12 von 12 im Oktober 2023

Am 12. jeden Monats machen wir 12 Bilder und veröffentlichen Sie bei uns und anschließend bei Caro Kännchen. Wissen Sie natürlich alles schon.

Los gehts. Heute ist ein italienischer Tag. Wir sind mal kurz nach nebenan gefahren, in erster Linie, um ein Autoradio zu erwerben, und um es dort auch einbauen zu lassen. Verstehen Sie nicht? Ganz einfach. Wir haben letztes Jahr ein neues kleines Auto einer italienischen Marke erworben, es hatte einen sehr niedrigen Preis aufgrund der sehr niedrigen Ausstattung. Es gab zum Beispiel kein Autoradio. Wir fragten, was es kosten würde beim Autohändler ein Autoradio einbauen zu lassen, der Preis, der uns dafür genannt wurde, war jenseits von Gut und Böse. Kam nicht infrage. Ich suchte dann bei den Werkstatt-Ketten, die man in der Regel im Gewerbegebiet findet. Sie verkaufen Autoradios, ja, aber sie bauen sie nicht mehr ein. Wir beauftragten den Enkel, der grundsätzlich auch bereit war, uns ein Autoradio zu suchen und einzubauen, aber bislang dafür keine Zeit fand. Jetzt ist er aus dem Haus und schickt manchmal lustige Nachrichten von unterwegs, unser Autoradio ist nicht mehr wirklich auf seiner to-do-Liste. Bislang habe ich mein Handy als Radio benutzt, geht, ist aber nicht toll. Monsieur entschied, dass wir zu Fiat nach Italien fahren würden, die seien kooperativer und weniger teuer. Und das ginge, na klar, auch ohne Termin, wie früher eben, sagt er. Ich bin ja immer noch sehr deutsch, aber auch schon sehr französisch, ich dachte mir, wenn es nicht klappt (wovon ich als Deutsche ausging, ich bitte Sie, ohne Termin!), haben wir wenigstens einen Ausflug nach Italien gemacht und mindestens einen guten Cappuccino getrunken.

Wir fahren nicht allzufrüh los, es ist ja aber nicht so weit und wir kamen noch vor elf in Ventimiglia an, bis elf darf man Cappuccino! Auch wenn die Italiener um uns herum schon beim Espresso waren.

Den Cappuccino also hatten wir schonmal. An einer Tankstelle fragen wir nach einem Autozubehörladen, wir landen bei einem Elektroladen, der Bügeleisen und Staubsauer verkauft, aber keine Autoradios, er schickt uns aber weiter, immer am Meer entlang, das ist zumindest das, was wir verstehen. Wir entscheiden uns aber, jetzt zunächst zu Fiat zu fahren, also zurück ins Gewerbegebiet, auf dem Weg dahin muss Monsieur aber auch noch einmal bei einer kleinen Werkstatt fragen. Der Mechaniker schickt uns zu “Troni” (“Richtung San Remo und irgendwann links”) und ist bereit, uns das Autoradio einzubauen, aber erst nach seiner Mittagspause, nicht vor 14.30Uhr.

Wir lassen also Fiat sein und suchen “Troni”. Unterwegs fragen wir nochmal. Nächste links und dann zwei Kilometer heißt es. Wir fahren (ich fahre) einmal mehr durch ein Gewerbegebiet und finden nichts. Wir fragen das einzige Fußgängerpaar im Gewerbegebiet nach “Troni”. Sie verstehen es nicht. Troni? Troni? “Ottroni!” fällt der Dame ein. Sieh an, wir stehen exakt davor.

Ottroni ist wohl der ehemalige Name, jetzt heißt der Laden “Brico-io” (“ich handwerke”) und Unieuro, eine Art Baumarkt und Elektromarkt gleichzeitig. Die Auswahl an Autoradios ist überschaubar, es gibt exakt drei. Nur eines mit Bluetooth. Das nehmen wir.

Es ist kurz vor zwölf, wir fahren ein bisschen weiter Richtung San Remo, wir wollen irgendwo am Meer essen. Die erste Abzweigung “Zum Strand” nehmen wir (in Bordighera). Wir fahren durch abenteuerliche Unterführungen und kommen an einer Meerpromenade raus. Es kommt uns bekannt vor, wir waren hier schonmal. Wir laufen auf der Promenade entlang und entscheiden uns für ein Restaurant, und ich glaube, genau da waren wir auch schon einmal. Es sind nur wenige Menschen da (Deutsche und Franzosen!), wir haben Meerblick, es ist wie Urlaub.

Wir essen lauwarmen Tintenfischsalat und danach (ich) Muschel-Pasta und (Monsieur) Carbonara, Zitroneneis und Espresso.

Am Steinstrand finde ich einen Kunst-Stein.

Wir fahren zurück nach Ventimiglia zur kleinen Werkstatt am Rande der Stadt. Dort, wo die Flüchtlinge unter der Brücke hausen. Wir haben dieses Mal einen Bogen um den Bahnhof gemacht, ich wollte das Elend nicht sehen. Ich sehe es trotzdem.

Sehr junge und sehr dünne Afrikaner, den Kopf tief in Kapuzen verborgen, laufen entlang der Schnellstraße, auf der Suche nach einem Weg aus Italien raus, wo sie festhängen. Es hat sich nichts geändert, seitdem ich für meinen vierten Kriminalroman (“Endstation Côte d’Azur”) hier recherchiert habe. Ich weiß, noch ein Elendsthema wollen Sie nicht, aber ich kann es wirklich nicht NICHT sehen in Ventimiglia.

Ich laufe einmal hin und her und schon ist das Autoradio eingebaut. Und funktioniert! Und das alles ohne Termin!

Und schon fahren wir wieder zurück. Nicht ohne vorher noch im letzten (und vermutlich hässlichsten) italienischen Supermarkt vor der französischen Grenze einzukaufen. Hier kaufen alle ein, Touristen, Franzosen, Italiener, und ein paar Afrikaner kaufen Wasser in Plastikflaschen. Der Weg der Flüchtlinge ist auch am herumliegenden (Plastik-)müll erkennbar.

Bis nach Menton fahren wir am Meer entlang. Die Grenze wird stark kontrolliert, aber wir haben nur Mortadella, frische Pasta, Pesto und eine Flasche Campari erstanden, das ist ihnen egal. Dann nehmen wir die Autobahn zurück.

Blick zurück zum Grenzübergang.

Und nein, ich habe auch keine Lösung. Für gar kein Problem.

Das waren meine 12 am Zwölften. Danke fürs Lesen und Anschauen. Alle anderen finden Sie wie immer verlässlich hier.

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11 Responses to 12 von 12 im Oktober 2023

  1. Liebe Christine, was für ein abenteuerlicher Tag! Und wie gut, dass dich weder dein fotografisches Auge noch dein Mitgefühl verlassen haben.
    Schöne Fotos!
    Liebe Grüße
    Silke

    • dreher sagt:

      Danke liebe Silke! Habe gern auch bei dir gelesen – ich sollte dir dort auch einen Kommentar hinterlassen!
      Liebe Grüße!

  2. Marion sagt:

    Da wird jeder nette kleine Ausflug zum Reality Check!
    Wieso habt ihr den neuen Fiat eigentlich nicht gleich in Italien gekauft? Wäre vielleicht auch günstiger gewesen und dann schon incl. Autoradio?

    • dreher sagt:

      Ja, so ist es. Ich kann die Realität nicht ausblenden.
      Tja, das musst du Monsieur fragen, vermutlich aus Bequemlichkeit – und weil es langwierige administrative Schritte nach sich zieht. Wir haben das in Deutschland zugelassene Auto seinerzeit nach F umgemeldet – frag net!

  3. Manuela sagt:

    Vielen Dank für die schöne Geschichte! Ich hätte genauso gedacht wie du: ein Werkstattbesuch ohne vorher einen Termin abzumachen.. ausgeschlossen. Erstaunlich, wie das geklappt hat.
    Ich hab mir gerade auf Google Maps erstmal die Route angeschaut. Hatte ich gar nicht auf dem Schirm, dass Cannes so nah an der italienischen Grenze liegt. Ist schon ein schönes Fleckchen Erde, das du dir ausgesucht hast:-) Da würde ich sicher ab und zu mal zum Bummeln nach Italien fahren.
    Herzliche Grüße aus Ostwestfalen!
    Manuela

    • dreher sagt:

      Bitte gerne :-) Ja, das dachte ich auch, dass ich da viel öfter in Italien unterwegs wäre; ein Grund, warum ich damals dachte, ich bleibe in Südfrankreich, war nämlich die Nähe zu Italien ;-) Aber wir sind in der Regel einmal im Jahr in Italien – und meistens nur für einen kurzen “pragmatischen” Besuch. Liebe Grüße!

  4. Pingback: 23-10-13 Sieben auf sieben Streich – iberty.de

  5. Maren sagt:

    Ich bin beim Lesen im Geiste mitgefahren, liebe Christiane. Wir haben in den letzten Urlauben häufig in Latte gewohnt und der Supermarkt dort ist uns wohlbekannt :-D ! Jedesmal wieder stehen wir staunend und gleichsam fasziniert vor diesem unsagbaren Chaos. Ganz ehrlich? Wir haben ihn lieben gelernt ;-D .

    Danke für den netten Bericht und liebe Grüße aus Schleswig-Holstein
    Maren

    • dreher sagt:

      Das ist ja lustig, dass du in Latte schon Ferien gemacht hast – ich denke jedes Mal, dass wir dem Ort unrecht tun, indem wir ihn nur als “Supermarkt-Ort” wahrnehmen. Den ich in seiner Schlampigkeit aber auch irgendwie liebgewonnen habe.
      Die Blicke von dort aufs Meer sind in der Tat verheißungsvoll!
      Liebe Grüße aus dem Süden in den Norden!

  6. Heike sagt:

    Danke für diesen tollen Tag!

    LG, Heike