Die Renten, der Streik und das Meer

Was ist denn da los in Frankreich?, werde ich mal wieder gefragt. Sie hören mich seufzen. Frankreich eben. Ich dachte, ich schaue mal eben die Veröffentlichungen all der von mir auf irgendwelchen Plattformen abonnierten Französinnen an, die einen Bezug zu Deutschland haben, eine wird es vielleicht erklären und ich hänge mich dran. Aber nein, die Lehrerinnen erklären uns das deutsche Pfandsystem oder wie man sich in beiden Sprachen zum Geburtstag gratuliert, andere zeigen Bilder vom Markt, denn hurrah, es gibt die ersten Erdbeeren, und sie geben uns Rezepte für Hühnersuppe oder einen Pistazienflan. Wieder andere zeigen uns Urlaubsfotos aus dem Elsass. Auch die Deutschen, die in Paris leben und doch mittendrin sind im Müllchaos und den Demos, zeigen sich schweigend und am PC tippend oder schicken Audrey Hepburn vor, die “Good Morning” aus Paris wünscht. Rückzug ins Private allüberall. Und ich solls jetzt erklären?

Es geht um die Rentenreform, die Präsident Macron jetzt mithilfe des Artikels 49.3 der Verfassung durchgesetzt hat, weil er, obwohl alle an der Reform herumgeschrieben haben, letzten Endes im Parlament doch keine Mehrheit dafür bekommen hat. So viel wissen Sie vermutlich auch schon aus der Tagesschau. (Hier ein nicht ganz kurzer, aber anschaulicher Text zur französischen Politik mit dem Artikel 49.3) Auch die Konservativen, die die Rentenreform ursprünglich mal gefordert haben, haben jetzt dagegen gestimmt, weil die Reform in der Bevölkerung so unpopulär ist, niemand will bis 64 arbeiten (derzeit liegt das Rentenalter bei 62), und man will ja wiedergewählt werden, also besser man hat das Volk nicht gegen sich. Und jetzt geht das Volk, das sich ungehört fühlt, auf die Straße, wie das hier so üblich ist. Es wird demonstriert, dass es kracht. Gewalt auf allen Seiten. Gestreikt wird auch, klar; gerade werden mal wieder die Raffinerien blockiert, sodass es, wie zur besten Gelbwesten-Zeit, an vielen Orten schon wieder kein Benzin an den Tankstellen gibt. Wir leben in der touristischen Stadt ja eher provinziell vor uns hin, die Gewalt kommt nur durch den Fernseher bei uns an, hier wird (bislang) nicht (gewalttätig) demonstriert, zumindest nicht, dass ich wüsste, und noch gibt es Benzin, wir haben heute morgen aber auch vorsichtshalber getankt, wir brauchen das Auto nicht täglich, aber am Mittwoch früh will ich nach Deutschland fliegen, und ob Züge oder Busse zum Flughafen fahren, ist unsicher. Die deutsche Fluglinie wird dann wohl hoffentlich starten. Ein Grund warum ich nie mit AirFrance fliege ist die hohe Streikfrequenz ihrer Mitarbeiter.

Ich verlinke Ihnen mal den Text von Annika Joeres aus der ZEIT, der zwar von Ende Januar stammt und somit noch von vor der umgesetzten Rentenreform, aber dennoch die brodelnde Stimmung wiedergibt und auch einiges erklärt.

Heute beginnen in Frankreich die schriftlichen Abiturprüfungen, los gehts mit Mathe, die angeheiratete Enkelin ist kurz vor 14 Uhr erstaunlich munter losgezogen. Morgen Nachmittag dann Bio. Tatsächlich sind aber auch Lehrer im Streik, die an manchen Orten die Abiturprüfungen nicht beaufsichtigen wollen. Es gibt erstmals sogar eine Ausnahmeregelung für die Schüler, die aufgrund von Streiks zu spät zur Abiprüfung kommen könnten. Sie dürfen die eventuell verlorene Zeit dranhängen.

Rückzug ins Private: Am Samstag war ich zum ersten Mal mit den Füßen im Meer, wäre es nicht so windig und die Wellen nicht so hoch gewesen, hätte ich einen kleinen Hüpfer ins Meer vielleicht gewagt. Soo kalt war es nämlich nicht.

Ich schwimme aber immer noch im Hallenbad, langsam kenne ich die anderen Damen, die dort ebenso regelmäßig Bahnen ziehen. Man grüßt sich und nickt und lächelt sich von Bahn zu Bahn zu. Ich habe jetzt eine “chronometrierte” Karte, damit habe ich also nicht 20 zeitlich unbegrenzte Eintritte, sondern eine Karte für zwanzig Stunden gekauft, die deutlich günstiger ist, und die für die junge Seniorin nochmal weniger kostet. Allerdings ist es jetzt eine ziemliche Hetzerei, wenn ich weiterhin vierzig Minuten schwimmen will und nur noch jeweils zehn Minuten fürs Aus- und Anziehen inkl. Duschen und Haareföhnen habe. Heute bin ich aber vierzig Minuten Rad gefahren, auf dem Heimtrainer, wo ich beim auf-der-Stelle-radeln dann manchmal Videos ansehe, manchmal Podcasts höre (sonst ist es zu langweilig!). Sehr gern höre ich den Podcast von mare, Sie wissen schon, diese Zeitschrift. Heute hörte ich ein Interview mit einer Freiwasser-Langstreckenschwimmerin Nathalie Pohl, deren Ziel es ist, die sieben schwierigsten Meerengen, die “Ocean’s Seven” zu durchschwimmen. Sehr sehr beeindruckend und spannend! Was ich übrigens nicht gerne und auch nicht zu Ende gelesen und daher entrümpelt habe (ich mache dieses Jahr wieder bei der Aufräum-Fastenchallenge mit!) ist das Buch “Bahnen ziehen”. Das einzige, was ich daraus mitnahm ist die Erkenntnis, dass Leistungssport eine Tortur ist. Schrecklich. Und dass man als Schwimm-LeistungssportlerIn nie mehr Lust hat, Urlaub am Meer oder am Pool zu verbringen, weil man das Wasser nie mit Freizeit oder Ausspannen verbindet. Letzteres sagt Nathalie Pohl übrigens auch.

Gerne gehört habe ich gerade auch (ging auch viel schneller als Harrys “Reserve”) “Die Träume anderer Leute” von Judith Holofernes. Das war ein Tipp von Herrn Buddenbohm, den ich hier verlinke, weil er bei sich schon so viel dazu gesagt hat. Muss ich nicht wiederholen. Ich habe noch einen Gutschein für ein weiteres Hörbuch, bevor die Kündigung beim Hörbuchanbieter durch ist (weil das eher nix für mich ist), falls Sie einen guten Tipp haben, nur her damit.

So, und hier nochmal die Erinnerung : Donnerstag, 23.03.2023 um 20.15 Uhr lese ich in der Buchhandlung Schmitt und Hahn in Heidelberg, Hauptstraße 8 aus “Von hier bis ans Meer” und “Verhängnisvolle Lügen an der Côte d’Azur”. Freu’ mich auf Sie!

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7 Responses to Die Renten, der Streik und das Meer

  1. Marion sagt:

    Coucou! Der Zeit-Artikel ist leider hinter einer Paywall verborgen… Diese Rentenreform ist für Dich persönlich sicher auch ganz konkret ein Ärgernis, falls Du vor hattest, mit 62 in Rente zu gehen?
    Ich habe seit 3 Monaten kein Schwimmbad mehr betreten (sehr ungewöhnlich für mich); bin derzeit sooo unmotiviert, weil ich das Gefühl habe, dass die Schwimmerei einfach nicht mehr ausreichend ist, mir jedoch kein anderer Sport einfällt, der gleichzeitig knieschonend und -kräftigend ist. Aber es freut mich, dass Du weiter fleißig schwimmst und Dich jetzt auch langsam wieder auf das Schwimmen im Meer freuen kannst. Ganz ehrlich – mit 1 Std. käme ich auch nicht hin und ich mag’s nicht, mich in der Freizeit abzuhetzen. Die Freiwassserschwimmerin ist interessant, aber es müssen ja auch nicht gleich solche Extremerfahrungen sein. Diese Challenge in Hawai, da wimmelt es von Haien… nee, das ist ein bisschen Plantschen im Mittelmeer doch safer… Überhaupt Extreme: gestern sah ich eine Doku auf Arte über die chinesischen Klavierkinder und wie die auf Erfolg getrimmt werden. Das gibt es sogar Klavier-“Battles”. Und diese gestressten Mütter…

  2. Pingback: Währenddessen in den Blogs, Ausgabe 22.3.2033 – Buddenbohm & Söhne

  3. Maria sagt:

    lch emphelhe ja gerne den Podcast von Lanz und Precht. Jede Woche Freitag eine Philosophiestunde vom Feinsten.

    • dreher sagt:

      OK, merci. Mit Herrn Precht habe ich so meine Schwierigkeiten, aber ich will es mir gern mal anhören.

  4. Maria sagt:

    Empfehle, sorry vertippt

  5. Marion sagt:

    Ich denk’ an Dich und Deine Gäste heute Abend! Bonne chance! 😍📖👍