Vorfeiern

Vorfeiern ist in Frankreich ja kein Unglückbringendes No-go. Immer wird hier vorgefeiert. Gut, es wird manchmal auch nachgefeiert, hin und wieder wird tatsächlich auch am eigentlichen Tag ein Geburtstag gefeiert, aber meistens, so scheint es mir zumindest, wird vorgefeiert. Am kommenden Wochenende werden wir im Bergdorf das Patronatsfest St. Nicolas mit unserem schon traditionellen (hoho!) Weihnachtsmarkt vorfeiern. Nikolausi kommt also schon am 3. Dezember. Warum auch nicht. Der Schäfer, der sich zu diesem Zweck immer als Bischof verkleidet, schlachtet allerdings am selben Tag sein Schwein. Schlachtfest ist ein feuchtfröhliches Fest und ich hoffe, der Schäfer wird trotzdem noch ein würdiger Nikolaus sein.

Am vergangenen Wochenende haben wir in der Familie drei Geburtstage zusammen vorgefeiert, die eigentlich erst morgen und im Dezember dran gewesen wären. Ich hätte mich mit meinem Mitte-Dezember-Geburtstag auch noch dranhängen können, vier Geburtstage in einem Rutsch, wie praktisch. Ich, als Deutsche, kann ja aber nicht vorfeiern, macht man nicht, oder? Zwar bin ich nicht abergläubisch, aber dennoch … Mein pragmatischer Vorschlag, Weihnachten auch gleich mitzufeiern, dann hätten wir das auch schon erledigt, wurde jedoch nicht wirklich erfreut aufgenommen. Vor allem die Kinder, die meinen Vorschlag ernst nahmen, schrien entsetzt auf, fürchteten sie doch, sie würden dann nur einmal Geschenke kriegen.

Am vergangenen Wochenende haben die konservativen Wähler Frankreichs (auch) im zweiten Durchgang der Primaire, einer Art Vorwahl, überraschend François Fillon zu ihrem Präsidentschaftskandidaten gewählt. Seitdem steht Frankreich, und nicht nur das konservative, Kopf: niemand hat ihn kommen sehen, aber nun wird François Fillon euphorisch schon als zukünftiger Präsident vorgefeiert (zumindest vom konservativen Lager). Ich weiß nicht, ob Sie von mir ein Statement dazu erwarten.?! Fillon ist einer der konservativeren Konservativen, viel mehr weiß die große Mehrheit kaum von ihm. Hektisch werden jetzt daher überall Sendungen angesetzt, die uns den unerwarteten Sieger vorstellen sollen: er ist 63, seit 30 Jahren mit der gleichen Frau verheiratet, Vater von 5 Kindern, und er fährt gerne Autorennen. Politisch stand er bislang in der 2. Reihe, war etwa Premierminister unter Sarkozy, dabei absolut loyal, und er hat nicht einen Fleck auf der weißen Weste. Kein Skandal, keine Steuerhinterziehung, es gibt nichts, was man ihm, anders als den anderen Kandidaten, vorwerfen könnte, höchstens mangelndes Charisma. Und sein Programm ist so konservativ, dass, sollte er tatsächlich gewählt werden, vermutlich 50% der Bevölkerung dagegen auf die Straße gehen werden. Für ihn spricht jedoch, dass er nicht korrupt zu sein scheint und Aufrichtigkeit mit Erfahrung vereint. Mit ihm haben wir zumindest einen starken konservativen Gegenkandidaten zu Marine LePen, die sich bislang vergnügt und hoffnungsfroh die Hände rieb, aber langsam wohl anfängt, sich zu sorgen.

Die Linke ist mit ihrer Primaire noch nicht so weit. Hollande, obwohl so unbeliebt wie noch kein Präsident vor ihm, ist nicht abgeneigt, wieder zu kandidieren. Aber auch sein Premierminister scheint das vorzuhaben. Ebenso der junge Emmanuel Macron, der parteilos antritt. Vorgefeiert wird hier noch lange nichts.

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2 Responses to Vorfeiern

  1. Marion sagt:

    Fillon ist vor allem auch streng katholisch und vereint die entsprechende Wählerschicht hinter sich. Ein Novum im laizistischen Frankreich.