Es regnet, es ist kalt, es ist grau. Die Wohnung in einem alten, nicht isolierten Haus – lohnt ja nicht, dieser Aufwand für das bisschen Winter – wird nicht richtig warm. Die Heizung hängt bei unter 19° fest, mehr schafft sie nicht, wenn es draußen kalt ist.
Das Wasser ist bei Regen auch kalt, wir haben nur heißes Wasser, wenn die Sonne auf die Sonnenkollektoren scheint. Sprich, wenn es draußen ungemütlich ist, ist es auch drinnen ungemütlich. Im Prinzip bin ich in Cannes an manchen Tagen genauso warm angezogen wie in den Bergen, Stil Fleecepulli über Skiunterwäsche, und ich schleppe wieder eine Wärmflasche im Dauergebrauch mit mir herum. So ist es natürlich nicht jeden Tag. Meist ist es hier sonnig, und vor zwei Wochen haben wir schon am Strand gegessen und beinahe Sonnenbrand bekommen. Das erklärt, warum hier auf Isolation und funktionierende Technik gepfiffen wird. Wenn es heute kalt ist, tant pis, morgen ist es wieder wärmer.
Jetzt ist es aber schon seit dem Wochenende nass und kalt. Der Nachbar von oben hat dennoch beherzt die Orangen im Vorgarten geerntet. Die Ernte bei uns ist dieses Jahr sehr mager. Letztes Jahr wusste ich nicht wohin mit all den Orangen, dieses Jahr reicht es (wir teilen mit den Nachbarn) gerade für entweder eine Fuhre Marmelade oder 5 Liter Orangenwein. Ich entschied mich für den Wein. Um dem nasskalten Grau etwas entgegen zu setzen, habe ich ihn heute angesetzt. Es ist das erste Mal, dass ich vin d’orange mache und es gibt auch hier unzählige Rezepte. Ich bekam ein Familienrezept überliefert, das von zwölf ganzen Orangen in einem großen Behälter ausgeht. Ich habe aber nur eine bauchige 5-Liter-Flasche mit kleiner Öffnung gefunden, in die allenfalls kleingeschnittene Orangenschnitze passen. Zwölf Orangen waren für das Flaschenvolumen zu viel, so dass ich mir aus mehreren Rezepten etwas zusammengebastelt habe. Ob das gut gegangen ist, kann ich Ihnen frühestens im Sommer sagen, wenn man den vin d’orange als Aperitiv süppelt. Jetzt muss er erstmal ziehen…
Für alle diese Aperitiv-Weine (beliebt ist hier auch Nusswein, der mit frischen Walnüssen im Sommer angesetzt wird) gilt, je länger er ruht, desto besser wird er. Wir hatten in der Auberge im Sommer 2008 Nusswein angesetzt, dafür muss man noch grüne Walnüsse mit einer Stricknadel durchstoßen und lässt sie mit Wein, Alkohol, Zucker und Gewürzen in einer Flasche ziehen. 40 Tage gelten im Schnitt als Ruhezeit für diese Art Wein. Das macht man in sogenannten bonbonnes, großen Korbflaschen, die man dann in seinen Keller stellt und dort am besten vergisst. Die modernen bonbonnes, die man in den Coopérativen kaufen kann, sehen heute weniger hübsch aus, sind in der Regel aber etwas praktischer und sie haben eine größere Öffnung, was das Befüllen (und vor allem später das Ausleeren) mit ganzen Früchten etwas einfacher macht.
2009, als ich die Auberge leer räumte, fand ich auch die bonbonne mit 10 Litern angesetztem Nusswein wieder. Ich probierte ihn und fand ihn trotz der langen Ziehzeit nicht wirklich gut. Waren die Nüsse zu lange darin gewesen? Ich wusste es nicht. Ich hätte ihn gern verschenkt, aber in den Bergen machen alle ihren eigenen Nusswein und wer will schon Nusswein, der nicht wirklich gut ist? Wegschütten mochte ich ihn damals aus sentimentalen Gründen auch nicht, also zog die bonbonne mit mir um. Sie fand dann im Keller vom Sommer-Haus in den Bergen eine Bleibe und dort vergaß ich sie. Im Sommer 2011 stolperte ich wieder über sie und war nun auch innerlich bereit, den schlechten Nusswein wegzuschütten. Ich probierte ihn vorsichtshalber noch einmal und: oh Wunder, er war vorzüglich! Fantastisch geradezu. Er hatte eben nur drei Jahre gebraucht. Ich filterte ihn und füllte ihn in Flaschen und wir hatten einen feinen Aperitiv, den es so nicht zu kaufen gibt. Im Herbst letzten Jahres tranken wir die letzte Flasche. Dieses Jahr will ich wieder Nusswein ansetzen. Ich hoffe, ich denke daran, im Frühsommer, wenn die Walnüsse noch grün sind, welche zu ernten. Nicht ganz einfach ohne frei zugänglichen Walnussbaum in der Nähe. On verra.
Hier aber nun mein Rezept für le vin d’orange
5 bittere Orangen, 1 süße Orange, Schale einer Zitrone (alles unbehandelt wenn möglich), 5 Liter Roséwein (den, den sie mögen), 1/2 Liter Alkohol, 500g Zucker, 1 aufgeschnittene Stange Vanille, 2 Stangen Zimt, 2 Nelken
Die Orangen so klein schneiden, dass sie in die Flaschenöffnung passen, Zitronenschale dazu, 500g Zucker, den Alkohol, Vanille, Zimt und Nelken hinzu geben. Zum Schluss 5 Liter Roséwein darauf gießen. Das alles schön vorsichtig umrühren. Einen Korken (ich nahm einen etwas zurechtgeschnittenen Champagnerkorken), um die Flasche zu verschließen.
Die Mischung an einen kühlen und dunklen Ort stellen, täglich umrühren. Die Ziehzeit beträgt mindestens 21 Tage, im Schnitt sagt man 40 Tage. Eventuell länger, siehe oben.
Den Wein dann filtern und in Flaschen füllen. Mindestens noch zwei Wochen ruhen lassen. Bon degustation!
ps: Da ich nur die Hälfte der Orangen für den Wein verwendet habe, mache ich jetzt noch ein halbes Rezept Orangenmarmelade. Exakt wie letztes Jahr, nur eben alles halbiert.
Schöne Rezepte. Es gibt so wunderbare Sachen.
Was die Walnüsse und deren Ernte angeht – ich will Dich ja nicht anstiften: Im kommenden Frühsommer nachts schwarz anziehen und so ab 03:30 Uhr mit dunklem Beutel leise auf den Baum losgehen und dann… Vorher ein Sport- bzw. Trainingsprogramm zur Vorbereitung ? Es sind ja noch ein paar Monate hin.
Eine Alternative wäre: Kaufen. Das wird dann aber wahrscheinlich nicht so gut schmecken. Das ist wohl so wie früher mit den Äpfeln.
Beste Grüße aus Hamburg (hellgrau, etwas unter 0° C, Restschnee)
von
Olaf
lieber Olaf, danke für den Tipp… grüne unreife Nüsse verkauft keiner … die muss man von irgendeinem Baum schlagen. In meinem früheren Dorf war das kein Problem, da war der Dorfbaum ein Walnussbaum, da durfte man sich bedienen ich müsste rechtzeitig hinfahren.
Ich würde übrigens den Zimt näxtes Mal weglassen, erinnert mich zu sehr an Glühwein. Aber den krieg ich jetzt nicht mehr aus der Flasche rausgepfrimelt… tant pis
schöne Grüße aus Cannes, etwas über Null immerhin
Geschafft!
Soeben probierte ich beim Abfüllen “nor einen wänzigen Schlock” dieser Melange.
Alternativ nahm ich übrigens zur Herstellung Blutorangen, welche dem O-Wein eine schöne Farbe verleihen.
Der Geruch und Geschmack erinnert ein wenig an Campari, aber auch wirklich nur ein wenig. Ansonsten freue ich mich schon auf einen warmen Sommer, um den vin d’orange kühl zu genießen.
À votre santé.
PS Auf den Limoncello bin ich jetzt auch gespannt…
ich hoffe, der “wänzige Schlock” war wohlschmeckend? Mein angesetzter Wein steht hier noch und wird in Ermangelung von Zeit und Muße vermutlich auch noch eine Weile so ruhen – schadet ja nicht, denke ich. Sommer ist noch lange nicht, geschweige denn Frühling …
Das war er.
“Hmmmmmmmmmmmmmmmmmm…” würde Alfred Biolek sagen.
Aaaaaaaaaah
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