Roter Teppich, Blitzlicht und Keinstaub

Sie sind da! Früher als erwartet. Der Paketbote brüllt immer vor dem Haus gegen Straßenlärm und geschlossene Fenster an, denn das Haus hat keine Klingeln. Warum auch. So lange der Postbote gute Stimmbänder hat… Als ich öffne bricht er fast unter der Last der Pakete zusammen. Manchmal ist die französische Post genial und es läuft wie am Schnürchen, hier heißt das ça marche comme sur les roulettes, … also, in Frankreich rollt es eher (woher das mit dem Schnürchen kommt, muss ich später mal nachgoogeln, denn leider habe ich hier kein Internet und auf unerklärliche Art ist mein Akkuladegerät fürs Handy verschwunden. Als ich gestern alles in Windeseile in Kartons warf, überlegte ich mir einen ganz besonders sicheren Ort für das Ladegerät, damit es eben nicht im großen Karton verloren geht. Dieser ganz besonders sichere Ort ist mir leider dauerhaft entfallen und mein internetfähiges Handy ist jetzt stumm. Klammer zu )  … alles klappt wie gesagt reibungslos. Das ist dann wie Weihnachten vor Weihnachten. Wir sind hier ja nicht verwöhnt. Manchmal braucht ein simpler Brief aus Deutschland drei Wochen, sei es, weil der deutsche Postbote sich dachte, ach Cannes, da scheint die Sonne, dann bring ich das mal eben selbst vorbei, und sich zu Fuß auf den Weg machte, oder es wird irgendwo gestreikt, was wahrscheinlicher ist in diesem revolutionären Land. Ich finde immer, man spürt, dass die Franzosen 1789 eine große Revolution gemacht haben. Hier werden mit revolutionärer Vehemenz Straßen blockiert, Salat und Fisch geworfen, Züge und Flugzeuge lahmgelegt und was nicht noch alles, was ich so in Deutschland noch nie erlebt habe. Die Post streikt auch immer wieder gern. Falls Sie dummerweise gerade dann auf irgendwas warten, haben Sie schlechte Karten. Während des Streiks geht nix und danach dauert es zu lange, alles wieder aufzuarbeiten, so dass ein großer Überhang an Briefen und Paketen auf unerklärliche Weise für immer verschwindet. Kein Mensch käme ja auch auf die Idee, durch Streik ausgefallene Flüge nachzuholen. Sehen Sie! Heute kam aber alles, was ich in letzter Zeit so bestellt habe, auf einen Schlag an. Hurra! Da wären die Kleinen Freunde, sie kommen aus Frankfurt, roter Teppich, Blitzlicht und warmer Kakao war für ihren Empfang gewünscht worden, sie wollten dann aber doch lieber Apfelsaftschorle, weil es hier wider Erwarten so warm war.

Gerade sehen sie sich ein bisschen im Haus um und freuen sich auf das Zimmer eines kleinen Mädchens, das sie in Zukunft bewohnen werden. Was bin ich so froh, dass ich endlich ein kleines Mädchen beschenken kann und so viele süße Sachen bei DaWanda bestellen darf. DaWanda ist klasse! Alles ist so nett und liebevoll, die Verkäufer sind nett, fix, perfekt, es ist eine Freude! Und wenn dann die französische Post noch mitspielt, ist es ma-gni-fique! Auch prima, auch wenn ich immer ein schlechtes Gewissen habe, weil es der große böse Wolf ist… ist ein Buchversand, Sie wissen schon… Heute kamen Pippi, Michel und Emil in franssöhssicher Sprache für ein lesebegeistertes anderes Kind (wobei Michel in der französischen Version dummerweise auch Emil heißt), hoffe, das ist noch nicht zu out für die coole Kindergeneration, die nur noch mit superhochgezüchteten Kreiseln spielen kann, die im Prinzip auch nix anderes machen als alte Holzkreisel, nämlich kreiseln… und es kamen ein paar deutsche Büchers für mich, danke für Ihre Empfehlungen neulich und ein bisschen französische Comics, BD, heißen die hier, bandes dessinnées! Ich bin immer wieder erstaunt wie viel sperrige Themen die Franzosen in BD’s packen. Mein Basiswissen über die verwickelte Geschichte mit Algerien stammt auch aus einem BD: Les Carnets d’Orient von Jacques Ferrandez. Mein Lieblingszeichner und -schreiber ist allerdings Joan Sfar, die ersten drei Bände von Le Chat du Rabbin sind genial, danach lässt es ein bisschen nach und er hat vielleicht gerade ein bisschen zu viel Erfolg mit Filmen und Tralala, seinen zweiten Band über den jungen Marc Chagall in Russland finde ich ziemlich delirierend…

Falls Sie jemals Schuhe ohne Anprobieren via Internet kaufen wollen, gibt ja Menschen mit unproblematische Füßen, dann kann ich Schuhpaket empfehlen. Schneller und unproblematischer geht’s nicht. Ich habe komplizierte Füße, weswegen ich in Cannes nur Flipflops kaufen kann, aber think und ich kommen gut klar, und Schuhpaket als Vermittler ist nur gut! Diesen Tipp verdanke ich übrigens Frau … äh … Mutti, der ich dafür auf ewig Dank schulde!

Nur damit Sie es wissen, ich sitze bereits in meinem noch ungestrichenen Büro (alles wird dort übrigens doch weiß, ich brauche wohl eine deutsche Exklave in einem bunten Haus, das Grau oben ist doch etwas grau…) inmitten von Bücherstapeln, einer Katze und Staub. Kennen Sie den Unterschied zwischen Keinstaub, Staub und Feinstaub? Wir haben in der Regel sehr viel Keinstaub. Monsieur macht absolut Keinstaub, wenn er eine Tür raushaut. Das ist ein bisschen Bauschutt, aber doch Keinstaub! Das, was dennoch unter dem Leintuch staubig geworden ist, ist nicht der Rede wert. Dass ich heute dennoch alles unter Plastikfolie verpackt habe, ist lächerlich, denn der Maurer, der heute noch ein Stück Wand raushauen wird, bevor er alles wieder zumauert, macht Keinstaub, weil er ja professionell ist. Ich habe eben nur noch nicht gesehen wie er arbeitet… ich will es auch gar nicht sehen, weswegen ich in meinem Büro sitze. Es reicht mir, dass ich es höre. Hört sich an wie beim Zahnarzt nur schlimmer.

Gestern war ich nämlich beim Zahnarzt in Le Cannet, was ich fälschlicherweise lange Zeit für einen Stadtteil von Cannes hielt. Le Cannet ist eigenständig und hat eine ganz anständige Bürgermeisterin, die sich nicht so gut mit dem Bürgermeister von Cannes versteht, obwohl sie der gleichen konservativen Partei angehören. Hier gibt es ja quasi nur konservativ, sehr konservativ, ultrakonservativ, oder konservativ mit einem bestechenden Charme, wenn Sie verstehen, was ich meine. Gibts in vielen Feinabstufungen – schwierige Wahl! Dann doch gerne eine konservative Bürgermeisterin, die in gewisser Weise charmant aber nicht bestechend charmant ist… Über Le Cannet will ich mal einen eigenen Artikel schreiben, der alte Stadtkern ist nämlich wunderhübsch, un bijou sozusagen!  Neben dem Zahnarzt ist gleich die Mairie und dort liegt auch viel Staub, ach nein, es ist Kunstschnee… voilà, ein Eindruck der Weihnachtsdeko von der Côte d’Azur!

Noch ein paar Fotos vorher – nachher vom Keinstaub. Monsieur wird fuchsteufelswild, weil ich das Staub nenne. Das ist Keinstaub! Das muss jetzt nur noch verputzt werden und dann

wird das noch mal kurz abgeschleift, und DANN staubt es vielleicht ein bisschen. Vermutlich ist es kulturell, dass man durch die Luft gewirbelten Bauerbeiterdreck nicht Staub nennen darf.

Schöne Grüße aus dem …äh… Kunstschnee ;)

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5 Responses to Roter Teppich, Blitzlicht und Keinstaub

  1. Wolfram sagt:

    Emil, äh Michel, heißt im schwedischen Original meines Wissens auch Emil, und ist auf deutsch aus Gründen umbenannt worden, die ich vergessen habe – vielleicht weil Kästners Emil schon bekannt war?

  2. Claudia aus Quinson sagt:

    … und da man auf Deinem blog wieder Kommentare hinterlassen kann, wünsche ich Dir auf diesem Wege zu Deinem heutigen Geburtstag alles Gute! Mit viel Kunstschnee als Konfetti ;-)

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