Poupettes letzte Reise ging in die Pyrenäen und dort in ein kleines Dorf irgendwo im Nirgendwo. Ihr zweiter Mann kam von hier und ist hier seit vielen Jahren beerdigt. Sie wollte nun an seiner Seite ruhen. Es war für alle Beteiligten ein überraschender und etwas befremdlicher Wunsch, denn so richtig gut kannten sich die beiden Familien bislang nicht. Nur Monsieur, der in etwa das gleiche Alter der Kinder aus der ersten Ehe des zweiten Ehemanns hat, kannte sie aus Jugendzeiten. Poupette hatte aus Gründen, die nur sie kennt, die “andere” Familie über vierzig Jahre lang immer nur alleine besucht. Sie war mit der Schwester des zweiten Ehemanns eng befreundet und ist (nach dessen frühem Tod) mir ihr oft in dieses und in ein benachbartes Dörfchen gefahren. Es ist eigentlich genau so ein Dörfchen wie das Bergdorf, aus dem die hiesige Familie stammt. ein bisschen lieblicher und grüner vielleicht, es regnet dort wohl öfter. Wir haben also einmal den Süden Frankreichs von Ost nach West durchquert, um uns dann in der gleichen ländlichen Bergwelt wiederzufinden. Gestern Abend haben sich die beiden Familien, in denen Poupette zu Hause war, dann erstmals wirklich kennengelernt, zunächst noch sehr reserviert (“ihr nehmt mir meine Großmutter weg”, dachte zumindest Monsieurs Tochter erbost und auch Monsieur hätte seine Mutter lieber in “seinem” Bergdorf gehabt; die “andere” Familie war ein wenig geniert, dass “unsere” Poupette lieber bei ihnen ruhen wollte), aber dann haben wir auseinandergedröselt, wer wen wann wo und wie kennengelernt hat und was wir an gemeinsamen Erinnerungen haben. Geschichten der anderen Familie wurden erzählt, vom jüngsten Bruder, der den tödlichen Autounfall hatte, wie streng der Großvater war, der dort eine Schmiede hatte und wie rußig die Zimmer früher waren, die über der Schmiede lagen. So schwarz, dass man zur Taufe der Kinder weiße Leintücher vor die schwarzen Wände gehängt hatte. Und man zeigte uns das niedrig gemauerte Waschbecken in der Küche, denn die Großmutter war nur einen Meter fünfzig groß. Man erzählte Dorfgeschichten, Familiengeschichten und alle erzählten wir Geschichten von Poupette. Wir aßen und tranken zusammen, lachten und weinten ein bisschen. Dann durchquerten wir zusammen das abendliche Dorf, das viel größer ist, als wir zunächst dachten, man zeigte uns alte Häuser und erzählte die Geschichten dazu. Am kleinen See sahen wir einen wundervollen Sonnenuntergang.
Wir schliefen im einfachen Hotel im Dorf, und am nächsten Morgen besuchten wir das andere kleine Dorf, in dem Poupette mit besagter Schwester von G. zur Sommerfrische fuhr, bevor sie, wie Großmütter das hier so tun, Monsieurs Kinder über Jahre in den großen Sommerferien in “unserem” Bergdorf betreute. Es ist ein niedliches Dorf, das entlang eines Flüsschens liegt und ein “village fleuri” : es blüht dort wirklich so üppig, Rosen, Stockrosen, Rittersporn, und was immer bepflanzt werden konnte wurde bepflanzt,und überall blühen auch “wilde” Blumen. Im Winter leben dort nur zwei Personen, denn dann ist es unwirtlich, kalt und feucht, die Sonne kommt kaum in dieses Tal, aber jetzt war es sonnig, fast alle Häuser waren offen und es wirkte sehr einladend.
Danach fand die Beisetzung auf dem alten Teil des Friedhofs im ersten Dorf statt. Die Zeremonie war etwas nüchterner als in Cannes und schnell vorbei. Wir haben dann auch das Geheimnis von Rose gelöst, die überraschend mit auf der Schleife unseres Gestecks stand: Pour notre Poupette bien aimé hatten wir gewählt, um all die Namen und Verwandtschaftszuordnungen der großen Familie zu umgehen. Es stand dann aber Pour notre Poupette – bien aimé – Rose darauf. Wer ist denn Rose, rätselten wir noch in Cannes. Heute machte es klick: “Rose”, das war die Farbe der Schleife, die wir gewählt hatten, Rosa eben. Es musste ja alles so schrecklich schnell gehen, und bei den vielen Informationen auf dem Zettel, den sich die Floristin gemacht hatte, ging wohl manches durcheinander. Die Schleife immerhin war, wie gewünscht, rose.
Danach nahmen wir noch einen Apéro bei der Familie in der ehemaligen Schmiede zu uns, aßen alle zusammen im Hotel und verabschieden uns wirklich herzlich und friedlich gestimmt voneinander. Wir haben das Gefühl, dass Poupette mit ihrem Wunsch nach einer Beisetzung hier, so “verwirrt” er uns zunächst vorkam, die beiden Familien endlich vereint hat.
Vielen Dank für die schönen Bilder! Wie aus einer verwunschenen Welt. Die ihr nie kennengelernt hättet, wenn Poupette nicht diesen seltsamen Wunsch gehabt hätte… Es ist schon wahr, Begräbnisse sind für die, die zurückbleiben, nicht für die Toten. Eine schöne Leich, wie man in meiner bayerischen Heimat sagt, ist eine, in der erst etwas geweint und getrauert, danach aber beim Leichenschmaus kräftig gefeiert und getrunken wird. Und man am Ende mit dem Tod des geliebten Menschen etwas versöhnt ist, denn man ist wieder ganz nahe zusammen gerückt, hat Wärme und Zuneigung gespürt, alte Verbindungen aufleben lassen, in schönen Erinnerungen geschwelgt. Und fragt sich, warum man sich, trotz weiter Wege, nicht zwischendurch mal besucht. Wir sollten es wirklich öfter tun!
Alles Liebe
Karin aus Genf
Danke liebe Karin!
Liebe Christiane,
mir stehen die Tränen in den Augen ob der schönen Erzählung. Seit ich vorgestern gehört habe, dass mein erster Freund mit 60 (er war 11 Jahre älter als ich) an einem Herzinfarkt gestorben ist, bin ich dünnhäutig. Die Beerdigung wird eine andere sein.
Es grüßt dich von Herzen
Eva
Es tut mir so leid, Eva! Ich denke an dich und umarme dich.
von Herzen
Christiane
So schöne Bilder vielen Dank. Es ist immer traurig wenn jemand stirbt aber es war auch eine Erlösung für sie. Schöpft jetzt erst mal Kraft und erholt euch alle. Pflege
eines Angehörigen ist sehr kraftraubend. Ich habe da selbst 5 Jahre mitgeholfen. Meine Mutter hatte die meiste Arbeit. Und am Ende war es für uns alle eine Erlösung. Mein Vater ist mit den Jahren so verblasst, er wurde immer weniger und am Ende war von der kraftvollen Person nichts mehr da. Jetzt Jahre später ist in meiner Erinnerung nur noch der starke, warmherzige und liebevolle Mensch präsent und das tröstet über den Verlust hinweg.
Danke sehr für‘s Mitnehmen in dieses zauberhafte Dorf.
Es ist schön, dass das Leben Poupettes in so großer Verbundenheit endete.
Was für ein Weg dorthin und zurück! Poupette hatte ihre Gründe. Mit Sicherheit nicht nur das verwunschene Dorf. Es ist doch gut, dass es ein versöhnliches familiäres Ende nun für alle gab. Die kommende Zeit braucht man zum Luftholen, ganz dringend! Herzlich, Sunni
Lieben Dank Ihnen allen. Ich bin gerade in unserem Bergdomizil, ohne Netz und all die technischen Finessen. Zum Atmen und Schreiben. Poupette, mit der es dort immer sehr konfliktreich war (zumindest mit mir) ist dort sehr präsent und wird es immer sein 🖤
A bientôt!
So eine schöne Würdigung der Schwiemu! Äußerst schön geschrieben und entzückende Fotos!