Cargèse. Cargèse sei ein pittoreskes Fischerdörfchen, sagt die offizielle Seite des Office de Tourisme, und der Ort sei “geprägt” von der griechischen Ansiedlung, die es im 17. Jahrhundert gegeben habe. Es gibt auch noch immer eine griechisch-orthodoxe Gemeinde neben der katholischen, die zur Zeit (laut meinem Reiseführer) beide vom gleichen Pfarrer (in zwei Kirchen) betreut werden. Gelebte Toleranz ist also möglich in Cargèse, das in der heutigen Zeit viel mehr von einer anderen Geschichte “geprägt” ist: ich verlinke nur mal einen Artikel aus einer französischen Zeitung oder diesen aus der NZZ. Ein Dorf hüllt sich in Schweigen. Dass man in Korsika über vieles nicht offen oder auch gleich gar nicht sprechen kann, macht den dunklen Teil dieser sagenhaft schönen Insel aus. Wenn man einmal den Blick “dafür” hat, dann sieht man Straßenschilder bei denen der französische Name der Städte geschwärzt oder gar zerschossen ist mit anderen Augen, ebenso die verklausulierten und nur manchmal übermalten Inschriften an Wänden: IFF oder IAF “I Francesi fora” oder wahlweise “I Arabi fora”: Franzosen raus oder Araber raus. Es gibt aber auch noch “direktere” Graffiti, ich habe sie nicht fotografiert.
Ach, das sei gar nichts, sagen die, die schon vierzig Jahre oder länger dort leben, früher hätten sie wirklich Angst gehabt, heute würden sie eben nur manche Orte meiden, Cargèse zum Beispiel, und dann erzählten sie mir Geschichten von früher und danach konnte ich nicht mehr schlafen.
Und dabei ist es dort so schön.
Mit dem Wind kamen blaue Segelquallen – sie kommen jedes Jahr um diese Zeit angeschwemmt, sagte man uns, sie verblassen an der Luft und verwesen – es riecht zwei, drei Tage etwas fischig, dann ist alles vorbei.
Es blüht am Strand.
Möwenmahlzeit.
Von dort machten wir einen kleinen Ausflug in die Berge.
Außerhalb der Dörfer laufen dort Kühe auf den kurvigen Bergstraßen einfach so herum, manchmal sieht man vorher Kuhfladen auf der Straße, das ist ein deutliches Zeichen und man fährt dann besser langsam, manchmal kommen auch die Kühe zuerst, manchmal sind es auch schwarze Schweine oder Ziegen.
Suchbild mit Ziege.
Gut, dass ich schon so viel Bergstraßenerfahrung habe, aber es gab immer wieder Begegnungen mit Reisebussen, da ging es minutenlang nur Millimeterweise voran und aneinander vorbei. Und das außerhalb der Saison, ich möchte gar nicht wissen, wie das im Sommer ist.
Wir fuhren runter nach Porto. Ist aber schöner von oben, finde ich.
Von dort ging es wieder bergauf durch die “Calanches”, eine bizarr geformte Felslandschaft, und genau wie von der Küste in Propriano gelang mir kein einziges Foto, von den Felsen, die aussehen wie Hunde, Dinosaurier und was weiß ich.
Am nächsten Tag ging es in aller Frühe zurück nach Ajaccio. Auf dem Markt kauften wir schnell noch Käse, Honig und Figatelli, und dann gings schon auf die Fähre.
Korsika hat mich wirklich umgehauen mit seiner Schönheit, und ich bin ja wirklich schon verwöhnt. Ich hätte nicht geglaubt, dass mich eine Gegend so beeindrucken könnte. Korsika ist etwa so wie die Côte d’Azur oder der Var UND gleichzeitig das Hinterland, lieblich und rau, und alles liegt so dicht beieinander: traumhafte Strände, eindrucksvolle Berge (die Berge gehen bis an den Strand), viel Natur, verschlafene Bergdörfer, quirlige Städte. Ich komme bestimmt wieder. Den Norden muss ich ja auch noch anschauen. C’est beau la Corse!
Zurück von Korsika wollte ich mehr wissen und begann zu lesen:
“L’enquete corse” ist eine amüsante BD (bande dessinée/ein Comic), angeblich voller Klischees, die aber in Wirklichkeit gar keine Klischees sind; wurde mit Jean Reno und Christian Clavier unter dem gleichnamigen Titel auch verfilmt; Kenner der Szene finden den Film “leichter” als die BD.
Ich habe außerdem angefangen, Jerôme Ferrari zu lesen, der eine Korsika Trilogie verfasst hat;** es ging mir mit dem Text ein bisschen so wie früher mit französischen Filmen: ich sah sie auf Französisch, verstand nicht alles und sah sie mir daher auf Deutsch an, und die deutsche Synchronisation passte dann irgendwie nicht mehr. Außerdem wurde das, was ich im Französischen nicht verstanden habe, im Deutschen nicht mal übernommen oder völlig anders ausgedrückt. Die Lösung ist also, die französischen Filme einfach so oft anzuschauen, bis ich sie verstehe (oder weiterhin und wie in meinem ganzen französischen Leben mit einer gewissen Ungewissheit zu leben) –
Ferraris Texte schienen mir zu kompliziert, zu gewaltig die Sprache, zu lang die Sätze, also habe ich mir die deutsche Ausgabe von Balco Atlantico und die Predigt auf den Untergang Roms (Sermon sur la chute de Rom) bestellt und : die deutsche Übersetzung, obwohl sicher ausgezeichnet (sagen zumindest alle) kommt mir unpassend vor. Irgendwas legt sich da quer. Ich lese jetzt also doch wieder auf Französisch, so lange bis ich es verstehe, auch wenn es (mir so zu) langsam geht. Es beruhigt mich, dass manch ein Leser das auch mit der deutschen Ausgabe erlebt – das Langsamlesen müssen.
** die französische Ausgabe ist übrigens beim Verlag Actes Sud in Arles erschienen; die Verlegerin ist jetzt unsere Kulturministerin geworden (Danke für den Link an Marion!)
Ja, die Geschichten vom FLNC, Abenteuer Korsika… immerhin ist es auch ihm zu verdanken, dass es keine Bettenburgen und zubetonierten Küsten gibt (Ironie off)…
Ich war vor 10 Jahren nochmal dort und sehr wehmütig… dort haben meine Auslandsabenteuer ihren Anfang genommen. Du musst Dir unbedingt beim nächsten Mal auch Calvi und L´Ile Rousse angucken und die Balagne. Cap Corse und der Osten sind dagegen etwas langweiliger.
Danke für die Literaturtipps! Für mich geht’s nächste Woche erstmal nach Ibiza, habe Lust auf Hippie-Flair (und Sonne…. und Meer…)
Ich dachte, dein Auslandsabenteuer habe am Atlantik begonnen, bist du da nicht mit einem Franzosen durchgebrannt?!
Ja, nächstes Mal machen wir den oberen Teil!
Viel Spaß in Ibiza!
Hihi, am Atlantik war ich nur im Urlaub, aber Korsika war der 1. längere Auslandsaufenthalt. Mit dem Franzosen war es auch nichts Ernstes, er hat mich noch in Köln besucht und ist dann nach Afrika ausgewandert… aber mit meinem deutschen Verehrer hatte ich es mir dadurch verscherzt und der war netter als der Franzose. Aber so ein Franzmann ist eben irresistible
Er hat dich noch in Köln besucht und du sagst, das war nichts Ernstes?! tssss …
Als langjährige Leserin, die sich – so glaube ich zumindest – bisher nie zu Wort gemeldet hat, möchte ich hier heute mal ein kleines Lebenszeichen hinterlassen und DANKE sagen. Für die vielen schönen Texte und lebendig geschilderten Eindrücke! Und die Mühe und den Aufwand, der dahinter steckt. Ich hoffe, dass es noch viele Jahre so weiter geht.
Heute musste ich einfach schreiben, weil Korsika für mich eine ganz besondere Insel ist. Ohne natürlich die ganze Welt gesehen zu haben, in meinen Augen etwas ganz Besonderes. Die Berge, die Landschaft, das Ungezähmte, die Küsten, die Strände, die kleinen Dörfer …. und vor allem der Geruch! Besonders intensiv erlebte ich diese Schönheit auf dem Fahrrad, von der Küste hoch in die Berge und wieder retour, an unzähligen Schweinen vorbei
Dankeschön! Freue mich über den Dank und die netten Worte einer langjährige Leserin Und wow! Auf dem Fahrrad rauf (und wieder runter)! Respekt! Ja, der Geruch, das sagen viele; was jetzt blühte und ganz stark roch, waren die Immortellen, das Currykraut – mochte ich aber nicht so.
Noch schlimmer sogar – hoch und runter und wieder hoch und wieder runter, quasi in Endlosschleife, aber in einer wunderbaren
Und runter geht’s auf Korsika ja ganz fantastisch von hohen Bergen bis ans Meer, da wiegt man sich auf dem Rad in den Kurven, dass es eine Freude ist.
Ich habe übrigens wirklich ausnahmslos alle Einträge gelesen und lese schon seit dem Brigitte Blog mit und freue mich über jeden neuen Text!
Ooooh wie schön! So lange schon! Und (bisher) immer schweigsam im Hintergrund –
Ja, jetzt habe ich mir ein Herz gefasst und endlich mal kommentiert. Ich vermute, es gibt noch ganz viele mehr, die ebenfalls fleißig lesen und “im Hintergrund” bleiben
Merci! Tut mir leid, dass es so lange mit dem Freischalten dauerte, bin in den Bergen und habe (noch) kein Internet; gerade auf Stippvisite in Cannes … und husch schon wieder weg!
Vielen Dank für die grandiosen Bilder und Deine anschaulichen Berichte!!!
Danke dir Uschi!
Liebe Christiane,
ich war am Pfinstwochenende im Elsass und musste an Dich denken! Im Klosterladen Trois épis oberhalb vom Rheintal gab es Lérina jaune und verte. Auch wenn du keinen Alkohol trinkst, glaube ich, dass Du weißt, wo er herkommt. Hast du nicht auch darüber geschrieben? Ich habe es nur nicht mehr gefunden… Ich hab mit meinem Mann im Hotelzimmer mit 2 Miniflaschen auf Dich angestoßen! Allerdings kommt man sich immer ein klein wenig versoffen vor beim Kauf von kleinen Schnapsflaschen!
Liebe Grüße!
Eva
weiss nicht, ob ich über den Allohol geschrieben hatte, aber über das Kloster allemal, hier etwa http://aufildesmots.biz/2011/02/les-iles-des-lerins-2/ des bises!
Die Reise und die Berichte sind zwar schon etwas her, ich möchte mich trotzdem noch dafür bedanken. Die Fotos sind wunderschön und wecken Erinnerungen an die Insel. Korsika ist so vielfältig und abwechslungsreich!
Filitosa lohnt sich übrigens sehr, wenn man sich ein bisschen für Prähistorisches interessiert
Viele Grüße
Vinni
Liebe Vinni, der Dank wird auch gerne noch später angenommen (wobei Beiträge nach vier Wochen für Kommentare geschlossen werden, es hängt sich einfach zu viel Spam dran). Viele Grüße, weiterhin viel Spaß beim Tanztee! (Und stimmt, die Werbung ist ziemlich unmöglich, unglaublich eigentlich, dass da noch keine Frau Einspruch erhoben hat)