WmdedgT April 2024

Gestern habe ich es nicht mehr geschafft, zu Ende zu schreiben, und heute auch gleich nicht mehr. Wie machen das die Damen und Herren, die jeden Tag schreiben? Was für geordnete Verhältnisse herrschen da? Oder ist es nur Disziplin?

Was habe ich also gestern den ganzen Tag gemacht, fragte Frau Brüllen, wie jeden 5. des Monats. Sie kennen das schon. Ich weiß gar nicht, ob ich mich da einen Tag später noch dazulinken darf.

Ich schlief lange, beeile mich dann mit dem Kaffee trinken und dem Duschen, denn wir warten auf den Installateur, le plombier, der sich für heute Vormittag angesagt hat, denn die Waschmaschine zickt ein bisschen herum. WANN er jedoch kommt, das hat er nicht gesagt, der Vormittag ist lang. Monsieur, der untätiges Herumwarten nicht ertragen kann, und der, das muss man bei allem immer dazu sagen, bis vor nicht allzu langer Zeit solche Reparaturen selbst ausgeführt hat, nur jetzt ist es ihm zu mühsam geworden, sich an wenig zugänglichen Orten zu verrenken oder sich gar auf den Boden zu legen und über Kopf etwas zu schrauben, Monsieur ist quasi diplomierter Heimwerker, und da er das Warten hasst, wer weiß, vielleicht kommt der plombier auch gar nicht, das ist ja hier nie so sicher, greift er jetzt also beherzt selbst zum alten Wasserhahn. Er dreht daran herum. “Der geht doch noch”, herrscht er mich an. “Ich habe nie gesagt, dass der Wasserhahn nicht gehe”, sage ich zu meiner Verteidigung, “ich habe immer nur gesagt, es kommt kein Wasser mehr in der Waschmaschine an!” Die Schlussfolgerung, dass es der Wasserhahn sei, kam von ihm. Das mit ohne Wasser in der Waschmaschine will der Gatte jetzt sehen. Ich werfe also zwei Badezimmerteppiche in die Trommel und stelle das kürzestmögliche Programm an. In der Tat, die Maschine brummt, aber es läuft so gut wie kein Wasser zu. Wir ziehen die Waschmaschine so weit vor wie es geht und werfen einen Blick dahinter. “Vielleicht ist es der Schlauch”, meint Monsieur jetzt, denn der ist abgeknickt, alt ist er auch. Er will sofort losfahren, einen neuen Schlauch kaufen, sucht aber erst noch im Keller. Dort haben wir alles gehortet, was Sie sich auch nur im Entferntesten vorstellen können, wir sind für alle Eventualitäten gerüstet (falls Sie meine letzte Kolumne im Frankreichmagazin gelesen haben, dann wissen Sie das schon), und bestimmt haben wir auch irgendwo einen alten Schlauch, der aber dennoch besser ist als der hier.

Während er noch im Keller wühlt, ruft der plombier an, er käme jetzt gleich. Na gut. Ich stoppe die Waschmaschine und lasse das ohnehin nur wenige Wasser ab. Fünf Minuten später ist er da: ein junger Mann mit tätowierten Waden, in der Hand hält er nur einen kleinen Wasserhahn und eine Rohrzange. Er klettert als erstes auf den Stuhl und dann auf die Arbeitsplatte, denn der Haupthahn ist bizarrerweise weit oben, kurz unter der Decke, aber er ist alt und gebrechlich, man muss ihn vorsichtig bewegen, der Gatte sieht mit Misstrauen die rohe Kraft des jungen Mannes, der daran rüttelt, um ihn zu bewegen. Der Wasserhahn in der Wand ist auch alt, der junge Mann bemerkt es abfällig, vor allem aber gibt er keinen Millimeter nach. Er müsse eine größere Zange holen, murmelt er, und verschwindet. Monsieur schüttelt den Kopf. Der Kerl scheint keine Leuchte zu sein und kommt ganz ohne Werkzeug, so was! Er macht sich vor allem Sorgen, dass der junge Mann die alten Rohre in der Wand beschädigt und dann haben wir den Salat. In der Zwischenzeit bauen wir ein Regal ab, räumen es teilweise aus und ziehen die Waschmaschine aus ihrer Ecke, so dass der Zugang zum Hahn leichter ist, weniger Akrobatik verlangt und vielleicht mehr Gefühl zulässt. Ich mache hinter der Waschmaschine sauber, man fragt sich, wie der ganze Dreck dahinkommt, und reinige auch die Regalbretter und das, was drauf stand.

Mit der größeren Zange bewegt sich der alte Hahn und irgendwann kriegt der junge Mann ihn los. Er macht ihn sauber und zieht ein paar nasse Hanffäden aus der Wand, die man seinerzeit zum Abdichten verwendet hat. So was nimmt er heute nicht mehr, sagt er angewidert, er hat einen Kleber! Den er jetzt auch einsetzt. Monsieur betrachtet es mit Misstrauen. Der Kleber aber will nicht aus der Flasche kommen. Er habe auch Teflonband, schlägt Monsieur vor, aber nein, das Dichtungsmittel des modernen Plombier ist der Kleber. Irgendwann tropft er auch aus der Flasche und wird auf das Gewinde gegeben. Das Gewinde des neuen Wasserhahns aber ist nicht mehr ganz so lang, der junge Mann dreht und dreht, der Hahn verschwindet fast in der Wand. “STOPP! STOPP! Hören Sie auf, Sie werden mir das Rohr in der Wand beschädigen”, ruft verzweifelt Monsieur, “das ist ein altes Haus!” Es ist vor allem sein Haus und er kennt alle Schwächen der bestehenden Installation. “Monsieur!” sagt streng der junge Mann, “lassen Sie mich meine Arbeit machen. Ich weiß, was ich tue”, und er dreht noch einmal mit Gewalt den Wasserhahn eine halbe Drehung in die Wand. Monsieur schluckt. Jetzt aber ist es gut. Oder nein, doch nicht, der Wasserhahn leckt, noch mal eine Vierteldrehung, und noch eine. Monsieur ist dem Herzinfarkt nahe. Er könne die Kachel um den Hahn herum abschlagen, damit man zukünftig besser daran käme, schlägt er vor. Monsieur lehnt entschieden ab. Hier wird nichts abgeschlagen. Jetzt müssen wir nur noch eine halbe Stunde warten, bis der Kleber fest ist, bevor wir den Haupthahn wieder öffnen und bevor wir die Maschine wieder anwerfen können. Ob er nicht auch den Schlauch austauschen könne, frage ich naiv dazwischen, Monsieur wirft mir finsterste Blicke zu, er will den jungen Mann so schnell wie möglich loswerden. Keine Sekunde länger darf der hier werkeln. Glücklicherweise lehnt der auch ab, denn nein, Schlauch hätte er keinen bestellt, den könne er nicht austauschen. Er wirft einen Blick auf den Schlauch, der jetzt auf jeden Fall nicht mehr abgeknickt ist. Wenn das Problem weiterhin bestehe, sollte ich vielleicht mal die Waschmaschine entkalken, schlägt er vor. Oder, ich kann ihn hier durchschneiden und dann da wieder ankleben, schlägt er plötzlich vor. Aber Monsieur nötigt ihn jetzt zum Gehen. Wasserschlauch kleben, soweit kommts noch.

Wir bauen das Regal wieder zusammen, ich räume es ein und putze einmal schnell den Boden.

Der Vormittag ist weit fortgeschritten, zum Einkaufen komme ich jetzt nicht mehr, ich schicke den Gatten zum Brot, Salat und Nachtisch kaufen und mache derweil einen Karotten-Apfel-Rohkostsalat, das Wasser haben wir wieder angestellt, ich kann immerhin Nudeln kochen und ich bereite noch Hühnerbrust in Senfsauce vor. H., die derzeit bei uns im Haus mitwohnt und mittags bei uns isst, kommt.

Wir essen und H. ist froh, ein bisschen Ansprache zu haben (und ein Mittagessen zu bekommen), wir essen mit ihr viel länger als sonst, und H. würde auch deutlich noch länger bleiben, sie ist so ungern allein, wenn ich sie dazu aufforderte, aber das tue ich nicht, ich will auch noch eine kurze Sieste machen und danach Einkaufen und eigentlich wollte ich auch mal wieder Schwimmen gehen.

Ich werfe einen Blick in den Computer und gebe die zukünftige Kolumne für das Frankreichmagazin frei.

Dann wasche ich die Wäsche von heute Vormittag erneut. Das Wasser läuft nur minimal besser, ich gebe Wasser von außen dazu.

Sieste.

Nach der Sieste koche ich mir einen Kaffee, hänge die Wäsche auf und schreibe einen Einkaufszettel.

Dann löse ich Zitronensäure in einem halben Liter Wasser auf, und lasse damit die Waschmaschine ohne Wäsche durchlaufen, während ich einkaufen gehe. Vielleicht ist ja einfach nur der Kalk das Problem. Wenn nicht, dann werden wir den Schlauch noch austauschen, das kann aber in der Tat auch Monsieur machen.

Heute fahre ich mal wieder in den Supermarkt, sie ködern mich mit 1000 Treuepunkten, das bedeutet ich bekomme einen Einkaufsgutschein für 7,50€. Es ist entsprechend voll, alle wollen am Freitagnachmittag davon profitieren. Es dauert alles ewig heute. Ich bekomme dennoch nicht alles, was ich gerne hätte. So fahre ich anschließend, auf der Suche nach einer bestimmten Zahnpasta, noch zu einer “Parapharmacie”, die mir von allen Seiten wegen ihrer Größe und ihrer Preise empfohlen wurde. Ich war noch nie da, sie liegt irgendwo in einem Hochhausviertel, eindeutig nicht auf meinen täglichen Wegen. Ich verfahre mich ein wenig zwischen zig Kreisverkehren, die für mich alle gleich aussehen. Schließlich finde sie und bin geflasht vom Angebot. Drogeriemärkte wie Rossmann oder dm gibt es in Frankreich nicht. Es gibt nur sogenannte Parapharmacien, die deutlich teurer als deutsche Drogeriemärkte und meistens an Apotheken angeschlossen sind; dort findet man in der Regel ein Drogerieangebot mit Pflaster, Zahnpasta, Nahrungsergänzungsmittel, und vor allem Cremes, Lotions, Deos, Duschgels, Shampoos von französischen Firmen wie etwa Vichy, La Roche Posay, Ducray, Klorane, Nuxe etc. Was es nicht gibt ist Kosmetik, keine Lippenstifte oder Nagellack, auch kein Toilettenpapier, kein Putzmittel und schon gar nichts Essbares, wie in deutschen Drogerien heutzutage üblich. Diese Parapharmacie scheint alles von allen Marken zu haben, so viel Auswahl habe ich noch nirgends gesehen. Auch an Weleda-Produkten übrigens, unschlagbar großes Angebot, zumindest gemessen an französischen Verhältnissen. Ich laufe staunend zwischen den Regalen herum und nehme allerhand mit. Auch hier dauert es an der Kasse ewig. So bin ich erst um halb sieben wieder zuhause. Ich lade das Auto vor dem Haus aus, freundlicherweise tragen Monsieur und ein Nachbar die Einkäufe nach oben, während ich einen Parkplatz suche. Ich muss nur noch die Taschen aus- und alles wegräumen.

Zum Abendessen gibt es Reste von mittags mit anderen Nudeln, und zum Nachtisch die ersten französischen Gariguette Erdbeeren, die gut aussahen und aromatisch rochen, aber natürlich dennoch nicht wirklich gut schmecken. Hätte Monsieur sie gekauft, hätte ich gemeckert.

Ich fange an hier zu schreiben, aber dann kommt “Pierrot le Fou” im Fernsehen, ein Godard-Film aus den sechziger Jahren mit Belmondo, den ich noch nie gesehen habe, ich denke, ich werde danach weiterschreiben, aber dann sehe ich nichtmal den Film zu Ende; so sehr ich “Außer Atem” mag, so sehr langweilt mich dieses aufgesetzt intellektuelle sechziger Jahre-Kino bei “Pierrot le Fou”. Dabei mochte ich den Trailer. Ich gehe einfach ins Bett.

So war der Tag. Danke fürs Lesen! Und die anderen Tagebuchblogger haben Sie vermutlich schon hier gefunden!

Heute, am 6., habe ich unter anderem aufgeräumt und probehalber nochmal Wäsche gewaschen, und siehe da, das Entkalken hat geholfen! Das Wasser läuft wieder ganz normal! Hurrah! Den Schlauch tauschen wir bei Gelegenheit aber dennoch aus. Wir hatte übrigens doch keinen im Keller!

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9 Responses to WmdedgT April 2024

  1. N. Aunyn sagt:

    Leider führt der Link zu Frau Brüllen immer auf deren obersten Eintrag, was – je nach dem – inzwischen schon der 6. April ist usw.
    Der Perma-Link zum Eintrag vom 5. April wäre:
    https://bruellen.blogspot.com/2024/04/050424.html

  2. Marion sagt:

    Mit Installateuren (und solchen, die es “hobbymäßig” sind) habe ich in letzter Zeit auch kafkaeske Erfahrungen gemacht – sehr erschöpfend, wenn auch lustig. Ich lebe auch in einem alten Haus, da erlebt man auch so einiges mit Handwerkern.
    Aber die Franzosen sind ja ein Volk von “bricoleurs”, nur ohne die für D so typischen Baumärkte, falls ich mich recht entsinne.
    Sollst du Monsieurs Ex jetzt regelmäßig verköstigen und bespaßen? Gute Übung zum “Grenzen setzen”. Warst du schwimmen? Allez hopp 😄!!

    • dreher sagt:

      Doch, doch, Baumärkte gibt es – Castorama, Bricorama, Leroy Merlin entsprechen etwa Obi und Bauhaus.
      Wir sind gute Kunden!
      Danke für deinen Zuspruch! Gehst DU denn schwimmen? allez hopp zurück!

      • Marion sagt:

        😆Nee, ich lass’ aber mein Fahrrad reparieren, dazu habe ich im Moment mehr Lust und ist ja auch super für die Knie. Vielleicht kommt die Lust aufs Schwimmen ja mit der Freibadsaison wieder😀.

  3. Karin sagt:

    Liebste Christiane,
    gerade wollte ich klugscheissen und Dir sagen, dass es in Antibes einen Müller gibt, und zwar in der Rue Lacan (Nähe Kinderkarussell). Wir waren dort immer einkaufen, aber leider scheinen sie den Laden aufgegeben zu haben, ich kann ich jedenfalls auf Google Maps nicht mehr finden. :(
    Liebe Grüsse aus dem ebenfalls Drogeriemarkt-losen Genf,
    Karin

    • dreher sagt:

      Es gab hier in Cannes sogar zwei der lieblosen Schlecker-Märkte, aber die sind nach der Pleite ersatzlos verschwunden!
      LG!