, was mit Elektrizität zu tun hat, also nicht zu bügeln, zu telefonieren, staubzusaugen oder fernzusehen, der Fernsehempfang ist bei schlechtem Wetter sowieso dahin, alle Stecker sollte man vorsichtshalber aus den Steckdosen gezogen haben, insbesondere die von Fernseher, Computer und Internet, denn hier schlägt gern mal der Blitz ein. Ich weiß nicht warum, aber die Erfindung des Blitzableiters hat sich hier noch nicht herumgesprochen. Sie sind schlicht nicht vorhanden.

Hier ist man besser auch gleich mit Taschenlampe und Kerzen ausgestattet, denn dass zeitgleich der Strom ausfällt, ist fast an der Tagesordnung. Für wie lange ist dann ungewiss.

Gut ist, wenn man einen Gasherd hat, dann kann man sich wenigstens einen Tee kochen, wenn man klitschnass geworden ist. Hier wird in der Regel mit Gas gekocht und man hat ähnlich wie beim Camping immer eine riesige Gasflasche neben dem Herd stehen. Wir haben so einmal ein aus der Not geborenes romantisches Kerzendinner für durchweichte Gäste improvisiert, bei Kerzenlicht gekocht und serviert, und die Gäste waren dann ganz enttäuscht, als der Strom plötzlich wieder da war.

Dass man bei diesen Gewittern zu Hause bleibt und nicht mehr rausgeht, ist klar, ich bin sogar sehr ängstlich und zucke jedes Mal zusammen, wenn die Donner krachen. Aber hier schreien die kleinen Mädchen schon hysterisch und vorwurfsvoll il pleut, Christjann!(sprich „il plöh“, also, es regnet), wenn drei Tropfen Regen fallen und ich nicht sofort Schutz suche. Ich habe hier hingegen die Achtung meiner männlichen Arbeitskollegen, weil ich bei leichtem Regen nicht panisch alles fallen lasse, sondern unter Umständen noch ein Stück Wiese zu Ende mähe. Fünf Jahre Köln haben mich doch gut abgehärtet. Bei leichtem Regen versteht sich, bei Gewitter riskiere ich selbstverständlich auch nichts. Der Südfranzose aber meidet das geringste Wasser von oben, il pleut, il pleut. Da kann man dann auch nicht mehr arbeiten. Überhaupt sind sie ein bisschen zimperlich die Südfranzosen. Aus deutscher Sicht natürlich nur. Aber wenn man Urlaube an der Nordsee verbracht hat und sich dort tapfer in Strandkörbe oder Strandmuscheln geschmiegt hat, um sich vor kaltem Wind zu schützen und um dennoch immer mit leichter Gänsehaut Meer und Sonne und das Draußensein zu genießen, dann kann man diese Empfindlichkeit bei einem leichten Lüftchen nicht nachvollziehen. Aber alles ist relativ, hier ist das Klima mediterran und die Temperaturbe- und empfindlichkeit der Menschen eine andere. Auf dem Hof gab es ein aufblasbares Schwimmbecken, für die Kinder überhaupt DAS Sommervergnügen, aber wie kurz ist hier die Saison! Der halbe Juli und der halbe August, davor ist es nach landläufiger Meinung noch nicht warm genug und danach ist es schon wieder viel zu kühl, um sich in dem ohnehin lauwarmen Wasser zu tummeln. Wenn das der Maßstab für Deutschland wäre, hätte ich vermutlich nie schwimmen gelernt.

Ich habe, als wir noch die Auberge hatten, sobald und solange es ging, die Tische draußen gedeckt. Meiner Ansicht nach war gutes Wetter. Aber wie oft musste ich mich korrigieren lassen, entweder von Patrick, der beim geringsten Lüftchen oder Wölkchen nur noch drin essen konnte oder gleich von den hitzeverwöhnten Cote d’Azur-Touristen, die zwar in die Berge gefahren sind, um es ein bisschen kühler zu haben als an der Küste, aber so kalt wollten sie es dann doch nicht haben, und die mit gequältem Gesicht und in Wolljacken gewickelt darum baten, drinnen frühstücken zu dürfen, es sei doch ein bisschen frisch und man wolle sich doch nicht gleich erkälten.

Ich merke aber, dass ich mich zumindest was die Sonnenfrage angeht, doch schon südfranzösisch akklimatisiert habe. Ich meide sie nämlich meistens und suche vielmehr den Schatten. Und braun werden ist auch nicht mehr das Wichtigste. Während die deutschen Gäste in der Regel sonnenhungrig den Schatten meiden und ihren Kaffee auf der Terrasse ganz bestimmt nicht unter dem Sonnenschirm trinken. Aber ich kann die Sonne ja auch locker meiden, ist sie doch in der Regel jeden Tag da. Das hat mich vor allem am Anfang ungläubig staunen lassen, aber selbst heute zwinkere ich beim Aufwachen nach einer Regennacht manchmal vorsichtig mit den Augen, um zu sehen, wie das Wetter ist, und da kann es abends oder nachts so viel gewittern wie es will, morgens ist in der Regel blauer Himmel und Sonnenschein. In Köln hatte ich immer den Eindruck, ich muss die Sonne mitnehmen solange sie da ist, wenn es erst mal angefangen hat zu regnen, weiß man nicht, ob sie sobald wiederkommt. Und dann ist es vielleicht schon Herbst geworden…

Hier in den Bergen im Süden Frankreichs ist es trotz allen Gewitterregens immer noch Sommer, aber die Abende sind schon sehr kurz geworden. Gegen Ende August ist es um 21 Uhr schon finstere Nacht. Was die mehr oder weniger pubertären Kinder nicht hindert bis Mitternacht draußen rumzurennen, sich unter meinem Balkon Tischfußballschlachten zu liefern und dabei wie am Spieß zu schreien. Wenn ich etwas sage, heißt es nur c’est des vacances, quand meme!. Während der Ferien darf man alles. Mich nervt das ziemlich, auch wenn ich mir mit meiner Ruhebedürftigkeit gleichzeitig entsetzlich alt vorkomme. Ich sehne la rentrée, das Ferienende und die Abreise aller Urlauber herbei, selbst wenn es bedeutet, dass der Sommer sich dann dem Ende zuneigt.

 

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Kommentare sind geschlossen.