Glück

Wenn Sie mein “Glücksbuch” gelesen haben, dann wissen Sie, dass es für mich die längste Zeit meines Lebens fast unmöglich war, Glück zu spüren. Das Unglück hingegen schien meins zu sein: Traurigkeit, Schwere, Grübeln, ein Hang zur Depressivität, da kannte ich mich aus, das konnte ich alles gut fühlen. Eine Therapeutin bat mich einmal, das Dunkle, das mich ausfüllte, und von dem ich sprach, zu malen. Ich nahm einen schwarzen Farbstift und malte auf einem Bogen Papier großflächig Schwarz. Ich fügte Schicht um Schicht an Schwärze hinzu und habe damals fast den Bogen Papier durchgemalt, denn die Farbstifte gaben einfach kein so intensives Schwarz, wie ich es zeigen wollte, her. “Es ist nicht Schwarz genug” befand ich schließlich resigniert. Sie habe es trotzdem verstanden, versicherte mir die Therapeutin.

Dass ich heute in Südfrankreich lebe, hat, das ahnen oder wissen Sie, mit der Suche nach Licht zu tun. Ich glaubte, die südliche Sonne würde mich wärmen und durchdringen, und das Leben im Süden würde mir die helle Seite des Lebens, Leichtigkeit, Unbekümmertheit, Freude und letztlich das Glück bringen. War natürlich nicht so. Und selbst Jahre später, obwohl ich objektiv betrachtet ein gutes Leben leb(t)e, um das mich viele beneiden, fühlte ich mich die längste Zeit nicht glücklich. Ich spürte es einfach nicht, das Glück.

Ich will jetzt hier nicht mein ganzes Buch und meine “Glückssuche” wiedergeben, aber es soll Ihnen verdeutlichen, dass “Glück spüren” für mich noch immer etwas Besonderes ist.

An einem Mittwoch, in der Zwischenzeit sind es schon drei Wochen her, waren wir mit mehreren ukrainischen Familien auf der Insel Ste. Marguerite vor Cannes. Wir sind ja Mitglieder eines Vereins “Les amis de l’Ile Ste. Marguerite” und schlugen der Vereinsvorsitzenden vor, einmal einen Ausflug für ukrainische Familien zu organisieren. Wir rannten damit offene Türen ein, sie kannte andere Gastgeber und fand die Idee, uns alle bei einem Picknick-Wander-Schwimm-Ausflug auf der Insel zu vernetzen, großartig; innerhalb nur weniger Tage hatten wir einen Ausflugstermin: mittwochs, weil da die kleinen Kinder nicht zur Schule gehen und die größeren nur vormittags Unterricht haben, den sie dann leichter ausfallen lassen können. Außerdem sollte das Wetter, das gerade etwas wechselhaft war, an besagtem Mittwoch gut sein. Wir fanden uns also um 10 Uhr mit unserer kleinen Familie am Fährableger ein; wir waren alle gut gestimmt, ein Ausflug mit dem Boot, hurrah! Ich war Covid-und Knie-bedingt, schon zwei Jahre nicht mehr auf den Inseln gewesen und freute mich, weil ich wusste, wie schön es dort ist. Der große M. freute sich, weil er nicht zur Schule musste, obwohl es dort gut für ihn läuft.

[Kleiner Schul-Exkurs] Ich war erst nicht so glücklich mit der Wahl dieser Schule, hätte die Kinder lieber in der Grundschule in unserem Viertel gesehen, schon, weil sie näher liegt und auch, weil sie weniger “Brennpunkt”-Schule ist, wie das neulich ein junger Pädagoge freundlich und gänzlich unbeschwert äußerte. “Brennpunkt-Schule”. Da musste ich erstmal schlucken. Ob es eine internationale Schule sei, fragte mich Tetiana an einem der ersten Tage, als wir mit anderen Eltern, Großeltern und anderen Abholberechtigten auf die Kinder warteten und wir so viele, ich zögere hier sehr, wie sagt man? Aus Tetianas Sicht zumindest “andere” Nationalitäten sahen. Nein, sage ich, keine internationale Schule. Es ist die Schule des Stadtviertels, versuche ich zu erklären, das wiederum ein “quartier populaire” ist, was nicht mit dem deutschen “populär” zu verwechseln und als “beliebt” übersetzt werden kann; populaire kommt von “peuple”, dem Volk also, es ist eher ein Arbeiterviertel. Die Schule, um das auch zu sagen, liegt quasi neben einem ehemaligen Fabrikgebäude, einer “Miroiterie”, man stellte dort Spiegel her, die aber schon lange als Moschee umgenutzt wird.

“Man sieht diesem Viertel noch die einfache Herkunft von Cannes an. Niedrige Häuschen mit kleinen Innenhöfen drängen sich an manchen Stellen noch aneinander. An anderen Stellen sind sie schon großen, mehrstöckigen Wohnhäusern mit ausladenden Balkons gewichen, die aber auch schon in die Jahre gekommen sind. Das hintere Ende der kleinen Straße sah lange Zeit etwas schmuddelig aus, Autowerkstätten und leerstehende große Hallen zeugen von einer früheren Gewerbetätigkeit. […] Die Stadt hatte die alten Gebäude erworben und sie teilweise abgerissen: Das Viertel sollte aufgewertet werden, mit einem großen Parkplatz und Grünanlagen, mit kleinen geschwungenen Wegen, die zu den höher gelegenen Straßen und zur Kindertagesstätte führten. […] Und schon war in eine der leerstehenden Hallen eine Tanzschule eingezogen.” Ich zitiere mich hier übrigens selbst aus dem 4. Fall meines Krimis “Endstation Côte d’Azur”; ich schicke meinen Commissaire ja gerne in unbekanntere Ecken von Cannes. Jetzt stehen wir also in genau diesem Viertel, das immer noch ein Arbeiterviertel, und damit eben auch Einwandererviertel ist, vor der Grundschule. Tatsächlich gibt es in der Klasse des kleinen M. nur zwei helle, blonde Kinder, eines davon ist der kleine M. aus der Ukraine.

“Brennpunktschule”, das trifft mich dann doch. Ich begann, die Schule gegenüber dem noch sehr jungen Pädagogen, der als Deutschlehrer überwiegend an katholischen Privatschulen eingesetzt wird, zu verteidigen. Sicher, in der kleinen Grundschule wird kein Deutsch gelehrt, Deutsch ist in Frankreich sowieso auf dem absteigenden Ast, wenn ich das mal so salopp sagen darf, auch an katholischen Privatschulen gibt es mit Ach und Krach höchstens eine Deutsch-Klasse. Hier wird aber nicht mal Englisch in der folgenden Klassenstufe angeboten, stattdessen Arabisch oder Portugiesisch, aber ich verteidige die Schule dennoch, denn die Lehrerinnen, die Direktorin, auch die Schüler und Schülerinnen sind super lieb mit den beiden Ms. Die Lehrerin des großen M. gibt ihm jeden Tag eine Stunde privaten Französisch-Sprachunterricht und sie hat ihn bereits für das kommende Schuljahr in die nächste Klasse versetzen lassen. Die Direktorin bemüht sich um eine Lösung, ihm Englischunterricht zu ermöglichen, damit er mit dem in der Ukraine begonnenen Englisch weitermachen kann. Es gab originelle Möglichkeiten, beide Kinder bei der Schultheater-Aufführung mitwirken zu lassen (Tanzen statt Sprechen). Und beide Ms sind in ihren Klassen integriert, des großen Ms bester Freund ist Pablo, der spanische Wurzeln hat. Alle sind dort also wirklich sehr lieb, sehr bemüht und das finde ich toll! [Schul-Exkurs Ende]

Zurück zum Ausflug: Der kleine M. freute sich, weil er sich überhaupt über alles freut, weil das ganze Leben noch neu und abenteuerlich ist. Ich musste zwischendurch an den Film Das Leben ist schön denken, an Roberto Benigni, in der Rolle des Vaters, der seinem kleinen Sohn vormacht, dass das Konzentrationslager nur ein großes Abenteuerspiel sei. Wenn ich den kleinen M. sehe, und vor allem, wenn ich mir die TV-Serien ansehe, die es derzeit gibt, Koh-Lanta heißt etwa eine französische Serie, in der die Teilnehmer auf einer mehr oder weniger unwirtlichen Insel manchmal tagelang nur eine Handvoll Reis zu essen haben und aberwitzige Situationen durchstehen müssen, etwa, so lange wie möglich auf einem senkrecht stehenden Baumstamm im Meer ausharren, dann kommt mir der Film und der Versuch des Vaters, seinem Sohn das Konzentrationslager als Spiel zu verkaufen, gar nicht mehr so absurd vor.

Unser Insel-Abenteuer aber war ausschließlich heiter. Zunächst setzten wir über auf Ste. Marguerite und ließen uns auf der Fähre vom Wind durchwehen, sahen Cannes kleiner und die Insel größer werden und rauschten auf dem offenen Meer an weißen Segelbooten vorbei, und schon sind wir da. Wir schleppten Kühltaschen und Rucksäcke zum kleinen Vereins-Cabanon, einem Hüttchen, nicht weit vom Anlegesteg. Erst jetzt treffen alle Familien und ihre Gastgeber aufeinander. Wir stellen uns vor und erleben fast sofort einen Coup de foudre, einen “Blitzschlag”, meint, einen “Liebe-auf-den-ersten-Blick”-Moment. Der kleine M. (4) und ein ebenso kleiner Junge H. (5) entdeckten sich und fielen sich fast in die Arme: ENDLICH einer in ihrem Alter, der die gleiche Sprache spricht! Beide kleine Jungs waren für den Rest des Tages unzertrennlich, sie rannten zusammen herum, warfen einträchtig Steine ins Meer, fanden gemeinsam Stöcke, die wie Maschinenpistolen aussahen und schossen damit unsichtbare Feinde tot. Sie plapperten und lachten, später beim Essen saßen sie am Tisch zusammen und umarmten sich zwischendurch wie alte Freunde, die sich lange Jahre aus den Augen verloren hatten. Es war sehr rührend. Der große M. (10) und die anderen Kinder, drei Mädchen (2, 7 und 13 Jahre) fanden sich nicht ganz so leicht zusammen. Die Mütter auch nur zögerlich. Nur weil man in etwa die gleiche Situation lebt, muss man sich nicht sofort und vielleicht auch gar nicht sympathisch finden. Drei unterschiedliche Schicksale, zwei der Frauen haben ihre Männer, die Mädchen ihre Väter verloren. Alle drei Mütter mit ihren Kindern leben bei nur einem französischen “Gastgeber”paar, das zunächst nur vier Personen aufnehmen wollte, aber letzten Endes die dritte 3-Personen-Familie auch noch nahm. So bilden neun Personen eine Wohngemeinschaft in einer, zugegeben, sehr großen Wohnung in einer schicken Appartmentanlage, wo allerdings die Nachbarn über den unerwarteten Zuzug von drei sehr lebendigen kleinen Kindern nicht allzu begeistert sind. Es hagelt Beschwerden von allen Seiten. Erschwerend kommt hinzu, dass die drei Frauen und alle Kinder bislang kein einziges Wort Französisch sprechen, wozu auch, sie wollen alle so schnell wie möglich wieder zurück; in der Zwischenzeit gibt es dieselben Themen wie bei uns: Schule, Krankheiten, Behörden. Darum kümmert sich vor allem er, um das Essen (Einkaufen, Kochen) und den Haushalt kümmert sie sich. Auf lange Sicht wird es dort so vielleicht nicht funktionieren. Das Gastgeberpaar (Mitte 70), bei allem vom Herzen getragenen Engagement, ist manchmal erschöpft.

Wir machten zunächst gemeinsam eine Runde um den Westzipfel, den, wie ich finde, schönsten Teil der Insel, wir Gastgeber tauschten uns aus, die jungen Frauen fanden sich zusammen, die Kinder warfen begeistert Steine ins Wasser, setzten ein Plastikschiffchen in die Wellen und balancierten auf den Klippen. Später bereiteten wir ein Picknick vor und saßen an einem langen Tisch zusammen; alle haben etwas beigetragen, Tetianas belegte weiche Weißbrötchen sind als erstes verschwunden, sie scheinen den Kindern am vertrautesten zu sein, sie schmausten sie mit vollen Backen. Mein Schokoladenkuchen (Fondant au chocolat) am Ende findet aber ebenso reißenden Absatz. Dazwischen gibt es Salate, salzige Tartes, Aufschnittplatten und Pizza vom nahen Insel-Restaurant.

Die Jungs rannten schon wieder mit Stöcken im Häuserkampf um die kleinen Cabanons, die kleinen Mädchen schwirrten ebenfalls herum. Nur der große M. saß alleine auf einem Steinbänkchen und guckte aufs Meer. Ob er traumatisiert sei, fragte mich der französische Gastgeber sorgenvoll. “Nein”, beruhigte ich ihn, es sei alles in Ordnung (soweit man das sagen kann). Aber warum er denn nicht mit den anderen Kindern spiele, wunderte sich der Gastgeber weiter. Das sei doch nicht normal, findet er. Nun, ich finde es ganz normal, die Kleinen sind ihm zu klein, die Dreizehnjährige zu “erwachsen”, also bleibt er für sich, erkläre ich achselzuckend. Ist schade, dass kein Kind in seinem Alter dabei ist, aber auch nicht weiter schlimm, finde ich. Aber der Gastgeber gab seine Einschätzung jetzt an die anderen Franzosen weiter. Alle sahen zu M. und nickten ernst. Er ist bestimmt traumatisiert! Vielleicht braucht er psychologische Betreuung, schlug man mir wohlmeinend vor. Herrjeh. Ein Kind, das nicht sofort “sozialisiert” und mit den anderen Kindern spielt, hat in den Augen der Franzosen ein Problem. Der Sohn einer tschechischen Freundin, seinerzeit ein stiller Junge, der gerne Schach spielte, wurde bei einem Schüleraustausch von seiner französischen Gastfamilie als “therapiebedürftig” eingestuft, nur weil er nicht dieses französische Sozial-Gen verinnerlicht hatte. Französische Kinder werden hier von klein auf in Gruppen gesteckt, und “sich dort sofort Freunde zu machen” ist das Wichtigste überhaupt. In der Schule gibt es keinen festen Klassenverband über mehrere Jahre hinweg, wie ich das zumindest aus meiner Schulzeit aus Deutschland kenne, sondern jedes Jahr wird bewusst alles wieder durcheinandergewürfelt. Sich in der neuen Klasse zurecht und schnell Freunde zu finden, ist jedes Schuljahr wieder eine (von der Schule und Gesellschaft gewollte) kleine Herausforderung. Dass der tschechische Junge etwas weniger sozial-aktiv war, machte ihn suspekt. Irgendwas musste mit ihm nicht stimmen. Der Schüleraustausch wurde dann abgebrochen, seine Mutter war mit dem Besuch beim Psychologen, den die französische Gastfamilie dringlich forderte, nicht einverstanden. Dann könnte sie ihn keinesfalls die unglaublich lange Zeit von einer weiteren Woche behalten, befand die französische Familie. Daran musste ich denken, als die Franzosen den großen M. sorgenvoll betrachteten. Glücklicherweise verstand Tetiana das alles nicht und der große M. schaute, vollkommen unbehelligt von der Traumatismus-Debatte, weiterhin aufs Meer.

Nach dem Essen umrundeten alle außer Monsieur und mir die Insel, sie erklommen das Fort und besuchten das Museum des Mannes mit der Eisernen Maske. Sie wollten zum Schluss auf der Südseite der Insel schwimmen gehen, was sie dann aber nicht konnten, “wegen der Bäume”, erklärte mir Tetiana später. “Welche Bäume?” “Die kleinen Bäume im Wasser.” Ich verstehe es immer noch nicht. “Der Wald im Wasser” findet sie ein anderes Wort und macht eine wogende Geste mit der Hand. Ah! Die Posidonie! Keine Algen, sondern Neptungras wächst dort und die Kinder trauten sich nicht, dort ins Wasser zu gehen oder darüber hinweg zu schwimmen.

Monsieur und ich waren vormittags schon genug gelaufen, ich wollte meine Knie nicht überfordern, ich war zum ersten Mal nach genau einem Jahr (und dank einer erneuten Kortisonspritze) ohne Gehhilfe und ohne Schmerzen überhaupt so weit gegangen! Wir zogen uns zu einer Sieste wieder in den Westteil der Insel zurück. Dort dösten wir im Halbschatten, sahen auf das türkisfarbene Meer mit den weißen Booten, gingen immer mal Schwimmen im glasklaren, nicht allzu tiefen und daher nicht allzu kalten Wasser, ließen uns von der Sonne trocknen und wärmen. Nur wenige Menschen waren da, an diesem Mittwoch Nachmittag. Was für ein Luxus, und dann noch an einem normalen Wochentag, hier sein zu können.

Ich genoss den Moment zutiefst und war tatsächlich nur im Hier und Jetzt und nicht gedanklich irgendwo anders, dachte nicht an das, was ich alles machen müsste, ich war einfach nur da. Ich war so erfüllt und dankbar, dass ich tatsächlich etwa drei Kilometer gelaufen war, und dass ich überhaupt hier sein konnte an diesem unglaublich schönen Ort, umgeben von so viel Blau, so still und friedlich, die Wellen plätscherten leise ans Ufer, wie wundervoll.

Eine Freundin rief an, “wie gehts?”, fragte sie, wie man das hier immer fragt. Ich versuchte, zu erklären, was ich fühlte. “Euphorisch” vermutete mich die Freundin am Ende meiner Ausführungen, aber nein, ich war nicht euphorisch, ich war tief durchdrungen von Dankbarkeit und Glück. Boah!

Ich sammelte ein bisschen Müll, aber auch da gab es, zu meiner großen Freude, nur wenig zu finden, vielleicht auch, weil die Saison noch nicht wirklich begonnen hat.

Wir nahmen das letzte Boot zurück und sahen auf der Überfahrt nun die Insel im rosafarbenen Abendlicht kleiner und Cannes wieder größer werden. Wieder an Land wurden Telefonnummern und französische Küsschen ausgetauscht. Der kleine H. küsste im Überschwang den kleinen M., aber dem war diese Küsserei jetzt doch zu viel, und er wischte sich zumindest Hs Kuss energisch wieder von der Backe.

Der große M. und die dreizehnjährige N. hätten sich auf dem Insel-Spaziergang dann doch angenähert, berichtet mit der Gastgeber vertraulich und sichtbar erleichtert. Sie seien zusammen gelaufen, hätten sich unterhalten und sogar gelacht! Es sei alles gut, versichert er mir, ich müsse mir keine Sorgen machen. Na, da bin ich aber froh.

Später warteten wir auf den Bus, der müde gerannte kleine M. jammerte unzufrieden herum, weil er sich irgendwohin setzen wollte, aber es keinen Platz gab. Kurzerhand hob ich ihn auf ein hohes schmales Mäuerchen und blieb vorsichtshalber neben ihm stehen. Etwa dreißig Sekunden lang fand er das toll da oben, dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck. “Tu veux descendre?” fragte ich ihn. Willst du runter? “Oui”, sagte er. Ich konnte gar nicht glauben, dass er mich verstanden hat und fragte noch einmal nach. “Tu veux descendre?” “OUI!”, antwortete er jetzt eindringlich und sah mich mit einem vorwurfsvollen “Das habe ich doch eben schon gesagt-Blick!” an. Na sowas! Ich holte ihn von der Mauer und setzte ihn auf die Knie von Monsieur, der nun auf dem Bushaltestellen-Wartebänkchen einen Platz gefunden hatte. Monsieur lehnte sich müde an die Rückwand der Haltestelle, der kleine M. lehnte sich müde an Monsieurs Bauch.

Was für ein Tag!

ps: weil ich es vermutlich nicht schaffe, rechtzeitig noch einen anderen Text zu schreiben, hier der Hinweis in eigener Sache:

Heute!!! gerade erfahren, dass es sogar HEUTE schon ist, jetzt gleich im ZDF, in der Sendung Hallo Deutschland, gibt es einen kleinen Beitrag über mich, Monsieur und Cannes (jenseits der Inseln). Uiuiui, wir sind so gespannt! (ab Minute 23:30)

Und hier ist der Link ausgekoppelt

pps: ich entschuldige mich für die vielen Präsens- und Vergangenheit-Uneinheitlichkeiten. Ich habe den Text vor knapp drei Wochen im Präsens begonnen, fand es jetzt aber nicht mehr passend und änderte es; vermutlich hätte es aber niemanden gestört, es hätte den Text nur lebendiger gemacht. Tant pis, wie der Franzose sagt, jetzt ist es so.

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20 Responses to Glück

  1. Beate sagt:

    Habe Sie heute zufällig im Fernsehen gesehen bei Hallo Deutschland, ZDF. Große Freude! Sehr sympathisch, habe ich nicht anders erwartet🤗.

    Seit Jahren bin ich Ihre treue Leserin, auch wenn ich meist still aber so gern Ihren Blog lese. Den heutigen Eintrag spare ich mir noch auf als Bettlektüre.

    Herzliche Grüße schickt
    Beate aus dem Nordschwarzwald

  2. Monika sagt:

    Sehr schön Ihre Stimme zu hören Christjann :-). Und vielen Dank für den schönen Bericht über den Ausflug, man hätte fast gern dabeisein wollen.

  3. Silvia Witschi sagt:

    So einen tollen Beitrag!
    Ich danke Ihnen herzlich dafür. Ich wünsche Ihnen weiterhin freudige Erlebnisse die Ihr Leben leichter machen.
    Ich grüsse Sie herzlich und freue mich auf weitere interessante Blogeinträge
    Silvia

    • dreher sagt:

      Dankeschön, liebe Silvia! Herzliche Grüße zurück, freue mich, wenn Sie hier (immer mal wieder) reinschauen!

  4. Ursula Weber sagt:

    Vielen Dank, liebe Christiane, für den interessanten Bericht und die schönen Fotos.
    Es ist so schön, von Dir – und Deinem Glücksgefühl – zu hören (und Dich in “hallo deutschland” zu sehen und interessiert zu lauschen).
    Danke❣️❣️❣️
    Liebe Grüße U.

  5. Trulla sagt:

    Mir ist klar, wie viel Sie leisten, um Ihren Gästen, die nicht wissen, ob und wie sie ihre Heimat einmal wiedersehen werden, das Exil so schön wie nur möglich zu gestalten.
    Und wie dieser Krieg auch eines Tages enden mag, die Kinder sind immer die Hoffnung und die Chance, die Erinnerungen an freundliche Menschen anderer Nation in ihren Herzen zu verankern und die Zukunft danach zu gestalten.
    Deshalb möchte ich Ihnen persönlich Dank sagen – Sie handeln für uns alle!

    Ich bin sehr froh, berichten zu können, dass auch einer meiner Söhne, selbst Vater von drei Kindern, mit entsprechenden räumlichen und sonstigen Möglichkeiten, zwei junge Menschen aus der Ukraine in seine Familie aufgenommen hat. Beide haben vor ihrer Flucht vier ganz schlimme Wochen hinter sich bringen müssen, die sie nun auf sehr kluge Weise versuchen zu verarbeiten.
    Das Zusammenleben gestaltet sich – immerhin schon seit einigenWochen – ausgesprochen positiv.

    • dreher sagt:

      Das ist toll, liebe Trulla! Ich gebe den Dank an Ihren Sohn weiter! Ich stimme Ihnen zu, dass die Kinder unsere Hoffnung und Chance sind, und ja, ich wünsche mir auch, dass der Exilaufenthalt ihnen (auch) positiv im Gedächtnis bleiben wird.
      Es ist bisweilen anstrengend, immer weniger, weil Tetiana wirklich selbständig sein will und sich sehr darum bemüht Französisch zu lernen. Und wir leben ja nicht in einer Wohnung zusammen, was sicherlich für alle Beteiligten nochmal eine andere Herausforderung ist.
      Ich war anfangs erstaunt, wie sehr mich das, was ich tue, selbst beflügelte. Auch das ist etwas ruhiger geworden, aber Gutes-Tun wirkt zurück! Das ist eine schöne Erkenntnis!

  6. Marion sagt:

    Ach Christiane – sehr, sehr schöner Beitrag und TV-Beitrag. Du kannst stolz auf Dich sein. Auch schön, dass es den Knien besser geht.

    • dreher sagt:

      Danke liebe Marion! Ich bin auch ganz froh mit dem TV-Beitrag!
      Und die Knie, das ist noch nicht top, aber schon sooo eine Erleichterung!
      Liebe Grüße!

  7. Anka sagt:

    Ein gelungener Bericht im ZDF und noch schöner den GLÜCKsbericht über den Ausflug zu lesen!

    Danke! ♥
    Liebe Grüße!
    FrAnka

  8. Sunni sagt:

    Oh, wie schön! Der Ausflug, das Glück und dann noch Ihr Beitrag in dem TV Ausschnitt. Das freut mich sehr. Und Sie wirken glücklich, von innen heraus, wenn man das so sagen darf. Möge es lange anhalten, das Glück und das gute Gefühl. Irgendwann gehen wir einmal zusammen auf den Markt, Käse kaufen…Vielleicht….Leider hier im Moment sehr belastend und traurig. Herzlichst, Sunni

    • dreher sagt:

      Liebe Sunni, es tut mir so sehr leid. Es gibt da auch keine Worte, die trösten können.
      Ich denke an Sie.
      Seien Sie behütet.
      Von Herzen
      Christiane

  9. Pingback: Währenddessen in den Blogs, Ausgabe 29.5.2022 – Buddenbohm & Söhne

  10. Rina sagt:

    Nur ein Hinweis auf das faire des amis, Freunde machen, ich kenn es eher umgekehrt (und finde das auch anstrengend fuer Kinder, die in einer nicht ganz passenden Klasse gelandet sind), meine 4 Kinder sind jeweils in ihrer Klasse zusammengeblieben von der maternelle bis zum Ende der école primaire. Erst auf dem collège hat es sich dann einwenig zugelockert und es kamen andere Kinder dazu.

    • dreher sagt:

      Da haben Sie vermutlich Recht; ich erinnere mich nicht mehr, wie es bei meinen “angeheirateten” Enkeln in der Grundschule war. Die sind aktuell 16 und 18 und wurden ab dem Collège jedes Jahr in andere Klassensituationen geschubst, was dem Enkel kein Problem verursachte, der Enkelin umso mehr. Der Enkel hat sich in jeder Klasse “Freunde gemacht” und hat eine große Clique um sich, die Enkelin, eher der Typ “beste Freundin”, wurde immer einsamer.

      • Marion sagt:

        Kann SOOO gut verstehen, wie es Deiner Enkelin ging… Mir ging es so später durch wechselnde Jobs bzw. bei einem AG, wo jedes Jahr (!) die Arbeitsgruppen neu formiert wurden incl. neuem (teils sehr schwierigem) Vorgesetzten, und obwohl die Arbeit die gleiche blieb, war es SO erschöpfend, und Verständnis bekam ich keins (gibt Leute, die finden das gut – such’ Dir doch einen Mann! 😩 ). Und die letzte Vorgesetzte war so link, dass ich den Job gekündigt habe, und nach D zurückgegangen bin, obwohl ich das eigentlich nicht wollte. Ich kann heute sagen, die haben mein Leben zerstört. Nicht lustig. Zum Glück kannte ich das aus Schulzeiten auch anders, aber vielleicht wird man im statischen D nicht genug zur Flexibilität erzogen, um so etwas später auszuhalten, aber natürlich ist es auch Charaktersache.

        • dreher sagt:

          Das tut mir sehr leid, Marion.

          Die Kinder (beide) haben hier schon hohe soziale Kompetenzen und kommen in allen Gruppen (Sport, Schule, Schüleraustausch) gut zurecht. Das ist schon bemerkenswert.
          Der Junge ist aber ein Cliquen-typ und immer umgeben von Freunden, das Mädchen sucht eine “beste Freundin” – die sie mehrfach “verloren” hat (auch durch Umzug des Mädchens).

          Vom Monsieurs erwachsenem Sohn weiß ich, dass in seinem Job auch alle und alles ständig wechseln. Er ist auch mal mehr, mal weniger zufrieden, hat auch schon zweimal gekündigt, im nächsten Job ist es aber das gleiche Spiel — scheint hier so zu sein, und es ist wohl gut, wenn man diese Flexibilität gelernt hat.

          Liebe Grüße!