Herbst in den Bergen

Blauer Himmel mit Mond

Ich nehme Sie heute mit auf den Weg ins Oberdorf, es ist ein bisschen mehr als ein Weg, es ist eine offizielle Bergstraße, die dem Departement gehört und deshalb auch vom Straßenbauamt unterhalten wird. Umgangssprachlich nennt man sie hier une piste, was so viel heißt wie unbefestigter Weg.

Heute morgen, letzter verlockender Sonnenschein vor einer Woche Regen (während ich schreibe, regnet es bereits), haben wir uns spontan entschlossen, “weiter oben” Pilze zu suchen. Hinter dem Tunnel und dann links hoch, da gäbe es sogar Pfifferlinge, riet man uns, fügte aber hinzu, dass es wohl nicht der richtige Zeitpunkt sei, es habe zu viel geregnet, die Pilze seien alt und matschig, bis es neue gäbe, dauere es noch drei Tage. Drei Tage Sonnenschein wohlgemerkt, nicht wieder Regen. Aber gut, wir sind trotzdem hochgefahren. Pilze haben wir wirklich nur eine Handvoll gefunden, ich habe sie trotzdem zubereitet und sie waren lecker.

Aber ich habe ein paar schöne Fotos von der Strecke gemacht – neulich, als ich die Serpentinenstraße vom Dorf hinunter gezeigt habe, fand eine Leserin das schon abenteuerlich, jetzt zeige ich die wirklich abenteuerliche Strecke, zumindest einen Teil davon. Vor allem vor, im und hinter dem Tunnel ist es so eng, dass nur ein Auto durchpasst, und wenn einem da jemand entgegenkommt, muss man ein ganzes Stück rückwärts fahren, bis man an eine etwas breitere Stelle kommt, wo man dann aneinander vorbeifahren kann, aber nicht ohne anzuhalten, das Fenster runterzulassen und sich zu erkundigen, ob noch andere Autos kommen, denn dann wartet man besser noch ein bisschen, bevor man den Tunnel und die Strecke danach in Angriff nimmt. Heute ist uns auf dem Rückweg nach unten nur ein Kleinbus begegnet, aber glücklicherweise direkt an einer dieser Ausweichstellen, so dass niemand mit dem Auto jonglieren musste. Wir haben auf den Mountainbiker mit Hund hingewiesen, der noch irgendwo oben unterwegs war und vielleicht bergab überraschend auftauchen könnte. Man weiß ja nie.

Als ich diese Strecke zum allerersten Mal alleine fahren musste, damals noch mit einem Pickup der Gemeinde, um das Kirchlein oben für eine Hochzeit vorzubereiten, d.h. die alten Holzbänke abzuwischen, die Kirche zu fegen, die Spinnweben aus der Sakristei und vom Altar zu entfernen und auch das Unkraut um das Kirchlein zu jäten und ein paar Frühlingsblumen zu pflanzen, denn ich habe damals als entretien espace vert gearbeitet, wie sich manche vielleicht erinnern, als “Dorfhausmeisterin”, und habe die Wege gemäht und den Dorfplatz gefegt und bin zur Mülldeponie gefahren und noch vieles mehr – also als ich das erste Mal alleine mit diesem großen Auto da hochgefahren bin, habe ich vorher bei einem Nachbarn vorbeigeschaut und gesagt, wenn ich um 18 Uhr nicht zurück bin, dann sucht mich bitte da oben.

Der Wald ohne Pilze

Geschichten von abgestürzten Autos und Menschen gibt es einige – gut, einer war vielleicht betrunken und vielleicht auch des Lebens überdrüssig, und ein Schäfer, der einem verirrten Schaf nachlief, war auch darunter.

Gerne erzählt wird auch die Geschichte vom Briefträger, der damals noch täglich zu Fuß ins Oberdorf kam, um Post und Zeitungen zu bringen. Eines Tages nahm ihn meine verstorbene Schwiegermutter, eine ehemalige Rallyefahrerin, auf dem Rückweg nach unten mit dem Auto mit. Er habe Blut und Wasser geschwitzt (und das, obwohl er nicht auf der abschüssigen Seite saß!), so dynamisch sei sie nach unten gefahren und habe währenddessen auch noch mit ihm geplaudert.

Nun, ich fuhr langsam, es passierte nichts, und der Nachbar, der mir vorsichtshalber etwas früher gefolgt war, fand mich in der Sonne sitzend bei einem älteren Ehepaar, das mich eingeladen hatte, ihr einfaches Mittagessen mit ihnen zu teilen. Seitdem bin ich die Strecke bestimmt einige hundert Mal mit allen möglichen Autos gefahren, nur nicht bei (zu viel) Regen, denn ein Teil der Strecke führt durch sehr weiches Schiefergestein, das bei Regen zu einer Art grobem Schlamm wird. Dann sollte man nicht oder nur mit einem schweren Geländewagen fahren. Im Winter ist die Straße auch gesperrt.

Ich verlinke gerne noch einmal den Artikel von Jens Jessen, der in seinem diesjährigen Sommerurlaub einen Col auf einer ähnlichen Schotterpiste überquert hat. Ich habe mir im Internet ein Video von der Strecke angesehen, finde es jetzt nicht so dramatisch, aber erstens habe ich jetzt Pistenerfahrung, und zweitens gibt es wohl keine Straßenbegrenzung auf dem Col, das kann einen schon beeindrucken, wenn man so eine Straße zum ersten Mal fährt. Ich hoffe, der Artikel ist jetzt nicht mehr hinter einer Paywall.

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13 Responses to Herbst in den Bergen

  1. Marion sagt:

    Paywall ☹️. Kannst du den Artikel nicht selber einstellen, du hast doch das Abo? Diese Gegensätze Meer-Berge sind immer wieder beeindruckend!

    • dreher sagt:

      Kannst du nochmal auf den Link klicken? Ich habe versucht, den Artikel zu “verschenken” – ich wüsste sonst nicht, wie ich ihn hier einstellen soll. ich suche mal danach.

      • Gundula Mehlfeld sagt:

        Der Artikel ist jetzt zu lesen! Danke, auch mal grundsätzlich für deine immer interessanten Beiträge! LG Gundula

        • dreher sagt:

          Danke für die Rückmeldung! Und ich freue mich, wenn du meine Beiträge immer noch interessant findest – nach so vielen Jahren habe ich ja so vieles schon mal erzählt und gezeigt :)

  2. Karin Penteker sagt:

    Um Himmels willen, da würdest du mich im Auto nie hinaufbekommen! Nicht als Beifahrerin und schon gar nicht als Fahrerin, ich bin furchtbar schlecht im Rückwärtsfahren! Ich bin beim Wandern in den Bergen in Bayern auch schon einige Wege gegangen, die vormals mit Kutschen befahren wurden, und ich mir tatsächlich nicht vorstellen konnte, wie das denn gegangen ist. Nun, ich hab ja auch Höhenangst. Aber echt chapeau, dass du dir das beim ersten Mal überhaupt getraut hast!!!

    • dreher sagt:

      Ich habe in der Zwischenzeit auch Höhenangst (bekommen nach dem letzten Skiunfall am Steilhang), aber diese Strecke (und andere hier oben) kannte ich ja schon vorher, da geht es. Ich kann mich nur nicht über die Begrenzung beugen, um nach unten zu schauen. Rückwärts fahren kann ich auch nur schlecht, ich hoffe immer, wenn schon, dann auf einen besseren Fahrer zu stoßen, der dann zähneknirschend seinen Rückwärtsgang aktiviert. Hier gilt auch nicht stur “Bergfahrer haben Vorfahrt” sondern der, der die Strecke besser kennt, macht es möglich, dass es weiter geht.

  3. Pingback: 24-10-24 Die Hexen hinter uns waren Spanierinnen – iberty.de

  4. Christine sagt:

    Oh!Meine Güte! Das ist ja ordentlich eng und steil. Meine Welt dreht sich schon auf der dritten Leitersprosse…. Hut ab vor solcher Fahrkunst!
    Bitte schreiben Sie hier fleißig weiter, ich genieße die Ausflüge ins mir unbekannte Frankreich. Danke!

    • dreher sagt:

      Dankeschön Christine! Ja, es ist eng und steil – und es gibt Menschen, die haben uns da oben noch nie besucht, weil sie die Strecke nicht fahren können.
      Klar schreibe ich weiter :D

  5. Eva sagt:

    Liebe Christiane,
    ich lese ja wirklich schon sehr, sehr, sehr lange mit (seinerzeit bei Brigitte.de – wie lange ist das jetzt her?) und ich kann dich beruhigen. Ich lese immer noch ausgesprochen gerne deine Erzählungen aus dem südfranzösischen Alltag.
    Herzlichen Dank dafür und viele liebe Grüße
    Eva

    • dreher sagt:

      Ja, liebe Eva, ich weiß, und ich freue mich auch sehr sehr sehr darüber, dass du und andere mir schon so lange folgen und es nicht satt haben :D
      Liebe Grüße zu dir!

  6. Simona sagt:

    Sehr tolle Pistenfotos. Wenn ich dort fahren müsste, würde ich immer ordentlich schwitzen vor Angst und rückwärts fahren müssen, wäre auch schlimm. Aber die tolle Landschaft ist eine echte Belohnung.

    • dreher sagt:

      Merci 😊🙏 beim Rückwartsfahren schwitze ich ehrlich gesagt auch jedes Mal! Bin immer froh, wenn ich niemanden treffe auf der Strecke.
      Schön ist es aber dort, ich sage immer, den Ort da oben muss man sich verdienen 😁