Cannes zu Fuß – Le Suquet

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Ein Spaziergang in Cannes, hurrah! Er hat eigentlich schon vor Wochen stattgefunden, ich hatte dann nur keine Zeit, ihn auch zu veröffentlichen. Sie sehen auf den Fotos strahlend blauen Himmel, dabei ist es heute dunkelgrau und es schüttet schon den ganzen Tag wie aus Kübeln. Diese Wassermassen, die hier stundenlang vom Himmel fallen können, sind wirklich ungewöhnlich …

… und alle, die glauben, es sei doch so lieblich an der Côte d’Azur und regnen würde es hier so gut wie nie, stehen dann erschüttert und nur mit einem schwächelnden Regenschirmknirps bewaffnet vor dieser Regenwand. Wir haben neulich bei einem über uns hereinbrechenden Gewitter Schutz in einem kleinen Bistrot gesucht. Irgendwann fragten wir uns, investieren wir in einen dritten Kaffee und ein drittes Glas Rosé oder gleich in ein Abendessen oder handeln wir dem afrikanischen Regenschirmverkäufer einen Schirm ab? Es wurde der Schirm: er ist schön groß, passt für zwei und ist tatsächlich windstabil und brachte zumindest unsere Oberkörper trocken nach Hause, aber Schuhe und Füße und Hosen waren nass, weil das Wasser so schnell gar nirgends abfließen kann und eine Art südfranzösisches Aqua alta bildet: Wasser steht vorübergehend zentimeterhoch auf Bürgersteigen und Straßen. Es gluckert und gluckst und es spritzt und quatscht beim Gehen, die Hosen saugen sich voll und vorbeifahrende Autos tun ein übriges, um einen mit gischtig spritzendem Wasser aufzuweichen. Damals habe ich mich aber dennoch nicht erkältet, aber gestern, einfach so, kam es wie angeflogen das Halsweh, um heute Nacht zu einer hübschen Mandelentzündung zu werden. Seit etwa zwei Stunden läuft auch meine Nase. Ich kann kaum sprechen, schlucken tut weh, die Nase ist schon wund. Ich trinke Tee mit Honig und Zitrone, Monsieur bringt mir Aspirin, Zäpfchen und Lutschtabletten. Ich dämmere vor mich hin, die Katze darf ausnahmsweise im Bett zu meinen Füßen liegen. Wenn ich krank bin, bin ich schwach und inkonsequent. Gerade habe ich aber, dem Zäpfchen sei Dank, ein waches Stündchen, und versuche aus dem Gedächntnis meinen Altstadtspaziergang nachzuempfinden.

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Neulich waren deutsche Freunde hier, sie hatten eine Pauschalreise gebucht mit einem Kurzaufenthalt in Cannes. Ihre Reiseleiterin hatte ihnen kurz und knackig verkündet: In Cannes ist nichts. Also zumindest nichts von Interesse, was angesehen werden muss. Als ich das hörte, war ich auf einen Schlag total erleichtert, weil ich ja immer leicht verzweifelt denke, ich müsse für Besucher doch irgendetwas Besonderes finden, aber nein, muss ich nicht, es gibt einfach nichts. Cannes ist Shopping. Sonst nix. Der Reisebus fuhr einmal die Croisette entlang. Rechts das Carlton, links das Meer. Ein paar Luxusboutiquen, basta. Das einzige, was die Reiseleiterin anbot, war ein kleiner Spaziergang durch den Suquet, treppauf und -ab über den kleinen Altstadthügel. Dort oben steht eine Kirche und ein Museum und es gibt eine Aussichtsterrasse, von wo man aufs Meer, die Stadt und die Inseln sehen kann. In der Regel geht man auch da immer die gleichen Wege, und in einer Viertelstunde ist auch das abgehakt. Wir sind mit den Freunden jedoch essen gegangen, wie man das hier so macht, aber ich bin Ende Oktober dann wirklich alle Sträßchen und Treppchen des Suquet abgelaufen. Wenn wir sonst schon nix haben … dann jetzt mal Suquet satt!

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Le Suquet ist dann auch von Touristen übervölkert, selbst in der Nachsaison und sogar das Touristenzüglein quetscht sich durch die engen steilen Gassen. Dabei ist es einfach eine kleine verwinkelte Altstadt wie es sie überall gibt. Aber ich hatte erstmals keine Hemmungen zu fotografieren. Und wagte mich überall hin und hinein und naja, ich habe vielleicht einen Faible für das Einfache und Arme, das kleine Cannoiser Leben, das es ja auch gibt – aber das kennen Sie ja schon.

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Auf halbem Weg nach oben war die Tür zur Association des Beaux-Arts, ein Kunstverein, weit geöffnet und ich wagte mich hinein. Immerhin male ich auch, getöpfert habe ich auch schon, vielleicht könnte ich hier mal einen Kurs machen? Vielleicht gibt es eine Ausstellung? Es war Mittwoch, der Tag der Woche, der bis vor kurzem noch schulfrei war, und der Tag der Woche, in der oft selbst berufstätige Mütter nicht arbeiten, sondern ihre Kinder zu irgendwelchen Freizeitaktivitäten begleiten. Bei uns im Haus ist das konstant Aikido für den Jungen, das Mädchen war letztes Jahr zum Modern Dance eingeschrieben und dieses Jahr lernt sie, man höre und staune, Synchronschwimmen! Im Hof des Kunstvereins sitzen Mütter und Kinder und warten auf den Beginn eines Kunstkurses. In einer Ecke ist ein Atelier, in dem ich einen älteren Mann werkeln sehe. Ich klopfe und öffne die Tür. Er fällt mir fast um den Hals, so sehr freut er sich über einen Gesprächspartner, denn von den anderen Künstlern, die in diesem Atelier tätig sind, ist keiner gekommen. Er heißt Jean oder Henri, leider weiß ich es schon nicht mehr, und er erklärt mir alles, zeigt mir stolz seine und der anderen Kunst: er macht Steinskulpturen. So sehr er sich freut und mich kaum mehr gehen lassen will, so wenig freundlich werde ich von der Dame des Kunstvereins empfangen. Sie sieht in mir nur eine Touristin, die dreist und fotografierend in ihr Refugium eingetreten ist, da kann ich erzählen, was ich will. Hier wird ernsthaft gearbeitet und ich störe. Eins ist sicher, hier werde ich keinen Kunstkurs belegen.

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Ich ging also weiter bis nach oben zur Aussichtsterrasse. Ich war in der Kirche, Notre-Dame de l’Esperance und sogar im angrenzenden Musée de la Castre. Aber vom Museum erzähle ich Ihnen ein anderes Mal.

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Der Kran, der die Aussicht verschandelt, ist übrigens gerade Zankapfel zwischen der Mairie und dem Bauunternehmer, der zwischenzeitlich bankrott gemacht hat und ihn nun, da er ihm nicht mehr gehört, nicht abbaut. Seit zwei Jahren steht er jetzt schon da. Die Mairie will ihn natürlich auch nicht auf eigene Kosten abbauen, aber er stört den idyllischen Blick auf den Suquet und von dort oben aufs Meer und soll weg. Ich bin auf meinen Wegen durch den Suquet auch an der Baustelle vorbeigekommen, wo er aufgestellt ist. Das Tor zu einer edlen Wohnanlage, bislang noch im Rohbau, war offen und ich machte ohne zu überlegen ein Foto des Krans. Sofort fielen sämtliche Bauabeiter über mich her. Sie verdächtigten mich für die Mairie zu spionieren oder eine Journalistin zu sein, die für Nice Matin recherchiert. “Wir haben damit nichts zu tun!” beteuern sie. “Wir sind nur arme Bauarbeiter und machen unseren Job.” Ich beteuerte ebenfalls meine Unschuld und versicherte ihnen, dass ich das Foto nicht veröffentlichen werde. Nirgends. ;)

 

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3 Responses to Cannes zu Fuß – Le Suquet

  1. Karin sagt:

    Dann kann ich mir also einen weiteren Besuch ersparen? ;) Ich war mit Freunden schon mal kurz dort, Croisette rauf und runter, das Filmfestival von aussen anschauen, das war’s. Und dachte immer, ich hätte was versäumt! Die Bilder sind wunderschön, gerade die alten Türen finde ich wunderbar! Aber nun, da du dir die Füsse an meiner Statt plattgelaufen hast (;)), kann ich auf den Ausflug nach Cannes verzichten, pas vrai?
    Liebe Grüsse aus Genf, hier giesst’s noch nicht, aber grau in grau ist auch nicht gerade erbauend!
    Karin

    • dreher sagt:

      Ich will ja nicht immer so meckrig sein – ich versuche ja Cannes irgendwie zu mögen, gerade indem ich diese Ecken aufsuche, und deswegen falle ich bei jedem baufälligen Haus, jeder Katze und bei jeder alten Tür in Extase, endlich Normalität! Aber nee, Cannes muss man nicht sehen (und wenn du schon einmal hier warst, reicht das) genausowenig wie Monaco, aber das glaubt einem ja immer keiner. Liebe Grüße aus dem erneuten Regen …

      • Karin sagt:

        Ich glaube mir geht’s mit Genf ähnlich. Ich versuch’s immer wieder, aber eine langfristige Liebe, was sag’ ich, nicht mal Liebelei, wird das nicht mehr. Dabei hat Genf auch ein paar schöne Ecken. Und ich freu’ mich auch immer, wenn ich mal was Schönes an Genf finde, aber das leidige “bmol” kommt immer sehr schnell hinterher. Genf und ich – das wird nix mehr. :(
        Heute morgen haben sie im Fernsehen Bilder aus dem östlichen Südfrankreich gezeigt – landunter!!! Ich hoffe Du bist noch nicht mit dem Schlauchboot unterwegs!
        Mit trockenen Füssen, äh, lieben Grüssen
        Karin