Der nächste Tag begann mit einem Frühstück bei der Freundin, die auch in der Hufeisensiedlung wohnt. Wir liefen also einmal quer durch das Hufeisen, es sind nur ein paar hundert Meter, eine U-Bahnstation genau genommen.
Die Häuserreihen sind mal Rot, mal Blau, besonders das Blau hat es mir angetan.
Am Vortag waren wir auf dem Wasser und über Berlin, heute hatten wir einen unterirdischen Termin: Wir machten eine Fluchttunnel-Tour mit Unterwelten, die ich absolut empfehlen kann, es war im übrigen auch die einzige Organisation, die mir die umgebuchten Tickets rückerstattet hat. Dankeschön! Viel Information, spannend und anschaulich vermittelt – die ich immer mal übersetzte – was aber leider störte. Es gäbe auch eine französische Führung, habe ich mir sagen lassen. Falls Sie mal in die Verlegenheit kommen, wissen Sie das. Man durfte leider keine Fotos machen, und nein, letzten Endes mussten wir nicht auf allen Vieren durch einen ehemaligen Fluchttunnel kriechen, aber es war dennoch eindrucksvoll!
Aber zunächst waren wir, und relativ lange, in der Mauergedenkstätte in der Bernauer Straße.
Ich war da vorher noch nie und hätte gut den ganzen Tag bleiben können, um alle Dokumente zu lesen und alle Filmchen anzusehen. Mir versagte vor lauter Emotion bei so manchem Zeitdokument die Stimme, als ich es für E. übersetzte. Sie war natürlich viel weniger beeindruckt. Foto von oben auf das Stück Grenzgebiet. Zack, reicht.
Es ist die Geschichte eines anderen Landes, die sich weit vor ihrer Geburt abgespielt hat. Ich war als Siebzehnjährige auch in Berlin und starrte von einer der Aussichtsplattformen am Tiergarten auf das abgesperrte Brandenburger Tor. Hat mich damals auch nicht so beeindruckt, wenn ich ehrlich sein soll. War halt so. Diese Geschichte hatte sich auch vor meiner Geburt abgespielt, das wird dann so hingenommen. Erst heute schluchze ich, wenn ich die Fotos der Menschen sehe, die sich mit Taschentüchern über die Mauer zuwinken und kleine Kinder hochhalten.
Wir liefen dann ein bisschen durch eine Straße im Prenzlauer Berg, wir kamen aber nur zwei Second Hand Läden weit, dann mussten wir, wie gute Französinnen, Mittagessen. In einem coolen Restau mit noch cooleren Kellnern, vermutlich sagt man nicht mehr Kellner zu dieser Art Bedienung, und extravaganter Sommerkarte. Not bad, aber hochpreißig; also in etwa so wie in Cannes, weshalb es mich nicht schockte, aber für Berlin fand ich es doch erstaunlich. Ich sinnierte darüber, dass ich im ehemaligen Osten sehr schick und teuer gegrillte Ananas und Riesengarnelen aß.
Am Nebentisch, wie ich dem Gespräch unserer Tischnachbarinnen entnahm, saß ein Herr, der irgendwas für Rammstein organisierte, mit seiner Lebensgefährtin, die auch früher für Rammstein gearbeitet hat. Man kannte sich, es wurde geplaudert. Es waren just drei Tage in Folge Rammstein-Konzerte in Berlin. “Gehste hin?” fragte die Dame an unserem Tisch (80+) anschließend ihre Tochter (meine Generation). Nein, sie habe schon so viele Rammstein Konzerte gehört und gesehen, sie müsse da jetzt nicht mehr hingehen, antwortete die Tochter. Ich verkniff mir die Frage, warum die Konzerte nicht abgesagt worden seien – wir bleiben aber die kommenden Tage im Thema: Berlin war voller Rammstein-Fans.
Abends waren wir in Pankow eingeladen, bei Familie Ackerbau, sehr nett dort, man servierte uns ein feines mehrgängiges Menü, ganz französisch, damit die Enkelin nicht, wie der Enkel nach seinem Schüleraustausch, sagen muss, sie habe in Deutschland nix zu Essen gekriegt (Merke: Marmeladenbrot morgens, Sandwich mittags und Brot mit Aufschnitt abends ist kein Essen!). Weshalb wir ja auch ständig, wie es sich gehört, Essen gingen.
Es wurde spät und wir fuhren mit S- und U-Bahn “nach Hause”. So fühlte sich der Aufenthalt im kleinen Häuschen tatsächlich ein bisschen an.
wird fortgesetzt …
Apropos Essen: wie war denn das Essen im Fernsehturm? Ich war da in 15 Jahren in Berlin leider noch nie…
LG
Poupou
Fernsehturm war insgesamt toll und lohnend, finde ich! Ich hätte das aber ohne die Enkelin nie gemacht. Eintritt und Restaurant (Tisch reservieren) ist happig. Das Essen ist einfach, aber OK. Wenig Auswahl, aber man findet was. Ich hatte eine regionale Aufschnittplatte, E. einen Salat mit Ziegenkäse. Auch etwas überteuert, aber ich dachte, das ist wie der Eiffelturm, macht man vermutlich nur einmal im Leben. Ich bin rückblickend froh, es gemacht zu haben! 😊
Prima, dann plane ich das auch mal mit Gästen ein!
LG
poupou
In der Mauergedenkstätte war ich auch noch nicht, muss ich gestehen, allerdings aus Zeitgründen. Die “Unterwelten” muss ich mir mal merken! Wie hat der Enkelin denn Berlin/Deutschland überhaupt gefallen? Auf jeden Fall ein sehr nettes Geschenk zum Abi! Ich war im Sommer meines Abis gar nirgendwo und habe dann gleich die Ausbildung angefangen, schon ein bisschen schade so im Rückblick. Hast Du meine Mail bekommen? 😉
Ja, habe deine Mail bekommen, musste mich aber entscheiden, ob Blogpost oder Mail beantworten, désolée …
Naja, Berlin stand leider unter dem Zeichen von Trauer (2 Todesfälle) und Trauma (Einbruch) – so richtig gelöst und begeisterungsfähig war sie in der Zeit einfach nicht, sie hat auch schlecht geschlafen und war immer sehr müde. Wir haben aber alles gemacht, was auf ihrer “to see”-Liste stand, und ich weiß, dass wir ein gutes Programm hatten (ich habe noch nie so viel Touri-Kram von Berlin gesehen!)
Ich machte nach dem Abi mit zwei Freunden eine Radtour durch Holland, wo man uns am dritten Tag (bzw. in der Nacht) in Amsterdam die Räder geklaut hat :-/