Glücklicherweise habe ich Frau Mutti in meiner Instagram-Timeline, die verlässlich bei 12 von 12 mitmacht, und ich erinnere mich, dass ich Fotos machen will. Leider regnet es heute und die Fotos von der Côte d’Azur werden alle ziemlich grau.
Den Blick aus dem Fenster. Kennen Sie schon. Heute in Grau.
Die Milch für den Kaffee steht derzeit im Außenkühlschrank. Glücklicherweise ist es derzeit recht frisch, denn unser Kühlschrank hat uns letzte Woche im Stich gelassen. Ich habe letzten Mittwoch Abend in Windeseile die gerade erst eingefrorene Lammschulter, Lachs und anderes aus den Tiefkühlfächern gebraten und gekocht und Hackfleisch in Sauce Bolognese umgewandelt, was wir dann über mehrere Tage gegessen haben. Trotzdem musste ich vieles wegwerfen. Schwierig, das Leben ohne Kühlschrank. Der neue Kühlschrank kommt heute voraussichtlich zwischen Zehn und Zwölf.
Erstmal aber gibts Frühstück.
Im Küchenschrank unten befindet sich das Katzenfutter. Pepita schwört, dass Monsieur ihr noch nichts gegeben hat. Echt nicht! Er hat es vergessen! Glaubs mir!
Ich lasse mich nicht erweichen, also muss sie selbst die Tür öffnen.
Der neue Kühlschrank kommt schon um kurz nach Zehn! Er ist höher und tiefer als der letzte. Toll! So kann ich Monsieur zu seinen Vormittags-Terminen begleiten. Die Wohnung der Schwiegermutter steht seit ein paar Wochen (wieder) zum Verkauf. Wir haben heute mehrere Besichtigungen. Schlechter Tag. Es regnet und man sieht so das Meer am Horizont nicht blau blitzen, was an Sonnentagen immer eine schöne Überraschung ist. Erstmal warten wir. Ich mache Pfützenfotos.
Und Goldfischfotos
und Himmelsfotos
Nach den Besichtigungen eilen wir wieder nach Hause, Monsieur holt ein gegrilltes Hähnchen beim Metzger, wir haben heute die Enkel zum Essen (Dank der Impfungen wird zumindest das Familienleben wieder normaler!) Dazu gibts Bandnudeln. Vorher gabs eine Scheibe Paté und Karottensalat. Danach lauwarmen Schoko-Pudding aus dem Außenkühlschrank.
Monsieur macht eine kurze Sieste und ich beantworte ein paar Mails (Eine junge Frau möchte ein Foto “des Autors Christine Cazon”; ich bin kurz versucht, sie darauf hinzuweisen, dass ich Autorin sei und lasse es dann. Ich dachte, in der jungen Generation wäre das Gendern total selbstverständlich. Scheint nicht so.) und wir fahren schon wieder los. Drei Termine am Nachmittag. Der erste Interessent versetzt uns, wir rufen ihn an, er entschuldigt sich wortreich und verschiebt den Termin von 15 Uhr auf 17 Uhr. Wieder warten. Den Damen des 16 Uhr-Termins gefällt offensichtlich so manches nicht. Zu laut finden sie den Gärtner im Nachbargrundstück, der tatsächlich gerade mit irgendetwas Krach macht. Das Meer lässt sich im Grau nicht erahnen. Sie sind schneller wieder weg als gedacht.
Das ist das Foto des Tages. X-mal rauf und runter heute. Manchmal im Aufzug. Manchmal zu Fuß.
Wir warten im Auto und ich fühle mich wie ein Polizist, der jemanden beschattet, nur dass ich auf dem Telefon herumtippe. Der 17 Uhr Termin versetzt uns erneut. Poser un lapin, nennt man das auf Französisch. Einen Hasen setzen. Ich lese Erklärungen zu diesem Ausdruck, die ich gleich wieder vergesse. Die Dame um 17.30 Uhr ist nicht wahnsinnig begeistert, aber auch nicht abgeneigt. Wir haben schon viele (darunter auch zunächst sehr begeisterte) Interessenten gesehen und sind etwas nüchterner geworden. Immerhin ist der laute Gärtner nun weg und das Meer ist sichtbar. Kaum sind wir (endlich) auf dem Weg nach Hause, ruft der 17 Uhr Termin an. Wortreiches Geblubber. Termin für Mittwoch. Ich sage nicht, was ich denke, sondern nur höflich, dass wir das kurz vorher nochmal bestätigen. Bien sûr Madame.
Zuhause will ich endlich den Kühlschrank einräumen, aber das Telefon klingelt, der Anrufbeantworter blinkt. Neue Termine wollen bestätigt werden. Jeden Tag geht das so. Dann ruft eine Freundin an, die ihre Zelte an der Côte d’Azur abbrechen wird, um in die Bretagne zu ziehen. Sie hat die Nase voll vom Süden und bereits in der Bretagne ein Haus gekauft. Wir sprechen lange. Dann räume ich meinen neuen Kühlschrank ein. Boah ist der groß! Was für ein Luxus.
Wir essen Reste von mittags. Dann sieht Monsieur einen alten Film und lacht viel. Pepita schläft auf der Sofalehne. Ich schreibe hier.
So war mein Tag. Voll und trotzdem leer und vor allem etwas farblos. Müde bin ich trotzdem sehr. Die anderen 12 von 12er wie immer bei Frau Kännchen. Bonne nuit.
Ich ahnte fast, dass bei der Diskussion um die Lager Monsieur eine Rolle im Hintergrund spielte.
Wenn ich es erwähnen darf: Auch ich konnte erst mal nicht glauben, was ich über die französische Kollaboration lesen konnte.
Der Anstoß ging von dem Buch “Suite française” von Irène Némirovsky aus, dem viele weitere Bücher französischer Autoren folgten, u.a. Léon Werth, dessen “33 Tage” ich erst vor kurzem in die Hand bekam. Man kann die Verrenkungen um die französische Aufarbeitung der Vergangenheit in ihrem Buch ja treffend nachlesen, wobei wir natürlich niemals vergessen, wer die eigentlichen Verbrecher waren.
Sehr berührend fand ich auch die beiden Mottos (Motti?) zu Beginn des Buches und die Darstellung der Konflikte, in die die versteckten jüdischen Kinder gerieten. Alles sehr bewegend.
Dankeschön! Ich liefere gern bei Gelegenheit eine Literaturliste, wenn es Sie (und andere) interessiert.
Gerne! (Wobei ich anmerken muss, mein Französisch ist weniger als rudimentär.)