Catania

Möglicherweise erinnern Sie sich nicht, aber im Prinzip schulde ich Ihnen noch Catania – die letzte Station auf unserem kleinen Äolischen-Insel-Urlaub vom letzten Jahr, das ist schon acht Monate her, meine Güte, ich werde es vielleicht später anders datieren, damit es zeitlich am richtigen Ort steht, aber zunächst finden Sie es mal hier.

Catania. Ich war sehr schockiert, muss ich sagen, wir kamen von den traumhaft schönen Inselchen Stromboli, Salina und Lipari jede ein kleines Paradies, wo wir bis zum Horizont Meer und Himmel sahen, in einen grauen Moloch mit dunklen Straßenschluchten. Ich habe gerade nochmal die Geschichte der Stadt nachgelesen: Piratenüberfälle, Erdbeben, Vulkanausbrüche – die Stadt wurde im 17. Jahrhundert fast vollständig zerstört, und dann im barocken Stil wiederaufgebaut, und zwar mit dem was man hatte, nämlich Lavagestein; das ist grau und schwarz und so sieht die Stadt bis heute aus (es gab nochmal Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg, es macht die Sache nicht besser), und wird daher auch als die “schwarze Tochter des Ätna” bezeichnet. Unser Taxifahrer verfuhr sich zunächst in ein paar dieser dunklen schmalen Straßen mit hohen düsteren Häusern mit teilweise vergitterten Fenstern und voller Grafitti. Auch der Barockpalast, in dem sich in den zwei oberen Etagen das Hotel befindet, wirkte auf den ersten Blick nicht besonders einladend. Wo sind wir nur gelandet, dachte ich.

Der Blick aus dem Hotelzimmer begeisterte mich, trotz Himmel, auch nur bedingt.

Nun gut. Es war Nachmittag, wir hatten einen Abend, eine Nacht und noch fast den ganzen folgenden Tag in dieser Stadt zur Verfügung. Monsieur hatte Hunger, die Überfahrt war aufgrund des hohen Wellengangs stark verlangsamt worden, der Taxifahrer hatte am Hafen in Milazzo schon ungeduldig über eine Stunde auf uns gewartet, um uns nach Catania zu fahren, es war keine Zeit, um irgendwo schnell ein Sandwich zu kaufen. Mit hängendem Magen suchten wir zu einer sehr untypischen Zeit, wie die besten Touristen, etwas zu Essen und fanden ein kleines Bistro, in dem man uns zwar kein richtiges Essen aber einen üppigen “Apéritivo” servieren konnte, mit Schinken und Salami, Oliven und öliger Focaccia. Passte. Der Kellner war supernett, freute sich, dass er mit uns sein Französisch wiederbeleben konnte. Es fing also doch gar nicht so schlecht an. Wir schlenderten durch die Gegend,

und besuchten den Dom St. Agata; die Heilige Agathe, die Schutzheilige von Catania, ist dort beerdigt;

irgendwie kam mir die Geschichte der Heiligen Agathe vertraut vor: Eine fromme junge Frau, die den Heiratsantrag eines heidnischen römischen Statthalters ablehnte, woraufhin er sie zunächst in ein Freudenhaus verschleppen ließ, als sie ihn dann ein paar Wochen später aber immer noch nicht wollte, ließ er sie foltern und ihr die Brüste abschneiden. Wo hatte ich das schonmal gelesen? Es fällt mir erst am nächsten Tag ein – in einem meiner eigenen Krimis nämlich. Ich habe für den 5. Kriminalroman das fiktive Dorf Ste. Agathe geschaffen und mich damals schon einmal mit der Geschichte der Heiligen Agathe beschäftigt. Die Heilige Agathe mit ihren abgeschnittenen Brüsten verfolgte uns in Catania auf Schritt und Tritt: die “minne di St. Agata”, “Nonnenbrüstchen”, eine Süßigkeit, die es in jedem Café und in der Auslage jeder Patisserie gibt. Bisschen schrecklich finde ich das. Ich schaffte es auch erst am Flughafen, eine dieser “minne” zu essen. Sehr süß irgendwie. An mehr kann ich mich nicht erinnern.

Am Abend gingen wir in das Restaurant “l’Horloge”, von dem uns der Direktor unseres letzten Hotels auf Lipari vorgeschwärmt hatte. Wie unglaublich günstig unser Hotel in Catania liegt, wird uns erst im Laufe der Zeit bewusst. Alles ist fußläufig zu machen, sogar dieses Restaurant liegt nicht sehr weit entfernt. Wir laufen durch ein paar Straßen, in denen irgendein Nachbarschaftsfest stattfindet, es ist sehr lebendig, die Straßen sind mit Lämpchen dekoriert, es gibt Streetart und das Viertel wirkt nun gar nicht mehr so düster, wie es mir anfangs schien.

Das von uns gesuchte Restaurant liegt in einer ebenfalls mit Lämpchen dekorierten Restaurantstraße, es ist laut, es ist voll, man schlängelt sich zwischen Menschen und Tischen hindurch, die überall vor und rund um die Lokale stehen (die Menschen und die Tische ;-) ). Vermutlich ist es egal, welches Restaurant man wählt. Die Menükarten sehen überall ähnlich aus und das Publikum ist überall jung, gut gelaunt und hipp.

Wir passen altermäßig nicht so ganz, werden aber total nett begrüßt und bekommen sogar, obwohl wir nicht reserviert haben, den letzten freien Tisch. Ich aß Nudeln mit Pistazienpesto, da ham wirs wieder, die Pistazien, Monsieur aß vielleicht Carbonara, ich weiß es nicht mehr ganz sicher.

Und auf dem Rückweg sah ich erstmals die allerliebste, wenn auch schon etwas ramponierte angeleuchtete Regenschirmdeko um einen Kiosk.

Am nächsten Morgen bekamen wir Frühstück auf der kleinen Dachterrasse des Hotels, die so klein ist, dass man sich ein Frühstücks-Zeitfenster buchen musste. Wir hatten ganz früh gebucht und ich daher ausreichend Zeit, über, oder besser inmitten der Dächer von Catania zwei leckere Cappuccini zu genießen.

Anschließend gingen wir zum Fischmarkt. Es war noch so früh, dass überall geputzt wurde. Am Fischmarkt dann wildes Stimmengewirr, viel Fisch, viel Blut, und nur Männer.

Dann besichtigten wir ein römisches Theater, das heute mitten in der Wohnbebauung liegt und von außen fast nicht zu erkennen ist. Auch hier wurde noch geputzt und für die im Denkmal herumliegenden Katzen schüttete der aufsichtführende Herr allen Ernstes Futter in die Vertiefung einer römischen Säule.

Wir schlenderten durch die Stadt, gingen in eine Buchhandlung und in ein paar Klamottenläden – ich war von einem Plakat angezogen, das auf ein Museum für Gegenwartskunst hinweist, aber erst mussten wir Mittagessen.

Das taten wir wieder am Fischmarkt, um den herum auch zig Restaurants liegen. Wir aßen unter bunten Regenschirmen frischesten frittierten Fisch.

Danach machte Monsieur eine Pause und ich suchte erneut das Museum und irrte nun im Straßengewirr herum.

Als ich schon fast aufgeben wollte, stand ich plötzlich davor. Ein kleines privates Kunstmuseum, das von zwei jungen und ganz reizenden Menschen geleitet wurde, wenn ich es richtig verstanden habe. Ich war sehr begeistert von der Ausstellung, die auschließlich Frauenporträts und -skulpturen zeigte, oder sagen wir, es ging um die Bandbreite zwischen Feminität und Feminismus: Verletzlichkeit, Jungfräulichkeit, Muttersein, Alter, Liebe, Sexualität aber auch sexueller Missbrauch und Gewalt, Frauen-Freundschaft, Stolz, Freiheit und Selbstbestimmtheit. Es wundert nicht, dass St. Agata auch wieder vertreten war. Ich habe nur eine kleine Auswahl der eher “heiteren” Bilder und Plastiken dokumentiert, das ist mir aber erst zuhause aufgefallen.

Es war eine erstaunliche Fülle an Kunst in diesem kleinen verwinkelten Haus, schön präsentiert, gut ausgeleuchtet. Eine echte Entdeckung! Im winzigen Museumsladen erstand ich originelle Ohrringe, die von der jungen Frau, die das Museum leitet, in einem aufwändigen Prozess aus verschiedenen Schichten Plastik geschaffen wurden. Ganz konnte ich der Erklärung nicht folgen, aber sie sind auch ein Kunstwerk, so viel habe ich verstanden, und ich liebe sie! (ich hatte auch noch ein Paar in Rot, aber da habe ich leider schon einen verloren.)

Auf dem Rückweg zum Hotel fand ich den Gatten lesend in einem Straßencafé, wir tranken noch einen Espresso und erzählten uns unsere jeweiligen Entdeckungen. Catania kam mir am Ende gar nicht mehr grau und unfreundlich vor. Am späten Nachmittag gings weiter an den Flughafen und zurück nach Hause.

Ciao Sicilia! Arrivederci!

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein abgelegt und mit , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

6 Responses to Catania

  1. Marion sagt:

    Und neben den abgeschnittenen Brüstchen liegen gleich die abgeschnittenen Penisse 😁. Also, da könnte ich auch nicht so herzhaft reinbeißen… Ansonsten sieht es nach einem gelungenen Abschluss Eurer schönen kleinen Reise aus.

  2. Ursula Weber sagt:

    Danke für den interessanten Reisebericht und die vielen schönen Bilder ❣️
    Aparte Ohringe👏👌
    Herzliche Grüße U.