Letztes Jahr, als ich die Katzen das erste Mal für ein paar Wochen aus der Hitze von Cannes in die Berge mit umzog, waren sie dort die einzigen Katzen weit und breit. Ein riesiges Königreich, zudem voller Mäuse, hatten die beiden für sich allein. Und kaum hatten sie sich von der anstrengenden Fahrt erholt…
schossen sie wie wildgewordene Hasen durch die Wiesen. Ich fand die ultraschnelle Veränderung von schlaffen Rumliegekatzen zu sportlichen Rumrennkatzen phänomenal. Aber auch den Katzen hatte die Hitze unten zugesetzt und oben in den Bergen erwachten ihre Lebensgeister neu. Jeden Tag fanden wir mindestens zwei tote Mäuse vor der Tür und die Katzen vergaßen vor lauter Abenteuer und Mäusejagd ganz, dass sie eigentlich normale Katzenfutterkatzen sind, vor allem Pepita vergaß das heimische Fressen und wurde vor lauter Rumgerenne ziemlich dünn. Pepitas ursprüngliche Hüftrundung wurde geradezu konkav, so dass ich mir ein bisschen Sorgen machte. Völlig umsonst, sie wurde während des behäbigen Cannes-Winters sofort wieder runder. Der Park nebenan ist ein überschaubares Terrain für meine beiden Wilden. Ich vermute, sie haben da lässig alles unter Kontrolle. Kein Stress.
Ich sehnte also den diesjährigen Sommerfrische-Bergaufenthalt für mich ebenso wie für meine in der Hitze immer schlaffer werdenden Katzen herbei. Aber dieses Jahr ist alles anders. Mitten in der Nacht im Dunkeln oben angekommen, kein Licht weit und breit, lasse ich die beiden aus ihren Körbchen. Sie schießen zunächst wie wild geworden durch jeden Winkel des Hauses und dann hält sie nichts, sie müssen hinaus, um die Gegend zu erkunden. Plötzlich höre ich ein ohrenbetäubendes Kreischen. Im Dunkeln stolpere ich über ein kämpfendes und zischendes Katzenknäuel. Mir scheint, der König und die Königin der Berge haben plötzlich einen halbwilden Krieger gegen sich, der das Königreich nun für sich beansprucht. Er schlug sich vor Monaten bis hierher durch, lebt nun dauerhaft hier, und sein Terrain reicht so weit das Katzenauge blicken kann. Freche Eindringlinge, selbst auf Zeit, haben hier nichts zu suchen. Damit das gleich klar wird, versucht er uns durch das Ausstoßen unglaublicher Laute einzuschüchtern. Ich weiß nicht wie beeindruckt meine beiden Kleinen sind, ich bin es allemal. Nachts findet erneut eine Katzen-Auseinandersetzung vor unserer Zimmertür statt, der halbwilde Kater mit kämpferischem Luchsblick ist tatsächlich unbemerkt bis hier hin vorgedrungen, meine Beiden, deutlich eingeschüchtert, aber immerhin zu zweit, haben ihm jetzt den Rückweg abgeschnitten, und halten eisern die Stellung, er kann weder vor noch zurück, so dass er bedrängt schreit und zischt. Ich suche irgendetwas, mit dem ich diese Schrei-Kraftprobe auflösen könnte. Ein Besen kommt mir gerade recht und ich jage alle drei raus. Uff. Draußen geht das Geschrei dann weiter. Eine Woche lang verteidigen mein beiden Tapferen jetzt zumindest das Haus und den Garten als ihr Terrain. Pepita vergisst mal wieder das Fressen und schläft nicht mehr. Sie wacht. Sie patrouilliert um das Haus. Sie ist völlig angespannt und durch nichts von ihrer Aufgabe abzulenken. Aber auch Cachou ist selten zu sehen. Doch obwohl er doppelt so groß und deutlich schwerer ist als Pepita, ist es, so weit ich das sehen kann, die kleine, zähe und aggressivere Pepita, die hier die Hauptverteidigungsarbeit leistet. Der gemütliche Cachou findet tagsüber auf jeden Fall immer Zeit fürs Futter und für ein ausgiebiges Schläfchen im Sessel. Noch einmal muss ich morgens um drei autoritär mit dem Besen wedeln…
Enttäuschend für meine beiden Vierbeiner ist außerdem, dass es, Dank der hier seit Monaten ansässigen Katze, keine zu jagende Mäuseschar mehr gibt. Nichts. Gar nichts. Der Katzenkrieger ist wohl ein schrecklicher Mäusetöter. Nach Tagen ergebnisloser Jagd, sind meine beiden frustriert. Mehr als einen winzigen Baby-Siebenschläfer gab’s für sie nicht.
Kaum ist es etwas ruhiger geworden mit dem Katzenkrieger, taucht plötzlich noch ein Hund auf. Ein verspielter junger wunderschöner Irish Setter, der mit einer anderen Ferienfamilie den Weg hierher gefunden hat. Ungestüm und gelangweilt würde er vermutlich gern mit meinen beiden Katzen spielen, jagt sie stattdessen aber nur in die Bäume, unter denen er dann stundenlang schwanzwedelnd sitzt. Ich frage mich, ob ich meinen beiden Kindern ein bisschen viel Abenteuer zumute, denke mir aber, so erleben sie wenigstens ein Mal im Jahr etwas echtes Katzenleben und schulen ihre Sinne und Fähigkeiten, kann ja nie schaden, und hilft vielleicht selbst im stressfreien Park in Cannes. Immerhin sind sie mal in der Weite der Berge mit Wildschweinen, Füchsen, Jagdhunden und anderen kämpferischen Katzen groß geworden.
Seitdem die Terrainfrage wohl erfolgreich geklärt wurde, der Irish Setter einen alternden Golden Retriever entdeckt hat, mit dem er jetzt fernab in Flitterwochenstimmung durch die Gegend zieht, finden meine Katzen endlich etwas Ruhe und hin und wieder auch Mäuse. Für die erste wirklich große Maus hat uns Cachou vor Glück miauend geweckt. Als ich die Tür öffne, sagt er: „Hey Freunde, ich hab was mitgebracht für ‘ne kleine Mitternachtsparty im Bett. Gibts vielleicht noch was von dem Rotwein?“ Wir sind aber so schreckliche Überraschungs-Partymuffel, dass er seine Maus, nicht unzufrieden, dann doch alleine unter dem Bett zerschnurpst. Urgh. Grausliches Geräusch. Für die zweite Maus werden wir ebenfalls geweckt, die kann ich aber, gedanklich und praktisch vorbereitet, flugs gegen ein Knabberstängchen tauschen und lasse die noch lauwarme Maus verschwinden. Ganz schön groß so eine Feldmaus. Und hübsch eigentlich auch. Aber nun ja. Frei nach dem (gerade ergoogelten) bösen Philip Sheridan… Nur eine tote Maus ist eine gute Maus… grüßen wir für eben aus dem Abenteuerland!
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