Ich erzähle Ihnen einfach so ein bisschen weiter aus der Sommerfrische. Es werden kürzere Texte, die dann vielleicht auch wieder (für manche) überraschend enden, aber, das mögen Sie mir verzeihen, anders geht es gerade nicht.
Die Innentemperatur liegt derzeit bei 26 Grad, die Fliegen sausen brummend durch die Räume und setzen sich auf nackte Haut und überall hin, kacken aufs frisch geputzte Fenster und den neuen weißen Lampenschirm im Schlafzimmer und nerven gewaltig. Unterhalb des Dorfes, irgendwo im Wald, lagern die Schafe. So sehr ich die Schafe mag, so sehr nerven mich die Begleiterscheinungen wie die Fliegen.
Auf der Baustelle links über mir rummst und schlägt es, Monsieur fräst irgendetwas im Keller unten rechts oder direkt vor der Haustür, die er dabei großzügig offenstehen lässt. Ich komme mir vor wie in Lärm-Geiselhaft. Ich bin so froh über die Anschaffung des Kopfhörers. Die erhoffte Stille habe ich damit nicht, aber er dämpft den Lärm und ich höre jetzt probehalber “Konzentrations-Musik”. Mal sehen, ob mir das gefällt und ich damit arbeiten kann.
Als ich hier ankam, blühte der Lavendel noch und es war fast so schön wie in Valensole, oder viel schöner, weil nämlich wild und weil ich ihn ganz für mich alleine hatte. Das Violett des hier wachsenden Lavendels ist auch viel weniger intensiv, es lag so ein zarter violetter Hauch über den Hügeln. Ma-gni-fique! Wenn ich es richtig verstanden habe, ist es der “echte Lavendel”, lavandula vera angustifolia, aber das wissen einige von Ihnen vielleicht besser. Ich hielt an und machte auf die Schnelle ein paar Fotos und dachte, dass ich einmal richtig hinfahren werde, um Lavendel zu pflücken und schönere Fotos ohne die stets präsente Stromleitung zu machen.
Sie denken es sich, ich habe es kein einziges Mal geschafft, dorthin zu fahren oder einen Spaziergang zu machen. Morgens war anderes zu tun, tagsüber war und ist es zu heiß und abends war ich zu müde oder ich habe es schlicht vergessen. Bei jeder Fahrt zum Einkauf nach unten ins größere Dorf sah ich den Lavendel schimmern und dachte, beim Zurückfahren halte ich an. Aber bei der Rückfahrt war es schon wieder so spät, weil ich im Dorf ja so viele Leute treffe, die ich kenne und lange nicht gesehen habe, und man erzählt, und an den Ständen für Käse und Gemüse, beim Bäcker und vor allem beim Metzger steht man so lange an, und ruckzuck sind zwei oder mehr Stunden um und zuhause wartet Monsieur hungrig auf das Mittagessen. Nachher gehe ich, dachte ich jedes Mal, wenn ich mal wieder am zarten Violett vorbeifahre. Und jetzt ist er verblüht.
Nächstes Jahr gehe ich bestimmt rechtzeitig!
Heute war ich schwimmen. Ich fahre dazu etwa eine Dreiviertelstunde durch Berg und Tal, genauer erst den Berg runter, dann durchs Tal und wieder den Berg rauf bis auf 1700 Meter und komme dann im Skiort an,
der sich nach Kräften bemüht, auch im Sommer attraktiv zu sein mit Sommerrodelbahn, Tyrolienne (das deutsche Wort dafür ist wohl Stahlseilrutsche), Mountainbiketouren, Wanderungen und Nachtwanderungen mit Sternenbeobachtung, Golfplatz und Schwimmbad. Freitags ist dort Markt, aber er ist, nun sagen wir, nicht besonders attraktiv, obwohl der riesige Platz neu gestaltet und als Fußgängerzone deklariert wurde; man versucht, dem etwas lieblos und (wie es scheint) planlos erbauten Ort nachträglich ein Zentrum zu geben. Es drängen sich dort ein Restaurant ans andere, ein paar Sportläden, zwei Bäcker, ein Supermarkt, und die Souvenirläden bieten T-Shirts mit Edelweißaufdruck an, Handtücher mit aufgestickten Murmeltieren und jeden erdenklichen Kitsch.
Das Schwimmbad liegt ein bisschen unterhalb des Ortes und ist ein sehr banales kleines Hallenbad mit beweglichem Dach, ohne Wasserschnickschnack, ohne spektakuläre Rutsche, und das tonnenförmige Dach ist selbst jetzt im Sommer, wo es wirklich heiß ist, nur ein kleines Stück geöffnet –
Es gibt einen gepflasterten Hof, in dem ein paar Sonnenliegen herumstehen und basta. Es ist aber trotzdem voll, vormittags vor allem voller Kinder, die herumhüpfen und ins Wasser springen oder ganz ernsthaft Schwimmunterricht bekommen. Eine einzige Bahn für SchwimmerInnen steht zur Verfügung – zwischen 12 und 14 Uhr aber ist da generell nicht viel los, mir passt das ganz hervorragend. Das Bad ist komplett verglast und man hat beim Schwimmen Ausblick auf die Berge und die Wanderer, Mountainbiker und Stahlseilrutscher, die direkt hinter dem Schwimmbad vorbeisausen. Es führt auch ein Sessellift nach oben.
Danach hatte ich Hunger, da ich aber zu wenig Geld dabei hatte (ich war schon in der Apotheke und habe im Supermarkt ein paar Sachen eingekauft, und meine Kreditkarte ist gesperrt, aber das ist eine andere Geschichte!) musste ich mich mit einem Panini (schlecht) und einer Dose Schweppes Agrumes zufrieden geben. Das aß ich auf einem Bänkchen vor der Kirche Notre Dame des Neiges, die ich anschließend besichtigte.
Die Kirche liegt in Valberg (heute) wenig attraktiv an einem Verkehrsknotenpunkt und ist von außen nicht sehr beeindruckend. Ich habe sie in all den Jahren noch nie von Innen gesehen (schäm) und war so überrascht von der Innenraumarchitektur und der Gestaltung, ich war außerdem überrascht, dass dort Touristen in, wenn wir streng sein wollen, unangemessener Sommerkleidung, andächtig beten und Kerzen anzünden. Ich musste lange warten, bis ich ungestört Fotos machen konnte.
Die Kirche soll an eine Schutzhütte erinnern und das tut sie. Ich fühlte mich sehr geborgen. Sie hat einen überdachten Vorbau, an dem man seine Ski abstellen kann, und ist dort mit Fresken im Stil der vierziger Jahre bemalt (die Kirche ist nur etwas mehr als achtzig Jahre alt, den Skiort Valberg selbst gibt es erst seit Mitte der dreißiger Jahre). Ich habe dieses Foto von der Internet-Seite von Valberg ausgeborgt. Was war das mal nett und beschaulich! Und so viel Schnee!
Die Decke ist ebenfalls komplett ausgemalt mit Ski und Alpenblumen, Engelchen und Schneekristallen, und handarbeitenden Großmüttern; der Malstil erinnert mich auch an Stickerei. Es ist kitschig, aber außergewöhnlich. Und eigentlich ist der Hintergrund eher blau als grau, das kommt hier leider nicht so gut rüber.
So, heute bin ich sehr viel geschwommen, leider gibt es nämlich keine Uhr im Bad, an der ich mich orientieren kann (40 Minuten), und beim Bahnenzählen vertue ich mich spätestens bei Bahn sieben, vielleicht war es mehr als sonst, ich habe auf jeden Fall Muskelkater und musste vorhin eine späte Sieste machen. Und jetzt gehe ich ins Bett! Bonne nuit!
Fortsetzung folgt
Liebe Christiane hab’ herzlichen Dank für Deine interessanten, lebendigen Berichte und schönen Fotos von Eurer Berlinreise und der Sommerfrische in den Bergen ❣️Ein frohes Wochenende und herzliche Grüße U. 💕🍀
Danke dir, liebe Uschi! Schönes Wochenende auch für dich!
Solche Lärmschutz-Kopfhörer hat mir mal ein Arbeitgeber angeboten gegen die lauten Kolleginnen 🤣, anstatt die Mädels zurechtzuweisen. Ich sag’ nur “Führungsqualitäten”. Könnte so einen aber auch zu Hause gebrauchen.
Apropos Dorf in den Alpen: Kennst du eigentlich den Kriminalfilm “La nuit du 12”, der auf wahren Begebenheiten beruht? Ich glaube, ich werde ihn ein 2. Mal anschauen, so gut gemacht ist er. 40 Minuten schwimmen sind so ca. 40 Bahnen (1 km) bei gemäßigtem Tempo. Ich sollte auch gehen, die Gelenke knacken 🙁, oder zumindest öfters ‘ne Runde auf dem Rad drehen, ach… Der Sommer bäumt sich noch ein letztes Mal auf mit 30° und in meiner Dachwohnung gehe ich auch ein. Für ein bisschen frische Alpenluft würde ich jetzt auch was geben. Hoffe, du findest noch das eineoder andere Zeitfenster, um dich wenigstens ein bisschen zu erholen.
Den Film kenne ich nicht.
Und ja, ein Kilometer 😊
Hier ist es auch noch ungewöhnlich heiß, über 30 Grad in den Bergen und kein Gewitter weit und breit…
P.S.: Gibt es eigentlich irgendwo auch einen Bergsee bei euch?
Nein. Es gibt (weit entfernte) Bergseen, die man nach Autoanfahrt und mehrstündigen Wanderungen erreichen kann, aber sie liegen im Mercantour und sind geschützt, man darf sie nur umrunden. Mit den Enkel-Kindern sind wir früher immer mal zum Fluss abgestiegen, da kann man plantschen und spielen, aber nicht schwimmen. Das schaff ich aber Knie technisch nicht mehr.
Was für ein bezauberndes Kirchlein!
Es hat so was Eigenes, Unverwechselbares.
An unserem kleiner Pool im Garten ist in diesem Jahr leider immer was kaputt, mal ein Rohr, mal die Heizung. Mir fehlt das 5 Meter hin, 5 Meter zurück sehr.
Ich bin auch nicht multitasking, ich kann entweder schwimmen oder zählen.
Dieser Lärm! Die Nachbarn hier haben laute Kinder, laute Rasenmäher und laute Stimmen. Und beschweren sich schriftlich, wenn eine Brombeerranke rüberwächst.
Rücksicht war gestern.
Ja, das Kirchlein ist so arm und bescheiden wie die Menschen hier, aber sehr besonders, auch wie die Menschen hier.
Es gibt allerdings auch hier schwierige Nachbarn 🙄
Schade, dass das Schwimmbad nicht funktioniert (Private Schwimmbäder sehen zwar toll aus, sind aber eine komplizierte Angelegenheit, immer ist was zu tun… Die meisten, die eines haben, wollen keines mehr)
Liebe Grüße! Das unterirdische Oppenheim fand ich sehr faszinierend!
Herr croco ist ein leidenschaftlicher Poolboy, so nennt er sich selbst. Er hat es normalerweise gut im Griff. So ein kleines geht immer und wenn ich schwimmwütig bin, hängt er mir die Gegenstromanlage über den Beckenrand. Dann schwimm ich nach Amerika. Heute hat alles funktioniert.
Mir wäre alles zu aufwändig, mir reicht Hängematte oder anderswo schwimmen.
Das unterirdische Oppenheim liegt knapp einen halben Meter unter der Stadt. Sie liegt am Hang und jeder hat quer reingebohrt und dann gibt es Treppen zwischen den Ebenen. Und man hat vergessen, dass es dieses Labyrinth gibt. Erst als die Einbrüche waren, hat man es wieder gefunden. Unglaublich eigentlich!
Das ist so verrückt, weil es in Italien dasselbe “Szenario” gibt, die schöne Kathedrale und die unterirdische Stadt. Orvieto glaube ich, in Umbrien. Werde ich schnell nochmal überprüfen.
Genau, Orvieto. Das habe ich seinerzeit besichtigt, Oppenheim, das viel näher liegt, nie 😔
Ach, das wusste ich nicht von Orvieto. Ich glaube, das Labyrinth dort ist größer.
Von Oppenheim wissen wir nur, weil es ab und an in den Landesnachrichten kommt. Die Führerin ist toll. Sie hatte ein Säckchen Löss mit dabei und Schiefer.
Och, das habe ich vergessen zu schreiben. An den Kreuzungen gibt es Warnschiefer in der Decke, in mehreren Richtungen verbaut. Wenn das bröselt, hat sich der Tunnel verschoben.