Noch ein paar Minuten lang ist der 8. Mai, natürlich ein Gedenktag in Frankreich, und es werden nicht nur frankreichweit feierlich Blumengestecke an Kriegerdenkmälern niedergelegt, sondern an allen Straßen oder Plätzen, die Helden des Zweiten Weltkriegs gewidmet sind, werden an den Straßenschildern ebenfalls Blumengestecke angebracht. Hier vermute ich nur, dass das frankreichweit so gehandhabt wird. In meiner näheren Umgebung gibt es allein zwei Straßen, die so geschmückt sind und spontan beschloss ich heute Nachmittag weitere Straßen zu entdecken, die Helden gewidmet sind. …
Leider kann man sie nicht zielgerichtet suchen, Monsieur wusste auf Anhieb nur von einer weiteren Straße, die mir aber zu weit weg lag, also lief ich einfach los und ließ mich treiben.
Die Rue Marius Monti habe ich ja schon einmal dokumentiert, deshalb kommt hier nur das Foto mit dem Blumengesteck. Dass die Rue Henri Paschke einem Héros de la Resistance gewidmet ist, habe ich entdeckt, weil hier mein Krankengymnast seine Praxis hat. Ich habe auf die Schnelle nur herausgefunden, dass Henri Paschke sich als sehr junger Mann mit kommunistischer Gesinnung Anfang der Vierziger Jahre in der Vaucluse dem Widerstand anschloss und untertauchte, weil er nicht zum Arbeitsdienst nach Deutschland gehen wollte. Héros wurde er vermutlich, weil er dabei ums Leben kam.
Die Rue Henri Paschke ist eine reine und unscheinbare Wohnstraße, alte recht schlichte Häuser und moderne recht große Appartementanlagen stehen nachbarschaftlich nebeneinander. Sie ist kurz und stellt eine Verbindungsstraße von der unteren zur oberen Avenue de Grasse dar, die sich in weiten Kurven bergauf schlängelt. Das müssen Sie jetzt ohne weitere Orientierungshilfe so hinnehmen, mein Stadtplan ist mir abhanden gekommen, und muss erst durch einen neuen ersetzt werden. Kaum eine Straße in Cannes ist gerade, alle kurven irgendwie herum, auch diese macht einen fast 90° Winkel und man hat überraschend das, was hier “aperçu mer” heißt und die Wohnungen auf dem Immobilienmarkt teurer werden lässt: einen Hauch von Meerblick.
Ich lief ein paar andere unheldenhafte Straßen entlang, über die berichte ich aber ein andermal, eine klitzekleine Heldenstraße entdeckte ich dabei zufällig, sie ist grandios in ihrer Schlichtheit: etwa zehn Meter lang, es gibt nur zwei Hausnummern. Und dann heißt sie kumpelhaft Rue Marius Isaia, dit Tony, also Marius Isaia, genannt Tony. Ich hätte ja gern jemanden getroffen, der gesagt hätte, “ach ja, der Tony, das war einer” aber nein, natürlich nicht, da hätte ich schon beim offiziellen Blumengesteckaufhängen dabei sein müssen. Warum manch einer der Helden eine lange Straße und der gute Tony nur dieses dunkle Gässchen zum Gedenken bekommen hat, ließ mich wüste Spekulationen über sein Heldentum anstellen … aber weit kam ich nicht damit, dann bin ich nämlich ganz dämlich gefallen, schon wieder satt aufs linke Knie. Damit endete abrupt die Heldensuche. Freundlicherweise kümmerten sich zwei Kellnerinnen eines benachbarten Restaurants sehr lieb um mich und sie riefen auch Monsieur an, der mich dann mit Krücken bewaffnet abholte. So haben Sie ganz nebenbei erfahren, dass ich immer noch kein Handy habe. Es fehlt mir nicht, höchstens die Funktion, Fotos schnell auf FB zu posten, aber deshalb werde ich mir kein teures Handy zulegen. Und ich kann jetzt bestätigen, dass es auch in Notsituationen ohne Handy irgendwie geht. Ging ja früher auch …
Hihi, in der Arbeit hat ein russischer Kollege ganz einsam den Gedenktag gefeiert: immerhin mit schwarz-goldenem (gelben?) Ansteckbändchen am Revers, und zwar am 9. Mai, er hat extra an die Pralinenschachtel, die er dazu netterweise in die Bibliothek gestellt hat, einen Zettel angeheftet und mitgeteilt, dass dies in Russland einen Tag später gefeiert wird als in Frankreich, jawoll! Macht nix, die Pralinen haben trotzdem geschmeckt…
Karin aus Genf