Le Bassin d’Arcachon

Monsieur wollte frische Austern essen und es zog ihn mit Macht nach Arcachon. Wir fuhren also Richtung Norden. Noch einmal machten wir Halt am Atlantik. Vorher waren wir stundenlang durch die flachen Pinienwälder gefahren: Les Landes.

Pinien

Da man im Atlantik nicht so richtig schwimmen kann, zu flach einerseits, die Wellen aber gleichzeitig zu wild, hofften wir, im Bassin d’Arcachon eine gut gefüllte Bucht zum Schwimmen vorzufinden. Ich hatte uns ein einfaches Hotel irgendwo in der Mitte zwischen Arcachon und dem Cap Ferret gebucht und lief von dort gleichmal an den Strand. Nix wars mit Schwimmen. Ebbe. Ich lief also barfuß durchs Watt. Am nächsten Morgen eilte ich wieder an den Strand und fand das gleiche Bild vor. Wann ist denn mal Wasser im Meer, verdammtnochmal?

Ebbe am Abendauf dem TrockenenEbbe

Wir fuhren nach Cap Ferret, ich stieg auf einen hübschen Leuchtturm und danach gabs endlich die von Monsieur so ersehnten Austern in einem der vielen kleinen Cabanons, die dort überall Verkostung der sozusagen hauseigenen Austern anbieten. Was für ein traumhafter Ort: Füße im Sand. Frischeste Austern. Ein würdiges Essen für unseren 6. Hochzeitstag.

LeuchtturmBlicknoch ein BlickSelfieMenü du jourAustern mit BlickAustern

Danach musste zumindest ich nochmal an den Atlantik, da gibt es wenigstens Wasser, auch bei Ebbe. Und es gibt auch noch ein paar Bunker, die wir Deutschen dort mit unserer bekannten Gründlichkeit und viel Beton seinerzeit gebaut haben. Mich schockiert das immer, dass diese Bunker, “Blockhaus” heißen sie bei den Franzosen, blokkos gesprochen, noch immer dort so wuchtig und obszön am Strand liegen. Immerhin mahnen sie jetzt auch gegen Plastik, denn, um das auch zu sagen, so wundervoll wie die Strände von Weitem aussehen, so schmutzig sind sie.

WellenschaumBunker am StrandBunker nahedifice de memoire

Oeanfrische. So ein Dreck liegt da überall herum.

Ozeanfrische

Zurück am Hotel, eile ich erneut zum Strand und schaffe es gerade, dort noch etwas Wasser vorzufinden, das sich langsam aber entschieden, schon wieder zurückzog.

EbbeSpazieren auf dem Seerot weissAbendstimmung

 

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San Sebastian

das Meer in San Sebastian

Die Buchhändlerin, der auf La Corrida spezialisierten Buchhandlung itineraire in Nîmes, eine Bekannte von Monsieur (früher hatte sie nämlich eine Krimi-Buchhandlung!), hatte uns von San Sebastian vorgeschwärmt. Ich wäre ja gerne spontan nach Bilbao gefahren, um das Guggenheim-Museum anzuschauen. Vorher war mir das nicht so klar, dass das dort in der Ecke liegt. Aber wir hatten ja immer wieder feste Termine auf unserer Reise und waren jetzt eigentlich eher Richtung Bordeaux festgelegt. Aber nach San Sebastian, kurzer Hüpfer über die Grenze, sind wir gefahren. Ich wollte eigentlich im Baskenland Schilder fotografiert haben, denn dort ist alles zweisprachig ausgeschildert: Französisch und Baskisch, und Baskisch erscheint mir unaussprechlich zu sein. Was macht man denn mit all den X’en in den Wörtern? In Spanien sind die Schilder, na klar, Spanisch und Baskisch. Da verstand ich sogar das Einfachste nicht mehr. Aber die Spanier sind ja nett und viele sprachen Französisch und die Jüngeren in den Pintxos, den Tapas-Bars, Englisch.

Ich hatte keine Vorstellung von San Sebastian, stellte mir irgendein Hafen-Kleinstädtchen vor, aber San Sebastian ist eine helle, große Stadt, modern und doch, ähnlich wie Nizza, voller Belle Epoque-Häuser. Und es warBademoden Filmfestival in San Sebastian, davon hatte ich zu meiner Schande noch nie gehört. Aber es ist wohl gar nicht so unbekannt und alles sieht ein bisschen aus wie in Cannes. Sogar die Art zu plakatieren. Ansonsten war viel abgesperrt, viel Security, roter Teppich und Luxuslimousinen. Wir gingen aber einfach ziellos spazieren Richtung Meer und dann stiegen wir einen Hügel hinauf, wo eine riesige Jesusstatue über San Sebastian wacht und dort oben im ehemaligen Fort ein modernes und kostenlos zugängliches Stadtmuseum eingerichtet ist. Wenn ich nicht so dringend mal wieder ein stilles Örtchen gebraucht hätte, wäre das Museum vermutlich richtig klasse gewesen. Ich bin eigentlich ursprünglich nur deswegen ins Museum gegangen, aber es gab keins. Kein stilles Örtchen. Kein WC im Museum! Wo gibts denn sowas? Da war dann alles nur noch halb so schön, selbst der Blick, obwohl der wirklich toll war und San Sebastian überrascht mit Stränden an der wilden Atlantikseite und in Inneren der Stadt. Sah zumindest von oben großartig aus. Ist es vermutlich auch.

San Sebastian StrandSan Sebastian Stadtstrand

Als wir uns der Stadt wieder näherten, war dort überall ein lautes Raunen und die Straßen waren voller Menschen. Ich dachte, es ist irgendein Fest, aber es war nur Samstagnachmittag und alle standen gutgelaunt in und vor den Tapas-Bars und redeten und lachten und tranken und aßen. Die Besitzerin eines klitzekleinen Schuhladens, wo ich handgenähte Espadrilles erstanden habe, empfahl uns eine der PintxoTapas-Bars, obwohl sie alle gut seien, wie sie betonte, und wir quetschten uns nach hinten durch, weil man dort auch sitzen konnte. “Sie können den Tisch aber nur eine Stunde haben”, sagte der junge Kellner entschuldigend. Fast hätte ich gelacht. Wie lange soll ich denn Häppchen essen? Aber natürlich haben wir gar nichts verstanden von der spanischen Art Essen zu gehen. Egal, wir haben es auf Touristen-Art gemacht: Ich habe miTapasr den Teller mit verführerischen Tapas vollgeladen und es gab selbstgemachte Zitronenlimonade, und sie war unfassbar gut! Monsieur wagte, warme Tapas zu bestellen und trank eine leichte und frische Sangria. Vor und hinter der Theke wirbelten viele junge Menschen herum, alles ging zackzack und alle waren supernett. Und alles schmeckte gar köstlich. KÖSTLICH. Ich hätte wirklich gerne alles durchprobiert, aber wir hatten ja nur eine Stunde und irgendwann muss es auch gut sein. Den einzig guten Kaffee auf der Reise gab es natürlich auch hier.

Ich habe leider keine aussagekräftigen Fotos gemacht, aber wenn ich Ihnen sage, dass Monsieur San Sebastian als das Highlight unserer Reise ansieht, dann will das was heißen.

Euskal HerriaFalls Sie noch etwas über San Sebastian lesen möchten, habe ich hier einen Artikel gefunden.

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Einmal quer rüber : Albi und Pau

AlbiSo, ich erzähle Ihnen noch ein bisschen von unserem Urlaub, einverstanden?!

Albi liegt irgendwie weit weg. Vor allem, wenn man von Nîmes kommt. Wir waren spät dort losgefahren und es gibt keine Autobahn, mit der man die 250 Kilometer zügig hätte zurücklegen können. Wir zuckelten also über eine Route Départementale, nicht besonders schnell und landschaftlich nicht besonders schön. Schade, nur wenige Kilometer weiter nördlich hätte es eine wirklich schöne touristische Route gegeben, den Tarn entlang, der sich an manchen Stellen durch Schluchten schlängelt. Es hätte da viel zu sehen gegeben. Auch die sehenswerte Templerstadt La Couvertoirade ließen wir schnöde rechts liegen. Für beides fehlte uns die Zeit, freitags morgens hatte ich einen Termin in Anglet bei Bayonne und davon waren wir zumindest örtlich noch weit entfernt. Aber Monsieur bestand auf Albi. Beziehungsweise auf die Kathedrale in Albi. Weltkulturerbe immerhin. Gegen 17 Uhr stellten wir das Auto auf den Hotelparkplatz und eilten durch die Altstadt und kaum, dass ich mich von dem Schock über den gigantischen burgähnlichen Backsteinbau erholt hatte, standen wir im Inneren und ich bekam den Mund vor Staunen nicht mehr zu. Die Kathedrale war seinerzeit von italienischen Rennaissancemalern komplett ausgemalt worden und obwohl die Wände und Decken bislang nie restauriert worden waren, strahlten sie in einer überraschenden Farbigkeit. Mich faszinierten vor allem die vielen geometrischen Muster, die mich stark an M. C. Escher erinnerten.

Cathedrale St. CécileMusterDeckengewölbe

Das benachbarte Toulouse-Lautrec-Museum war danach natürlich geschlossen und fiel anderntags wegen keine Zeit aus (“außerdem kennt man das doch eh alles” meinte Monsieur) und den Rest der nett aussehenden Altstadt, die, wie die Kathedrale in dunkelroten Backstein erbaut war, was der Stadt den Beinamen la Rouge,”die Rote” gab, sahen wir auch nur im Vorübereilen.

Ballons über Albiroter Backstein

Der nächste Tag war wieder ein Fahrtag. Autobahn diesmal. Wir müssen ja mal weiterkommen. In Pau immerhin machten wir Pause, fielen schon in der Vorstadt über einen Bouqunisten, was für ein Glück, und aßen mittags unter Lindenbäumen. Da wir in Pau zufällig über eine Agence von Gîtes de France stolperten, organisierten wir uns ein Chambre d’Hôtes im Baskenland. Beruhigt, dass wir ein Dach über dem Kopf haben werden, konnten wir dann noch entspannt ein bisschen in Pau herumlaufen. Pau kommt wieder in hellen Tönen daher und manch alte Gebäude haben eine schöne Struktur aus Kieselsteinen. Ich war allerdings schon ein bisschen Stadtmüde und habe keine ansehnlichen Fotos gemacht.

Struktur

Das Chambre d’Hôtes lag nur zwei Minuten von der Autobahn, einen Steinwurf entfernt von einem Leclerc und dennoch ruhig und ländlich mit drei Eseln vor der Haustür. Das Haus selbst gebaut in traditionellem baskischen Stil. Großes Zimmer mit Balkon und noch größerem Bad. Die Deko litt ein bisschen unter der Orchideenleidenschaft der Besitzerin, aber wir wollten ja nur dort schlafen und nicht einziehen. Über eine wundervolle Küstenstraße, die Corniche kam man in kürzester Zeit nach Hendaye, das haben wir abends noch gemacht, denn ich wollte nach all dieser Stadtkultur unbedingt ans Meer. Die Fotos davon kennen Sie schon. Das Bett war gut und das Frühstück anderntags üppig. Wir verlängerten gleich mal unseren Aufenthalt um eine Nacht. Nach dem wichtigen Termin in Anglet fuhren wir dort an den Strand. Das haben sie auch schon gesehen. Daher hier ein Bild von den freundlichen Nachbarn.

Nachbarn

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Nîmes

Bushalte Nemausus

Next day Nîmes. Zufällig kamen wir über eine Nebenstraße nach Nîmes und ich sah mich unverhofft dem umstrittenen Sozialwohnungsbau aus den Achtziger Jahren von Jean Nouvel gegenüber: Nemausus.

NemaususNemaususNemaususFür Laien sieht die Anlage aus onduliertem Stahl vielleicht aus wie eine große Feuerwehrstation, die Falttüren des Gebäudes werden tatsächlich bei Feuerwehrstationen eingesetzt, aber nein, es handelt sich um Sozialwohnungen. Auch innen sind die Wohnungen industriell angehaucht, nüchtern, schnörkellos, und ich habe seinerzeit in Architekturzeitschriften provokante Fotos von verloren aussehenden Menschen gesehen, die nicht wussten, wie sie ihre wuchtigen Schrankwände in die kleinen, schick-unverputzten Betonräume integrieren sollten, denn Jean Nouvel wollte nicht, dass die Mieter ihre Wohnungen mit Tapeten, Vorhängen oder Kacheln veränderten. Ich fragte mich, wie und ob die Wohnungen heute  “funktionieren” und habe diesen (englischsprachigen) Film gefunden, der ganz aufschlussreich ist. (Dauert 25 Minuten!)

Nun, Nîmes hat auch eine Arena. Eine Nummer größer als Arles.

Arena NimesNimestorrerosWenn Sie genau hinschauen, sehen Sie noch das (mit Sand bedeckte) Blut des Torros in der Arena vom Stierkampf mit dem jungen talentierten Torrero Alejandro Talavante, den wir am Vortag in Arles im Fernsehen erlebt hatten.

Nîmes ist insgesamt großstädtischer. Ich hab’s nicht mehr so sehr mit großen südfranzösischen Städafficheten. Sie sind für mich nur laut und ermüdend. Alles, was man als Tourist vielleicht spannend findet, das Autochaos mit seinen Kreisverkehren und den Toutes directions-Schildern, die Cafés, Restaurants, Märkte, Boulangerien und Läden kenne ich ja aus Cannes und Nizza. Das hat für mich weniger Charme, tut mir leid, klingt vielleicht snobistisch, ist aber so. Ausgelassene Menschenansammlungen mag ich auch nur noch bedingt, und dass wir exakt einen Tag nach der Vendange-Feria, dem Herbstspektakel mit Wein, Corrida und Musik und spanisch-gitano-angehauchtem Karneval in allen Straßen und Gassen, in Nîmes ankamen, war mir gerade recht. Aber klicken Sie in dem Link zur Vendange mal auf die Filmchen, dann kriegen Sie was vom Ambiente mit. Ist sicherlich ganz toll. Muss man aber mögen. Und erkennen Sie das Lied der Blaskapelle? Ist das nicht “Griechischer Wein” von Udo Jürgens? ;-)

So war es also recht ruhig in der großen Stadt, die noch ihren Kater ausschlief.

CoiffeuritineraireTalavanteIm Hotel hatte ich ein kleines Zimmer zum Sonderpreis gebucht, denn wer kommt schon direkt nach der Feria nach Nîmes? Da sind dann alle Zimmer wieder frei und ausnahmsweise spottbillig. Leider sind sie noch nicht wieder gemacht, das Zimmermädchen hatte vermutlich auch Kopfschmerzen, sodass wir kurzerhand in eine Suite upgegradet wurden. Zwei schicke große Zimmer voller Design, zwei bequeme breite Betten, zwei Bäder, zwei Fernseher, eine Kaffeemaschine und das alles weiterhin zum Schnäppchenpreis. Monsieur wollte gar nicht mehr raus und ich ging daher den Rest von Nîmes alleine anschauen.

Monsieur liest lieber Iris Apfel Dali Stones

La Maison Carré, der einzig vollständig erhaltene Tempel der Antike stand gleich um die Ecke.

la maison carréUnd direkt gegenüber die moderne Antwort von Sir Norman Foster: Le Carré d’Art, das eine Mediathek, ein Kunstmuseum, eine Buchhandlung und ein Café-Restaurant mit Dachterrasse umfasst.

SpiegelungIch stieg aber lieber die Treppen im Turm Magne in den schönen und ruhigen Jardins de la Fontaine hinauf.

Pokemon go zum Turm la tour Magne Blick über Nîmes Alles haben wir auch hier nicht geschafft, ich hätte gern noch die Jeans-Geschichte im Museum angesehen, der Stoff, der dafür aus Nîmes kam, de Nîmes, kurz Denim.

Lacoste, die Hemden mit dem Krokodil, kommen übrigens auch aus Nîmes. Das Krokodil kommt auch im Wappen von Nîmes vor. Weiterlesen über Nîmes können Sie vielleicht bei Hilke Maunder, bei der ich mich gerne informiert habe und der ich den Tipp für das Hotel verdanke.

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Arles

Arles

So. Wir sind zurück. Haben viel gesehen, viel erlebt, viele Kilometer zurückgelegt und hatten durchgängig Sonnenschein, obwohl mehrfach schlechtes Wetter und Gewitter angesagt waren. Ich versuche, unsere Reise nachträglich zu dokumentieren. Mehr Bild als Text vielleicht, denn mein rechter Arm ist noch immer etwas lahm, was sich beim Tippen sofort bemerkbar macht.

Meine Lieblingsstadt unserer Reise war und ist Arles. Vielleicht auch, weil es die erste Station war, möglich ist das. Arles ist überschaubar, hat dafür erstaunlich viel Kultur zu bieten, viel Römisches: eine Arena,

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ArenesArenesein Amphitheater,

Amphiteater Arles

unter dem Rathaus die unterirdischen (Lager-)Hallen des ehemaligen Forums, les Cryptoportiques

CryptoportiquesUnterirdisch

und Van Gogh natürlich (das Van Gogh Zentrum war aber leider geschlossen).

Vincent

und gleichzeitig gab es eine riesige Photoausstellung, weshalb überall in der Stadt wie zufällig an den Wänden Photokunst hing. Gefiel mir gut.

an der WandKunst an der Wand 2

Das ist keine Kunst, zumindest nicht offiziell, gefiel mir aber auch.

Wandbemalung

Es gibt zurzeit ein Projekt eines jungen Buchhändlers, der um die Welt reist und überall die wundervollsten Buchhandlungen dokumentiert. Wir haben so etwas ähnliches gemacht, weniger glamourös, wir haben nämlich überhaupt Buchhandlungen besucht. So viele gibt es ja nicht mehr. In Cannes zum Beispiel hat die letzte unabhängige Buchhandlung vor etwa zwei Jahren geschlossen. Es gibt nur noch eine fnac-Filiale und draußen auf der grünen Wiese gibt es Cultura, wo es aber neben Büchern auch immer mehr anderes gibt: Schreibwaren, Bastelkram und Spielsachen. Wir haben auf unserer Reise also Buchhandlungen und vor allem auch antiquarische Buchläden aufgesucht: des bouquinistes. Obwohl so geliebt am Seine-Ufer in Paris, sind sie in vielen anderen Städten nämlich ebenso weitestgehend verschwunden. Im kleinen Arles gibt es mehrere und vor allem die sehr literarische Buchhandlung, die dem Verlag Actes Sud angeschlossen ist.

Actes Sud

Zeit, um die Orte abzulaufen, die van Gogh gemalt hat, hatten wir leider nicht. Wir waren nur einen knappen Tag in Arles und der Schwerpunkt lag (dieses Mal, denn man wird wiederkommen müssen) auf dem römischen Kulturerbe. So haben wir das Nachtcafé in der Altstadt, auch nur zufällig auf dem Weg zum Forum gefunden, ich hätte es aber beinahe nicht mal erkannt, vermutlich weil es Tag war, und suchte dann in der ganzen Stadt vergeblich eine Postkarte des Gemäldes von Van Gogh.

Café de la nuit

vincent_willem_van_gogh_-_cafe_terrace_at_night_yorckHätten Sie es erkannt? Sehen Sie … Daher sind wir auch im benachbarten Café der Aficionados, einem Café für Stierkämpferfreunde, gelandet. Dort lief in der Wiederholung ein spannender Stierkampf im Fernsehen, der am Vortag in Nîmes in der römischen Arena während der Feria stattgefunden hat. Am nächsten Tag waren wir in Nîmes und man sah dort noch die Spuren eben dieses Spektakels im Sand. Wenn Sie das mit dem Stierkampf nicht mögen, dann müssen Sie jetzt wegklicken. Ich kann es auch nur schlecht aushalten, aber egal ob in Arles, in Nîmes oder in anderen Städten der Region, hier gehört Stierkampf zur Kultur, wird ausgeübt und stolz verteidigt.

k800_dsc00059 k800_dsc00065 Stierkampfliteratur

Mein Lieblingsort in Arles aber sind Les Alyscamps geworden. Die “Elysischen Felder” sind eine Grabstätte aus römischer Zeit, die im Laufe der Jahrhunderte geplündert, wegen des Eisenbahn- und Kanalbaus verkleinert und deren steinerne Sarkopharge von den Bauern der Umgebung entwendet und pragmatisch als Viehtränke umgenutzt wurden. Van Gogh hat Les Alyscamps gemalt und heute findet man dort Kunststudenten, die an dem romantischen Ort, etwas außerhalb der Stadt, im Schatten der Bäume ihrerseits malen.

Les Alyscampsjeunes artistes k800_dsc00016ein Kunstwerk

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Mehr Meer

Mehr Meer geht nicht, oder? Meer, Strand, Weite und Himmel heute in der Nähe von Biscarosse-Plage.

Blick nach SüdenBlick nach Nordenschnell weg AtlantikHerz am Strand

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Blau

Voilà, wir können auch Blau im Westen. Strände von Anglet. Der Leuchtturm gehört schon zu Biarritz. Die Surfer sehen von Weitem aus wie eine Seehundekolonie im Wasser …

Blick auf BiarritzSurferkaputtBlick nach Norden k800_dsc00227

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Ferien

Wir machen Ferien! Nach Kultur in Arles, Nîmes, Albi und Pau sind wir jetzt tief im Westen am Meer angelangt: Hier Fotos von Hendaye heute Abend. Sieht düster aus, war aber ganz mild. Füße im Wasser und der Sand ist so fein! Und diese Weite! Sagenhaft. Das Mittelmeer kann sich eine Scheibe abschneiden, jawoll!

HendayeMonsieur am StrandHendaye 2

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Sonntagmorgen

Wir hier: kleiner Rad-Ausflug zum Cap d’Antibes. Und Sie so?

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Wieder da!

8.37 Uhr. Erst! Ich habe schon gefrühstückt, den zweiten Kaffee getrunken, alles Neue im Internet gelesen, schaue auf die Uhr und starre aus dem Fenster: 8.37 Uhr und es ist immer noch bedeckt. Bewölkt könnte man auch sagen. Obwohl France Météo euphemistisch von “éclaircis” spricht, Aufhellungen, Aufklarungen. Ich meine, wenn es drei Monate durchgängig prallen Sonnenschein und stete 30+ Grade hatte, und es dann plötzlich bedeckt ist, ist das für mich eher eine Bewölkung. Aber vermutlich ist das noch der Touristen-Sprech, keine Sorge liebe Leute, es klart schon auf! Gehen Sie ruhig schon mal an den Strand, wird gleich wieder heller.

Ich wollte heute an den Strand. Am ersten Montagmorgen im September, wenn alle wieder zur Schule und zur Arbeit gehen, gehe ich an den Strand, und bin dort fast ganz alleine. Dachte ich. Jetzt sitze ich stattdessen wirklich ganz alleine zuhause am Küchentisch, der Ort, an dem die rauschenden Wellen des Straßenlärms nur wenig vernehmbar, die des Internets aber gerade noch anlanden wollen. Nebenan im Park plätschern die Springbrunnen. Sie sehen, ich suche die Wasser-Metaphern. HA! Ein Sonnenstrahl? Noch ist es nicht sicher.

Nun denn. Der Sommer war anstrengend, in jeder Hinsicht. Heiß, schwül, laut und arbeitsam. Je nachdem von welcher Warte man das betrachtet, liest sich das auch alles ganz positiv. Wer Regen hat und mittlere Temperaturen, der findet sonnig und heiß natürlich klasse. Wer kaum noch etwas hört, wie etwa meine Schwiegermutter, findet vermutlich sogar den Straßenlärm erfreulich. Es gibt ja Studien, die besagen, dass nicht etwa das “Nichts mehr sehen”-können, sondern das “Nichts mehr hören”-können, die Menschen am unglücklichsten macht, weil es sie isoliert. (Sie sehen, ich habe die Worte Blindheit und Taubheit geschickt umgangen, ich weiß ja nicht, ob man die politisch korrekt überhaupt noch anwenden darf.) Meine Schwiegermutter, die trotz zweier Hörgeräte nicht mehr alles, was am Tisch (und auch sonst) gesagt wird, mitbekommt und daher immer schrill “Pardon?” dazwischenrufen muss, und dann ein ärgerliches “Redet doch lauter!” hinterherschiebt, sich aber noch mehr ärgert, wenn sie merkt, dass wir quasi brüllen, damit sie uns versteht, die freut sich vermutlich über jedes Geräusch, das zu ihr vordringt, und sei es die Holzsäge des Nachbarn, gibt es ihr doch das Gefühl noch am Leben teilzunehmen.

Und wer keine Arbeit hat, hätte vermutlich gern welche. Also hören wir mal auf, uns über unser Luxusschicksal zu beschweren. Über den Druck, der monatelang komisch über einem hängt, der uns zu asozialen Wesen macht mit noch komischeren Be- und Empfindlichkeiten. Sehr schön und ehrlich erzählt das Katja Lange-Müller in diesem Interview: “Das sind dann Monate, in denen du wirklich asozial wirst. Man geht einmal die Woche runter und kauft ein, holt einen Kasten Mineralwasser und kommt ansonsten nicht aus dem Bademantel heraus. Man vernachlässigt auch persönliche Beziehungen.”

Das finde ich ja immer tröstlich, denn so ähnlich schreibe ich auch. Halb verwahrlost, ungekämmt und ungewaschen, im Nachthemd und ohne Sozialkontakte, aber mit Bergen von Schokolade (bei Katja Lange-Müller sind es Zigaretten, sagt sie aber nicht), was mir bei jedem neuen Band mit Commissaire Duval etwa drei Kilo Gewichtszunahme beschert, die ich dann versuche bis zum nächsten Band wieder halbwegs herunterzuhungern oder wenigstens mit Sport in Muskelmasse umzuwandeln. Denn auch wenn ich mir jetzt immer mal schicke dicke Frauen im Internet ansehe, bin ich selbst ungern so dick. Hat natürlich auch mit dem Alter zu tun. Jung und dick ist immer doch attraktiver als alt und dick. Ich blogge übrigens bei den Blogs 50+, und wissen Sie was? Ein Beitrittskriterium war, dass man (hin und wieder) das Alter zum Thema macht! Könnse haben. Machen Sie sich auf was gefasst!

Ich schweife ab, ich war bei Sonne und Lärm. Und eigentlich stimmt es auch gar nicht, ich war nämlich die meiste Zeit in den Bergen, und da war es gar nicht so heiß und auch nicht so laut, obwohl … Über die vermeintliche Stille auf dem Land hat Friederike vom Landlebenblog schon einmal geschrieben, das muss ich hier nicht wiederholen: Wiesemähen, Holzsägen, Hundegebell… alles sehr intensive Geräusche, die in der Bergwelt weithin hörbar sind.

Monsieur musste sich in all der Zeit daher auch in Stillarbeit beschäftigen, wie das früher in der Schule hieß: wenn man mit seiner Aufgabe fertig war, durfte man gern etwas anderes machen, sollte dabei aber vor allem die anderen nicht stören. Das ist ja alles nicht so leicht. Monsieur schlug als erstes mal auf die feuchte Wand im alten Sommerhaus ein. Er glaubte, nur weil er das im Treppenhaus alleine machte und ohne mit mir zu sprechen, würde es mich nicht stören, dass das ganze Haus unter den Schlägen des Vorschlaghammers wummerte, der Verputz bröckelte, das Treppenhaus voller Schutt lag und das Haus komplett eingestaubt war. Warum schreist du so? fragt er verwundert und ließ dann resigniert den Hammer fallen, weil ich ihm diese Tätigkeit strikt verbat! Nächste Baustelle: Fensterläden streichen. Klingt friedlich und still. Ist es natürlich nicht. Leitern müssen gehalten werden, während Monsieur am Klettergurt in mindestens fünf Metern Höhe schwingt, balanciert und werkelt. Manche Fensterläden mussten, weil sie trotz aller Akrobatik ungünstig zu erreichen sind, auch abgehängt werden. Abseilen ist das passendere Wort. Auch das ging nicht ohne meine Hilfe und Fluchen und gegenseitigem Anraunzen. Wenn Monsieur dann nachmittäglich entspannt ein paar alte Vinyplatten auflegte und dazu in Stillarbeit friedliche Patiencen legte, meckerte ich schon wieder. Wie jetzt? Nicht mal Musik? NEIN! Sie sehen, ich komme nicht weg vom Lärm, dabei wollte ich dieses Mal noch gar nicht darüber schreiben.

Geschrieben haben wir, Christine und ich, so gut es eben ging, so lange die Familie in den Bergen war, ging bekanntermaßen nicht viel und so fuhr ich wieder runter nach Cannes, aber ganz egal wo, wir haben die letzten Monate vor allem drinnen verbracht. Sitzend an unergonomischen Tischen, auf unergonomischen Stühlen, vor dem PC, die Hände auf der Tastatur und den Ellenbogen komisch in der Luft, was zumindest mir eine Art Tennisarm bescherte. Typewriter-Ellbow sagte Dr. D. in Ferndiagnose und bietet eine Kortisonspritze ins Zentrum des Schmerzes an. Noch hoffe ich, dass es auch von alleine wieder besser wird.

Natürlich versuchte ich, wie jedes Jahr, draußen zu schreiben. Ich erinnere mich, in einer frühen Werbung für WLAN oder WIFI, wie das hier heißt, Menschen gesehen zu haben, die mit ihrem Notebook stimmungsvoll und gut gelaunt unter Apfelbäumen saßen und vorgaben zu arbeiten. Werbung natürlich. Also, vielleicht können Sie das, ich kann es nicht. Denn selbst wenn ich Kontrast und Licht auf dem Notebook-Bildschirm auf Anschlag stelle, bleibt der Text blass und schwach sichtbar, es ist anstrengend für Augen und Hirn, und immer verschwindet der Curser im Nichts, das wird nach einer gewissen Zeit so nervig, dass ich es wieder aufgebe und mich seufzend ins Innere des kühlen Hauses begebe, ein Strickjäcken anziehe und den Sommer nur noch am geöffneten Fenster vorbeiziehen sehe. Gottseidank dauert er hier so lange wie es Rudi Carrell mal besang, nämlich von Juni bis September, so dass ich auch jetzt noch Sommer haben könnte, aber heute wie gesagt “éclaircis”, daran hat sich auch um 10 Uhr noch nichts geändert.

Ich habe das in der Sonne sitzen schon einmal probiert dieser Tage, in den Bergen, direkt nach Abgabe des Manuskripts, aber kaum saß ich erwartungsvoll im Gartenstuhl, ausnahmsweise mal wirklich nur umgeben von Geräuschen der Stille, dem Summen und Brummen und Sirren von fliegenden Insekten, dem Zirpen der Zikaden und dem schrillen Pfeifen der Murmeltiere, zogen dicke Wolken auf, Tropfen fielen und ich rannte, um die Wäsche abzuhängen.

So. Zwischenzeitlich habe ich gekocht, wir haben gegessen und kurz zuvor habe ich ein stinkendes Katzenhäufchen aus dem Treppenhaus entfernt. Sie scheint noch etwas verwirrt, die Katze. Eben noch in den Bergen und Aug’ in Auge mit dem Fuchs, jetzt schon wieder in Cannes. Wie soll man sich da noch auskennen? Es ist viel zu heiß und vermutlich ist der Weg über die Mauer bei diesen Temperaturen zu beschwerlich und zum Katzenklo zu lang. Anders kann ich mir das nicht erklären. Das mit dem Fuchs war wirklich aufregend, zumindest für Pepita. Dass irgendetwas nicht stimmte, merkte ich, als Pepita auch nach wiederholter lieblicher Futterdosenschüttelei, ein Mittel, das eigentlich immer funktioniert, um 23 Uhr noch immer nicht zu Hause war (ja, ich weiß, Katzen sind eigentlich nachtaktiv und nachts draußen, aber meine sind dank meiner mütterlichen Fürsorge nachts eher Sesselaffin). Da kriegt mein Mutterherz immer gleich ein angstvolles Rasen, ich sehe in Gedanken Pepita schon tot, vom Wolf oder anderen wilden Tieren zerfetzt. Mit zwei Taschenlampen bewaffnet ging ich zu später Stunde durch das stockfinstere Dorf, die einzige Straßenlaterne wurde von einem Anwohner zerstört, weil sie ihn beim Sternegucken störte. Wir sehen jetzt also die Milchstraße und wundervolle Sternbilder wie Kassiopeia und was weiß ich noch alles, stolpern dabei aber über jeden Stein. Ich leuchtete also die Feldwege ab und rief meine Katze. Irgendwann kam sie angesaust, aber nur um sofort wieder in der Dunkelheit zu verschwinden. Uff! Immerhin lebte sie noch, aber sie wollte einfach nicht mit mir nach Hause laufen. Ich begriff es erst, als ich beim Herumleuchten das rötliche Tier hinter dem Vorderreifen des Autos entdeckte: der Fuchs! Direkt vor dem Haus! Glücklicherweise hatte er vor mir mehr Angst als ich vor ihm und er verschwand alsbald lautlos und Pepita konnte jetzt auch endlich zisch ins Haus sausen. Ohne zu fressen, hoch ins Zimmer und auf den Sessel. Dort blieb sie zwei Tage, ohne sich zu rühren. Nach all diesen überstandenen Abenteuern ist Cannes ja gähnend langweilig. Deswegen wird hier auch nur noch geschlafen.

15.30 Uhr kleiner Ausflug auf den Antikmarkt, nur mal so, Monsieur ist dort Stammkunde für alte Bücher und fand natürlich zwei wunderbare alte Schätzchen. Ich hingegen habe mir nur die Füße in meinen Sommersandalen wundgelaufen, die ich vermutlich zum dritten Mal in diesem Jahr trug. Ich sollte aufhören, irgendwas für den Sommer zu kaufen, ich komme eh’ nirgends hin und trage monatelang ganztägig nur Nachthemd. Es ist in der Zwischenzeit dann jetzt doch sonnig geworden und immer noch erschöpfende 29 Grad warm, aber mittags und abends gehe ich ungern an den Strand: zu heiß, zu voll, zu laut. Man ist ja dann doch etwas verwöhnt mit dem Meer vor der Haustür. Badeanzüge habe ich übrigens auch gekauft dieses Jahr. Zwei sogar. Nach diversen Versuchen, Sie erinnern sich vielleicht, bleibe ich bei Seafolly und dem Modell Goddess, dem ich allerdings jedes Mal die Polster aus dem Oberteil fummele. Ich hoffe, sie kommen dann auch noch zum Einsatz, die Badeanzüge, meine ich. Und nein, an dieser Stelle kein Kommentar zum Burkiniverbot in Cannes.

18.04 Uhr. Das komische Geräusch in der Küche ist eine riesige afrikanische Heuschrecke, die sich durch den Lorbeerblattvorrat auf dem Kühlschrank frisst. Ich staune. Ich kann eigentlich alles mögliche Gewürm und Getier anfassen seit meiner Bauernhofzeit, aber hier habe ich Hemmungen. Jetzt habe ich sie mit einem Teil des Lorbeerblattvorrats über die Mauer in den Park geworfen.

So: Die Pflanzen im Vorgarten und im Hof werden gegossen, dann vielleicht noch ein bisschen in halb-alten Zeitungen gelesen, mein gerade begonnenes Probe-Abo einer deutschen Sonntagszeitung stapelte sich nämlich seit drei Wochen hier in Cannes. Später gibt es dann meine montägliche Lieblings-trash-Sendung L’amour est dans le pré, auf die ich ja auch drei Wochen lang verzichtet habe, live streaming gibt es zwar, aber dafür ist unser Berg-Internet-Anschluss zu schwach.

So, jetzt wissen Sie in etwa, was ich im Sommer und heute so gemacht habe, und weil heute außerdem der 5. ist und weil Frau Brüllen mit ihrer allmonatlichen Frage WMDEDGT dran ist, verlinke ich dorthin!

 

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Sonntag

la paixHeute hat mich jemand erkannt. Vor der Kirche Sacre Coeur du Prado im Viertel um den Boulevard de la République, als wir ein bisschen benommen und unsicher herumstanden und uns fragten: Wie gehts jetzt weiter? Was passiert? Gehen wir wieder rein? Ich hörte deutsche Töne mit einem leichten österreichischen Akzent und konnte nicht umhin zu sagen, dass das vermutlich keiner so recht wüsste, kommt ja nicht so oft vor, dass sich Muslime, Juden, Buddhisten, katholische und evangelische Christen vor und in einer katholischen Kirche versammeln. Der Französische Rat der Muslime (CFCM) hatte dazu aufgerufen, aus “Solidarität und Mitgefühl” zu den Sonntagsmessen zu kommen, in denen heute besonders dem am Dienstag ermordeten Priester Jacques Hamel gedacht wurde.

Ich bin heute bewusst in diese Kirche gegangen, denn das Quartier République ist ein Viertel mit hoher nordafrikanischer Bevölkerung. Ich kenne hier so manchen Tunesier oder Marokkaner, der nach dem Attentat auf die Redakteure von Charlie Hebdo gehässig sagte “bien fait pour leur gueule”, geschieht ihnen recht. Hier solidarisch ein Fähnchen mit der Trikolore zu zeigen, ist schon ein mutiger Akt. Ich war gespannt, ob sich überhaupt Muslime zeigen würden. Ich zählte während der Messe vermutlich Drei: zwei Männer und eine verschleierte Frau. Immerhin, dachte ich, und gab den beiden Männern, die in meiner Nähe saßen, beim Friedensgruß bewusst die Hand.

Dass in den Fürbitten gleichzeitig für den ermordeten Priester und für seine Täter gebetet wurde, ließ mich schlucken. Ich war überhaupt sehr gerührt und hatte immer wieder Tränen in den Augen. Der Pfarrer bat darum, dass wir nach der Messe nicht gleich nach Hause gingen, sondern uns draußen versammeln sollten, um danach mit den vermutlich anwesenden Muslimen ein Friedensgebet zu sprechen. Als ich aus der Kirche trat, musste ich unwillkürlich weinen. Der Hof war voll mit Menschen: Männer, Frauen, Kinder. Ich sah auch ein paar junge Männer, die sich nicht so ganz wohl fühlten, das sah man. Aber sie waren da. Ein Mann streckte mir weiße Blumen entgegen, eine verschleierte Frau umarmte mich und eine weitere verschleierte Frau drückte mich an sich und sagte “Nous sommes tous avec vous!”, wir sind alle mit Euch (solidarisch und traurig). Ich schluchzte und sagte immer wieder “Danke, dass Sie da sind!” “C’est normal!” hörte ich, oder “Wir sind auch traurig”. Dann standen wir gerührt herum mit den weißen Rosen und den anderen weißen Blumen in den Händen und wussten nicht, wie es weitergehen sollte. “Sind Sie Christiane Dreher?” fragte mich in dem Moment die Dame mit dem leicht österreichischen Akzent. “Ja”, antwortete ich verblüfft, “kennen wir uns?” “Nein, aber ich lese alle Ihre Bücher!” sagte sie begeistert und strahlte mich an. Wahnsinn! Das war mir bis dahin noch nie passiert. Ich habe in der Aufregung den Namen, den ich zwar erfragte, leider schon wieder vergessen, aber falls Sie es hier lesen, dann winke ich Ihnen noch einmal zu!

“Das ist “mein” Cannes, das Sie beschreiben”, sagte sie, die Epicerie aux deux Palmiers, l’Église Sacre Coeur du Prado, all das kenne sie gut. Seit dreißig Jahren komme sie nach Cannes, aus familiären Gründen, manchmal wäre sie lieber mal woanders, aber nein, man muss nach Cannes. Auch wenn die Hitze im Sommer kaum zu ertragen ist. Aber jetzt gibt es meine Bücher als Urlaubslektüre, und siehe da, jetzt hat man auch die Autorin kennengelernt, einfach so beim Kirchgang.

Wir gingen dann alle wieder zurück in die Kirche, mit allen Menschen, die sich eingefunden hatten: Muslime, Juden, Buddhisten, Protestanten und vielleicht auch noch Menschen anderen oder gar keinen Glaubens. Die Punkte der Charta des Vereins Vivre ensemble wurden verlesen, einer nach dem anderen, jeweils von einem anderen Glaubens-Kollegen, wie sie sich untereinander nennen. Der Verein Vivre ensemble versucht, ein friedliches Miteinander der Religionen zu leben und zu vermitteln und hatte speziell die Kirche in diesem Viertel zu der heutigen Solidaritätskundgebung ausgesucht. Das erklärt, warum sich so viele Menschen dort eingefunden hatten. Wir sangen zusammen, beteten, und hielten uns während einer Schweigeminute an den Händen.

Danach gab es einen Umtrunk, ich aber ging nach Hause, nicht ohne dem Aufgebot der Police Municipale, die solche Kundgebungen beschützen (müssen), zu danken. Genug Emotionen für einen Tag.

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Sainte Anne

Ste AnneAm vergangenen Samstag ist zum ersten Mal in der Geschichte des Dorfes das Patronatsfest der Sainte Anne, kurz Ste. Anne, buchstäblich ins Wasser gefallen. Der Pfarrer und auch sonst niemand konnte bei dem andauernden schlechten Wetter die völlig überflutete Geröllstrecke hier hinauf fahren. Dabei hatten wir seit Tagen das Dorf und das Kirchlein herausgeputzt. Im Kirchlein haben wir die Bänke, den Altar und die Gipsfigur der Ste. Anne abgestaubt, die anlässlich ihres Geburtstages immer in einer kleinen Prozession zu ihrem Oratoire, einem Kapellenbildstock, getragen wird. Wir haben gesaugt und gefegt und frische Luft hineingelassen in das etwas muffig riechende Kirchlein. Wir haben frische Kerzen aufgesteckt und Blumen gepflückt und den wackeligen Stuhl für den Pfarrer stabilisiert, und meine betagte Schwiegermutter hat es sich nicht nehmen lassen, die weiße, leinene Altardecke eigenhändig zu bügeln. Im Dorf haben wir die Wege vom wuchernden Unkraut befreit, das Gras entlang der Wege gemäht, die gepflanzten Blumen gegossen und das Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs und das Oratoire der Ste. Anne mit Blumen geschmückt. Außerdem haben wir alles für einen festlichen Apéro nach der Messe vorbereitet. Normalerweise kommen auch die Leute aus den umliegenden Dörfern hier hinauf für das Fest, und nach der Messe und der Prozession redet und trinkt und isst man zusammen.

LichtBei uns im Haus polierte meine Schwiegermutter schon tagelang mit Eifer all die herumstehenden Kupfer- und Messingkessel. Alles muss glänzen für das Fest, und das Haus muss piccobello sauber sein. Wir alle wurden daher von meiner Schwiegermutter in strengem Ton angehalten, unsere Bücher, Zeitungen, Notebooks, Klamotten und Spiele aus dem großen Wohnzimmer, unserem Aufenthaltsraum, weg und in unsere Zimmer zu räumen. Und das Werkzeug, die Gartenhandschuhe, die Bergstiefel sollten aus dem Eingangsbereich in den Keller verschwinden. “Nichts will ich hier mehr herumliegen sehen!”, schimpfte sie laut und wir räumten, wienerten und schrubbten das alte Haus, so gut es ging, sauber. Sie müssen wissen, wir wohnen in einer ehemaligen Schule, die Ende des 19. Jahrhunderts hier gebaut wurde, und der alte Schulsaal, als solcher vor dem Ersten Weltkrieg zum letzten Mal genutzt, ist zum Wohnraum umgestaltet worden; man sieht ihm die Schule aber noch an, denn die Schulen Frankreichs wurden damals alle nach dem gleichen Schema gebaut und hatten vor allem einen sehr hohen Schulsaal und darüber lag die kleine Lehrerinnenwohnung. Das ist bis heute so. Wir leben also tagsüber im großen Saal, in dem auch noch immer zwei der niedrigen Holzbänke der Schulkinder stehen, und noch immer gibt es die Estrade, auf der früher das Pult der Lehrerin gestanden hat: Monsieurs Großmutter war die letzte Grundschullehrerin hier oben. Sie war noch ganz jung, als sie hier ihre erste Stelle antrat und sie hat sich in dieser Bergeinsamkeit in Monsieurs Großvater verliebt.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Dorf komplett aufgegeben, nur drei Männer (allesamt aus Monsieurs Familie) waren aus dem Krieg zurück gekommen. Alle anderen Familien hatten ihre Männer, Brüder, Söhne oder Väter verloren.

mon epoux  untröstlich
cimetiere cimetiere 2

Monsieurs Großeltern aber waren dem Ort so verbunden, dass sie irgendwann die Schule kauften, bevor sie vollständig zusammenfiel und auch andere Menschen erstanden die umliegenden Höfe und Häuser und bauten sie wieder auf. Das nur am Rande, und um zu verstehen, dass wir zwar ein groß aussehendes Haus haben, aber nur wenige, winzige und außerdem nicht heizbare Zimmer über dem Schulsaal. Eigentlich passt dort jeweils nur ein Bett hinein, ein Schrank und ein Stuhl. So viel Kram wie heute hatte man früher einfach nicht. Wir stopfen also unsere persönliche Habe in die Ecken und unter das Bett, man weiß kaum noch, wo man seinen Fuß hinsetzen soll, egal, Hauptsache unten ist aufgeräumt.

Wir waren also festlich gestimmt und innerlich und äußerlich vorbereitet, aber dann gewitterte es einen ganzen Tag und eine ganze Nacht lang: Wasser, Hagel, Blitz und Donner, nur stundenweise unterbrochen, so dass wir es zumindest geschafft haben, das gemeinsame Essen aller Dorfbewohner etwas improvisiert im teilüberdachten Innenhof, dem ehemaligen Schulhof, le préau, abzuhalten.

DetailMesse und Fest waren nicht an ihrem richtigen Tag geplant, deshalb war Ste. Anne verärgert, wird hier ironisch gesagt. Aber es gibt hier mehrere Gemeinden, die die Heilige Anne als Namenspatronin haben und für den Pfarrer ist es eine richtige Herausforderung, alle die weit auseinanderliegenden Orte mit demselben Heiligen am selben Wochenende mit einer Messe zu versehen, und möglichst auch an allen sich anschließenden Festlichkeiten teilzunehmen. Das war in diesem Jahr unmöglich, so dass wir unsere Heilige Anne am Wochenende vor ihrem eigentlichen Namenstag feierten. Das würde in Deutschland ja nicht gehen, dieses Vor-Feiern von Namens- oder Geburtstagen. Niemand ist zwar aberläubisch, aber alle denken dennoch, das bringe Unglück … Tss, würde man da in Frankreich sagen, so ein Quatsch. In Frankreich ist man pragmatisch, das habe ich bestimmt schon einmal erzählt. Wir zum Beispiel feiern hier im Sommer mehrere Geburtstage zusammen, ganz gleich, ob sie noch stattfinden werden oder schon stattgefunden haben. Sie liegen zeitlich alle im Sommer, die Familie ist zusammen, das ist das Wichtigste und so wird einfach das Datum für ein gemeinsames Geburtstagsfest gewählt, das allen am besten passt. Hat der Heiligen Anne, unter anderem Schutzpatronin gegen Gewitter, dieses Jahr vielleicht doch nicht so gefallen, dieser Pragmatismus ;-)

Das Filmchen des Festes und der Prozession vom letzten Jahr, das ich Ihnen eigentlich zeigen wollte, existiert nicht mehr. Ich will versuchen, noch ein paar Fotos zu machen, die ich später einstelle.

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14. Juli

Voilà, ich bin nicht sicher, wie weit ich hier komme, es ist Familienferienzeit in den Bergen, das bedeutet, nicht viel Ferien und nicht viel Zeit für mich alleine, wie Sie sich vielleicht erinnern, das ist auch nicht vorgesehen: die Familie versammelt sich komplett im Ferienhaus in den Bergen, damit dort alle voneinander “profitieren”, wie das hier heißt, Ah, les vacances, profitez bien de la famille! wünscht man sich gern. Genießen solle man die gemeinsame Zeit mit der Familie. Das tun wir. Wir sind ununterbrochen zusammen. Kochen zusammen, essen zusammen, spülen Geschirr zusammen, diskutieren zusammen, spielen Gesellschaftsspiele zusammen, arbeiten zusammen im Garten, machen Ausflüge zusammen, um wieder irgendwo zusammen zu essen. Familie eben. Ganz schön. Nun ja, Sie wissen schon. Dazu später noch mehr. Wenn ich dazu komme, sagen wir so. An diesem Text schreibe ich schon seit etwa einer Woche.

VirgaWie Sie wissen, habe ich schon ein paar Tage alleine hier oben von der Stille und der Einsamkeit wirklich profitiert, immerhin, dann kam Monsieur hinzu und kurz darauf, genau am 14. Juli, auch die ersten Familienmitglieder. Es war ein wundervoller Sommertag. Wir trafen uns zum Flohmarkt und zum Essen in Guillaumes, sahen dort staunend eine Wolke in Regenbogenfarben vorübergleiten (Virga heißt diese meteorologische Besonderheit übrigens) und fuhren nachmittags eilig wieder hoch zum Sommerhaus, denn es zog sich über den Bergen gewaltig und düster zu. Abends gab es hier ein mehrere SHageltunden andauerndes Hagelgewitter; schon dreihundert Meter weiter oben verwandelte sich der Hagel in Schnee. Wir sahen staunend zu. Vor der Tür war es weiß. Hagel und Schnee am 14. Juli! Die Temperatur sank nachts rapide ab, wir legten noch eine Decke mehr auf, und ich machte mir mal wieder eine Wärmflasche. Am nächsten Morgen fotografierte ich die verschneite Bergwelt um uns herum, es schien strahlend sonniger Sommertag werden zu wollen, nur ein wenig frischer als sonst. Schnee am 15. Juli hat hier noch niemand erlebt.

Cime de PalManche gingen in aller Frühe los zum Wandern, durch Schnee und Blumen. Verrückt! Wir waren völlig aus dem Häuschen. Natürlich hatten wir, wie immer bei Gewitter, alles ausgestöpselt und als wir uns am 15. Juli vormittags wieder mit der Welt verbanden, fand ich 17 Mails und noch mehr Nachrichten auf FB vor, mit besorgten Fragen nach unserem Wohlergehen. “Mach’ mal das Radio an”, sagte ich alarmiert zu Monsieur und klickte mich selbst nervös ins Internet ein. So erfuhren wir am Morgen des 15. Juli von dem Schrecklichen, das in Nizza, nach dem großen Feuerwerk anlässlich des Nationalfeiertags, passiert war. Schockiert und nervös begannen wir nun unsererseits Freunde und Bekannte in und um Nizza anzurufen. Waren Sie bei dem Feuerwerk gewesen? Ja, nein, aber allen geht’s gut, die meisten waren gar nicht in Nizza. Erleichterung. Ich konnte dann gerade noch hier und da sagen, dass es uns gut ging, dann machte die Livebox ein kurzes “pling” und das Internet hatte sich verabschiedet. Zu viel Hagel, zu viel Schnee, zu viele aufgeregte Nutzer, was weiß ich. Vier Tage lang, bis Montag Nachmittag waren wir von der Welt abgeschnitten und lebten hier oben quasi heile Welt mit Schafen, Blumen, Bienen und Schmetterlingen. Der Schnee war nach knapp zwei Tagen wieder weggetaut. Für die Kinder war und ist die Informationsleere angenehm, sie spielen sorglos und bauen Hütten wie jedes Jahr, für uns Erwachsene blieb ein komisches Gefühl: Nur hin und wieder warfen wir uns Nachrichtenfetzen zu, die wir dem einzigen kratzigen Radiosender, den man hier empfangen kann, abgelauscht haben. Dennoch war ich gleichzeitig auch erleichtert, einmal nicht diesen ganzen Medienrummel “Keiner-weiß-was-genaues-Nice Matinaber-alle-senden-ununterbrochen-Aufregung” mitzukriegen, und auch nicht in der emotionsgeladenen Facebookschleife hängenzubleiben oder vor BMFTV, in dem vermutlich zum x-ten Mal das private Video, das den Lastwagen gefilmt hat, gezeigt wurde. Zwischenzeitlich konnte ich ein paar Artikel lesen, die die Situation zusammenfassten, und heute, eine Woche danach, haben wir die Zeitungen der vergangenen Tage bekommen. Das ist allerdings ein Schock. Ich kann die Bilder nicht ansehen, ohne zu weinen. Eine Luftaufnahme zeigt ein Menschenmeer, das sich auf der Promenade des Anglais eingefunden hat, um die Schweigeminute zusammen abzuhalten.

indexIch vermeide es, Facebook anzuklicken, weil es dort schon wieder um alles andere geht. Es kränkt mich geradezu, wie schnell man sich dort wieder über jeden Kleinscheiß austauscht. Neulich habe ich mit einem Freund diskutiert, warum wir so wenig von den Attentaten in den anderen Ländern betroffen sind. Ich könnte auch fragen, warum man nur so kurze Zeit davon betroffen ist. Irgendwo habe ich diese Karikatur gesehen: Ein Männchen hält einen Karton hoch auf dem das plakative solidarische “Je suis … ” steht, gefolgt von dem Wort “habitué”: Ich bin … dran gewöhnt. Das ist wohl so. Ich bin allerdings von den Attentaten in meinem Land (das habe ich tatsächlich geschrieben, “mein” Land, Frankreich, das Land, in dem ich lebe, ist wohl wirklich mein Land geworden) so erschüttert, wollte ich das für alle Attentate der Welt sein, würde ich vermutlich bald aus dem Fenster springen vor Gram und Schmerz. Mehr kann ich nicht an mich heranlassen.

Immerhin habe ich dieses gefühlvolle Video über Nizza auch auf Facebook entdeckt, das ich als liebevollen Ausklang zeigen möchte. Ach Nizza, diese liebliche, quirlige, wundervolle Stadt! Natürlich sollen und werden wir weiterleben, in Nizza und überall. Ja sicher, wir sollen auch wieder Feuerwerke ansehen, klar, und uns nicht einschüchtern lassen, nein. Weiterleben, es ist Sommer, es sind Ferien … Vordergründig leben wir Ferien in dieser “heilen” Bergwelt, ja, auch wir essen und reden und spielen wie alle Tage, die Sonne scheint, die Vögel zwitschern, aber, um wieder einmal Hilde Domin zu zitieren, auch an blauen Tagen kann es einem das Herz brechen.

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alles gut

nur ganz schnell in die Welt gerufen, dass es uns allen gut geht – Vielen Dank für Eure Sorge, Eure Fragen, die mich auf allen Kanälen erreichen! Wir (die französische Familie) sind in den Bergen, zwei Stunden weg von Nizza, hatten hier gestern Abend ein großes Hagelgewitter und alles ausgestöpselt, insofern haben wir von dem Attentat erst heute morgen erfahren, als sämtliche Telefone wieder klingelten und piepsten … bislang sieht es so aus, als seien auch sämtliche Freunde von uns wohlauf – später mehr –

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Geheimtipp im Hinterland: Le Central

Le CentralSie wollen ja doch immer wieder Tipps von mir, meistens muss ich Sie ja enttäuschen, ich komme ja gar nicht so viel rum, wie Sie denken. Sie haben bestimmt schon viel mehr von Frankreich gesehen als ich. Ich kenne ja nur mein kleines Tal im Hinterland und dann diese laute Stadt am Meer. In Cannes kann ich Ihnen, wie schon mehrfach berichtet, nichts wirklich empfehlen. Hier im Tal aber sieht es anders aus, und eigentlich habe ich es Ihnen schon einmal ans Herz gelegt, in diesem Text übers Hinterland nämlich. Aber jetzt ist mein kleines Lieblingsrestaurant Le Central im verschlafenen Dörfchen Guillaumes in den regionalen Gastro-Führer Guide Gantie aufgenommen worden, deren Internetseite bedauerlicherweise noch nicht aktualisiert ist. Egal, wir wissen es trotzdem. Hurrah! In Nice Matin gab es außerdem eine supernette Besprechung! Ich freue mich mit Gaël und Alexandra und gratuliere! Sie haben es echt verdient!

im Guide Gantie

Bien souvent vous voulez que je vous donne des bonnes adresses, et je dois souvent vous décevoir. Je ne sors pas autant et je suis sûr que vous connaissez plus que moi la France. Moi, je connais que la petite vallée dans l’arrière pays et cette ville bruyante sur la Côte. Sur Cannes, comme je vous l’ai déjà dit, je ne peux pas vous renseigner. Par contre dans ma petite vallée oui. Je l’ai déjà fait une fois dans ce texte sur l’arrière pays, mais là il s’est passé quelque chose: mon petit restau préféré, Le Central à Guillaumes, un village un peu endormi, est rentré dans un guide gastronomique régional, le Guide Gantie, qui n’a malheureusement pas encore actualisé son site d’internet. Mais cela ne fait rien, on le sait quand même! Bravo! Et il y avait en plus une superbe critique dans Nice Matin. Je suis contente pour Gaël et Alexandra et je les félicite! Ils le méritent bien!

… et voilà ein Menü-Beispiel …

Speisekarteknuspriges Canneloni in Gazpachogefüllte EntenbrustDie gezeigten Speisen stimmen nur bedingt mit der abgebildeten Karte überein – ich habe mehrfach dort gegessen, aber nicht immer alles fotografiert – manchmal esse ich einfach zu schnell ;)

iles flottantesbaba au rhumhmmmm … c’est délicieux!

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Schafe kreuzen meinen Weg

Noch ein bisschen Berg-Idylle gefällig? Voilà, ein kleines Bergpanorama am frühen Morgen …

kleines Panorama am MorgenAuf dem Weg begegnete mir heute ein weitere Schafherde, die für die Sommerweide hoch in die Berge zieht –

Schafe kreuzen …Schafe kreuzen

hier ein paar Ausreißer: l’herbe est toujours plus verte ailleurs …Schafe am Wegrand

Schäfchen zählen … (Ausschnitt)

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Dem Himmel so nah

GewitterGerade kommt ein Sommergewitter über dem Weiler herunter, mit mächtigen Donnern, ohne Blitz bislang, aber das weiß man ja vorher nicht. Ich hatte vorsichtshalber alles ausgestöpselt, mit den Gewittern in den Bergen ist nicht zu spaßen und das heilige Internet muss beschützt werden. Ich habe es erst seit zwei Tagen. Nach sieben Tagen Medien-Détox, Menschen-Détox und Lärm-Détox war ich dann doch beglückt, wieder an die Welt angeschlossen zu sein.

Wenn Sie mich schon länger lesen, wissen Sie, dass ich Cannes im Sommer nicht ausstehen kann: zu laut, zu voll, zu heiß. Mir war sowieso schon eine Weile alles zu viel und ich bin daher, beinahe spontan, in die Berge geflohen. Ganz spontan geht nicht, man muss schon an ein paar Sachen denken für alle Fälle: Gas in großen Flaschen für den Herd und warmes Wasser, Essen für mindestens eine Woche, und den ganzen Papierkram und das Laptop zum Arbeiten, um nur das Wichtigste zu nennen. Seit letztem Sonntag bin ich im Sommerhaus und ich bin ganz allein. Ohne Familie, aber auch ohne Mann und ohne Katze. Das ist Premiere. Es ist wundervoll. Ich sinke hier fast täglich auf die Knie aus Dankbarkeit, dass ich hier sein darf in dieser Natur und in diese Stille. Dem Himmel so nah.

Cime de Pal

Rosen und HimmelNach einer Woche Stille und einem Minimum an Sozialkontakten (drei um genau zu sein, ein dicker, einäugiger Schäfer, ein schweigsamer Nachbar und die Besitzerin der Gîte, die einzige Person, die hier ganzjährig lebt), kann ich jetzt auch wieder nach außen gehen. Ich hatte ja nicht nur kein Internet, ich habe auch keinen Fernseher, mir fehlt ein (in Cannes vergessener) Adapter um den Vinyl-Plattenspieler an den reparierten (und hochtransportierten) Verstärker anzuschließen, so dass ich auch nicht Leonard Cohen hören kann oder Paolo Conte, meine Lieblingsklassiker hier oben, und im alten 50er Jahre Radio kommt nur ein einziger kratziger Sender rein, auf dem es bislang nur Fußball gab. Das ist ja das letzte, was ich in der Bergeinsamkeit hören will. Medien-Détox. Keine Außengeräusche. Vogelzwitschern, Fliegensurren und Bienensummen, morgens und abends ziehen etwa 2000 Schafe vorbei, bimmel, bimmel, mäh mäh. Sonst Stille. Das ist so großartig. Und so wohltuend!

Idylle

Lilien vor der Tür

Außerdem kann man so wunderbar konzentriert arbeiten. Heute habe ich aber eine Schreib-Pause gemacht und morgens ein paar Fotos und nachmittags die (von dem schweigsamen Nachbarn freundlicherweise) gemähte Wiese neben dem Haus zusammengerecht. Hier wächst und wuchert es ja fast bis ins Haus, wenn man nicht aufpasst.

Gräser

RechenAber welche Schmach! Nach einer Stunde schon hatte ich Blasen an den Händen, man ist ja nichts mehr gewöhnt. Also habe ich stattdessen die alles überwuchernden und verschlingenden Kletten herausgerissen, damit die Johannisbeeren sich schön entwickeln können; noch sind sie grün, aber es sieht aus, als wollte das eine Jahrhunderternte geben!

JohannisbeerenDanach habe ich noch ein paar Blumen gepflückt.

FeldblumenDank dem re-aktivierten Internet, habe tatsächlich schon ein bisschen Radio gehört, habe in FB herumgeklickt und Mails gelesen und beantwortet. Die Welt kommt langsam wieder näher – aber ich lasse sie vorerst nur in kleinen Portionen zu. Mehr geht manchmal nicht.

Nach dem Gewitter gab es übrigens einen Regenbogen!

RegenbogenAch so ja, und ich habe dann tatsächlich doch mitgekriegt, dass am Donnerstag das Halbfinale Deutschland-Frankreich ansteht. Werde ich das alte Radio doch anwerfen müssen.

Radio

Und mit Blick auf das Datum könnte das eigentlich auch ein Beitrag für WMDEDGT sein.

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Mein Frankreich

Christine CazonVoilà, enfin wieder etwas zu lesen … Christine und ich, wir haben nun also bei Hilke Maunders Blogparade “Mein Frankreich” mitgemacht, und klickstu –> hier kommt der verlinkte Beitrag. Herzlichen Dank an Hilke für diese Idee und die superschöne und flotte Umsetzung! Es war uns ein Vergnügen!

 

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Menopause, oder Warum ich keinen Sehnsuchtstext schreiben kann

*Bitte nehmen Sie die Überschrift zur Kenntnis. Ich weise ausdrücklich daraufhin, dass der folgende Text empfindliche LeserInnen schockieren kann. Meine eventuellen männlichen Leser seien ebenfalls gewarnt. Es geht, wie ebenfalls in der Überschrift schon angedeutet, unter anderem um Frauenthemen. Und das an Pfingsten, seufzen Sie. Jawohl, sage ich.*

Pfingstmontag, 9.30 Uhr. Ich sitze am geöffneten Fenster der Küche. Nebenan im kleinen Park plätschert friedlich der Springbrunnen. Ein Lüftchen weht. Noch haben wir keine Sonne auf der Terrasse, die eigentlich ein Hinterhof in der ersten Etage ist, draußen ist es noch frisch. Ich kriege mein Halsweh, das Räuspern und Hüsteln nicht richtig weg. Insofern bin ich nicht mit Monsieur Rad gefahren und auch nicht am Meer laufen gegangen. Gegenwind und dergleichen sind nicht geeignet, wenn dieses hüstelnde Räuspern verschwinden soll. Schreibe ich eben in Ruhe einen Blogtext, drinnen am geöffneten Fenster. Ohne Blick übrigens. Halb Mauer, halb Grün. Das ist alles. Ich bin schon seit 4.30Uhr wach. Die Gastautorin hat schon drei Seiten geschrieben heute. Pfingstmontag hin oder her. Montag ist Montag. Dass ich das frühe Aufstehen tatsächlich hinkriege, kann auch mit der Menopause zu tun haben, wie ich heute Morgen via Journelle erfahren habe. Journelle ist die Frau, die gerade laut sagt, dass das Internet sie dick gemacht habe! Mit Ausrufezeichen. Den Vortrag können Sie hier ansehen oder eine Zusammenfassung lesen. Journelle hat wiederum Kaltmamsell, deren Blog Vorspeisenplatte heißt, mit einem spannenden Beitrag verlinkt. Doch, das heißt da alles so. Wissen Sie vielleicht, oder nehmen Sie es einfach zur Kenntnis. Kaltmamsell und Journelle sind Damen aus der „geburtenstarken“ Bloggerinnenwelt, denen ich aber nur hin und wieder folge. Frau Mutti gehört auch dazu. Der folge ich meistens, und auch ihrer Tochter Anne, die sich in mehrfacher Hinsicht auf den Blog-Weg macht. Diese wortmächtige Bloggerinnen-Gemeinschaft bloggt ein paar Jahre länger als ich, ist aber etwas jünger und erreicht nun endlich das Alter der Menopause. Weshalb frau nun hoffentlich bald öffentlich darüber reden darf. Es fängt schon an. Lesen Sie dort mal die vielen Kommentare! Genau wie über das Dicksein! Über das Ausrufezeichen-Dicksein zu reden ist nämlich auch neu. Man durfte bislang, so wie ich, darüber jammern, in diesem Land, in dem zwar ständig gekocht und gegessen aber nicht zugenommen wird, zu dick zu sein für die Mode, die einem hier angeboten wird und darüber, dass ich mich neben meinen grazilen französischen Freundinnen immer fühle wie ein Brauereigaul. Da kommen einem automatisch Bilder in den Kopf, oder? Dabei habe ich schon lange keinen Brauereigaul mehr vor einen Wagen mit Bierfässern angespannt gesehen. Stämmige Beine, breiter Arsch. Die Pferde natürlich. Kann man nichts gegen machen. Ist so. Bei mir auch. Seit Jahrzehnten arbeite ich dagegen an. In Frankreich nochmal mehr, das habe ich schon oft genug berichtet. Das ist heute auch nicht das Thema. Die Menopause ist es. Wenn Journelle mit ihren Blog-Kolleginnen demnächst in der Menopause ist, dann geht auch das. Als ich das vor vier Jahren erzählen wollte, hat man mich zurechtgewiesen, das wolle man nicht wissen, ich möge doch weiterhin Nettes und Heiteres aus Südfrankreich berichten. Ich bin auf Sehnsuchtsartikel gebucht. Dabei habe ich im Sehnsuchtsland der Deutschen nicht nur Wundervolles erlebt. Erstaunlicherweise folgten mir meine Leserinnen aber in dunklen Zeiten. Über die Krankheit und das Sterben meines Mannes Patrick zu schreiben ging und hat mir immerhin einen Artikel „Sterben in Zeiten des Internets“ eingebracht. Die Menopause, die ich, Südfrankreich hin oder her, ja auch erlebe, ging nicht. Heute bin ich ja schon durch mit der Menopause, oder sagen wir so, das Unregelmäßige der Regel ist weg. Ganz weg. Haha. Dafür ist viel anderes da. Ein rundlicher Körper zum Beispiel, der langsam nach Oma aussieht, auch wenn ich keine Kinder habe. Das ist das Kränkendste finde ich. Dieses Doppelkinn und das körperliche Auseinandergehen, als habe ich mindestens drei Kinder geboren, obwohl ich gynäkologisch gesehen beinahe noch ein Mädchen bin. Mir musste man das Sterilet (die Spirale) seinerzeit so durch den engen Muttermund reinpressen, dass ich vor Schmerz in Ohnmacht gefallen bin. Und all die Unterbauch-Krämpfe danach. Das ist auch ein Tabuthema. Wie verhüten Sie? Antworten Sie um Gottes Willen nicht. Das will keiner wissen. Obwohl Journelle auch da eine starke Rolle einnimmt. Muss man schon sagen. Schon der Untertitel ihres Blogs weist darauf hin. Nun, bei mir ging es gar nicht nur um die Menopause damals, es ging auch, mit kurz vor 50, ums Älterwerden. Ist aber auch ein Tabuthema. In Würde altern und vor allem den Mund halten, wenn ich frustriert sei, hat man mir damals geraten. Oder mal darüber nachdenken, mein Leben zu ändern, es sei so kurz. Ich vermute, die Dame, die mir dies seinerzeit vorschlug, liest mich nicht mehr.

In Würde altern möchte ich ja auch den fröhlichen 80+ Damen hier in Cannes manchmal zurufen. Die ihre zierlichen faltigen Reh-Körper noch immer in niedliche Bikinis stecken und noch immer in die Sonne halten. Hautkrebs? Welcher Hautkrebs? An irgendwas muss man ja sterben. Wenn die Menopause schon so lange andauert wird einem vermutlich alles ziemlich egal. Vermutlich erlaube ich mir mit 80+ auch endlich das, was Journelle heute schon so kämpferisch verkündet: Die Rundlichkeit, die mein Körper eben annehmen will, wenn ich einfach so esse und lebe wie ich will.

Was schreibt sie denn da schon wieder für einen Frust?, denken Sie sich. Kann sie nicht einfach ein nettes Südfrankreich Thema aufgreifen? Egal was. Der Leser will doch träumen. Wann blüht denn der Lavendel? Das muss doch jetzt bald soweit sein, oder? Schon kommen wir kommen zum Thema, warum ich keinen Sehnsuchtstext mehr schreiben kann.

Sein Leben nicht träumen, sondern seinen Traum leben! Habe ich neulich mal wieder irgendwo gehört. Bei Goodbye Deutschland vermutlich. Hach ja. Das hört genau dann auf, wenn man den Traum zum Alltagsleben macht. Daran scheitern ja auch die meisten Auswanderer. Weil das Paradies im Alltag eben keines ist. Sie wollten doch schönes Wetter und Strand und viel mehr Zeit füreinander. Stattdessen muss man arbeiten. Das hat einem ja vorher keiner gesagt. Und auch noch eine neue Sprache lernen. Zumindest wenn man mit den Einheimischen hin und wieder kommunizieren will. Will man das?

In der Wochenzeitung, die ich weniger und weniger lese, reiste jemand auf die Malediven und wollte aber ganz hipster-reisemäßig, zusätzlich zum weißen Strand und dem türkisblauen Wasser, Kontakt mit dem echten Leben der Einheimischen. Und ist dann erschrocken. Ist ja ein islamisches Land. Politisch gerade ein bisschen instabil. Scharia und so. Viele IS-Kämpfer kommen von hier. Frauen gehen verschleiert ins Wasser. Und der Müll ist auch ein Problem. Vor allem der Müll der Touristen. “Aus der Nähe sind die Dinge eben oft anders – auch im Paradies” endet sein Text. Das meine ich. So wird es, wenn man hinschaut und/oder dort lebt. Seit ich in Frankreich lebe, ist es nicht mehr mein Sehnsuchtsland. Je mehr ich eintauche in dieses Land, je selbstverständlicher ich hier lebe, je integrierter ich bin, desto weniger ist es traumhaft. Kein Urlaub, kein Traum, Alltag. Ich habe manchmal keine Lust mehr, schreibend dieses Sehnsuchtsbedürfnis anderer zu stillen. Arbeiten, wo andere Urlaub machen. Ist das denn wirklich Arbeit, wenn man es dabei so schön hat? Fragen Sie mal einen Kellner im Sommer in einer Strandbar, ob das wirklich Arbeit ist, was er macht. Er hat dabei doch so einen schönen Blick.

Ich sitze immer noch am Küchenfenster und schreibe. Der Springbrunnen plätschert, Kindergeschrei dringt über die Mauer, Monsieur ist wieder zurück vom Radfahren, wir werden im Hinterhof den Tisch decken und dann dort gleich grünen Ofen-Spargel essen, den ich nach einem Rezept von Arthurs Tochter machen werde. Und bei alledem durchströmt mich dennoch kein Glücksgefühl. Das muss es aber, wenn man über „sein Frankreich“ schreibt, oder? Zärtliche Erinnerungen an eine Kindheit à la Marcel Pagnol, an Familienfeiern, an das Zirpen der Zikaden, den Duft von Lavendel, an viel Essen und Pastis, an Zigaretten und lautes Streiten vielleicht, aber immer Geborgenheit. So liest es sich bei anderen. Und bei mir?

 

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In einer Stunde sind wir da!

Ich habe eine kleine Einzimmerwohnung im Erdgeschoss unseres Hauses. Sie ist eigentlich mein Büro, gleichzeitig mein privates Zimmer und dient hin und wieder als Gästezimmer. Weil in unserer Wohnung kein Zimmer mehr frei war für mich, ein Büro oder Gäste. Man hat ziemlich oft Gäste, wenn man in Cannes an der Côte d’Azur lebt. Zum Beispiel auch während des Filmfestivals. Seit drei Jahren überlasse ich die Wohnung in dieser Zeit einem deutschen Paar, das aus beruflichen Gründen kommt. Wir kennen uns jetzt schon ein bisschen, mögen uns auch, aber ich würde nicht sagen, dass wir Freunde sind. Unser Kontakt ist auf Ihr Hiersein während des Filmfestivals beschränkt.

Sie beabsichtigen, mittwochs abends zu kommen, erfahre ich aus einer Mail. Dienstags fange ich an, meine Dinge, die ich für die nächsten zehn Tage brauchen könnte, aus dem Büro nach oben in unsere Wohnung zu befördern. So viel ist es nicht, aber man weiß ja nie. Ich überlege, räume und ordne. Sauber machen werde ich mittwochs. Da habe ich ja noch den ganzen Tag Zeit. Mittwochs vormittags beginne ich eine große Putzaktion: ich reiße das Fenster auf, staube die Regale ab, beziehe Kopfkissen, entkalke den Wasserkocher, putze das Klo, ziehe das Ausziehsofa von der Wand, um auch dahinter sauber zu machen … wirbele also an allen Stellen gleichzeitig. Kurz vor Zwölf kommt Monsieur nach unten und sagt „Sie haben gerade angerufen, sie sind in einer Stunde da!“ Ich bekomme fast einen Herzschlag. „Ich bin noch nicht fertig!“, schreie ich hysterisch und lasse Wasser in den Eimer laufen, um den Boden zu wischen.

„Mais, arrête ça!“, schimpft Monsieur. „Das ist doch jetzt alles nicht wichtig. Was machst du zu Essen?“

Ich verstehe nicht, wie er jetzt ans Essen denken kann. Außerdem gibt es noch Reste von gestern, die kann er sich warmmachen, wenn er jetzt schon Hunger hat. Aber nein, es geht nicht um seinen Hunger, er sorgt sich um unsere in einer Stunde ankommenden Gäste. „Aber die kommen doch nicht zum Essen“, sage ich, „die kommen wegen der Wohnung.“

„Écoute“, sagt Monsieur, „die haben extra angerufen, um zu sagen, dass sie in einer Stunde da sind!“ Für ihn, den Franzosen, bedeutet das unausgesprochen, dass sie zum Mittagessen kommen. So macht man das hier. „Ach was“, versuche ich zu erklären „das sind Deutsche, die würden das niemals wagen, sich bei uns improvisiert zum Essen einzuladen. Bei uns macht man das nicht. Und die wissen von dieser französischen Sitte nichts. Die haben angerufen, weil sie ursprünglich für abends angesagt waren, jetzt kommen sie schon mittags. Das ist alles.“

Aber ich kann sagen, was ich will, Monsieur ist sicher, das deutsche Paar will bei uns zu Mittag essen. Nach einer langen Fahrt aus Deutschland werden sie ausgehungert sein. „Tu ne comprends pas? Ils ont faim!“ sagt er empört. „DU hast vielleicht Hunger!“, gebe ich zurück. Ein Wort gibt das andere. Ich sehe nicht ein, dass ich alles Stehen und Liegen lasse, um improvisiert ein aufwändiges Essen zu kochen und putze unverdrossen, aber etwas schneller weiter. Monsieur ist verärgert und verzweifelt. Selbst, wenn ich Recht hätte, sagt er, „in Frankreich ist es jetzt meine Pflicht, sie wenigstens zum Essen einzuladen. So macht man das in Frankreich, hast du das immer noch nicht verstanden?” Er sieht mich wütend an. “Sie können dann immer noch ‚nein‘ sagen“, räumt er gnädig ein. Aber damit die deutschen Gäste die Essenseinladung ablehnen können, muss ich erstmal ein Essen gemacht haben. Ich weigere mich. Letzten Endes geht er zum Traiteur und kauft dort für alle un plat préparé, „au moins on a fait façe!“ „On a fait façe à quoi?“, brülle ich ihm hinterher. Später deckt er in der Küche den Tisch. Als ich mit der Putzerei fertig bin, mache ich nun doch noch schnell etwas Karottensalat zum Entrée und putze ein paar Radieschen, um meinerseits gegenüber Monsieur mein Gesicht gewahrt zu haben. Dann warten wir. Denn keinesfalls können wir ohne die Gäste anfangen zu essen. Auch wenn wir jetzt wirklich Hunger haben.

„Tu verras, die kommen nicht zum Essen!“, sage ich zum wiederholten Mal und kaue hungrig ein Radieschen, da fällt nicht auf, wenn es eines weniger ist. Monsieur hat jetzt vielleicht leise Zweifel, was er aber nie zugeben würde. „Die werden mit uns essen“, beharrt er. „Ja“, sage ich, „jetzt vermutlich aus Höflichkeit. Weil sie sich nicht trauen zu sagen, dass sie das nicht wollen.“ „Höflichkeit!“, Monsieur schnaubt. „Man isst doch nicht aus Höflichkeit!“

Um Viertel vor Zwei klingelt es an der Tür. Monsieur öffnet erwartungsvoll die Tür. Es ist nur ein Teil des deutschen Paares, der Mann nämlich, vollbepackt, er will nur schon mal etwas abladen, den Schlüssel entgegennehmen und dann in gleich in die Stadt. „Und deine Frau?“, fragt Monsieur. „Ach, die ist schon ins Festival eingetaucht und ich werde auch gleich …“, antwortet der Mann. „Aber hast du keinen Hunger?“, fragt Monsieur fassungslos und sieht auf die Uhr. „Nein, nein, wir haben vor der Abfahrt was gegessen“, sagt der Mann mit einer wegwerfenden Handbewegung. „Wir haben in Orange übernachtet und sind dort kurz nach Zwölf weggefahren. Da haben wir vorher schnell was gegessen.“

„Siehst du“, sage ich süffisant zu Monsieur.

Der Mann spürt etwas. „Habt ihr etwa Essen gemacht?“, fragt er erschrocken. „Ja“, sage ich, „denn wenn man in Frankreich mittags anruft und sagt ‚in einer Stunde sind wir da‘, dann heißt das, wir kommen zum Essen.“ Der Mann wird rot vor Scham: Niemals hätte er das … er hatte schon Angst, überhaupt mittags anzurufen, weil er uns nicht beim Mittagessen stören wollte, und das Ankommen um halb zwei war ihm auch unangenehm, weil er doch weiß, wir machen immer eine kleine Sieste nach dem Essen. „Muss ich jetzt nochmal was essen?“, fragt er mich leise. „Mach, was du willst“, antworte ich, „Essen ist ja jetzt da. Du kannst es ablehnen, ohne dass ich mein Gesicht verliere.”

„T’as pas un petit creux?“, fragt Monsieur jetzt drängend und entkorkt schon mal den Wein. Nach einer Stunde Fahrt kann man doch sicher schon wieder was vertragen? „Na, gut, ich will ja jetzt nicht unhöflich sein!“, murmelt der Mann. Leider kann Monsieur es nicht verstehen, weil es auf Deutsch gesagt wurde. Beim Essen erklärt der Mann noch einmal lang und breit, dass es niemals seine Absicht war, sich zum Essen einzuladen und so weiter. Monsieur nimmt es schweigend zu Kenntnis. Um kurz vor halb drei, noch vor dem Käse, springt der Mann dann auf, er hat nämlich wirklich eine Verabredung mit seiner Frau in der Stadt. Da muss er jetzt aber doch hin … oder muss er das jetzt absagen, weil er unsere Essenseinladung nicht unterbrechen kann? Er schaut mich hilfesuchend an. „Nur zu“, fordere ich ihn auf.

„Siehst du!“, kann ich es mir erneut nicht verkneifen, nachdem der Gast gegangen ist.

„Vielleicht hast du Recht, was das Verhalten deutscher Gäste angeht“, sagt Monsieur, „aber ich bin doch froh, dass wir ihn eingeladen haben. Und er hat ja gegessen.“

„Ja, aus Höflichkeit“, sage ich.

„Höflichkeit, pah“, macht Monsieur. „Es hat ihm gefallen. Und deutsch hin, deutsch her. Wir sind in Frankreich. So gehört sich das hier. Und ich bin stolz auf diese Tradition.“

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