Der Wind auf den Fluren

Da ist er, der Wind, den ich mir gewünscht habe. Ist natürlich gleich wieder zu viel. Man kann mir auch nichts recht machen, sagen Sie vielleicht. Ja, kann schon sein. Und nein, ich glaube nicht wirklich, dass ich diesen Einfluss auf den Wettergott hatte, es ist so vorgesehen im meteorologischen Jahr, dass es im September um Equinox (Tag-und-Nacht-Gleiche) wieder stürmischer wird, nicht umsonst finden sämtliche Regatten im September statt.

Es ist trotzdem sonnig, es ist diese warme, schon tief stehende, lange Schatten werfende Spätsommersonne. Sie blendet mich, als ich am frühen Abend aus dem Kino komme. Im Souvenirladen neben dem Kino gibt es schon Weihnachtsdeko. Es geht jetzt schnell. Lebkuchen könnte es beim deutschen Discounter geben, aber obwohl ich in der Nähe einkaufen gehe, sehe ich nicht nach. Es ist noch viel zu heiß für klebrige Schokolade.

Dafür gibt es frische Feigen! Diese hier wurden mir von der Nachbarin geschenkt! Es waren deutlich mehr, ich habe sie aber erst kurz vor knapp fotografiert. Als ich vor etwa vierzig Jahren Ende August in Italien das erste Mal frische Feigen vom Baum pflückte, wusste ich nichtmal, was das für Früchte waren, ich kannte bis dahin nur getrocknete Feigen, und die gab es im Winter! Seitdem liebe ich frische Feigen, aber selten sind sie so reif und so süß wie damals, oder wie sie es zumindest in meiner Erinnerung sind. Diese hier waren köstlich!

Und bei Grand frais ich habe tatsächlich Zwetschgen gefunden, sie sahen ganz gut aus, aber da ich nicht wusste, ob mir der Geschmack zusagt, habe ich nur ein knappes Kilo genommen; ich habe sie handverlesen, und sie waren dann so lecker, dass ich vielleicht morgen nochmal welche nachkaufen werde (ja, hier haben die Geschäfte auch sonntags vormittags auf!) – jetzt habe ich mich entschlossen, damit ich endlich zu meinem Zwetschgenkuchen komme, einen Zwetschgenstreusel zu machen (Hefeteig kann ich nicht). Miammiam, wie man hier sagt.

Peu à peu kommen die Filme ins Kino, die beim Filmfestival im Mai von sich reden gemacht haben. Tatami ist bereits angelaufen, “The seeds of the sacred fig” wird demnächst anlaufen. Ich habe “A son image” gesehen, auch ein Film, der dieses Jahr in Cannes gelaufen ist, und hier und da hochgelobt wurde; erzählt wird, im wahrsten Sinn, denn es gibt eine Erzählerstimme (die mich nervte), die Geschichte von Antonia, einer jungen Frau, die ihren Weg sucht mitten im vom FLNC nationalistisch aufgewühlten Korsika der achtziger Jahre – die literarische Vorlage war ein ebenso hochgelobter Roman von Jerôme Ferrari. Das (französische) Buch blieb lange Zeit ungelesen neben meinem Bett liegen, aber ich werde es nochmal zur Hand nehmen, denn der Film lässt mich eher ratlos zurück – eine Aneinanderreihung von starken und schwachen (und zu langen) Szenen, die mich störende Erzählerstimme, Antonias zumindest mich nicht überzeugende Arbeit als Fotografin, sie wirkte weder perfektionistisch, wie die Erzählerstimme behauptet, noch besonders professionell, und sie, die ihr Leben frei und selbstbestimmt leben wollte, scheitert, weil sie zu sehr in den FLNC verstrickt ist. Ist das die Botschaft?

Im Moment scheine ich schwer zufriedenzustellen zu sein, denn vorgestern Abend habe ich die erste Staffel der englischen Serie Mum auf arte gesehen. Ich weiß nicht, ob ich die zweite und dritte Staffel sehen muss. Ich finde diese empathielose, sagen wir toxische Familie (ganz unerträglich schrecklich die Mutter von Kelly) nicht lustig. Eigentlich bin ich nur drangeblieben, um zu sehen, ob die gutmütige Cathy, die ihren Mann verloren hat, dem sie heimlich verehrenden Jugendfreund Michel, einem ebenso netten wie gutmütigen, aber nicht sehr mutigen Charakter, näher kommt – und irgendwie hatte ich gehofft, so tumb der Sohn Jason und die Schwiegertochter Kelly auch sein mögen, dass die beiden sich trennen und eine positive Entwicklung nehmen. Aber ich fürchte, es bleibt auf diesem unterirdischen Niveau. Vielleicht ist das britischer Humor und ich bin inzwischen zu sehr französisch geprägt, ich weiß es nicht. Haben Sie die Serie gesehen?

Und hier noch etwas ganz anderes, denn die Nachrichten haben nur ein Thema: Michel Barnier, unser neuer Premierminister. Gegen den in Paris heute schon demonstriert wird. Eine etwas ausführlichere Darstellung der Situation rund um den neuen Premierminister und das Parlament gibt es in der ZEIT. Und hier ein Artikel (ebenfalls in der ZEIT) über die Staatsverschuldung, die der neue Premierminister in seinem ersten (und vielleicht letzten) Haushaltsplan zu regeln hat, notfalls gegen die Linke und mit Marine Le Pen, all das nur, falls es Sie interessiert, keine Angst, der Text ist allgemeinverständlich.

ps: Sonntagmorgen, es regnet, und ich ergänze hier noch schnell den heutigen Newsletter von Herrn Minkmar, der sich nicht nur zum Notizbuch des neuen Premierministers äußert. Wie immer lesenswert.

So, der Kuchen ist fertig (und lecker, hätte aber mehr Zwetschgen vertragen können)! Schönen Sonntag!

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20 Responses to Der Wind auf den Fluren

  1. PaulineM sagt:

    Ich habe auf Empfehlung auch die Serie “Mum” angefangen und war sogar noch schneller fertig als Sie. Nach der ersten Folge war Schluss. Nicht mein Geschmack, nicht mein Humor.

  2. Marion sagt:

    Frische Feigen in dieser Farbe habe ich, glaube ich, noch nie gesehen. Die sind hier immer auberginefarben. Jedenfalls finde ich sie auch köstlich! Schön, dass das mit dem Zwetschgenkuchen geklappt hat. Du machst mir auch Lust drauf. Gibt es eigentlich Rhabarbersaft in F.? Bei Deinen vielen Filmtipps kommt man gar nicht mehr hinterher. Der auf Korsika spielende Film interessiert mich natürlich und Filme über toxische und empathielose Familien auch, mit beiden Themen kenne ich mich ja aus. Mit der Politik geht es mir so, dass ich kaum noch hinterher komme bei der Informationsflut und mich deshalb nicht mehr so reinhänge. Vielleicht auch eine Frage des Alters, ich brauche einfach mehr Ruhe. Oder vielleicht ist es auch Selbstschutz, dieser pausenlose Wahnsinn macht so müde. Dafür habe ich gestern wieder eine traumhafte Radtour gemacht und tolle Leute im Biergarten kennengelernt! Das gibt mir Kraft!

    • dreher sagt:

      Siehst du! Ich habe bei Grand frais noch überlegt, ob ich all die verschieden aussehenden Feigen mal fotografieren sollte – es gibt nicht nur die violetten Feigen, sondern auch grüne, bräunliche, gelbgrün gestreifte (die habe ich vorher auch noch nie gesehen) und kleine und große …
      Es gibt in gut sortierten Supermärkten Bionade mit Rhabarbergeschmack, ansonsten wissen sie zumindest hier im Süden nicht allzu viel anzufangen mit dem Rhabarber.

      Na, dann sind meine negativen Film-Empfehlungen ja doch auch für was gut ;-) Es wird demnächst noch ein anderer Korsika Film in die Kinos kommen, “Le Royaume”, mal sehen, ob ich mir den gebe. Komme gerade schon wieder aus dem Kino: “Ma vie ma gueule” mit Agnès Jaoui, die ich verehre, aber der Film war echt furchtbar und deprimierend.

      Toll, dass du Rad fährst und nette Leute kennenlernst!

  3. Karin sagt:

    Schön war’s in Heidelberg (auch heiss), jedoch auch enttäuschend, dass sie die Choreo der Schlossbeleuchtung schon wieder geändert haben und man von weitem und wegen der Menschenmassen nicht sehr viel sah, da sich vieles auf die Alte Brücke konzentrierte (Feuerkaskaden von der Brücke herab, wie mir ein wesentlich grösserer Mensch berichtete). Samstag Nachmittag waren wir auf dem Dilsberg, “Anstieg” mit Schlossbesichtigung und danach Kaffee und Kuchen (ich hatte leckeren Zwetschgenkuchen) im Café Goldrand in einem historischen Gebäude, gerade mal schätzungsweise vier Meter breit und mit steilen Treppen, kennst du vielleicht. Jetzt wieder zurück in Genf und hier hat es schon geregnet und tut’s immer noch. Die Temperaturen sind dementsprechend gefallen, ich konnte gut schlafen. Heute Morgen hätte ich jedoch fast eine Kopfbedeckung vertragen (ich habe sehr kurze Haare), so kühl war’s. Nie zufrieden, ich weiss. :)
    Liebe Grüsse, Karin

    • dreher sagt:

      Danke für deinen HD-Bericht, liebe Karin! Schlossbeleuchtung habe ich schon ewig nicht mehr gesehen, sind mir einfach zu viele Menschen und ich habe auch nie gut gesehen, ganz egal mit welcher Choreographie.
      Auf dem Dilsberg war ich auch schon lange nicht mehr, damals gab es eine Chocolaterie dort. Wenn ich in HD bin, mache ich ja Ausflüge mit der Mama, das muss immer passen (steile Anstiege, Treppen, komplizierter WC-Zugang sind nicht möglich; ich weiß nicht, ob man auf den Dilsberg mit dem Auto wirklich weit vorfahren kann?) insofern machen wir gern Altbekanntes und Bewährtes.
      Hier ist es, nach einem Tag Regen (gestern), auch erstmals wieder wohltemperiert! Hurrah!
      Liebe Grüße nach Genf!

      • Reiner Wadel sagt:

        Man kann auf dem Dilsberg ziemlich nahe ran fahren, wenn nicht gerade Wochenende ist. Steil ist es aber immer.

        • dreher sagt:

          🙏🤗 Dankeschön! Ja, ich erinnere mich so ungefähr… Und steil und Kopfsteinpflaster 😔 Vielleicht versuchen wir es noch einmal…

  4. Ute sagt:

    Vielleicht doch noch ein bisschen dranbleiben bei Mum – die Fassaden bröckeln dann doch, und viele Ängste und Verletzlichkeiten werden sichtbar. Bei allen. Aber dass man das so sehr zu verhindern versucht, vielleicht ist das typisch britisch. Ich fand die Serie ziemlich anrührend.
    Und Ihren Blog lese ich übrigens sehr gerne und regelmäßig. Die Bücher habe ich alle schon durch!
    LG aus Freiburg Ute

    • dreher sagt:

      Danke! Vielleicht schaue ich nochmal rein –
      Herzlichen Dank auch für die Rückmeldung zum Blog und zu den Büchern! Freue mich!
      LG

  5. Croco sagt:

    Habe Mum auch gefunden und die erste Staffel gesehen.
    Das ist kein Humor, die Verwandten von Cathy sind übergriffig, verächtlich und gemein. Und diese nette Frau, Cathy, und der einfühlsame Michael halten dem Stand in ihrer Anständigkeit und ihrer Einfühlsamkeit. Das gefällt mir.
    Als Kind war ich öfter das Opfer tantlicher Fiesheiten, die denen in der Serie sehr nahe kommen. Ich kam raus, weil ich mich zurück gezogen habe, mein Vater konnte das nicht, er war nicht stark genug. Wir haben dann mit ihm den Film ‚Tante Daniele‘ angeschaut. Vielleicht kennst Du ihn ja. Ich glaube, danach hat er erkannt wie seine Schwestern waren. Jedenfalls war er etwas konsequenter danach.

    • dreher sagt:

      Den Film kenne ich nicht 🤷
      Familie kann schrecklich sein, ich weiß.
      Ich bin nicht sicher, ob ich mir noch mehr von dieser Serie antun muss.
      Hast du alle drei Staffeln gesehen?