Die Freude kann einem vergehen, bei allem, was so los ist, ich sage nur Trump und Musk und Weidel – und wir sind erst am Tag 10 des neuen Jahres!
Marineland, der seit Jahren umstrittene Meeres-Themenpark in Antibes, der größte in Europa, in dem Orcas, Delphine, Seehunde und Seelöwen für jährlich zigtausende Besucher Spektakel aufführten, wurde geschlossen. Das ist vielleicht ein Grund zur Freude, dass man hier keine großen und sehr großen Tiere mehr in kleinen Becken gefangenhält und Pirouetten drehen lässt, aber was nun mit den Tieren geschehen soll, ist leider noch unklar. Es gibt wohl nur noch zwei in Gefangenschaft geborene Orcas – die draußen nicht überleben würden. Ein Verkauf nach Japan in einen ähnlichen Veranstaltungspark (in Japan hat man wohl noch eine andere Auffassung, was Tierhaltung angeht) wurde aufgrund des komplizierten und für die Tiere vermutlich traumatisierenden Transports wieder abgesagt. Die anderen derzeit etwa 4000 Tiere des Parks sind ebenso alle in Gefangenschaft geboren, auch sie haben draußen keine Überlebenschance. Was tun? Wo sollen sie hin? Wer kümmert sich? Wer ernährt sie? Wer wird es nach Abwicklung des Parks finanzieren? Man fürchtet, dass viele Tiere, die nicht an Zoos oder andere Parks “weitervermittelt” werden können (das eingesperrte Tierleben ginge also andernorts weiter), eingeschläfert werden sollen.
Jean-Marie Le Pen ist gestorben, das war für viele junge Menschen ein Grund zur Freude, sie haben auf den Plätzen großer Städte in Frankreich gefeiert, dass “der alte dreckige Rassist tot ist” (le sale raciste est mort), es wurde getanzt, gesungen, Champagnerkorken knallten und Feuerwerk wurde gezündet. Nicht alle haben für diese ausgelassene Freude Verständnis, ich selbst bin auch keine Anhängerin von großmäuligen Holocaustleugnern, aber befremdet haben mich diese Feiern auch.
Vor zehn Jahren fanden die Anschläge auf Charlie Hebdo und den Supermarkt Hyper-Cacher statt. Alle Medien berichten in dieser Woche darüber und es stellt sich die Frage, ob wir zehn Jahre später alle noch “Charlie” sind. Die satirische Wochenzeitung Charlie Hebdo (journal satirique, laique et jouyeux) gibt es immer noch, aber die Redakteure und Zeichner leben heute unter Polizeischutz und halten ihre Redaktionssitzungen an einem streng geheimen und mehrfach gesicherten Ort ab. Eine Karikatur eines der neuen Zeichner von Charlie Hebdo (“Juin”), die einen Redakteur zeigt, der seine “Freiheit” des Schreibens in einer Art Hochsicherheitsgefängnis ausübt, habe ich nur durch einen Screenshot einer Sendung gefunden: Charlie, un espace de liberté. Charlie, ein Raum der Freiheit.
Es gab schon vor Jahren kontroverse Meinungen zum Thema “Meinungsfreiheit” und das, was die Satire “darf” auch unter meinen LeserInnen, ich möchte gar nicht erneut in diese Diskussion einsteigen, und verlinke heute nur die Zeichnung von einem meiner Lieblingszeichner Joans Sfar
In der bereits erwähnten Sendung zu Charlie Hebdo in dieser Woche kam auch die Schwester des ermordeten Lehrers Samuel Paty zu Wort, sie bekam das letzte Wort der Sendung und sagte (frei übersetzt und gekürzt), der Terrorismus dürfe nicht das letzte Wort haben … die Schulen bräuchten die Unterstützung der Gesellschaft und müssten mit “Freude” weitermachen – Freude sei keine Schwäche, sondern eine Kraft und ein Mittel des Widerstands, und mit dieser Freude müsse man in den Schulen Projekte ermöglichen, mit denen die Werte der Republik vermittelt werden.
“On fini avec la joie” – wir enden mit der Freude, so Caroline Roux am Ende ihrer Sendung, von der ich nicht sicher bin, dass Sie sie über den Link abrufen können.
Wir bleiben im Thema, hüpfen aber in die alltägliche Freude, weil heute mein kleines “Freude”-Armbändchen ankam, das mich jeden Tag an meinen Jahresvorsatz erinnert.
Außerdem kam noch ein Nach-Weihnachts-Päckchen mit einem Buch und einer nach Orange duftenden Creme, die mir beinahe mehr Lust macht, sie zu essen, als sie im Gesicht zu verteilen. Große Freude! Herzlichen Dank!
Und: ich habe ein Freude-Glas angefangen! Jeden Tag habe ich es noch nicht geschafft, aber fast, etwas aufzuschreiben, was mir Freude bereitet hat, und den Zettel in das Glas zu stecken. Denn, seien wir realistisch, jeden Tag einen fröhlichen Text zu schreiben, schaffe ich nicht, und ich poste auch nicht jeden Tag ein fröhliches Foto auf einer Social-Media-Plattform, deren zukünftige Entwicklung ich ohnehin kritisch sehe.
Last, but not least, es war auch Dreikönigstag in dieser Woche, und ich habe die kleine Fève in meinem Stück der Galette des Rois gefunden, der in diesem Fall eine im Süden übliche Brioche mit kandierten Früchten war. Königin für einen Tag. Wenn das nichts ist.
O – das ist ja wohl die “Katze des Rabbiners” – sehr empfehlenswert. Hier ein Artikel in der Jüdischen Allgemeinen nachdem er für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde:
https://www.juedische-allgemeine.de/kultur/wir-werden-leben/
Herzlichen Dank für den Link zu dem schönen Artikel! Gerade gelesen. Ich bin ein großer Fan von Sfar, “Le chat du Rabbin” war mein erstes gekauftes und gelesene Buch in französischer Sprache! Seitdem bin ich seinem Stil verfallen. Auch wenn ich “Le chat du Rabbin” nach dem 5. Band nicht mehr weitergelesen habe, liebe ich seine krickeligen Notizbücher und kaufe fast alle (Erwachsenen-)BDs. Gerade in Frankeich erschienen, und ebenso dick wie “Wir werden leben” ist das Buch mit dem verstörenden Titel “Que faire des juifs?” Une histoire des Juifs, mais aussi une histoire de l’antisémitisme. Ich bin bedauerlicherweise gerade nicht in Nizza, wo es in dieser Woche unter Anwesenheit des Zeichners vorgestellt wurde.
Verzeihung für die späte Antwort, es ist viel los.
10 Jahre schon. 10 Jahre auch die Anschläge im Bataclan und Paris Ende dieses Jahres. Die Sendung kann man nur mit Anmeldung abrufen 🙄.
Schade, die galette de rois habe ich verpasst, da gibt’s immer so leckere bei Épi (frz. Bäckereikette in Köln/Bonn), die andere Variante.
Ja, zehn Jahre! Kommt mir auch nicht so vor.
Galettes gibts hier den ganzen Januar – und tatsächlich hat sich mein Geschmack gewandelt! Seit ein paar Jahren mag ich die Brioches lieber als die Frangipane.
Ich kann mich nicht an diese Bäckereikette erinnern – oder ist die neu?
Nicht neu, aber noch nicht zu deiner Zeit. Wirklich gut! (wenn du mal wieder in der Gegend bist)…