Corona Tagebuch – Ostermontag

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Gestern morgen recht früh versteckten Monsieurs Tochter und ich Ostereier im Vorgarten. Die Enkel sind schon Teenager, aber zumindest die Enkelin hat noch ein kindliche Wesen und wollte gern (noch einmal?) Ostereier suchen. Der Enkel spielte etwas gelangweilt mit. Ich versteckte auch für die Erwachsenen kleine Häschen, so dass wir letzten Endes alle (mit Sicherheitsabstand) im Garten herumsuchten.

Es dauerte schon ein Weilchen, bis alle sorgsam versteckten Schokoeier und Osterhasen gefunden waren. Den größeren Osterhasen aus Zartbitterschokolade für die Enkelin fanden wir nicht mehr. Ihr Bruder hatte seinen aus Vollmilchschokolade schon lange aus dem wuchernden Salbei gezogen und bereits angeknabbert, wir aber standen zunehmend verwirrt im Garten herum. So groß ist der Garten nicht, wo war dieser verdammte Osterhase? Die Enkelin begann zu jammern, sie unterstellte ihrer Mutter, den Osterhasen für sie vergessen zu haben. Niemals würde das passieren. Wenn Sie zwei oder mehr Kinder haben, wissen Sie, wie wichtig es ist, dass alle Gaben exakt ausgewogen zugeteilt werden. Die gleiche Menge Saft oder Eistee, die gleiche Menge an Nachtisch und jeder einen Osterhasen. Nur die Schokolade ist eine andere. Angestrengt überlegten wir, wo der Hase versteckt worden war. Nicht weit vom Zaun, nicht weit vom Eingangstor. Vermutlich war er von außen sichtbar gewesen und jemand hatte ihn kurzerhand mitgenommen. Frechheit, aber es blieb die einzige Erklärung, die wir der Enkelin mit hängenden Schultern und Kopfschüttelnd, zu geben vermochten. Sie aber war aufgelöst und enttäuscht: Kein Osterhase! KEIN OSTERHASE! AUSGERECHNET SIE HATTE KEINEN OSTERHASEN! Dass sie noch einen anderen Osterhasen bekommen hatte und zig Ostereier, mit nichts war sie zu beruhigen. Nein, sie ist gerade kein großes und vernünftiges Mädchen. Nur mit Mühe unterdrückte sie ihre Tränen.

Was wir aber fanden, war eine Zeitung, die seit letztem August unbemerkt im Baum festhing. Der Zeitungsbote wirft die Zeitung ja immer im Vorüberfahren (wie in amerikanischen Filmen) über den Zaun, manchmal klappts nicht.

Ich ging etwas später zum kleinen Lädchen, hier sind Läden ja auch am heiligen Ostersonntag geöffnet, und hoffte, dort noch einen Zartbitterhasen zu finden. Aber das Osterhasenregal war leer. Ich erzählte dem Inhaber, dass ich dringend einen Zartbitterhasen der Marke X bräuchte, weil man ihn der Enkelin aus dem Garten gestohlen hatte. Er sah mich hinter seiner Gesichtsmaske erschrocken an. Er hat selbst einen kleinen Sohn, er weiß, was das bedeutet. Wortlos verschwindet er im Lager und bringt mir einen Schokoosterhasen. Es ist der Letzte. Ich darf ihn nicht mal bezahlen. Ich wäre ihm gern um den Hals gefallen, aber das geht ja momentan alles nicht. Die Enkelin begrüßt den Osterhasen wie einen lang vermissten Freund. “MEIN OSTERHASE!” juchzt sie. Wo war er? Ich erzähle, dass ich ihn im Lädchen habe kaufen wollen und dass es ein Geschenk des Inhabers sei. Alle sind gerührt von dieser kleinen Geste, nur die Enkelin ist noch hin- und hergerissen, ob sie sich über einen Ersatzosterhasen genauso freuen kann. “Ich war SO enttäuscht!” klagt sie noch einen Moment. Aber letzten Endes ist es gut. Uff! Ich meine, wer klaut denn Schokoosterhasen, das weiß doch jeder, dass man die immer nur für Kinder versteckt, oder? Glücklicherweise ist E. schon 14, wäre sie 4 Jahre alt gewesen, wäre der Tag eine Katastrophe geworden. Die Tränen, das Schreien, den Zorn und die Enttäuschung will ich mir gar nicht vorstellen.

Ich bekam von der Terrasse einen Blumenstrauß an einer Schnur herabgelassen. Es gibt hier ja nirgends Blumen zu kaufen, so dass Monsieurs Tochter einen Blumenstrauß am Straßenrand gepflückt hat. Selten habe ich mich über Disteln und Eukalyptusblätter mehr gefreut! Und die Enkelin hat ihre ersten mit Zwiebelschalen gefärbten Eier vor unsere Tür gestellt.

Später haben wir unseren ersten Apéro via Videokonferenz. Es dauert lange, bis wir alle dazugeschaltet sind und uns sehen. Es ist fast wie immer, alle reden gleichzeitig und halten ständig Gläser in die Kamera des Mobiltelefons. Dann essen wir gemeinsam und doch getrennt, wir im Innenhof, die Familie auf ihrer Terrasse und ständig schickt man sich nun Fotos vom Essen. Ein Film ploppt auf: ein klitzekleiner Cousin sucht seine Ostereier auf einer Azoreninsel, wo die kleine Familie bis zur Ende der COVID-Krise festsitzt. Es ist kein ganz so ein langes Essen wie sonst an diesen Feiertagen, aber es zieht sich doch und viel passiert an solchen Tagen nicht mehr. Sieste. Ich antworte auf alle Mailschulden und wir telefonieren mit Freunden und Familie. Schon wieder Abendessen. Fernsehen: Barry Lyndon. Nach zwei von drei Stunden Film falle ich bereits ins Bett. Der heutige Tag verlief ähnlich, außer dass ich noch ein paar Stündchen gearbeitet habe.

Osterhase oder Osterkaninchen?

Und hier noch ein paar Osterglocken aus dem Keukenhof.

Ich hoffe, Ihre Ostertage verliefen erfreulich und frühlingshaft. Wir lesen uns morgen wieder, drin und gesund!

ps: Die Ausgangssperre in Frankreich wird bis 11. Mai dauern, sagte Macron gerade in seiner Ansprache; danach langsame Öffnung; Festivals nicht vor Mitte Juli. Morgen mehr dazu.

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4 Responses to Corona Tagebuch – Ostermontag

  1. N. Aunyn sagt:

    Sie haben ja noch weiterhin Ausgangssperre. Dagegen sind unsere Ausgangsbeschränkungen geringfügig. Gutes Durchhalten.

  2. Croco sagt:

    War klaut Osterhasen aus einem Garten? Sowas…
    Habe an Dich gedacht, als Monsieur Macron die Neuigkeiten verkündete. Aber bei Euch gibt es so viel mehr Tote als bei uns. Wir hatten bisher hier in der kleinen Stadt keine, die daran gestorben sind Jetzt aber doch, das Virus ist in einem Altenheim ausgebrochen und heute ist der dritte gestorben. Das alles ist so schrecklich.
    Wir haben auch Barry Lindon geschaut. Und es war so langweilig zum Schluss, dass wir das Gucken abgebrochen haben.

  3. Beate sagt:

    … die Lapin- / Hasen-Geschichte finde ich super süss !