Cannes zu Fuß – Rue du 11. Novembre

Sie erinnern sich vielleicht, der 11. November ist ein hoher Feiertag in Frankreich, ein Gedenktag vielmehr. Jaja, sagen Sie und nicken vage. Für was nochmal, fragen Sie sich dann. Martinstag? Weit st.martingefehlt. Dem Sankt Martin, auch wenn noch so viele Gemeinden ihn als Namenspatron gewählt haben, (St.-Martin-Vésubie, St.-Martin-du-Var, St.-Martin-d’Entraunes allein hier in den Alpes-Maritimes) und der am 11. November 397 im französischen Tours beigesetzt wurde, wird im sonst so katholischen Frankreich nicht besonders gedacht. Niemand kennt die Legende vom geteilten Mantel oder isst eine Martinsgans, obwohl der Franzose ja sonst nichts auslässt, wenns ums Essen geht. Es gibt hier keine Laternenumzüge, keine Gesänge und keinen Weckmann. Nichts davon. Der 11. November ist Gedenktag für das Ende des Ersten Weltkrieges, auch l’Armistice genannt. Über die Franzosen und ihre Sicht auf den Ersten Weltkrieg habe ich ja schon im Zusammenhang mit dem Kunstprojekt Wool War I geschrieben, aber die kleinen Wollsoldaten sollen hier nicht Thema sein, wenn ich auch extrem stolz bin, dass sie gerade auf große Welttournée gehen: Nach der Installation im September im Grand Palais in Paris, fand man sie in London und bald werden sie nach Kanada reisen!

Der 11. November wird hier ernst genommen. Es wird nicht nur an den Ersten Weltkrieg sondern an alle Kriege erinnert und allen für Frankreich Gefallenen gedacht. Schon gestern, am Vorabend, gab es entsprechende Filme und Dokumentationen im Fernsehen. Heute wird Frankreichweit vor jedem Kriegerdenkmal in jeder Stadt, in jeder Gemeinde und jedem Dörfchen eine feierliche Zeremonie abgehalten. Alle wichtigen Lokalgrößen sind jeweils anwesend. Die anciens combattants tragen mit ernster Miene Fahnen, auch wenn es selbstredend keine ehemaligen Kämpfer des Ersten Weltkriegs mehr sind, die hier aufmarschieren, auch die Helden der Zweiten Weltkriegs werden rar, aber anciens combattants sind generell verdiente Soldaten irgendeines vergangenen Krieges, wie etwa in Indochina oder in Algerien. Der Bürgermeister hält eine Rede, die Nationalhymne wird abgesungen und ein Blumengesteck wird abgelegt. Anbei ein link zu den offiziellen Fotos vom letzten Jahr aus Cannes. Sie können sich dort sogar die Rede des Bürgermeisters runterladen. Ich sags ja, es wird ernst genommen. (Und –> hier verlinke ich Ihnen noch ein aktuelles 29-Sekunden-Filmchen von der heutigen Zeremonie auf den Pariser Champs Elysées mit unserem Staatspräsidenten, nur damit Sie einen Eindruck haben. Das Besondere heute, die Journalisten kriegten sich kaum ein, was man im Filmchen aber leider nicht sieht, ist, dass Nicolas Sarkozy anwesend war und dass die beiden Präsidenten (der Ex- und der heutige) sich freundlich die Hand schüttelten. Weia! So viel zur politischen Lage in der Hauptstadt.)

rue du onze novembreNun, jetzt aber zum eigentlichen Thema: Es gibt in zahlreichen Städten und Gemeinden Frankreichs eine Straße des 11. November, so auch in Cannes. Dort war ich heute. Die Rue du 11. Novembre ist eine Querstraße am unteren Ende des großen Boulevard Carnot und geht von dort stets leicht bergauf. Sie ist eine reine Wohnstraße, nur an den Ecken zum Boulevard Carnot findet man links eine Eisdiele, rechts eine Apotheke. Die Straße ist nicht allzu lang, führt aber über zwei Querstraßen hinweg und ist so in drei Häppchen geteilt. Sie wird, je höher man kommt, desto edler. Der erste Abschnitt ist noch recht grau, im zweiten Abschnitt gibt es schon ein paar recht nette Häuser und im dritten Abschnitt, der überraschend zu einer Sackgasse wird, ohne dass es sich im Namen niederschlägt, ist es schon so edel, mit mehreren Villen und bourgeoisen Wohnhäusern, dass ich mich kaum noch traute zu fotografieren. Man sah mich kritisch an, aber niemand rief die Polizei.

Voilà, wir sind hier:

Plan Cannes   Plan Cannes nah

Und so siehts da aus: der untere Abschnitt … Blick Richtung Boulevard Carnot

rue 11 novembre unterer AbschnittGiraffen-Kunst im Straßengrau …

Giraffe

Auf einer Seite werden Tauben gefüttert …

Tauben… gegenüber sitzen feindliche Krähen-Atrappen …

Krähen

Spiegelung

Einen einzigen Décrottoir gibt es in der Straße …

Décrottoir

Der obere Abschnitt der elften Novemberstraße …

rue due 11 nov oberer Abschnitt

rosa Haus

gelbes HausFlucht ins Detail : Ein Türmchen mit dem Namen Quand même …

Quand meme

Wandelröschen

Witzigerweise gibt es dann noch eine “offizielle” Sackgasse des 11. November, l’Impasse du 11. Novembre, die bereits im unteren Drittel der Rue du 11. Novembre abgeht. Sie ist aber als Privatstraße deklariert und obwohl ich gerne durch diese dörflich anmutende niedrige Häuseransammlung gegangen wäre, war ich dazu heute zu schüchtern und habe nur scheu von der Ecke aus fotografiert.

impasse 11 novembre

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ps: Dass heute in rheinischen Hochburgen neben Sankt Martin auch der Beginn des Karnevals gefeiert wird, findet man in Frankreich übrigens befremdlich, um nicht zu sagen respektlos, und es wird bestenfalls mit hochgezogenen Augenbrauen quittiert. Ich erzähle und erkläre es auch nicht mehr. Man versteht es nicht. Aber den Kölner Karneval kann man sowieso nicht verstehen. Den muss man erleben :)

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4 Responses to Cannes zu Fuß – Rue du 11. Novembre

  1. Buchfink sagt:

    So spannend, was Sie immer erzählen!
    Ihr blog ist eine tolle Ergänzung an Landeskunde zum Volkshochschulkurs “Leichte Konversation”. Un die vielen Ausdrücke in Umgangsfranzösisch, die man so en passant mitbekommt. Danke.

    • dreher sagt:

      Oh! :) Vielen Dank! Ich bin ja manchmal nicht mehr so sicher, ob es für Deutsche in Deutschland interessant ist, ob ich mich nicht wiederhole und Sie langweile – insofern freut mich Ihre Rückmeldung sehr! Bonne journée!

  2. Beate Zinke sagt:

    Liebe Christiane,

    in “Boule und Bettenmachen” fand ich Ihren Blog und habe jeden einzelnen Beitrag mit Vergnügen gelesen, ohne je einen Kommentar abzugeben. Heute will ich mal aus meiner passiven Teilnahme heraustreten und Ihnen danken für die vielen Stunden Freude, die Sie mir beschert haben. Ganz besonders gefallen mir Ihre subjektive Sicht der Dinge und Ihre oft so stimmungsvollen Fotos.

    Ich habe eine französische Urgroßmutter und bin nun stolze Omie (man beachte das feminine -e !) von 2 französischen Enkelkindern und zudem ein großer Frankreichfan. So schaue ich allabendlich nach, ob Sie wieder etwas geschrieben haben und genieße diese stille Stunde. Also bitte ich Sie, noch recht lange weiter zu schreiben. Ja klar, natürlich wird das hier in Deutschland gelesen, hier im Südwesten gibt es viele Frankreichfans!

    Mit besten Grüßen an Sie

    Beate aus Südwest

    • dreher sagt:

      Ach, liebe Beate, vielen Dank für diesen lieben Kommentar, freut mich sehr! Keine Sorge, ich schreibe bestimmt weiter, ich schreibe einfach gern :) aber schön zu wissen, dass es auch gern gelesen wird. Viele Grüße aus dem französischen Südosten in den deutschen Südwesten.