Kühles Leinen

Heute kamen endlich meine in Deutschland bestellten Sommerklamotten an. Nach nur 24 Tagen, gefühlten Ewigkeiten und dreimaligem Nachhaken. Ich dachte, ich erleb’s nicht mehr. Eigentlich war bis auf eine Bluse alles lieferbar, aber mit Auslandsversand haben sie es dort wohl nicht so…

Ich dachte, ich bestelle in Deutschland, das geht zackzack, aber nein, nichts tut sich. Ich schicke mails hin und her, irgendwann antwortet man nicht mehr. Als ich nach zwei stillen Wochen nachfrage, fällt auf, dass meine Kreditkartendaten nicht richtig übertragen worden sind; das erledige ich mit einem Anruf in der Buchhaltung, frage, ob sie denn jetzt bitte alles rausschicken könnten, so dass ich es vielleicht noch am Wochenende bekomme. Es ist Mittwoch, die Dame in der Buchhaltung sagt, ich gebs in den Versand, vielleicht geht es Freitag noch raus. Sie lacht glockenhell und gut gelaunt, als ich frage, ob es nicht vielleicht am gleichen Tag noch rausgehen könne. Was für ulkige Ideen manche Kunden aber auch haben. Das Paket ging weder mittwochs noch freitags raus, auch nicht montags drauf, nein erst am folgenden Mittwoch, am 25. Mai nämlich, und kam dann heute schon an. Am Donnerstag hatte ich nochmal im Versand angerufen, denn Sie müssen nicht glauben, dass man mich über irgendwas mit einer mail in Kenntnis setzte, und die Dame dort war auch ganz gut gelaunt und so freudig, weil das Paket seit gestern schon unterwegs zu mir ist. Sie wünschte mir einen wunderschönen Tag und ganz viel Freude mit den Klamotten. Ich bringe es nicht fertig, zu maulen, wenn ein deutsches Versandhaus komplett so relaxed arbeitet und gut gelaunt ist. Tolles Arbeitsklima. Freut mich, echt. In Frankreich etwas zu bestellen, dauert etwa genauso lang, nur ist der Service nicht so gut gelaunt.

In der Zwischenzeit herrschen hier leider völlig veränderte klimatische Bedingungen als noch am 4. Mai, an dem ich hoffnungsfroh meine Internetbestellung aufgab. Ich sage nur “kühles Leinen”. Das ist eine Lieblingsbezeichnung in deutschen Kleidungskatalogen. Ich weiss nicht, wo in der Welt Leinen kühl ist. In Travemünde, Flensburg oder Kiel vielleicht, wenn es im Sommer windig und kühl ist, dann ist Leinen wohl auch kühl. Hier in Cannes bei um die 30°C ist Leinen klebrig und warm. Alles ist hier klebrig und warm, und ich weiss nicht, was ich anziehen oder nicht anziehen soll. Die südfranzösischen Frauen scheinen einen inneren Ventilator zu besitzen, denn sie sehen trotzdem immer wie aus dem Ei gepellt aus, nur ich bin rotgesichtig, verschwitzt und verkrumpelt in meinen feuchtwarmen Leinenklamotten.

Alles, was ich in Deutschland bestellt habe ist Nummern zu gross. In meinem “kühlen Leinenkleid”, in dem ich mich seit Wochen virtuell zum Strand laufen sah, sehe ich aus wie ein schwangere Elefantenkuh. Die Hosen rutschen ohne Gürtel über meine ausladenden Hüften. Ich habe meine Klamotten entnervt in Deutschland bestellt, weil ich keine Lust mehr hatte, mich in französischen Umkleidekabinen frustrieren zu lassen, weil ich in dieses verdammte französische 44 oder 46 oder XL nicht passe, aber deutsches XL und selbst manches in L ist mir viel zu gross. Ich merke, dass mein Körperselbstbild in Frankreich leidet. Wäre ich von lauter deutschen L’s umgeben, fühlte ich mich ganz normal. Nur neben all diesen zierlichen  Kleidergrösse-36/38-Französinnen fühle ich mich immer so gross und grobschlächtig. Ausserdem ist der lässige skandinavisch angehauchte Schick, insbesondere kombiniert mit flachem Schuhwerk, in den Augen meiner französischen Umgebung zum Augenbrauen hochziehen. Hier ist ja alles so körperbetont, glitzernd und blinkend. Hier hat man die Auswahl zwischen Gold, Pink oder Weiss mit Glitzer oder Strass. Weites, kühles understatiges Leinen dagegen sieht hier aus wie arme Kirchenmaus oder in unserem Fall schlabberiges altes Zirkuszelt.

Geht gar nicht. Wirklich, ich muss meine eigene Modelinie entwerfen, das machen ja alle verhinderten Popsängerinnen irgendwann, wie die kleine Schwester von Caroline aus Monaco, dem benachbarten Fürstentum, la principauté, wie das hier ganz stolz heisst, sie entwerfen ihre eigene Bademodenkollektion, die dann aussieht wie jede andere auch. Aber auch da hätte ich noch ganz andere Ideen. Warum fragt mich eigentlich keiner? Lange Rede, so gehts nicht weiter, ich brauche eine Schneiderin, am besten vor Ort, die mir kühles Leinen ohne Glitzer auf den Leib schneidert :) Angebote bitte an diesen Blog.

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