Il pleut. On pleure.

Es regnet. Wir weinen.

(version française suit)

Die Konjugation der Verben pleuvoir (regnen) und pleurer (weinen) ist im Französischen sehr ähnlich. Ein häufiger Anfängerfehler ist il pleure zu sagen anstelle von il pleut. “Es weint”, anstatt “es regnet”. Der Himmel weint, kann man sich immer in die poetische, wenn auch leicht abgegriffene Wendung retten. Derzeit scheint der Himmel alle seine Tränen weinen zu wollen, seit Tagen regnet es ohne Unterlass. Il pleut, und on pleure. Wir beweinen Serge Basilewsky.

Ende Januar hat Serge, ein enger Freund und Teil unserer französischen Patchwork-Familie, eine Serie von schweren Schlaganfällen erlitten. Seitdem hing er zwischen Leben und Tod. Sein “Leben” aber wäre keines mehr gewesen, das sagten die Ärzte bereits in der ersten Nacht. Sie erwarteten und hofften auch, dass er bald gehen würde. Es wäre besser für ihn. Man könne nichts für ihn tun, ließen sie uns wissen. Zu schwer die Schäden durch die Schlaganfälle, zu viele Komplikationen, die Nieren, die Lunge … Serge wurde jeden Tag schwächer, aber er war immer noch da. Für kommenden Montag war ein Platz in einem Pflegeheim gefunden worden. Vergangenen Mittwoch Abend ist er nun friedlich eingeschlafen. Für ihn ist es besser so. Uns allen aber, und besonders seiner Lebensgefährtin, wird er so fehlen.

Er wäre gern unsterblich, sagte er manchmal, so sehr hatte er Lust auf das Leben. Er hatte die Neugier eines Kindes, interessierte sich für alles, lernte immer noch dazu, hat mit Mitte siebzig erstmals noch einen anstrengenden Segeltörn unternommen, einfach weil es ihn reizte, und man ihn gefragt hatte. Seine große Leidenschaft aber war das Kino. Serge war le Président, wie man hier sagt, der Gründer und Vereinsvorsitzende unseres Kinoclubs Cinécroisette. Er war einer der begeisterungsfähigsten Menschen, den ich kannte, und er liebte es, seinen Enthusiasmus für das Kino mit den mehreren hundert Mitgliedern seines Vereins zu teilen. Jeden Tag sah er einen oder mehrere Filme, und Monat für Monat wählte er zehn bis zwölf neue und sehenswerte Filme für den Verein aus, darunter Vorpremieren, Aktuelles und Klassiker, oder er grub alte, restaurierte Schätzchen für uns aus.

Er liebte es, kleine Filmfestivals zu veranstalten: Anfang März lief in Zusammenarbeit mit Kinotayo das 7. Festival des Japanischen Gegenwartsfilms. Wir planten im Herbst unser 5. Deutsches Filmfestival. Serge verstand sich als Kultur- und Wissens-Ver-Mittler, er wollte Neues und Besonderes zeigen und wünschte sich, dass wir die Filme aufmerksam und bewusst sahen und nicht nur konsumierten. Er sprach über die Filme, die er ausgewählt hatte und vorführen ließ, stets auf eine verständliche, angenehme, nie überhebliche Art, nie ging es darum, zu zeigen, was er alles wusste, er wollte uns nur so viel wie möglich mitgeben.

Manchmal war es anstrengend, seiner unermüdlichen Energie und seinem ungebremsten Enthusiasmus zu folgen. Er plante und eilte von Projekt zu Projekt, ein Festival und noch eines und ein noch größeres, voller Hingabe für die Sache und ohne Rücksicht auf seine Gesundheit. Er war nicht unsterblich, und in gewisser Weise ist er es doch, denn wir werden ihn nie vergessen! Bei jedem Film, den wir sehen werden, bei jedem Kinobesuch wird er mit uns sein.

Adieu Serge.


Il pleut. On pleure.

La conjugaison des verbes pleuvoir et pleurer est très similaire en français. Une erreur de débutant fréquente commise par les étrangers est de dire “il pleure” au lieu de “il pleut”. Le ciel pleure, on peut toujours se sauver dans la tournure poétique, bien que légèrement usée. En ce moment, le ciel semble vouloir pleurer toutes ses larmes, cela fait des jours qu’il pleut sans relâche. Il pleut, et nous, on pleure. Nous pleurons Serge Basilewsky.

Fin janvier, Serge, un ami proche qui fait partie de notre famille recomposée, a été victime d’une série de graves attaques cérébrales. Depuis, il était suspendu entre la vie et la mort. Mais sa “vie” n’en aurait plus été une, c’est ce que les médecins ont dit dès la première nuit. Ils s’attendaient et espéraient aussi qu’il partirait bientôt. Ce serait mieux pour lui. Ils ne pouvaient rien faire pour lui, nous ont-ils fait savoir. Trop de dégâts causés par les attaques, trop de complications, les reins, les poumons … Serge s’affaiblissait de jour en jour, mais il était toujours là. Une place dans un Ehpad avait été trouvée pour lundi prochain. Mercredi soir dernier, il s’est endormi paisiblement. C’est mieux pour lui. Mais il va tellement nous manquer à tous, et surtout à sa compagne.

Il aurait aimé être immortel, disait-il parfois, tant il avait envie de vivre. Il avait la curiosité d’un enfant, s’intéressait à tout, continuait d’apprendre, a entrepris à mi-soixante-dix ans un premier voyage en bateau épuisant, simplement parce que cela l’attirait et qu’on le lui avait demandé. Mais sa grande passion était le cinéma. Serge était le fondateur et le président de l’association de notre ciné-club Cinécroisette. C’était l’une des personnes les plus enthousiastes que je connaisse et il aimait partager son amour pour le cinéma avec ses plusieurs centaines de membres de son association. Chaque jour, il voyait un ou plusieurs films et, mois après mois, il sélectionnait pour l’association dix à douze films nouveaux et dignes d’être vus, parmi lesquels des avant-premières, des films d’actualité et des classiques, ou bien il nous ressortait de vieux trésors restaurés.

Il aimait organiser de petits festivals de cinéma : Début mars, le 7e Festival du film japonais contemporain a eu lieu en collaboration avec Kinotayo. Nous avions prévu notre 5e festival du film allemand à l’automne. Serge se considérait comme un passeur de culture et de connaissances, il voulait montrer des choses nouvelles et particulières et souhaitait que nous regardions les films avec attention et conscience et que nous ne nous contentions pas de les consommer. Il parlait des films qu’il avait choisis et qu’il faisait projeter, toujours d’une manière compréhensible, agréable, jamais prétentieuse, il ne s’agissait jamais de montrer tout ce qu’il savait, il voulait juste nous en donner le plus possible.

Parfois, c’était épuisant de suivre son énergie infatigable et son enthousiasme débordant. Il planifiait et se précipitait d’un projet à l’autre, un festival, puis un autre, puis un autre encore plus grand, plein de dévouement pour la cause et sans se soucier de sa santé. Il n’était pas immortel, et d’une certaine manière, il l’est, car nous ne l’oublierons jamais ! À chaque film que nous verrons, à chaque séance de cinéma, il sera avec nous.

Adieu Serge.

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9 Responses to Il pleut. On pleure.

  1. Trulla sagt:

    Was für ein schöner Nachruf, einen Freund zu ehren.

  2. Ursula Weber sagt:

    Wie traurig, einen so lieben Freund zu verlieren.
    Er wurde erlöst – wird aber eine große Lücke hinterlassen.
    Es wird schwer sein, einen würdigen, engagierten Nachfolger für den Kinoclub zu finden. 🍀🍀🍀

    • dreher sagt:

      Danke liebe Uschi 💗🙏 ja, sehr traurig.
      Und ja, sehr schwierig für den Verein 😔 es war sein “Baby”, er hat dafür gelebt.

  3. Marion sagt:

    Ein liebevoller Nachruf auf einen guten Freund. Auch uns deutschen LeserInnen hast du “Ciné Croisette” immer wieder nahegebracht. Menschen, die sich so selbstlos für das Gemeinwohl einsetzen, sind schon sehr bewundernswert. Meine Mutter lebt nach ihrem schweren Schlaganfall jetzt schon 7,5 Jahre schwerstbehindert (halbseitig gelähmt) im Heim und braucht 24/7 Pflege. Sie hat damals 2 OPs überstanden, die früher überhaupt nicht möglich gewesen wären. Das wirft ethische Fragen auf, mit denen Angehörige, wenn sie medizinische Laien sind – zumal in einer solchen Ausnahmesituation – überfordert sind. Es ist zwar kein wirklicher Trost, aber vielleicht war die völlige Ausweglosigkeit Serges’ Zustand am Ende noch das Beste für ihn und auch seine Lieben.

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    • dreher sagt:

      Danke Marion!
      Ich stimme dir absolut zu.
      Es ist allerdings für liebende Angehörige nicht leicht, so hellsichtig und realistisch zu sein. Da können die Ärzte noch so viel sagen, man hört und sieht es nicht; Prinzip Hoffnung.

      • Marion sagt:

        Das ist doch klar, auch deshalb haben wir uns ja damals für die OPs entschieden. Ich kann das auch nur mit diesem Abstand sagen. Und jeder “Fall” ist ja auch anders.