Regionalwahlen

Noch gebeutelt von den Terroranschlägen und dennoch schon in Gedanken beim Weihnachtsmenü soll er in diesen Tagen auch noch wählen, der arme Franzose. Dafür hat er keinen Kopf, das konnte nicht gut ausgehen. Die Regionen, die den Départements übergeordnet wurden, um die Dezentralisation von Paris zu fördern, mag sowieso keiner so richtig. Diese Regionen sind ein bisschen wie unsere Bundesländer gestrickt, da kommt manchmal zusammen, was nicht zusammen gehört, ich sage nur Nordrhein-Westfalen. So ähnlich geht es uns mit der Region PACA: Provence-Alpes-Côte d’Azur. Das geht von Menton bis Marseille, und gegensätzlicher könnten diese Städte nicht sein.

Das Französische Wahlrecht sieht immer zwei Durchgänge vor: Beim ersten Wahlgang bringt der Franzose ja gern mal wütend seine Unzufriedenheit mit dem bestehenden System zum Ausdruck, beim zweiten Mal wählt er dann (vielleicht) etwas vernünftiger. Sie haben es gelesen, im ersten Wahlgang am gestrigen Sonntag, hat die extreme rechte Partei, Le Front National, sechs von dreizehn Regionen gewonnen. Im Norden ist es vor allem Marine LePen, die von sich reden macht, bei uns im Süden ist es ihre junge Nichte, Marion Maréchal-LePen. Die Alternative bei uns wäre der rechtskonservative Nizzaer Bürgermeister Christian Estrosi gewesen; ob Estrosi eine wirkliche Alternative ist, lasse ich mal dahingestellt. Grüne und Linke sind hier wie immer kaum vorhanden und außerdem komplett uneins und daher zusätzlich in viele Listen aufgesplittert. Was für sie erwartungsgemäß ein desaströses Wahlergebnis ergab.

Beim zweiten Wahlgang am kommenden Sonntag dürfen die Parteien antreten, die im ersten Durchgang mehr als zehn Prozent erreicht haben. Da aber im französischen Mehrheitwahlrecht nur einer übrig bleiben soll, findet jetzt ein taktisches Geschacher statt, damit um Gottes Willen Le Front National verhindert wird (das Szenario erinnert übrigens stark an den Roman von Houellebecq). Alles wird verhandelt: Wer könnte sich mit wem zusammentun? Politiker sprechen Wahlempfehlungen aus und heute schlagen viele (auch aus den linken Reihen) vor, dass sich die Linke, fast überall drittstärkste Kraft, zugunsten des konservativen Bündnisses komplett zurückziehen solle, damit nur noch zwei Parteien zur Wahl stünden. Konkret bedeutet das, dass klassische Linkswähler den rechtslastigen Christian Estrosi wählen sollen, um den noch rechteren Front National zu verhindern. In der Folge gäbe es fürderhin keinerlei linke Politik in der Region. Aber nicht alle Wähler sind mit dieser Taktik einverstanden, und manch ein linker Politiker will seine Liste auch nicht zurückziehen. Es ist also völlig offen, wie es im nächsten Wahlgang ausgeht.

Seit einem guten Jahr wird das aktive “Blanc”-Wählen bei der Stimmenauszählung als gültig gewertet. Es bedeutet, dass man richtig wählt (und nicht wie immerhin mehr als 50% der Wähler aus Verdruss gar nicht erst wählen geht!), aber eben keinen der zur Wahl stehenden Kandidaten; dazu gibt man entweder einen leeren Umschlag ab oder man steckt einen leeren weißen Zettel, anstelle der ausliegenden Wahlzettel, in den Umschlag (hier werden immer noch klassische Zettel in Umschläge gesteckt, elektronischen Wahlsystemen wird hier stark misstraut). Ganz ehrlich, meine Hoffnung wäre das: Alle wählten “blanc”, weil keine(r) der zur Verfügung stehenden Partei/Kandidaten überzeugt. Und dann schauen wir mal. Aber ich fürchte, das ist nur ein Traum.

ps: kleine Korrektion, gerade noch einmal nachgelesen: das “Blanc”-Wählen wird zwar seit Februar 2014 von den “ungültigen” Stimmen getrennt und als richtigen Stimmabgabe gewertet (“Ich wähle, aber keinen der sich präsentierenden Kandidaten”) und so bei der Stimmauszählung mit angegeben, hat aber keinen Einfluss auf das Wahlergebnis. Nachzulesen (frz.) hier.

pps: für mehr Information, habe gerade noch diesen sehr klaren und ausführlichen Beitrag zu den Regionen und Wahlen auf arte gefunden –

ppps: weil ich es gerade schon zweimal gefragt wurde … falls Sie für eine bestimmte Region, ein bestimmtes Département oder eine Gemeinde die genaue Aufschlüsselung der Wahlergebnisse sehen möchten, diese Seite hier ist recht übersichtlich.

 

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2 Responses to Regionalwahlen

  1. Micha sagt:

    Ich erfreue mich immer an deinen Artikeln – du bist wirklich eine ausgezeichnete *deutsch-französische Botschafterin*!