So, da ist er wieder, der ursprüngliche Text, nachdem ich ihn zwischenzeitlich aus Versehen gelöscht hatte – das Internet vergisst nix! Ich wollte ja gern noch ein bisschen differenzierter über den Film sprechen, lasse ich jetzt erstmal.
Da steige ich sie nun hoch die legendären Stufen, auf dem freilich schon etwas abgenutzten roten Teppich, und bin die Einzige, die keinen Fotoapparat dabei hat, weil auf der Eintrittskarte steht, man dürfe so etwas nicht dabei haben…
Pffft… und alle fotografieren… zumindest draussen. Nun ja, es muss also heute ohne dokumentarische Fotos gehen, ich erzähle Ihnen, welchen Film ich gesehen habe, dann müssen Sie mir einfach glauben, dass ich drin war, n’est-ce pas?
Footnote, ein israelischer Film von Joseph CEDAR, den Originaltitel schenke ich mir, Puristen mögen mir das verzeihen, ebenso das vielleicht unqualifizierte Urteil, ich bin ja nun hauptamtlich keine professionnelle Filmkritikerin. Es geht im Kern um einen Vater-Sohn-Konflikt, beide Uniprofessoren. Alles spitzt sich auf die Frage zu: Wird der Vater den ihm zu Unrecht zugesprochenen Israelischen Nationalpreis anerkennen, der eigentlich seinem Sohn galt? Ende offen. Das Thema fand ich spannend. Der Film wurde als Komödie angekündigt, da kann ich nur lachen!
Die Musik manchmal zu bombastisch und am Anfang hat man ein bisschen mit der Technik gespielt, was amüsante Effekte verursachte (Protagonist geht von einem Bild ins nächste etc.), dann aber wurde der Film ganz konventionell zu Ende gedreht, allerdings springt er schnell von einem zum anderen. Wenn mir bei einem Film Musik oder Technik auffallen, heisst es, dass er mich nicht völlig in seinen Bann gezogen hat. Ich fand Film und Thematik dennoch interessant und es gab durchaus starke Momente. Ich glaube aber nicht, dass dieser Film doll von sich reden machen wird (zumindest nicht ausserhalb Israels, wo er wegen der Kritik an Traditionen und am Sicherheitssystem sicherlich einschlägt: ein Sicherheitssystem, das zur Bedrohung wird. Zumindest Holocaust-Überlebende erinnert es in seiner rigiden Kontrolle an andere Zeiten. Zumal die Sicherheitskräfte deutsche Schäferhunde dabei haben.).
Von sich reden machen tut hingegen Polisse von Maîwenn (doch, die Dame heisst nur so), der quasi dokumentarisch die Arbeit einer Polizeibrigade zeigt, die bei Kindesmisshandlungen eingreift. Der Film hat hier eingeschlagen wie ein Schock. Und kriegt vermutlich einen Preis, weil keiner aushält, dass Grausamkeiten an Kindern an der Tagesordnung sind, dass man es offen zeigt, und dass es dennoch im real live keinerlei Konsequenzen haben wird. Also, wenigstens ein Pälmchen, dann haben wir unser Gewissen beruhigt. Mit einer Palme am Revers wird der Film beim offiziellen Filmstart im Oktober (!) dann vielleicht mehr beachtet, auch wenn bis Mitte Oktober der Glamour von Cannes schon wieder so weit weg ist. Hoffen wir das mal.
Dann gefällt auch Habemus papam von Nanni Moretti mit Michel Piccoli in der Rolle des Papstes, der lieber Schauspieler geworden wäre.
Im Prinzip muss man sehr viel Zeit haben, um einen Film zu sehen. Da die Plätze nicht nummeriert sind, steht man entweder sehr früh an, und entsprechend lang, um sofort beim Reinkommen gute Plätze zu haben, oder man steht ewig Schlange, weil diese sich schon mehrfach ums Palais wickelt. Bis alle drin sind, dauert es Stunden und bis alle raus sind auch. Während man ansteht, versuchen Menschen die “unübertragbaren” Karten gegen andere zu tauschen. Manche wollen eben lieber Pirates des Caraïbes Teil 4 mit Johnny Depp sehen als ein Sozialdrama, und die als Geschenk zugeteilten Karten nehmen darauf keine Rücksicht.
Ich war also hinter der Absperrung und hatte, merde, keinen Foto dabei, um die tausend Leitern der Fotografen zu fotografieren, die sich für Johnny Depp oder wen auch immer positioniert hatten.
Dann gab es gleichzeitig eine Manifestation, eine Demo, mit Trommeln und Pfeifen und afrikanischer Musik von den Menschen, die sans papiers hier leben, und so bezeichnet werden, und die für rechtliche Anerkennung und Papiere auf die Strasse gingen. Sie haben natürlich maximale Aufmerksamkeit, wenn sie während des Festivals demonstrieren. Sie durften aber auch nicht ganz nah ran ans Palais. Da stand sowieso ganz viel ganz autoritäre Police Nationale und schickte gandenlos und unsanft Menschen weg, die da nicht hin sollten.