WHDEDGTG

Oh Mann, gerade über Herrn Buddenbohms 12 von 12 gestolpert und ich habs doch glatt schon wieder vergessen! Ich wollte da doch mitgemacht haben, menno :( Und ganz eigentlich wollte ich diesen Monat schon bei Frau Brüllens Aufruf WMDEDGT (Was machst du eigentlich den ganzen Tag?) mitgemacht haben, aber ich war am 5. viel zu beschäftigt und am 6. immer noch und am 7. auch und jetzt ist es schon der 12. Herrjeh! Für ein schnelles 12 von 12 fehlen mir die Fotos. Was tun? Ich erzähle Ihnen nachträglich den 5., weil man ja auch mal was Nettes erzählen muss in dieser politisch-trüben Zeit, passt auch immer noch, ist ja Advent. Jetzt müsste es vielleicht heißen WHDEDGTG (Was hast du eigentlich den ganzen Tag gemacht?) Am 5. versteht sich. Advent, wie gesagt. Und was macht man so im Advent? Man geht auf den Weihnachtsmarkt. Der Weihnachtsmarkt unserer Wahl lag nicht gerade um die Ecke, wir sind dafür morgens um 8Uhr bereits losgefahren. Ich weiß, dass ich mir dazu auch Notizen gemacht habe, aber ich finde sie gerade nicht mehr, insofern wird es etwas weniger detailreich.

AnkündigungAm Vorabend habe ich noch bis spät Christstollen gewogen und Springerle in Tütchen gesteckt und einen riesen Topf Suppe gekocht und versucht an alles zu denken, was man in den Bergen so brauchen könnte, vor allem an Essen und an warmer Kleidung. Es war zwar kein Schnee angekündigt, aber man weiß ja nie. Unterwegs auf der kurvigen Strecke fiel der Schnellkochtopf mit Suppe um und war dann doch nicht ganz dicht und es roch von da an leicht nach Minestrone. Um halb elf kamen wir im kleinen Dorf an und versuchten als erstes das ausgekühlte Haus unserer Gastgeberin mit einem rauchenden Kaminfeuer etwas zu erwärmen. Dann gings auf den kleinen Dorfplatz, den Christstollen und die Springerle abgeben, mein jährlicher Beitrag für den Weihnachtsmarkt, und ich war platt wieviele Menschen schon dort waren und wieviele Stände es gab. Und die Weihnachtsdeko war dieses Jahr auch richtig schön, weil überwiegend rustikal: Hölzerne Weihnachtswichtel an allen Ecken und hölzerne Weihnachtsbäume.

WeihnachtswichtelWeihnachtsmarkt 1WeihnachtsbaumWeihnachtsmarkt 2

Es gab Glühwein mit und ohne Alkohol, heiße Schokolade, heiße Maronen, und in kleinen Stangen frittierten Brotteig, crespesses genannt (hab’ ich in keinem Wörterbuch gefunden, ist wohl was Dorfeigenes), die man mit süßem Honig, mit salzigem Käse oder auch ohne alles essen kann. Und Töpferwaren, handgeflochtene Körbe, Türkränze, originelle Messer aus Holz , Horn und anderes aus Olivenholz Geschnitztes, Käse, Weihnachtsplätzchen, Lebkuchen, Honig, Konfitüre, Kräutertees und allerhand von den Damen des Dorfes sowie von den Schulkindern Gebasteltes.

Weihnachtsmarkt 3Nikolaus 1LebkuchenhausNikolaus 2

Ein richtiger kleiner Markt und viele Menschen und vor allem viele Kinder, denn seit drei Jahren kommt der Nikolaus persönlich (der verkleidete vollbärtige Schafhirte, der sich mit seiner Familie vor drei Jahren hier niedergelassen hat) mit seinem Esel nach Châteauneuf und verteilt aus großen Säcken Clementinen und Schokoladebonbons an die Kinder und sie dürfen alle mal auf dem Esel sitzen und später auch eine Tour mit dem Esel durchs Dorf machen. Diese Attraktion führt dazu, dass auch aus anderen Dörfern Eltern mit ihren Kindern anreisen und so ist es wirklich voll und quirlig und lebendig. Sie finden das vielleicht albern, dass ich Ihnen das so ausführlich beschreibe, aber wenn Sie wüssten, wie wir hier angefangen haben … Nun, wenn Sie mich schon lange lesen, dann wissen Sie es vielleicht, für die später hinzugekommenen Leser/innen verlinke ich hier einen Text aus einer anderen Zeit, sechs Jahre ist es erst her, dass wir in Châteauneuf unseren ersten Weihnachtsmarkt abgehalten haben. Der Nikolaus ist hier im Süden ja nicht wirklich bekannt, aber da er der Schutzheilige des Dorfes ist und am Wochenende um den 6. traditionell das große weihnachtliche Dorfessen stattfindet, hat sich der kleine Markt an diesem Tag durchgesetzt. Im ersten Jahr nicht unbedingt ein Erfolg, aber dennoch tapfer weitergeführt, ist er jetzt ein von allen geliebtes Event, das zunehmend von anderen Dörfern hier oben kopiert wird.

Man sagt allen Anwesenden bonjour, denn so macht man das hier, Küsschen rechts, links oder Händeschüttelnd, da ich die meisten kenne, ist es ein stetes Geküsse, tatsächlich habe ich mich da schon dran gewöhnt. Man quatscht auch mit allen, isst hier ein Plätzchen, trinkt dort einen Glühwein, kauft heiße Maronen, wie man das auf Weihnachtsmärkten so macht, und stellt sich bei leichtem Nieselregen mal in einer dafür geöffneten Scheune, mal unter den Marktzelten unter. Ich kaufe schon einmal ein paar Tüten mit Weihnachtsplätzchen, ein paar selbstgebackene Lebkuchen-Nikoläuse und ein bisschen Krimskrams. Dann ist es 13 Uhr und ich eile in das immer noch ziemlich kalte Haus, in dem wir traditionnel beherbergt werden und wo ich dafür als Gegenleistung ebenso traditionell das Essen stelle. Unsere Gastgeberin ist mit einem Teil ihrer Familie nun auch eingetroffen. Monsieur stochert im rauchenden Feuer herum, ich improvisiere in der nicht vorhandenen Küche mit kalten Fingern wie immer ein einfaches, aber mehrgängiges Essen. Die Suppe (Suppe geht als Mittags-Hauptgang nur, weil es abends noch ein richtiges Essen gibt!) hatte ich der Einfachheit schon vorgekocht. Es wird ein langes Essen, es wird viel erzählt, wir haben uns alle schon lange nicht mehr gesehen. Danach macht Monsieur unter vielen Decken eine Sieste, ich gehe wieder auf den Platz und stelle mich solidarisch zu den Dorf-Freundinnen in Kälte und Nieselregen. Später besuche ich die alte Schäferin Maria, die kaum noch gehen kann und sich freut, wenn man zu ihr hineinkommt. Sie wohnt direkt am Dorfplatz und von ihrer völlig überheizten Küche kann man sehen, was sich auf dem Platz so tut. Die Hitze ist erschlagend, wärmt einen aber wunderbar auf. Hier kommen alle immer mal rein, setzen sich kurz oder auch länger hin, und Maria erfährt so alles, was im Dorf passiert und manche Neuigkeiten weiß sie sogar als Erste.

Nikolaus 3Weihnachtsmarkt 4Pariseglise

Am späten Nachmittag mit einsetzender Dunkelheit gehts zur kleinen Kirche; unsere Bürgermeisterin empfängt uns vor der Kirche, sie möchte mit allen heute im Dorf Anwesenden zusammen noch einmal den Opfern des 13. November gedenken. Sie hat Kerzen angezündet, ihre kurze Rede ist schlicht und berührend, an die Kirchenwand werden Fotos projiziert, wir schweigen, singen leise zunächst die Marseillaise und dann, als Schritt zurück ins Leben, On écrit sur les mur le nom de ceux qu’on aime der Unicef Kindergruppe Kids United. Die Kirche ist zunächst nur mit der Osterkerze erleuchtet. Die Kinder zünden an ihr Kerzen an, die sie an jeden von uns weitergeben, so dass wir die Andacht bei Kerzenschein abhalten. Der neue junge Pfarrer hat die Bänke umgestellt, so dass wir beinahe im Kreis sitzen und einander sehen können. Und er selbst setzt sich auf die Stufen vom Altar und erzählt (vor allem für die Kinder) die Geschichte des Nikolaus von Myra. Das gibt es in vielen deutschen Gemeinden schon lange, für die winzige Gemeinde in dem konservativen französischen Bergdorf sind die Änderungen des Pfarrers Neuland und seine Bemühungen um vorsichtige Modernität haben gefruchtet: die Kirche ist so voll, wie sonst nur zu Hochzeiten und Beerdigungen. Danach gibt es, immer noch in der Kirche, einen Umtrunk und ein Akkordeonspieler leitet zum weltlich-festlichen Teil über. Von dort geht es zum Gemeindesaal, in dem es das große Essen gibt. Da die Aubergistin uns Ende Oktober verlassen hat, haben Les jeunes Chasseurs, der Jägernachwuchs, sich kurzfristig bereit erklärt, das Essen auszurichten. Es wurde dankbar angenommen, denn was wäre ein Saint-Nicolas-Abend ohne Festessen … nicht auszudenken! Und in dem Saal, der offiziell 80 Personen fasst, sitzen jetzt knapp hundert Personen auf Bänken dicht an dicht. Nicht sehr schön, aber warm wird einem so. Laut ist es auch, man muss sogar brüllen, um sich seinem direkten Tischnachbarn verständlich zu machen. Das Essen wird Tellerweise weitergereicht, es ist so eng, dass der Service nicht mehr durchkommt. Das Essen ist einfach, aber üppig, natürlich gibt es mehrere Gänge und Wein bis zum Abwinken, und natürlich dauert es Stunden. Gegen 1Uhr morgens stapfen wir im kalten Nieselregen, der Tendenz hat Schnee werden zu wollen, zurück ins nicht mehr ganz so kalte Haus und sinken dort erschöpft ins Bett und unter vielen Decken in den Schlaf.

Kein Schnee am nächsten Morgen, das Kaminfeuer wärmt nur schwach, raucht hingegen schon wieder. Ich lechze nach Kaffee, aber leider beherrsche ich die fremde Kaffeemaschine nicht, der Kaffee läuft an der Kanne vorbei und bildet einen kleinen dampfenden Kaffee-See auf dem alten Holzfussboden. Wir trinken dann löslichen Kaffee und es wird dennoch ein langes Frühstück. Danach gehen alle in das kleine Büro der Mairie zum Wählen, und wir packen unsere Sachen, denn Monsieur wählt in Cannes. Ich bin als Nicht-Französin nur Wahlbeobachterin und darüber habe ich ja schon geschrieben.

Jetzt ist eine Woche vergangen und morgen (in der Zwischenzeit ist es heute!) ist der zweite Wahldurchgang. Die Stimmen der Politiker nahmen in dieser Woche aggressive und schrille Töne an, vor lauter Angst, Marine und Marion könnten die Regionalwahlen gewinnen. Der derzeitige Premierminister Manuel Valls gibt deutliche Wahlempfehlungen und schreckt auch nicht davor zurück, uns ein Bürgerkriegsszenario auszumalen, sollte le Front National gewinnen. Zum ersten Mal sind die Wahlprognosen völlig nebulös, es kann morgen (heute) wirklich alles passieren. Selten war der Ausgang einer Wahl ungewisser. Wir sind sehr an- und gespannt.

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15 Responses to WHDEDGTG

  1. Birgit sagt:

    Liebe Christiane,
    Es immer schön und interessant deine Berichte zu lesen. Diese letzte Erzählung gerade über die einfachen Dinge gehen ans Herz, gerade in dieser unruhigen Zeit.
    Ich bin gespannt auf das heutige Ergebnis der Wahl in Frankreich, mal sehen ….?
    Ich wünsche dir und deiner Familie eine schöne Weihnachtszeit.
    Liebe Grüße Birgit

    • dreher sagt:

      Danke, liebe Birgit! Ich schreibe sicher nochmal vor Weihnachten, aber ich schicke dir heute friedliche Adventsgrüße … hoffen wir das Beste für heute Abend und überhaupt!

  2. Buchfink sagt:

    Nun ist es ja gut ausgegangen, vorläufig wenigstens, eine große Freuede heute Abend!

    • dreher sagt:

      Ja, genau! :D :D :D Ich dachte, ich muss gar nichts sagen, prima, was? Aber ich fürchte die anderen Parteien werden so weitermachen wie bisher …

  3. Eva sagt:

    Liebe Christjann,
    der Buchfink sagt es. Hier auch Erleichterung.
    Hoffen wir, es wird wieder besser!
    Übrigens singe ich am 4. Advent das Weihnachtsoratorium von Saint Saëns, das ich durch dich kennengelernt habe und das ein Teil unseres Weihnachtskonzerts wird (sonst noch Diverses Weihnachtliches von Bach).
    Dir, Monsieur, der Familie und den Katzen/der Katze frohe Festtage,
    Eva

    • dreher sagt:

      Ja, hier auch Erleichterung, konnte so ein klares Ergebnis gar nicht fassen!
      Wie schön Saint-Saëns, freut mich! Und danke für die Weihnachtsgrüße – ich will eigentlich noch was posten bis dahin … insofern schreib’ ich noch keine zurück! Viel Licht im Advent!

  4. Marion sagt:

    So romantisch und versöhnlich Deine Weihnachtsmarktschilderungen. Genau das richtige für die Adventszeit. Habe den alten Text nochmal gelesen, konnte mich aber auch so an die Anfänge noch ein bisschen erinnern. Da sieht man mal, was für einen Unterschied Engagement machen kann. Hat sich doch voll gelohnt. Über den Ausgang der Wahlen bin ich ebenfalls erstmal froh. Noch einen besinnlichen und hoffentlich nicht zu arbeitsreichen Advent wünscht Marion (hoffe, Du musst dieses Jahr nicht das Festmahl ausrichten) aus dem Kölner Umland mit frühlingshaften Temperaturen…

    • dreher sagt:

      Danke Marion, ja, aus heutiger Sicht ein voller Erfolg und ich würde sagen, manchmal muss man einfach was machen und es dann loslassen … Nun wir haben zu Hause noch immer Baustelle, da wird nix Großes gekocht dieses Jahr, und an Weihnachten bin ich in Deutschland und lass’ mich mal verwöhnen :)

      • Marion sagt:

        Schön, lass’ DU Dich mal bekochen! Genieße gerade ein bisschen die Kölner Weihnachtsmärkte, war schon am Neumarkt, Stadtgarten und Rudolfplatz (nur Fressstände), ist irgendwie doch immer das Gleiche, aber trotzdem ganz nett…

  5. rosalin sagt:

    Hallo Frau Dreher,
    ich kenne dieses kleine Örtchen von einem Ausflug und bin total gerührt von Ihrem Bericht und den schönen Fotos. Mir ist richtig warm ums Herz geworden…vielen Dank.