Dies und das im September

Erdbeerbaum

Kürzlich aßen wir in einem netten Restaurant mit Seeblick, ein See in diesem Fall und nicht die See, der Lac de St. Cassien um genau zu sein, und dort standen erstaunlich viele Erdbeerbäume oder auch Arbusiers. Gerade nachgesehen, die Bäume gehören zur Gattung der Heidekrautgewächse, verrückt. Und ja, die Früchte sind essbar, schmecken süßsauer und mehlig, man macht wohl gerne Konfitüre daraus, sie enthalten wie auch die Hagebutte viel Vitamin C.

Dann wurde Cannes wieder überschwemmt, völlig überraschend, ohne die sonst vom Wetterdienst angesagten Warnstufen orange oder rot, brach ein Gewitter über uns herein und Wassermassen überfluteten das gleiche Viertel wie 2015, die gleiche Straße brach wieder von den unterirdisch anschwellenden Strömen auf, Erdgeschosswohnungen, Geschäfte, Apotheke, Patisserie und natürlich alles was tiefer liegt, Garagen und Keller standen wieder unter Wasser. Unser Keller auch, aber diesmal waren es nur 15 Zentimeter Wasser und nicht ein Meter fünfzig wie beim letzten Mal. Das lag aber nur daran, dass der Wolkenbruch nur eine halbe Stunde dauerte. Glück im Unglück. Wir wuchteten feuchte Kartons nach oben, diesmal aber nicht mit Büchern, sondern mit Geschirr und Kochtöpfen, die ohnehin für den Flohmarkt bestimmt waren. Andere trugen wieder Möbel und Matratzen hinaus und hängten durchnässte Wäsche zum Trocknen an den Zaun und in die Sonne. Was soll ich sagen? Die Jahrhunderthochwasser kommen jetzt alle zehn Jahre oder schon nach neun Jahren oder vielleicht noch öfter. Wenigstens ist diesmal niemand umgekommen.

So fuhren wir zwei Tage später als geplant in die Berge, und das war gut so, denn wir bekamen überraschend Besuch von Tetiana und ihrer Mutter, die zum ersten Mal in ihrem Leben ein paar Tage Urlaub machte. Sie hatten eine lange und aufregende Reise hinter sich, denn Tetianas Mutter war natürlich auch zum ersten Mal geflogen. Es war eine sehr bewegende Begegnung, wir umarmten uns immer wieder und sie dankte uns dafür, dass wir ihre Kinder und Enkelkinder bei uns aufgenommen hatten. Wir haben gesagt, dass wir froh sind, in diesem Krieg etwas getan zu haben. Dass wir uns alle so mögen, ist natürlich ein großes Glück. Sie zeigte uns Fotos von ihrem Dorf, dem Haus, dem Garten, den Katzen, dem Hund und den Hühnern und lud uns zu sich nach Hause ein. Wir versprechen zu kommen, sobald der Krieg vorbei ist.

Wir zeigen uns Fotos und erzählen. Der kleine M ist jetzt in die Schule gekommen, der große M hat die Schule gewechselt. Aber er geht nur jeden zweiten Tag hin, weil die Schutzräume nicht groß genug sind, um alle Kinder aufzunehmen. Denn ja, auch in der Westukraine gibt es Sirenenalarm und Bombenangriffe. Auch wenn sie gelernt haben, damit zu leben. “Ich gehe jetzt schlafen, die Sirenen haben aufgehört”, habe ihm sein Sohn schon ein paar Mal am Telefon gesagt, erzählt Ivan, und dass er das immer befremdlich finde.

Am Abend sind wir dann in die Berge gefahren, auf der Serpentinenstraße nach Châteauneuf sind zwei Hasen vor unserem Auto vorbeigeschossen, und nach einer Kurve standen wir überraschenderweise nez à nez, wie man hier sagt, direkt vor einem Hirsch, oder er vor uns, je nachdem. Wow! So nah habe ich noch nie einen Hirsch gesehen. Was für ein großes Tier, wie majestätisch er da stand! Sehr beeindruckend! Doch bevor ich mein Handy zücken konnte, um ihn zu fotografieren, machte er einen Satz über den Zaun der Schafweide und war verschwunden. Später hörten wir ihn und andere laut röhren. Es ist die Zeit der Hirschbrunft – le brame du cerf heißt das hier – und viele wandern mit Fotoapparat und Fernglas hier hinauf, um die Hirsche in der Brunft zu hören und wenn möglich auch kämpfen zu sehen.

Oben angekommen mussten wir erst einmal ein Feuer machen, der Temperaturunterschied zur Küste ist doch enorm und auch das Haus war auf 15 Grad ausgekühlt. Nachts habe ich dann auch wieder in meiner Winterausrüstung geschlafen: warme Skiunterwäsche inklusive Mütze, Socken und Wärmflasche.

Anderntags war es sonnig und während der Gatte auf Handwerker wartete (der eigentliche Grund, warum wir hier oben sind), die aber nicht kamen, wanderte ich in den Wald, um Pilze zu sammeln, – des sanguins wurden gewünscht, Reizker zu Deutsch.

Ich fand ein paar kleine, ganz frische, noch fest im Fleisch ohne irgendwelche Würmchen darin. Zwar habe ich noch allerhand andere ebenso frische und hübsche Pilze gefunden, die haben wir aber letzten Endes aussortiert. Von den rötlichen und orangefarbenen Sanguins habe ich abends ein Pilzomelette gemacht – es war köstlich, wurde aber leider nicht dokumentiert.

perfekter Pilz
aussortierte Pilze

Was hier neben Thymian auch wild wächst, ist Bohnenkraut.

Nochmals vielen Dank für die Empfehlung dieser Pflanzenbestimmungs-App! Es macht wirklich Spaß damit zu arbeiten! Ich habe heute beim Unkraut jäten auch noch ganz andere Dinge entdeckt – einen Kriechenden Knöterich und die violett blühende Bergminze, die ich noch nicht kannte.

Für Pilze habe ich leider nicht annähernd so eine gute App gefunden, alles bleibt etwas vage, scheint mir, vielleicht ist es zu gefährlich, konkrete Angaben zu machen. Die Pilzbestimmungs-Apps lehnen auch jede Verantwortung für Pilzvergiftungen ab und fragen vorher, ob man suizidgefährdet ist.

Was es auch gab (und noch gibt) ist Zwetschgenkuchen, denn ich habe noch einmal überraschend kleine und gute Zwetschgen gefunden.

Kuchen musste sein, denn wir hatten unseren vierzehnten Hochzeitstag. “Elfenbeinhochzeit” heißt es edel in Deutschland, in Frankreich wiegen die vierzehn Jahre schwerer: Noces de plomb, Blei-Hochzeit heißt es hier.

Das formbare und feste Blei symbolisiert die Flexibilität und Robustheit der Beziehung. Es symbolisiert die Stärke und Stabilität der Bindung zwischen dem Paar sowie ihre Fähigkeit, Prüfungen zu widerstehen und schwierige Zeiten gemeinsam zu überstehen.

Merci à salondelalliance.com

Vierzehn! Für mich, die ich vorher keine Beziehung länger als drei Jahre durchgehalten habe, sodass ich insbesondere unser drittes Jahr sehr bang anging, sind vierzehn Jahre Ehe, in der wir in der Tat Prüfungen und schwierige Zeiten zu überstehen hatten, eine unglaubliche Geschichte.

Und zum Abschluss das Vitamin-Gegenbild aus den Bergen. Die Hagebutte!

Dass ich am Tag des offenen Denkmals zwar nicht auf ein altes Segelschiff gekommen bin, aber immerhin einen Leuchtturm erkommen habe, davon berichte ich Ihnen in einem anderen Eintrag. Bis dahin!

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16 Responses to Dies und das im September

  1. Gabriele sagt:

    Danke, liebe Christiane, dass Du uns durch Deinen September mitnimmst 🙏 Wie schön, dass es Tetiana und ihrer Familie trotz des furchtbaren Krieges, der in Anbetracht der sonstigen Katastrophen im Nahen Osten und sonst auf der Welt fast in den Hintergrund rutscht, gut geht. Und natürlich: Herzlichen Glückwunsch zum 14.Hochzeitstag 💐Liebe Grüße aus dem herbstlichen Berlin Gabi

  2. Marion sagt:

    Auch von mir alles Liebe und Gute zum 14. Hochzeitstag! Ich habe automatisch dran gedacht, da ja der 26.09. für mich auch ein Schicksalstag ist. Hoffentlich ist der Krieg bald vorbei, damit Ihr Tetiana+family dort besuchen könnt. Zwetschgen hatte ich auch gekauft, aber da ich nicht gut backen kann, habe ich sie so gegessen. Die neuerlichen Überschwemmungen sind schlimm. Ich bewundere, mit wieviel Langmut Du solche Herausforderungen angehst. War eigentlich mein Unkrautschneider-Tipp nützlich? Mmhh, ich liebe Hagebuttenmarmelade. Was die Pilze angeht, da kannst Du Dich ja anscheinend auf Monsieurs Sachverstand verlassen. Mir persönlich wäre das sonst tatsächlich zu gefährlich. Und an den Tag des offenen Denkmals habe ich mal wieder zu spät gedacht, um noch was zu planen. Schade, ich mag ihn sehr! LG (hier wird es jetzt auch chilliger)

    • dreher sagt:

      Langmut, naja. Was soll ich gegen dieses Wasser tun?
      Ich raste dann an anderer Stelle aus, gerade eben ist bei der abendlichen Tiramisu Zubereitung die Kakaotüte geplatzt… da hättest du mich nicht erleben wollen 😱😫😡

      Ich muss deine Mail noch einmal suchen, hatte sie nur überflogen und war damals nicht im Unkraut Thema.

      Ich war auch zu spät für den Tag des offenen Denkmals, die interessanten und neuen Sachen, waren alle in Nullkommanichts ausgebucht, der Leuchtturm war nur Plan B, um noch irgend etwas zu machen. Der ist aber tatsächlich jedes Wochenende geöffnet 🤷
      LG!

  3. Tina Kolbeck sagt:

    Liebe Christiane, alles Gute zum 14. Hochzeitstag. Ich habe meinen am 1. Oktober. Und ich staune auch ;-) Grüße an den Gatten!

  4. Eva sagt:

    Alles Gute zum Hochzeitstag auch von Tibor und mir! Als ich es ihm gerade vorlas „was, so lange schon?“… der alte Romantiker.
    Ich freue mich über dein Wiedersehen mit Tetiana und ihrer Familie und bin im Gegenzug traurig, weil die Situation immer noch unerträglich ist.
    Nach wie vor freue ich mich immer sehr, wenn ich etwas Neues zu lesen bei dir finde, herzlichen Dank dafür ❤️
    Eva

    • dreher sagt:

      Danke liebe Eva und lieber Tibor!
      Ja, die Situation ist immer noch unerträglich und wird diesen Winter sehr schwierig werden (keine ausreichende Stromversorgung).
      Freue mich, dass du immer noch gerne hier liest!
      LG

  5. Ursula Weber sagt:

    Liebe Christiane, mit meinen besten Wünschen noch nachträglich herzlichen Glückwunsch zum Hochzeitstag ❣️
    Wie bewegend, Tetiana wieder zu sehen.
    Alles Gute und herzliche Grüße – auch an deinen Mann – U. 💕🍀

  6. Philine sagt:

    Liebe Frau Dreher,
    in Portugal wächst der Erdbeerbaum vor allem in der Serra de Monchique, in der westlichen Algarve. Daraus wird dort ein hochprozentiger Schnaps gebrannt. Medronho. Der ist mit Vorsicht zu geniessen….
    Mit Grüssen nach Südfrankreich aus dem kühlen München
    Philine

    • dreher sagt:

      Merci Philine für die Info! Davon habe ich noch nie gehört (war aber auch noch nie in Portugal). Ich bin sicher, der Schnaps enthält auch viel Vitamin C :D

  7. Croco sagt:

    Hier im Dorf gibt es tatsächlich in einem Vorgarten einen Erdbeerbaum. Einen kleinen, zugegeben. Bin gespannt, ob er den Winter überlebt.
    Herzlichen Glückwunsch zum 14. Hochzeitstag. Das ist wirklich was!

    • dreher sagt:

      Wow! Ich habe die das erste Mal aus Sizilien gesehen und jetzt hier. Ob die in Deutschland überleben? Na gut, es gibt ja eine allgemeine Klimaerwärmung …
      Und Danke!

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