3. Deutsches Filmfestival in Cannes

Hurrah! Tatsächlich planen wir schon das dritte Deutsche Filmfestival in Cannes! Ich konnte mich gar nicht mehr an das erste Deutsche Filmfestival erinnern (schäm), in meinem Gedächtnis ist nur das großartige und super erfolgreiche DEFA-Filmfestival hängengeblieben! Das werden wir, wenn alles gut geht, in diesem Herbst auch wiederholen, und das wird dann das vierte Deutsche Filmfestival! Jetzt aber erstmal zum dritten Deutschen Filmfestival: Wir werden mit dem Kinoclub Cinécroisette und in Zusammenarbeit mit den Goethe-Instituten Marseille und Lille am letzten Juniwochenende in zwei verschiedenen Cannoiser Kinosälen vier deutsche Filme zum Thema: Exil/Diaspora zeigen. Ein fünfter Film hat unseren Vereinspräsidenten überzeugt, da er aber nicht wirklich mit dem Thema Exil/Diaspora zu tun hat, oder der Bezug zumindest von sehr weit hergeholt ist, wird er eine Woche vorher gezeigt, als Auftakt sozusagen, und außerdem als Avant Première, vor dem Filmstart in Frankreich.

Ich bin außerordentlich zufrieden, dass wir zwei Filme von Fatih Akin zeigen werden: Aus dem Nichts und Auf der anderen Seite. Dann werden wir Transit von Christian Petzold sehen und Vor der Morgenröte von Maria Schrader. Von ihr wird auch der alleinstehende Film I’m your man sein: Eine Wissenschaftlerin lebt ein Experiment mit einem menschlichen Roboter. Letzteres ist sehr spannend, weil in Frankreich gerade auch ein Film zu diesem Thema erscheinen wird, der aber mit der typischen französischen Comédiecrew eher ulkig daherkommt: L’homme parfait. Der perfekte Mann existiert, ist aber ein Roboter. Die französische Komödie fliegt intellektuell eher tief, wie man hier sagt, werde ich mir aber ausnahmsweise und nur um des Vergleiches willen, n’est-ce pas, trotzdem im Kino ansehen (ich lerne ja immer noch dieses Land kennen, habe also soziologisches Interesse, haha!)

Sagen wir so: ich schaue mir diese französischen Komödien sogar ganz gerne an, in der Regel aber nur im Fernsehen, oft muss ich wirklich lachen, ich finde, sie sagen so viel über die Frenchies und ihre Art zu leben und ihren Humor aus. Mein französisches Umfeld findet das allerdings weniger lustig. Ich würde mich vermutlich auch dagegen verwehren, wenn man uns Deutsche anhand von deutschen Komödien zu kennen glaubte. Hier musste ich erstmal deutsche Komödien googeln. Gibts was Neues seit Männerpension und Der bewegte Mann? Hm, die deutsche Komödie scheint fest in Til Schweigers Hand zu sein, so ähnlich wie man in Frankreich nicht um Didier Bourdon oder Christian Clavier herumkommt. Falls sich eine dieser oder eine andere deutsche Komödie lohnt, lassen Sie es mich gern bei Gelegenheit wissen. Aber ich schweife ab.

Transit von Christian Petzold kennen Sie vielleicht schon; er lief bereits in Deutschland und in Frankreich, Vorlage war der Roman von Anna Seghers. Petzold hat ihn in das heutige Marseille versetzt, etwas, was mir, als ich den Film seinerzeit sah, weniger gefiel, was sich aber durch den Krieg in der Ukraine und mit der kleinen ukrainischen Familie bei uns zu Hause, plötzlich “richtig” anfühlt. Ich werde ihn also mit anderen Augen noch einmal ansehen.

Zu Stefan Zweig habe ich vor ein paar Jahren schon etwas geschrieben, damals erschien “Die letzten Tages des Stefan Zweig” als BD (bande dessiné, Graphic Novel zu deutsch). Den Film zum selben Thema, kenne ich auch schon, sehe ihn aber unter den bereits erwähnten Umständen gerne noch einmal mit aufmerksamem Blick an.

Beide Filme von Fatih Akin hingegen kenne ich nicht und bin sehr gespannt. Mit beiden Filmen war Fatih Akin sogar in Cannes beim Filmfestival vertreten. Dass ich das 2007 nicht mitgekriegt habe, kann ich verstehen. Ich lebte seit 2005 in meinem Bergdorf und dort ein völlig anderes Leben. Neue deutsche Filme drangen nicht bis zu mir vor, Musik und Bücher übrigens auch nicht. Es interessierte mich auch nicht. Zu diesem Zeitpunkt glaubte ich allen Ernstes, “mit all dem unwichtigen Hype” abgeschlossen zu haben, ich bevorzugte das reale südfranzösische Bergdorf-Leben, das sehr irdisch war, intensiv, auch erschöpfend arbeitsintensiv, auf jeden Fall füllte es mich komplett aus. Ich habe also zwischen 2005 und 2010 ein großes kulturelles Loch. Erst ab 2010, als mich Monsieur aus dem Bergdorf in die kleine Stadt am Meer holte, mir Bücher auf den Schreibtisch legte und mich ins Kino schubste, öffnete ich mich dafür erneut.

Ich lese übrigens (wieder) in “Die Geschichte meiner Filme” (Fatih Akin. Im Clinch. Die Geschichte meiner Filme, Hrsg. von Volker Behrens und Michael Töteberg, Rowohlt 2011). “Am Anfang stand der Wunsch, mit Hanna Schygulla einen Film zu machen.”

Ich mag sehr, wie Fatih Akin darin von der Entstehung seiner Filme erzählt. Sehr unprätentiös, sehr sympathisch. Ich freue mich wirklich so, diese Filme jetzt sehen zu können!

Hier la montée des marches der Filmcrew für Aus dem Nichts / Into the Fade, 2017 in Cannes. Diane Krüger bekam übrigens die Palme für die beste weibliche Interpretation. (Und gerade habe ich nachgeschaut, warum mir dieser Film auch entwischt war, denn das erschien mir jetzt doch merkwürdig, aber wir waren während des Filmfestivals auf Korsika und thematisch in einem “anderen Film”.)

Es wird bestimmt toll. Ich rufe Ihnen also zu: “Wenn Sie zwischen dem 20. und 25.&26. Juni in Cannes (oder Umgebung) sind, kommen Sie dazu!” Und nein, das ist gar nicht so absurd, wie Sie vielleicht glauben. Ich erfahre immer wieder und von sooo vielen Menschen, dass sie “gerade” in Cannes sind oder waren oder sein werden. Ach so, die Zeiten und die Kinos erfahren Sie auf der Seite von Cinécroisette!

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19 Responses to 3. Deutsches Filmfestival in Cannes

  1. Claudia Pollmann sagt:

    Danke für den Buchtipp – wurde gleich bestellt und geht direkt nach Berlin. Der Junior studiert Film und Fernsehen und kann das sicher gut gebrauchen. Er wird Kameramann. Konnte noch nicht laufen und wollte schon alles Filmen und Photographien. Liegt einfach in den Genen.

  2. Marion sagt:

    Dt. Komödien z.B.:
    25 km/h – Der Vorname (basiert allerdings auf dem gleichnamigen frz. Film) – Keinohrhasen – Fack ju Göthe – Goodbye Lenin! – Ödipussi
    Auf Netflix hab’ ich mir vor kurzem nochmal “Gegen die Wand” angeguckt und war wieder schwer beeindruckt. Leider ist Birol Ünel vor kurzem viel zu jung verstorben. Er hatte auch im echten Leben viele Probleme.
    Viel Spaß beim Festival!

    • dreher sagt:

      25km wurde mir ganz oft schon vorgeschlagen, den muss ich mal suchen! Le Prénom ist in der Tat amüsant, kenne ich aber schon (in frz.) Goodbye Lenin, Ödipussi kenne ich natürlich auch noch. Bei Keinohrhasen spielt einer der Brüder Klitschko mit!!! habe ich gerade gesehen. Ok, wird nachgeholt! :-) Danke!

  3. Marion sagt:

    P.S.: Apropos Filmtipp: Gestern den Dokumentarfilm “Paris Calligrammes” auf 3sat gesehen und schwer beeindruckt. Gibt es noch in der Mediathek zu sehen.

  4. Eva sagt:

    Guten Tag,
    25 km/h fand ich auch ganz großartig!
    Und eine deutsche, schon etwas ältere Komödie war für mich „nach 5 im Urwald“ von 1995. ich weiß allerdings nicht, wie gut der gealtert ist. Ich hab nur noch in Erinnerung, dass ich ihn seinerzeit ein paar mal gesehen habe.
    Herzliche Grüße an‘s Meer,
    Eva

  5. Ute sagt:

    Männerherzen🙃

  6. Karin sagt:

    “Ich bin dein Mensch” läuft übrigens am 23. Juni im Fernsehen, Abendprogramm SRF2 (falls das hier jemand empfangen kann) und RBB! Er ist natürlich auch in der ARD Mediathek verfügbar, manche Beiträge kann ich aber von der Schweiz aus nicht ansehen (mir hat sich immer noch nicht erschlossen nach welchen Kriterien).
    Herzliche Grüsse,
    Karin

  7. Isa sagt:

    Deutsche Komödie geht durchaus auch ohne Till Schweiger, z. B. von Sönke Wortmann mit u.a. Anke Engelke „Frau Müller muss weg!“ https://de.wikipedia.org/wiki/Frau_Müller_muss_weg%21
    und ganz neu „Eingeschlossene Gesellschaft“
    https://de.wikipedia.org/wiki/Eingeschlossene_Gesellschaft

    • dreher sagt:

      Ah! Dankeschön!
      Die Trailer, die ich mir natürlich sofort angesehen habe, sind witziger als die Beschreibung (und die drögen Kritiken) auf Wikipedia. Ich habe ja nun selbst keine Kinder (die kleinen M’s aus der Ukraine lass ich mal außen vor), aber es katapultierte mich in meine eigene Abiturphase, wo unser (in jeder Hinsicht) unfähiger Französischlehrer (das darf ich nach 40 Jahren Abitur jetzt auch laut sagen, selbst auf die Gefahr, dass es ihm jemand zuträgt) einer Schülerin auch einen Punkt verweigerte.

  8. Sunni sagt:

    Oh, “Ich bin dein Mensch” habe ich hier im Kino gesehen. Sehr, sehr beängstigend und packend, aber auch ans “Innere” gehend. Ich war noch tagelang in diesen Gedanken. Und “Geschlossene Gesellschaft” ist ebenso gut und interessant, aber eben auf einer ganz anderen Ebene. Leider wurde er hier nicht “angenommen”, vielleicht weil zu viele negative Assoziationen mit Schule mitbringen. Liebe Grüße aus der Wärme in das sicher noch viel wärmere Cannes!Herzlich, Sunni

    • dreher sagt:

      Ich bin sehr gespannt auf “Ich bin dein Mensch”!
      Schule – oder zumindest die Schulverwaltung habe ich auch gerade quer im Hals, muss ich sagen! Ich versuche, die beiden kleinen Ms für das nächste Schuljahr einzuschreiben, herrjeh!
      Herzlich, und ja, klebrig heiße Tage hier und Quallen im Meer!
      C.

  9. Reiner Wadel sagt:

    Ich habe gerade begonnen ihren letzten ” Duval” zu lesen und habe das gefunden:
    https://www.filmothek.bundesarchiv.de/video/584366?topic=doc785459b1ez71m1k3f4b1&start=00%3A00%3A16.00&end=00%3A01%3A19.16&set_lang=de
    Ich erinnere mich, wie ich das im Kino gesehen habe und ich später bei “Frankreich” oft an Frejus dachte. Für einen Zehnjährigen war das eine furchtbare Nachricht.