Le Repair-Café

Unter den wenigen Dingen, die mir von Patrick geblieben sind, befindet sich auch ein Fotoapparat, Eine fast nagelneue, so gut wie nie gebrauchte Olympus-Bridgekamera.

Peu de choses me sont restées de mon défunt mari Patrick, parmi elles un appareil photo quasiment neuf …

Patrick hatte sie, kurz bevor er krank wurde, gekauft, dann aber kam die Krankheit und mit ihr die Medikamente, die seinen Kopf müde und dumm machten, und der Fotoapparat, eben noch sein Lieblingsspielzeug, wurde schnell zu kompliziert für ihn. Ich sehe ihn noch vor mir, wie er abgemagert in seinem Rollstuhl saß, die Kamera auf dem Schoß, aber mehr als sie ein- und ausschalten, konnte er am Ende nicht mehr.

Patrick l’avait acheté peu avant qu’on découvre sa maladie. La maladie et les médicaments l’ont mis rapidement dans un triste état et cet appareil-photo qui était son petit joujou préféré était devenu trop compliqué pour lui. A la fin il n’arrivait plus qu’a le faire démarrer.

Ich habe den Fotoapparat aufgehoben, aber nie benutzt, zu klobig fand und finde ich dieses Ding, und viel zu viele schmerzhafte Erinnerungen hingen daran.  Vor einem Jahr fiel sie mir beim Aufräumen wieder in die Hände. Warum nicht?, dachte ich plötzlich, immerhin suche ich seit einiger Zeit unentschlossen nach einer neuen Kamera; vielleicht probiere ich zunächst diese? Aber dummerweise waren die darin verbliebenen Batterien ausgelaufen. Zwar habe ich die Kontakte gereinigt, aber so richtig funktionierte sie dennoch nicht und ich legte sie wieder in die Schublade zurück. Bis vor kurzem.

J’ai gardé cet appareil-photo, mais je ne m’en suis jamais servi, car il était lié à trop de souvenirs. Il y un an je l’ai retrouvé dans un tiroir et je mes suis dit, pourquoi ne pas l’utiliser? Mais pour des raisons que j’ignorais ils ne marchait plus. Je l’ai remis dans son tiroir jusqu’ au jour où …

Da stand in der Zeitung, dass es ab sofort einmal im Monat in Cannes ein “Repair-Café” geben würde. Die Idee des Repair-Cafés, die wohl ursprünglich aus den Niederlanden stammt, setzt sich langsam auch an der Côte d’Azur durch, nach Nizza, Biot und Antibes jetzt also auch in Cannes: Reparieren statt Wegwerfen und (minderwertiger) neu kaufen heißt die Devise. Bei Kaffee und Kuchen würden Elektrogeräte aller Art repariert oder Näharbeiten vorgenommen.

j’ai lu dans le journal qu’ un “Repair-café” avait lieu à Cannes une fois par mois. L’idée des Repair-cafés est originaire du Pays-Bas et fait de plus en plus d’émules, même sur la Côte d’Azur. L’idée c’est de réparer au lieu de jeter et d’acheter (en règle des produits de plus basse qualité). Dans une ambiance conviviale avec café et petits gateaux on vous répare des appareils de petits électroménagers. Par contre pas de lave-linges ni des vélos.

Keine großen Geräte wie Waschmaschinen und auch keine Fahrräder wurde noch ausdrücklich angegeben. Ich packte also am letzten Samstag im Januar die Kamera und fuhr nach Ranguin, einen Stadtteil von Cannes La Bocca. Keine schöne Gegend. Hier wohnt man ausschließlich in mehrstöckigen schmucklosen Sozialwohnungsbauten. Nicht gerade die berüchtigten Cités von Marseille-Nord, aber knapp zehn Minuten entfernt von der Croisette doch schon ein deutlicher Gegenpol zu dieser. Vor nicht allzu langer Zeit hat man dort nun ein Einkaufszentrum und eine Mediathek erbaut, um das Viertel etwas aufzuwerten. Das Repair-Café findet in einem Saal im Untergeschoss der Mediathek statt. An der Eingangstür weist ein handgeschriebener Zettel den Weg.

Le dernier samedi du janvier j’ai donc pris mon appareil-photo et je me suis rendue à Ranguin, quartier populaire de Cannes La Bocca. Le Repair-café a lieu dans une salle de la nouvelle Mediathèque. Une affiche écrite à la main indique le chemin.

Repair Café kranke Schätzchen Werkzeug defekt

Ich habe lange einen Parkplatz gesucht und komme nicht ganz früh. Das Publikum ist schon zahlreich zugegen. Es sind überwiegend ältere Damen, die in großen Plastiktüten nicht mehr funktionierende Elektrogeräte angeschleppt haben: Toaster, Wasserkocher, Bügeleisen, Radios, Lampen, Staubsauger. An langen Tischen sitzen hingegen überwiegend ältere Herren, die jede Menge Werkzeug vor sich aufgebaut haben: die  ehrenamtlichen Bastler.

J’ai cherché longtemps à me garer et je n’arrive pas la première, il y a déjà plein de monde, surtout des femmes qui ont apportés dans des grands sacs plastiques de l’électroménager : des grille-pains, des bouilloires, des fers à repasser, des transistors, des lampes de chevets et autres: tous d’hors usage. Derrières des longues tables des hommes avec plein d’outils de toute sorte sont déjà en train d’ouvrir des objets divers : les “bricoleurs bénévoles”. 

Reparatur Beraten reparatur 3 reparatur 4

Alle sind bereits eifrig dabei, defekte Geräte auf- und auseinanderzuschrauben. Ein klobiger Fernseher aus einer anderen Zeit steht auf einem Tisch und zwei ältere Herren beugen sich über seine Eingeweide.

Je vois une grande télé d’antan et deux hommes qui opèrent les intestins de la bête.

fernseher innenleben PC Händelöten Detail lupe Innenleben 2

Ich werde mit meiner Kamera letztlich an einen Herrn meines Alters (recht jung also) verwiesen, der, so stellt es sich heraus, ein Allroundgenie ist. Ich habe zwar die Nummer 15 für meinen Fotoapparat erhalten, aber die Wartezeit ist dennoch lang, denn “mein” Bastler, Philippe mit Namen, arbeitet sich gewissenhaft durch die Eingeweide jeglicher Geräte, die man ihm hoffnungsvoll auf den Tisch stellt, um den Defekt zu suchen und sie vielleicht zu reparieren.

On m’indique avec mon appareil-photo “allez chez Philippe”, un petit genie à tout faire. J’attends longtemps car Philippe travaille avec application chaque pièce qu’on lui confie avec pleine d’éspoir. Les autres autres bricoleurs le sollicitent continuellement.

Gleichzeitig wird er auch von all den anderen bastelnden Herren immer wieder um Unterstützung gebeten. Geduldig antwortet er jedermann, während er in aller Ruhe schraubt und prüft und lauscht, und hier rüttelt und da säubert oder lötet. Vieles scheint schon allein durch seine Aura wieder zu funktionieren. “Ich schwöre Ihnen, zu Hause ging es nicht mehr!” empört sich ein Herr, der sichtlich geniert ist, dass sein DVD-Spieler einwandfrei funktioniert, kaum dass der Bastler ihn berührt hat. “Na, jetzt geht er”, meint lakonisch Philippe und macht ein Häkchen auf den Laufzettel: Gerät konnte repariert werden. Und schon öffnet er das nächste Objekt, einen Soupmaker, der nicht mehr heiß werden will.

Gentiment il repond à tout le monde pendant qu’il devisse, teste, sonde, nettoye et revisse. Parfois c’est seulement son aura qui fait que les appareils fonctionnent. “Je vous jure que ça ne marchait pas à la maison”, s’énerve un homme qui est géné que son lecteur DVD marche à nouveau sans intervention physique. “Bah, maintenant ça marche”, dit Philippe laconiquement et coche la feuille de route: réparation reussie.

philippe Fotoapparat test K800_DSCN7907

Dreieinhalb Stunden warte ich letzten Endes, bis er sich meines Fotoapparats annimmt. Nicht eine Minute hat er bis dahin Pause gemacht, von dem Café-Ambiente mit Kaffee und Kuchen profitieren nur die Wartenden. Reparieren braucht Zeit.

J’attends pendant plus que trois heures jusqu’à ce qu’il s’occupe de mon appareil-photo. Il n’a pas eu une seconde de pause, nous, les “clients”, sommes les seuls à profiter de l’ambiance café.

Man weiß es eigentlich, aber es wird hier so richtig deutlich, warum es keinen Reparaturservice mehr gibt: Müsste man die Arbeitszeit der Männer, die konzentriert alles geben, um ein altes Kofferradio wieder zum Leben zu erwecken oder einen Staubsauger oder eine Nachttischlampe, mit einem realistischen Stundenlohn bezahlen, die Kosten überstiegen bei Weitem den Wert all dieser Elektrogeräte. Bliebe also nur, sein defektes Gerät wegzuwerfen und ein (in der Regel minderwertigeres) neues Gerät anzuschaffen. Aber genau da will das Prinzip Repair-Café einhaken, und viele Menschen engagieren sich hier ehrenamtlich, um dieser sich immer schneller drehenden Konsumspirale etwas entgegenzusetzen.

Des réparations prennent du temps. On le sait. Et ici on comprend pourquoi des services de réparations sont en train des disparaitre. Si on devait payer correctement les hommes qui s’impliquent avec concentration pour faire marcher des antiquités plus ou moins merveilleuses, cela dépassait largement leur valeur économique. Autrement il ne restait plus qu’à les jeter et à racheter le modèle actuel de durée de vie plus courte. C’est là le but de l’association : halte à la société de consommation et de gaspillage.

Der alte Fernseher braucht vielleicht nur ein neues kleines Ersatzteil, mit dem er wieder funktionieren würde. Sein Besitzer versucht, es bis zum nächsten Repair-Café Ende Februar zu besorgen, den Fernseher lässt er so lange im Depot des Vereins. Sicher ist es allerdings nicht, dass es diese Kleinteil im Werte von etwa 2 Euro überhaupt noch irgendwo gibt.

La vielle télé à peut-être seulement besoin d’une petite pièce pour marcher à nouveau. Son proprietaire essaie de la trouver jusqu’au prochaine Repair-café fin fevrier.

Der viel jüngere Soupmaker aber bleibt bedauerlicherweise defekt, sein mageres, schwächelndes Innenleben zeigt, dass er vermutlich schon für eine nur kurze Lebensdauer hergestellt worden ist. Aber das Kofferradio aus den Sechziger Jahren brüllt plötzlich zum Schrecken aller Anwesenden und zur großen Freude seiner Besitzerin los. Es rauscht und piept, es kratzt und pfeift und verzerrte Stimmen quäken durch den Raum. Langwellen, Kurzwellen, die Dame drückt verschiedene Knöpfchen und dreht verzückt am Rädchen des Sendersuchlaufs.

Un “soupmaker” (un mixer à soupe chauffant), gadget plus récent, reste malheureusent muet. Son interieur maigrichon montre qu’il est déjà conçu pour une obsolesance programmée. La petite radio des années soixante par contre se met á hurler d’un seul coup et fait peur au public mais remplit de joie sa propriétaire qui cherche aussitôt un poste audible entre les graisillements.

Vieles kann so repariert werden. Auch mein Fotoapparat ist vermutlich reparabel, das haben wir, während ich warte, immerhin schon abgeklärt, ebenso die Fähigkeit meines Bastlers so etwas grundsätzlich reparieren zu können. Aber vielleicht nicht hier, wie er dann einschränkend sagt, als das komplizierte kleinteilige Innenleben meines Apparats dann endlich vor ihm liegt. Er baut ihn wieder zusammen und bietet an, sich in der Zeit bis zum nächsten Repair-Café, darum zu kümmern.

Beaucoup de choses peuvent être reparé. Mon appareil-photo est probablement réparable. On a pu diagnostiquer ça pendant que j’attendais, ainsi que la capacité de mon réparateur à le faire. Mais peut-être pas ici, dit-il quand il l’a enfin demonté, car c’est trop compliqué. Il propose de s’en occuper jusqu’au prochain Repair-café.

Zwischenzeitlich hat er mich angerufen. Er hat alles getestet und den Defekt gefunden. Zwei winzige Teilchen unter dem Einschaltknopf sowie unter dem Bildstabilisator blieben bizarrerweise stets gedrückt. Ich bin einverstanden, dass er die beiden benötigten Ersatzteile für umgerechnet 3,50 Euro aus China bestellt.

Entretemps il m’a rappelé, il a trouvé la panne : deux pièces restaient en contact continu. Je suis d’accord pour qu’il commande les deux pièces de rechange pour à peu près 3,50 Euro en Chine.

Am letzten Samstag war ich wieder dort. Gleiches Bild, es wuselt von Menschen, aber dieses Mal sind die ehrenamtlichen Helfer, die das letzte Mal noch sichtlich nervös wirkten, schon gewiefter. Die Veranstaltung ist generell ein Erfolg, das Regionalfernsehen hatte freundlich berichtet, die Stimmung ist entsprechend heiter.

Samedi dernier j’y suis retournée et j’ai retrouvé la même ambiance. Les bénévoles sont plus détendus que la dernière fois, France 3 en avait parlé gentiment dans son édition du soir, le Repair-café est un succès.

Ich sehe den Fernseher wieder, der es trotz des gefundenen Ersatz-Kleinteils nicht geschafft hat. Sein Besitzer zuckt mit den Achseln. Na gut, er hat zumindest alles probiert, und immerhin seine Frau wird sich freuen, die will schon lange einen Flachbildfernseher haben.

Je revois la vielle télé qui malgré la nouvelle pièce n’a pas ressucité. “Tant pis”, dit son propriétaire, “j’aurai tout essayé. Au moins ma femme sera contente, elle voulait depuis longtemps une télé à écran plat.”

OlympusAber mein Fotoapparat funktioniert! Stolz stellt Philippe ihn auf den Tisch und erklärt mir noch einmal detailliert, was er repariert hat. Ich bin natürlich sehr begeistert und beteuere, dass er mein Held ist, und Philippe lächelt bescheiden. Ich bezahle die Ersatzteile und lasse zusätzlich eine angemesse Summe in der Repair-Café-Kasse. Lithiumbatterien sollte ich kaufen, legt mir Philippe noch ans Herz, dann schraubt er schon das nächste defekte Gerät auf: eine elektronische Küchenwaage.

Mon appareil-photo marche! Philippe me le présente fièrement et il m’explique encore une fois en détail ce qui ne marchait plus. Je suis ravie. C’est mon héro. Philippe prend un air modeste. “Achète-toi des piles au lithium”, me conseille-t-il et il s’occupe déjà d’un autre objet en panne. J’ai donné mon obole avec joie. En partant on me prend en photo pour les archives de l’association. Je suis pressé de prendre des photos avec cet appareil ressucité.

Zufrieden gehe ich von dannen, werde noch eben schnell fürs Vereins-Archiv fotografiert und jetzt muss ich nur noch selbst fotografieren lernen mit diesem alten-neuen Apparat.

PS: gestern am Strand habe ich ihn zum ersten Mal ausprobiert, ich glaube, es wird eine gute Beziehung! Danke Repair-café!

ps: J’ai découvert les qualités de cet appareil lors de ma premiere utilisation hier sur la plage – je sens que je vais l’aimer à mon tour. Champion le Repair-café! 

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ps: ich hätte für neu hinzugekommene Leser/innen, es gibt ja immer mal wieder Neuzugänge n’est-ce pas, “Patrick” auch verlinken können, damit Sie den Zusammenhang verstehen … habe mich aber dagegen entschieden, ich wollte Ihnen den Kontrast zwischen dem, was Sie sonst derzeit hier lesen, und meinem früheren Leben und dem Sterben von Patrick nicht einfach so, mit einem unbedarften “Klick” zumuten. Wenn Sie mein Leben vor Cannes nicht kennen, aber kennenlernen wollen, dann können Sie rechts bei den Schlagworten entweder “French Connection” eingeben, da kommen Sie zu meinem damaligen Blog über mein Bergleben, den ich für die Zeitschrift brigitte.de geführt habe. Oder Sie klicken auf “Anfang”, da gibt es zwei Artikel, aber sie kommen doch beide Male “vorne” an. Sie können in der Suchfunktion auch “Patrick” eingeben, das führt Sie dann in medias res. Den “ganz richtigen” Anfang meines französischen Lebens finden Sie nachwievor und ausschließlich in meinem Buch “Zwischen Boule und Bettenmachen“.

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Das ganze Aroma

caffetiereHeute morgen fand ich die kleine braune Tüte der extrem teuren italienischen Kaffeemischung aus der kleinen Kaffeerösterei am Markt: im Müll! Leer natürlich. “Monsieur!” kreische ich, “was hast du mit meinem Kaffee gemacht?” Monsieur versteht meine Aufregung nicht. “Ich habe Kaffee gekocht”, antwortet er lapidar. “Mit MEINEM Kaffee?” Monsieur sieht mich befremdet an. “Hier standen so viele angebrochene Tüten und Dosen herum, ich verstehe das nicht, kannst du nicht mal einen Kaffee aufbrauchen, bevor du drei andere Sorten aufmachst?” Er schüttelt genervt den Kopf. “Ich habe alle zusammen in die große Dose geschüttet und mit dem hier”, er zeigt auf die leere Tüte, “habe ich Kaffee gekocht, dafür ist er doch da, oder?” Ich bin dem Herzinfarkt nahe.

Nie wollte ich so sein. NIE! Schon vor gut zehn Jahren, als ich Deutschland verlassen habe, war die Frage “wie wähle ich die richtige Espressomaschine?” DAS Thema. Und insbesondere Männer schienen sich zum Heimbarista zu entwickeln und fachsimpelten über Vollautomaten oder Siebträgermaschinen, über Kaffeesorte und Mahlgrad und Crema. Ich fand das damals ziemlich snobistisch und trank meinen Kaffee noch mit der klassischen mittleren italienischen Schraubcaffetière, oder wie immer das kleine achteckige Aluminiumding heißt, und sehr gerne trank ich meine Latte macchiato (aus 100% Arabicabohnen) in angesagten Cafés in der Kölner Südstadt.

Zwischenzeitlich ist alles anders, ich sitze kaum noch in irgendwelchen Cafés herum, obwohl es hier genug gäbe, meist allerdings an lauten Straßen, und ich trinke schon gar keine Latte macchiato, denn grenznah zu Italien ist man hier so französisch stolz wie nirgends sonst und es gibt, wenn überhaupt, nur un grand crème, aber erstens habe ich mir so viel Milch im Kaffee abgewöhnt und zweitens ist französischer Kaffee, ganz gleich ob mit oder ohne Milch, meistens schlecht, und so bin ich eines Tages dem Charme George Clooneys erlegen und trinke zu Hause Kapselkaffee, mein einziger Luxus in der Luxusstadt, wie ich gerne beton(t)e. Selbst, wenn ich dieses ganze Prozedere drumherum immer ein bisschen albern fand. Wir haben ja hier, gleich gegenüber vom Palais des Festivals, einen Kapselkaffeeladen und es wird einem wirklich jedes Mal die Tür aufgerissen und der rote Teppich ausgerollt, allein dafür, dass man 100 Gramm Kaffee kauft. “Wie kann ich Ihnen helfen, Madame?” wird einem reizend entgegengeflötet. Ich antworte da immer gern etwas schnodderig, dass ich Kaffee kaufen möchte, what else? Ich bin nicht so sicher, ob mein Schnoddern in der fremden Sprache wirklich als solches verstanden wird, anyway, schon stehe ich ganz schick mit all den andern in einer der vier Schlangen an, oder koste, en attendant, eine der neuen Kaffeeköstlichkeiten, gratis immerhin. DAS muss man sich mal vorstellen, dass man sich auch noch auserwählt fühlt, wenn man für sehr teuren Kaffee anstehen darf! Langsam aber setzen sich auch bei mir Ökobewusstsein sowie das Bewusstsein des Kostenirrsinns durch und ich bin, wie schon erwähnt, auf der Suche nach einer wohlschmeckenden Alternative. Die Betonung liegt auf wohlschmeckend, denn ich bin recht anspruchsvoll (geworden), lecker ist der Kapselkaffee schon.

Sie merken schon, wir haben es mit einem snobistischen Luxusproblem zu tun. Und das mitten in der Fastenzeit. Bevor Sie jetzt wütend “als gäbe es nichts Wichtigeres” zischen, sage ich: Sie können jederzeit aufhören hier zu lesen, ich bin Ihnen da nicht böse, schauen Sie einfach ein andermal wieder rein. Alles klar? Gut. Manchmal muss man das sagen, es gibt so schnell so viel hochschäumendes Gemecker, muss nicht sein. Dankeschön!

Also, wir sind immer noch beim Kaffee. Vorerst habe ich meine drei unterschiedlich großen Schraubkaffeekännchen wieder hervorgeholt (Filterkaffee und die sogenannte French Press sind im ersten Durchgang bereits rausgeflogen, eine Kaffeepadsmaschine hatte ich auch schon: isses nich!) und suche einen wohlschmeckenden Kaffee. Auswahl gibt es genug. Ich kaufe für morgens dunkel gerösteten Espressokaffee aus Arabicabohnen und fair gehandelten milden Hochlandkaffee aus Guatemala für nachmittags, und neulich habe ich noch eine kleine Kaffeerösterei in Cannes entdeckt und nahm dort eine italienische Mischung für zwischendurch mit. Und eine andere italienische und zudem fair gehandelte Mischung fand ich im Bioladen. Ich habe fast so viele Sorten zur Auswahl wie mit dem Kapselkaffee, nur nehmen die vielen Tüten und Dosen bedeutend mehr Platz ein. (Bemerkenswert ist übrigens, dass ich mir, ohne mit der Wimper zu zucken, den teuersten fair gehandelten Kaffee kaufen kann, und er ist immer noch billiger als zwei Stangen des Kapselkaffees.) Ich trinke gerade sehr viel Kaffee und merke, dass es tatsächlich einen Unterschied zwischen Kaffeesorten und Mahlgrad gibt und denke, dass der Verkäufer in der kleinen Kaffeerösterei in Cannes schonmal keine Ahnung hat, und entwickle mich zu einem dieser pedantisch über Crema diskutierenden Affen. Herrjeh. Nie wollte ich so sein.

Kaffee on my mind. Anscheinend gibt es eine wieder auffüllbare Edelstahlkapsel, die mit den Kapsel-Kaffeemaschinen kompatibel ist; wenn man den Kommentaren glauben schenken kann, braucht man aber einen perfekt gemahlenen Kaffee dazu und mit der (teuren, aber angeblich ein Leben lang haltbaren) Kapsel geht der Kauf einer nicht ganz billigen Kaffeemühle einher. Seither informiere ich mich über Kegel- und Scheibenmahlwerke und lese Testberichte und ganze Webseiten, die sich dem edlen Hobby des Heimbaristas widmen. Nun, falls Sie Nespresso-Aussteiger sein und Erfahrung mit dieser Edelstahlkapsel haben sollten, lassen Sie mich wissen, wie es so läuft? In der Zwischenzeit wird hier wieder Schraubcaffetièrenkaffee getrunken, und wir denken allenfalls über die Designvariante von Alessi nach.

Gerade nochmal diese hübsche Kaffeewerbung angesehen. Ziemlich krass, oder?

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12/12 im Februar

Gerade bei Caro reingeschaut, die dieses “12 von 12” an jedem Zwölften des Monats ausruft, und es gibt schon über 130 Einträge … und ich habe noch nicht mal die Bilder vom Handy auf den PC kopiert … ich versuche es daher heute mit sehr wenig Text :)

Sehr früh aufgewacht, es war fast noch Nacht…

frühmorgensich bin sogar noch vor Monsieur wach, daher ist in der Küche noch kein Geschirr gespült

K800_IMG_20160212_064007 die Katze ist nach einer Nacht, in der sie von uns getrennt und auf dem Sofa schlafen musste (wir sind ja sooo gemein und werfen sie immer aus dem Bett!), geradezu aufmerksamkeitsdefizitgestört und verlangt maunzend Futter und schnurrend calins und Tür auf und raus oder vielleicht doch nicht, aber Fotos von sich mag sie eindeutig nicht

KatzencalinsUnd das alles, noch bevor ich meinen ersten Kaffee getrunken habe … wie Sie sehen koche ich ihn tapfer ohne Kapseln. Der lange Exkurs zum Thema “Wir entwöhnen uns vom Kapselkaffee” muss aber ein andermal erfolgen

caffetiereNach dem Frühstück gehe ich schwimmen, und hier kann ich mich nicht entscheiden, welches Foto ich nehme, deshalb kommen zwei :) Und obwohl ich so früh war, war es dennoch schon voll; das kleine Hallenbad ist jetzt dreimal länger geöffnet und nimmt auch dreimal mehr Schwimmer/innen auf, weil zwei andere große Hallenbäder (wegen der Überschwemmungsschäden) noch immer gesperrt sind

Schwimmbadkartemeine Hommage an Frau Fluchten ;)

ShampootascheAls ich zurückkomme, kommen mir die Handwerker entgegen, die wegen des angesagten Regens heute erst gar nicht anfangen, und siehe da, kurze Zeit später regnet es wirklich, und so soll es jetzt auch wieder tagelang bleiben: nass!

Baustelle im RegenBei einem weiteren Kaffee, mit dem nettesten und besten Webseitengestalter telefoniert, der mal so eben und fast wie nebenbei ein kleines Update von Christines Webseite bastelt

WebseitenbastelnWir plaudern nach getaner Arbeit so lange, bis Monsieur nervös durchs Wohnzimmer läuft und so ganz angelegentlich auf die Uhr schaut … es ist Mittagszeit und ich habe noch nichts vorbereitet, daher wird aus dem ursprünglich engagiert geplanten Essen ein derart banales Schnell-Schnell, dass ich Ihnen lieber nur die leer gegessenen Teller zeige,

nach dem Essen ist vor dem Essenich freue mich schon den ganzen Tag darauf, Ihnen dieses Foto zu zeigen, auch wenn der Anlass weniger freudig ist (wir bereiten uns mal wieder auf eine kleine OP vor), weil ich gern ihr verblüfftes Gesicht sehen würde, wenn ich Ihnen von meiner Krankenschwestern-tätigkeit berichte … jaha, was ich nicht alles kann … auch Spritzen setzen (subcutan)

subcutanNach der Sieste und nach noch einem Kaffee wird noch ein bisschen lesend und schreibend gearbeitet, davon gibt es bedauerlichrweise kein Foto, und schon wird es Zeit für das Abendsüppchen, tatsächlich ist es schon wieder Lauch, diesmal wenigstens noch mit etwas Zucchini verfeinert

Süppchendann habe ich noch einen Berg Wäsche gebügelt, davon gibts zwar ein Foto, ich finde das hier von Pepita aber netter, denn so siehts hier aus: Freitag Abend, große Party, Monsieur hat sich schon zurückgezogen und liest noch etwas im Bett und Pepita schläft und ruht sich von ihrem überaus anstrengenden Tag aus: bei dem Regen kann sie ja nicht raus, wenn Sie wüssten WIE nervtötend und energiefressend dieses Nichtrauskönnen ist …  Nun, eben noch auf der Sofalehne, liegt sie jetzt auf meinem Schoß, energisch zwischen mich und die Tastatur gequetscht, sie arbeitet schwer daran, dass ich eines Nachts dann doch nicht anders kann als sie einfach mit ins Bett zu nehmen ;)

PepitaDanke, wenn Sie die Poesie des Alltags bis hier angeschaut haben :) und hier gibts noch mehr 12 von 12 von all den anderen (ich bin Nr. 231, ist das zu fassen?)

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… und die Mandelblüte … retro natürlich

Und weils so schön war gibt’s heute die Mandelblüte ebenso im verkünstelten Retrostyle.

Voilà, rosa Mandelblüten vor Himmelblau

IMG_2016-02-11_14_54_02und etwas näher Mandelblüte nahMandelblüte im Moos … Mandelblüte im Moos… und auf dem Asphalt

Mandelblüte auf Asphalt

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Mimosen im Retro-Look

Den wahrscheinlich einzigen regenfreien Tag im Februar genutzt, um spazieren zu gehen (ich weiß langsam überhaupt nicht mehr wie deutsche Rechtschreibung geht, schreibt man vielleicht “Regen frei” und “Spazierenzugehen”?!), auf jeden Fall waren wir zu Fuß unterwegs, denn fürs Radfahren wars zu windig. Anbei noch ein paar Mimosen, ich habe sie mit einer Retro-App bearbeitet, mit der ich mich gerade amüsiere.

Ein alter Mimosenbaum

MimosenbaumDrei Farben Gelb … Drei Farben GelbPferde-Idylle an MimosenMimosen an PferdEine stachelige Spezies der Mimosen stachelige Mimosen

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WMDEDGT 02/2016

Heute ist Tagebuchtag, “was machst du eigentlich den ganzen Tag” heißt dieses kryptische WMDEDGT, zu dem Frau Brüllen allmonatlich ausruft:

Ich bin aufgewacht und schreibe seither in Gedanken schon an diesem Text. Das ist toll, aber eigentlich müsste ich an einem anderen Text arbeiten. Alles geht verquer in meinem Kopf. Vielleicht sollte ich Christine Cazon einen Gastbeitrag schreiben lassen, denn ich bin in der Transformationsphase. Nun, versuchen wir es kurz zu machen. Viertel vor Acht aufgewacht, es ist ein bisschen zu spät, denn wir haben Handwerker, die vor und hinter dem Haus werkeln, seit Dienstag genaugenommen. Angekündigt waren sie schonmal für vor Weihnachten und dann für Anfang Januar, jetzt sind sie also gekommen. Zwar nicht am Montag, wie uns treuherzig versichert wurde und auch letzten Donnerstag, wo sie schonmal Material bringen wollten, kamen sie nicht, aber am Dienstag waren sie dann überraschend da. Pünktlich um Acht klopfte es energisch an der Tür. Ich war noch im Nachthemd und es war mir peinlich. Es ist mir immer peinlich, wenn Postboten oder Handwerker früh und schon voller Elan klopfen und ich bin noch nicht angezogen. Aber ich bleibe manchmal bis kurz vor Zwölf so, wenn ich auf die eine oder andere Art in den PC vertieft bin. Wenn ich etwas gelernt habe in meinen zehn Jahre Frankreich dann, dass Handwerker einen eigenen Rhythmus haben. Sie haben sicher alle irgendwann Peter Mayle gelesen, Mein Jahr in der Provence, ich müsste es mal wieder lesen, um zu sehen, wie ich es heute finde. Ich fand ihn immer ein bisschen spöttisch mit den Franzosen. Dies ist ein anderes Land, es hat andere Gesetze. Und die Handwerker kommen oder auch nicht. So ist das. Voilà, halb neun, es rummst auf der Terrasse, die Handwerker sind da. Sie haben jetzt einen eigenen Schlüssel und können, sagen wir mal, durch die Hintertür kommen, natürlich haben wir so etwas nicht, aber auf jeden Fall haben sie jetzt einen eigenen Zugang direkt zur Terrasse und müssen nicht immer mit Sand und Zement durch die Wohnung stapfen. Mein Job ist, neben dem Begrüßen, mehrmals täglich freundlich Kaffee anzubieten. Allein das stresst mich schon. Wann macht man das? Und soll ich Kekse dazustellen? Bietet die französische Hausfrau dem Handwerker Selbstgebackenes an? Eine algerische Hausfrau verköstigt Monsieur immer mit allerhand Spezereien, wenn er im anderen Haus etwas werkelt. Einfach so, auch ohne, dass er speziell etwas für sie tut. Sollte ich das also auch? Einer der Handwerker ist Algerier. Mich verwirren solche Situationen immer noch. Ich habe daher vorgestern schon einen Teig für eine Apfeltarte gemacht und mich dann dagegen entschieden. Wenn ich das anfange, muss ich es vermutlich jeden Tag machen. Ich habe also nur Datteln und kandierten Ingwer dazugestellt und die Apfeltarte gestern für uns gebacken. Monsieur war glücklich, denn aus diätetischen Gründen gibts bei uns seit Wochen nur gedünsteten Apfel und halbfettes Naturjoghurt als Dessert. Ich schweife ab, ich weiß. Ich habe in Windeseile im Stehen gefrühstückt, trockenes Weißbrot im Toaster reaktiviert mit Butter und selbstgemachtem Johannisbeergelee, dazu gabs der Schnelligkeit halber einen Kapselkaffee. Seit ein paar Tagen versuche ich mich aus allerhand Gründen wieder vom Kapselkaffee zu entwöhnen und habe jetzt drei angefangene Tüten mit unterschiedlichem Kaffee herumstehen und mehrere Kaffeezubereitungsmaschinen. Ich habe mir geschworen, wenn ich einen Kaffee und eine Art Kaffee zu machen finde, mit der ich genauso guten Kaffee hinkriege wie mit der Kapselmaschine, dann höre ich mit dem Kapselkaffe auf. Noch bin ich nicht so weit. Der leckere Kapselkaffee wurde mit haltbarer Milch versetzt, weil  ich gestern vergessen habe frische zu kaufen. Ich wusste nicht, dass ich mich geschmacksmäßig schon so weit von haltbarer Milch entfernt habe, der leckere Kaffee schmeckt bäh, bitter metallisch irgendwie. Zweimal prüfe ich, ob die Milch noch frisch ist. Ist sie wohl, sie schmeckt einfach komisch. Ein Tag, der mit schlechtem Kaffee anfängt …

Jetzt sitze ich im Bett und schreibe schnell alles, was mir in den Kopf kommt, runter.

Ca va? Tranquille?, fragte Handwerker 1, als ich meinen Kopf aus der Tür strecke und einen Kaffee anbiete. Genau. Vous êtes bien tranquille? Das ist die Frage, die mir auch die neue Ex-Friseurin gestellt hat, die mir am Mittwoch neue gelbe Balkensträhnchen in die Haare geschmiert hat. Ich war jetzt zweimal bei einer jeweils anderen Friseurin, sie erinnern sich an das Dilemma, seither habe ich mich weder zum alten und lange nicht zu einem neuen Friseur getraut. Zweimal also war  ich in der Zwischenzeit bei einem anderen Friseur. Zweimal mit einem “naja” Ergebnis, teuer wars auch jedes Mal und jetzt bin ich wieder gelb. Ich hasse es. Sie merken schon, jeder andere Tag wäre interessanter gewesen in dieser Woche als heute. Ich war versucht, den gestrigen Tag als den 5. auszugeben. aber ich will ja korrekt sein. Tranquille also? Das heißt so viel wie “haste nix zu tun und machst dir einen schönen Tag?!” Pfft. Was soll ich Friseuren und Maurern vom Schreiben erzählen? Also sage ich jaja, tranquille, sollen sie doch glauben, was sie wollen. Ich habe bis gestern spät einen Film auf einem Streamingkanal gesehen, zu Recherchezwecken, jaja, würde der Handwerker sagen und vielleicht ein mon oeuil! hinzufügen. Glaub ich nicht, oder du kannst mir viel erzählen, heißt das. Filme schauen, toller Job. Ja, der Film hat mich aufgewühlt. Ich habe danach schlecht geschlafen und wild geträumt.

9.17 Uhr. Ich wollte eigentlich noch zwei andere Texte hier auf dem Blog veröffentlicht haben, aber wie das so ist, Christine Cazon drängt sich mehr und mehr in mein Leben. Wie schreiben sie denn? fragte mich neulich ein Herr wissbegierig. Eigentlich fragte er das ja Christine Cazon und nicht mich. “Je näher der Abgabtermin rückt desto intensiver und desto mehr” antwortete ich lakonisch. Ebendas sagte mir ein Kollege, als ich ihn vor ein paar Jahren, immer auf der Suche nach einer Schreibregel, das gleiche fragte. Toll, das will kein Mensch hören, alle wollen hören, dass man diszipliniert morgens dies macht, und nachmittags das. Ich wollte das auch hören, aber so ist es nicht. Vor allem nicht, wenn man auch noch liebende Gattin und Haufrau und Putzfrau und Köchin ist und reizende Gästebewirterin und nebenbei auch was für sich und vor allem wieder etwas Sport machen will und überhaupt. Aber was erzähle ich Ihnen, das wissen Sie alles.

9.31 Uhr. Der Postbote bringt ein Päckchen, aber es ist nicht das, auf das ich seit gestern warte. Es sollte gestern vor 20 Uhr geliefert werden, noch ist es nicht da. Man kann das im Internet auf einem schönen grünen Strahl verfolgen, wo das Päckchen jetzt ist, es ist quasi schon da, dem Strahl  fehlt nur noch ein Zentimeter vor dem Ziel aber seit gestern morgen um 8.33 Uhr gibt es kein update mehr.

9.42 Uhr ich hätte Lust auf einen zweiten Kaffee, aber nicht mit haltbarer Milch. Ich könnte jetzt wegrennen und frische Milch und frisches Brot kaufen. Aber ich will diszipliniert schreiben, Herrgottnochmal. Also mache ich mir einen Tee. Grüntee, um genau zu sein. Manchmal will ich mir Kaffee ja komplett abgewöhnen, (immerhin nähert sich die Fastenzeit, wäre das nicht ein Anlass?) und kaufe dann extrem teuren Tee, aber auf lange Sicht schaffe ich es nie, ich hänge zu sehr am Kaffee.

10.56 Uhr Seit einer Stunde habe ich also die Persönlichkeit und das Thema gewechselt, dazu kann ich Ihnen natürlich gar nichts sagen, aber Sie sehen, es wird hier schon wieder fleißig gearbeitet, der dritte Band ist noch nicht erschienen und wir sind gedanklich schon beim vierten. Das Schreiben geht da aber viel weniger schnell, und schon klickt man im Netz herum, und achja in Köln ist Karneval und andernorts ist Fastnacht, davon merkt man hier in Cannes natürlich nichts, und in Nizza sind aus Sicherheitsgründen die Umzüge in den Stadttvierteln abgesagt worden. Es gibt nur die großen offiziellen Paraden unter ziemlich viel Sicherheitsaufgebot. Nicht sehr lustig. Karneval in Nizza hat mich aber noch nie wirklich gereizt und mich nervt jedes Jahr aufs Neue, dass er überhaupt erst nach Aschermittwoch beginnt. Weiß der Geier warum, vermutlich, damit es für die Touristen schon ein bisschen wärmer ist. Dieses Jahr bin ich doch auch schon ziemlich weit weg von alledem merke ich, und wenn man nicht inmitten dieses kölschen Gefühls mitschwingt, ist es wohl schwer angesichts der Weltlage ins Schunkeln zu kommen. Aber wenn Sie einen Karnevalstext wollen, dann kann ich einen von früher anbieten, hier bitteschön. Ich weiß, dass ich in den letzten Jahren hier und da mal etwas über den Karneval in Nizza geschrieben habe, aber anscheinend habe ich es schlecht verschlagwortet, so etwas merkt man ja erst später, wenn man nichts mehr findet. Ich sehe, dass jemand in Berlin meinen Blog seit einiger Zeit komplett durchliest, falls der oder die zufällig über die Karnevalstexte stolpern sollte, würden Sie es mir mitteilen? Danke!

11.10 Uhr Monsieur ist gerade türenknallend aus der Wohnung und in mein Büro verschwunden, in dem er gerade werkelt, weshalb ich, wie gesagt, nicht dort schreibe, sondern mich mit Katze, Tee und PC auf dem Bett halbwegs eingerichtet habe. Die Tür knallte er auch nicht aus Wut, sondern weil man sie nicht anders zumachen kann, wenn man in beiden Händen etwas trägt. Rumms. Auf der Terrasse schabt es variantenreich, wie stellt man so ein Geräusch lautmalerisch dar, frage ich mich, ich höre diverse Geräusche wie die von Metallspachteln, die in Zementmasse im Schubkarren herumkratzen und dann rau schrrrab Zement an die Wand schmieren.

11.18 Uhr schon fange ich an mir über das Mittagessen Gedanken zu machen. Überfliege stattdessen die Tagesezeitung. Nice Matin ist immer gut als Inspirationsquelle für den Krimi.

11.32 Uhr die Post kam. Ich überprüfe im Internet, wo mein Päckchen bleibt und siehe da, der grüne Strich ist jetzt durchgehend, und welche Überraschung, das Päckchen ist seit gestern angeblich schon da. Im Briefkasten soll es sein. Das erscheint mir unlogisch, da die Briefkästen viel zu klein und außerdem im Hausflur innen angebracht sind, und um 20.52 Uhr, als das Päckchen angeblich geliefert worden sein sollte, war die Haustür bestimmt geschlossen. Ich würde trotzdem gern nachsehen, finde aber den Briefkastenschlüssel nicht und rufe nach Monsieur. Seine Stimme klingt nach weit weg und als ich mich in die entsprechende Richtung bewege, sehe ich, dass er nicht unten Büro sondern oben auf dem Dach steht und dort das Moos von den Dachziegeln kratzt. Ich bekomme fast einen Herzschlag und frage weder nach dem Schlüssel noch nach etwas anderem, ich will ihn jetzt vor allem nicht ablenken. Gut, es ist nur das halbhohe Dach, aber dennoch, Monsieur ist nicht mehr so schrecklich jung und gelenkig, aber vermutlich kann er die Situation mit den körperlich arbeitenden Handwerkern nicht richtig gut aushalten und muss daher auch etwas Handfestes tun. Früher hätte er das, was die Handwerker tun, nämlich selbst gemacht. Ich fange also stattdessen an Essen zuzubereiten und taue zwei Hacksteaks auf und putze Lauch und schneide ihn in kurze Stangen und werfe ihn in den Dampfkochtopf. Da Monsieur noch auf dem Dach steht, gehe ich schnell selbst Brot und einen Liter Frischmilch kaufen. Beim Bäcker stehen vier Engländer vor mir und können sich nicht entscheiden welches Brot und welchen Kuchen sie kaufen sollen und ich befürchte, dass der Lauch schon zu weich ist, bis ich wieder zuhause bin, aber es geht noch. Lauch wird hier nämlich nicht als weichgekochtes Gemüse sondern in knackigen Stangen als Vorspeise mit Vinaigrette gegessen.

12.25 Uhr Die Handwerker verabschieden sich ins Wochenende. Sie kommen erst am Montag wieder. Ich sage jetzt nicht umgekehrt augenzwinkernd mon oeuil!, man will ja niemanden kränken. Ich werfe Teller und Besteck auf den Tisch und schon essen wir. Es bleibt schlicht und einfallslos, wie so oft, wenn ich schreibe und keine Hirnzellen für anderweitige Kreativität habe. Lauwarmer Lauch mit Vinagrette als Entrée, Hacksteak, frische Nudeln, Brot und Käse für Monsieur, und frische Mango für uns beide. Ich erzähle Monsieur von dem Film, den ich gestern spät gesehen habe und wir diskutieren über dies und das. Monsieur nimmt einen kleinen Caffé und macht anschließend eine kleine Sieste, während ich hier schreibe, damit ja nichts vergessen wird. Pepita hat mehrfach versucht sich zwischen mich und die Tastatur zu quetschen und liegt jetzt angekuschelt neben mir.

13.50 Uhr Was mache ich wegen dieses verschwundenen Päckchens? Ich hätte die darin befindlichen Bücher gerne gehabt, ein bisschen Hintergrundwissen für den Krimi war darin. “Abwarten” ist das letzte, was Monsier mir noch zuraunt, bevor er die Augen schließt. Ich lege mich jetzt auch ein Momentelchen hin.

15.02 Uhr ich trinke einen Kaffee, den ich mit fair gehandeltem milden Kaffee zubereitet habe, aber er überzeugt mich trotz der nun frischen Milch auch nicht, vielleicht ist er nur zu dünn, ich weiß es nicht. Monsieur will wissen, was er “noch” einkaufen soll, ich habe keine Ahnung und bin irritiert, weil ich nicht weiß, weshalb er überhaupt einkaufen geht. Irgendein spezielles Reinigunsgmittel fehlt ihm, ohne dass er keinesfalls weiter machen kann. Niemand ist so anfällig wie Monsieur für Spezialreiniger und Spezialschwämme und er schaut interessiert jede noch so idiotische Reinigerwerbung im Fernsehen an. Jetzt also ein spezielles Antifett-“Pssscht” wie hier die Sprühreiniger heißen. Mir fällt auf die Schnelle nichts anderes ein, was er mitbringen könnte und er geht los. Gerade habe ich schon versucht, das fehlende Päckchen bei den Nachbarn links und rechts zu erfragen. Ich weiß ehrlich gesagt auch nach fünf Jahren nicht, wer alles links in dem verschachtelten  Gebäude mit Vorder- und Hinterhaus wohnt, kenne außer der Omi, die meine Katze fett füttert und die sich hin und wieder beschwert, dass die Palmwedel unserer Palme an ihre Fensterläden schlagen, niemanden. Und mit den Nachbarn rechts sind wir zerstritten, weil sie drei Meter tiefe Balkons vor unsere Seitenfenster gesetzt haben mit nur etwa zwanzig Zentimeter Abstand zu unserem Haus. Dass sie dafür eine Baugenehmigung bekommen haben und wir bei unserem Einspruch auch nichts daran ändern konnten, hat uns nicht gefallen. Bei einer sogenannten friedlichen Einigung wurde der Ton auf beiden Seiten schnell aggressiv und wir sagen uns seither nicht mehr guten Tag (immerhin haben Sie aber gewisse Zugeständnisse gemacht). Die Nachbarn haben aber einen großen Briefkasten an unserer gemeinsamen Gartenmauer, vielleicht ist das Päckchen dort gelandet. Ich habe eben mal hineingeschielt und konnte nichts erkennen. Zu Hause ist natürlich um diese Zeit noch niemand. Hätte ich mir denken können. Auch im anderen Haus rührte sich nichts. Muss ich heute abend nochmal probieren.

15.42 Uhr und wenn ich jetzt nicht in die Gänge komme, passiert nicht mehr viel heute.

16.24 Uhr so lange habe ich versucht mein hypersensibles Touchpad, das mich heute schon an den Rand des Wahnsinns gebracht hat, zu verstehen. Ich habe ein neues Laptop, schon eine Weile, aber irgendwie konnten wir uns bislang nicht recht anfreunden. Ich verstehe, dass ich mit diesem Touchpad anders arbeiten muss und wische nun vorsichtig nach unten und oben, anstatt wie früher zu klicken und den Mauszeiger zu ziehen. Ich hoffe, es verstanden zu haben. Kauf dir einen Mac ist die freundliche Antwort auf ungestellte Fragen, wenn ich so etwas von mir gebe. Angeblich ist mit einem Mac alles viel einfacher und spielerischer. Frankreich ist aber kein Äpfelchen-Land, hier findet man das geschlossene Äpfelchen-System zu elitär, und da meine diversen PC-Nothelfer allesamt gegen Mac sind, habe ich auch keinen. Seufz.

16.35 die Enkelin von Monsieur schaut herein, Schule ist aus und sie hat jetzt Feeeerien und morgen fahren sie in den Skiurlaub, hurrraaaah, und sie dankt mir nochmal für das tolle Buch, das ich ihr geschenkt habe, eigentlich das vierte einer Serie von BD’s (aber mit ziemlich viel Text), das/die ihr echt gut gefällt, Les carnets de Cérise. Wow, das freut mich sehr. Bislang sind nämlich alle Bücher, die ich ihr geschenkt habe, irgendwo im Off verschwunden.

17.26 Uhr bis eben bei FB herumgeklickt und jetzt entsprechend deprimiert. Melancholische Karnevalsfotos von Smilla bei anders anziehen angeschaut, ein paar kluge Artikel zur tristen Weltlage gelesen, für die ich aber vermutlich zu blöd bin, aber den Grundtenor habe ich verstanden: Ziehen Sie sich warm an. Es wird kälter in der Welt, und nein, ich spreche nicht vom Klima.

17.55 Uhr Monsieur schaltet den Fernseher ein für C dans l’air, seine allabendliche Politiksendung. Es geht heute Abend um Sarkozy, der ein Buch geschrieben hat (das ich nicht verlinke) und damit gerade durch die Medien tingelt. Er hat natürlich Antworten auf alles. Ich beantworte schnell noch eine Mail,  die schon seit gestern wartet, wenn ich so etwas nicht sofort mache, habe ich Tendenz es zu vergessen.

18.15 Uhr ich bereite mit dem restlichen Lauch eine Suppe zu, bringe den Müll runter und stelle die Mülltonne vor die Gartentür. Ich versuche noch einmal mein verschollenes Päckchen zu finden: Die Nachbarn links machen weiterhin nicht auf oder sind nicht da. Das Heimkommen der Nachbarn rechts habe ich verpasst und stehe nun vor dem hohen unzugänglichen Tor ohne Klingel. Ich hoffe, ich kann sie morgen irgendwie erwischen.

19.03 Uhr meine Vor-Abendsendung C à vous hat angefangen, heute nicht soo interessant und bislang auch nicht so amüsant. Eine junge Frau hat ihren Krebs anscheinend besiegt, indem sie sich wild ins Leben stürzte, tanzte, liebte, feierte und ihr ganzes Geld ausgab. Danach war sie ihre Arbeit los, pleite aber erstaunlicherweise gesund. Sie hat ein Buch darüber geschrieben. Dancefloor-Thérapie. Naja.

19.34 Uhr die Suppe ist fertig und ich glaube der Tag auch weitestgehend. Arbeitstechnisch nicht so gelungen, aber immerhin habe ich einen Blogartikel geschrieben. Wenn ich das jeden Tag machen würde, käme ich zu nichts. Während ich noch die Seite von Frau Brüllen suche, um Ihnen den Link mit den Tagebuchaufzeichnungen der anderen zu geben, klingelt es und hurraaaa!!!! mein verschollenes Bücherpäckchen ist angekommen!!!! Der junge Mann vor der Tür war irritiert, als ich ihn frage, welcher meiner Nachbarn er sei, denn nein, er ist weder ein Nachbar von links noch der von rechts (das hätte ich gemerkt) sondern der freundliche Kurierfahrer selbst, er kam entgegen aller Ansagen eben erst. Jippieh!

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Chandeleur – Mariä Lichtmess

KerzenlichtHeute ist la Chandeleur in Frankreich, Mariä Lichtmess heißt dieser Tag in Deutschland; ich glaube nur wenige Menschen kennen diesen Feiertag und seinen Ursprung noch, und ich schlage es auch jedes Jahr aufs Neue nach, zum Beispiel hier. Es geht vereinfacht gesagt ums Licht, so viel kann man vielleicht behalten. In katholischen Gegenden werden in der Frühmesse noch Kerzen gesegnet, die man mit nach Hause nimmt und zum Schutz vor und bei Unwetter anzündet. Aber in Frankreich gibt es auch jenseits der christlichen Lichtsymbolik noch andere Traditionen: les crêpes nämlich, die an diesem Tag gemacht und gegessen werden. Heute haben zwei Damen aus meiner Blogwelt bereits über la Chandeleur und die damit zusammenhängenden Traditionen geschrieben, so dass ich es mir heute einfach mache und Sie dorthin verlinke.

Zum einen haben wir Ute, die einen Provence-Blog schreibt und dort heute nicht nur erklärt, warum es denn nun ausgerechnet Crêpes sein müssen, sondern auch gleich noch den Ursprung des Valentinstags erklärt und zusätzlich ihr Crêpes-Rezept verrät.

Zum anderen Hilke Maunder, die hier die Navettes, kleine gebackene Schiffchen, vorstellt, die es traditionell an Chandeleur (aber auch das ganze Jahr) in Marseille gibt. Einst Pilgerspeise werden sie ebenfalls an Chandeleur in der Kirche gesegnet. Die Navettes sind anders als die Crêpes, die man bei uns ja auch kennt und liebt, vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig. Sie sind ehrlich gesagt ziemlich trocken und der Geruch und Geschmack nach Fleur d’Oranger ist auch nicht jedermanns Sache. Ich jedoch liebe diese Navettes (ich kenne bislang nur die aus der Bäckerei Four de Navettes, die anderen müssen bei Gelegenheit aber auch probiert werden!), und sie werden weicher und duften gleich noch viel köstlicher, wenn man sie auf einem Toaster kurz erwärmt. Es gibt sie aber wirklich nur in Marseille und so werde ich heute Abend in Ermangelung der Navettes noch ein paar Crêpes backen. Ob Sie es glauben oder nicht, es werden meine ersten selbst gebackenen Crêpes werden! Und ich werde vermutlich Aurélies Rezept für Crêpes Suzettes ausprobieren, aus deren Rezept ich auch eines der folgenden Bilder genommen habe.

Kerzenlichtla-navette-de-saint-victorcrepes-sucrees-de-bretagneCrepes suzettes

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les mimosas

Mimosen auf dem MarktDas Schöne an der Côte d’Azur ist, dass schlechtes Wetter oft überraschend von einem strahlenden Sonnentag unterbrochen werden kann und das trotz entmutigender Wettervorhersage. So wars vorgestern grau, kalt und feucht und heute ist es auch nicht schön, aber gestern wars wow! Also schnell raus und die Mimosen fotografiert. Ist ja nie so, wie ich mir das vorstelle mit den Mimosen, entweder ist die große Blüte noch nicht da oder schon vorbei oder gar erfroren. Meine Mimose im Vorgarten ist seit Wochen voll erblüht, auf dem Markt ist es auch üppige Mimosenzeit, aber so richtig überall prallgelb ist es in den Hügeln der Croix de Gardes zum Beispiel nicht.

Mimosen Croix de GardesMimosen 1Mimosen 2Mimosen 3Mimosen vor HimmelMimosen nahMimosen Aussicht

 

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am Strand

Am Meer 17.01.2016Yapp, es geht wieder so halbwegs. Und das Wetter ist auch fantastisch, kalt zwar (heute morgen immerhin nur schlappe 2°C) aber sonnig. Ein kleiner Spaziergang am Strand ist quasi ein Muss, denn am Dienstag ist schon wieder Regen angesagt. Wir waren daher auch nicht alleine, viele Spaziergänger, viele Sonnenanbeter und neben uns hüpften und rannten Kinder und Hunde, letztere sogar bis ins Wasser. Und niemals zuvor habe ich am Strand so viele Seeigel gesehen.

SeeigelsammlungSeeigel mit StachelnSeeigel ohne StachelnK800_DSCN7783Seeigel Auswahl

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1 von 12 im Januar

Ich weiß, es ist der 12. und heute ist 12 von 12 dran, hier die Erklärung für alle, die es noch nicht kennen und vermutlich ist es dort auch heute Abend viel interessanter, ich bin nämlich krank. Es ist ja nur immer eine Frage der Zeit, wann die Viren den Wirt wechseln. Bei Monsieur ist nicht mehr viel zu holen, dann schauen wir eben mal bei Madame vorbei. Dabei dachte ich, ich hätte mich mit meiner wundersamen Homöopathie-Kur, die mich schon letztes Jahr vor jeglicher Erkältung bewahrte, ausreichend gewappnet, aber nein, Halsweh, Triefnase, matschiger Kopf sind jetzt auch meins. Ich hoffe, es wird nicht schlimmer und so bleiben wir mal schön im Warmen und da es in dieser Wohnung nirgends wirklich warm ist, bleiben wir eben im Bett. Wir. Pluralis Majestatis, oder auch Ich und meine Wärmflasche. Ich könnte jetzt 12 Bilder rund um mein Bett fotografieren, aber da müsste irgendjemand erst aufräumen, denn ich habe keine Lust, Ihnen die Kleiderberge auf dem Sessel zu zeigen, die irgendjemand mal wegräumen müsste. Irgendjemand ist dieser Kerl, auf den wir immer warten, damit er in dieser Wohnung mal was Konstruktives tut. Den Müll zum Beispiel, den müsste auch irgendjemand mal runterbringen. Stattdessen verräumt er nur ständig irgendwelche Dinge. Hausschlüssel vorzugsweise. Meine Energie mich mit irgendjemandem darüber zu streiten geht heute eher gegen Null. Daher also nur 1 von 12. Ein Themenfoto.

Krank

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Orangen und Mimosen

OrangenernteIch mache heute etwas Blogrecycling (mit aktuellen Bildern immerhin!) und teile in diesen düsteren Zeiten etwas hoffnungsvolles Gelb: Orangen und Mimosen in unserem Vorgärtchen, alles schon reif oder erblüht vor der Zeit … der Winter ist auch hier noch milder als sonst, auch wenn es heute gerade ziemlich frisch ist. Die in den Gärten mit Orangen und Zitronen üppig vollhängenden Bäume mitten im Winter sind für mich immer noch ein kleines Wunder. Unsere Bäumchen tragen zwar weniger viele Früchte, und das eine über das andere Jahr noch weniger, aber dieses Jahr sind die Orangen immerhin schön groß geworden (so groß wie Mandarinen in etwa). Jedes Jahr aufs Neue wird erzählt, dass die Bäumchen 1956 in einem erbärmlich kalten Winter mit 30 cm Schnee (und das an der Côte d’Azur!) erfroren sind und sich davon nie erholt haben, weshalb sie a) nicht richtig groß geworden seien und b) ihre Ernte auch immer mickrig ausfällt. Ich kletterte auf ziemlich abenteuerliche Art um das stachelige Bäumchen herum und hinauf, um auch die letzte der Orangen abzuknipsen. Keine soll verloren gehen, und geteilt durch Vier werden es gerade mal so viele, dass sie für eine Fuhre Orangenmarmelade für jede von uns reichen. Ich freue mich, wenn der Duft der Orangenmarmelade bald durch die Wohnung ziehen wird … anbei das Rezept für bittere Orangenmarmelade, mehrjährig erprobt und immer gelungen!

MimosenOrangen im KorbMimosenOrangenernte

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WMDEDGT 1/16

Yepp! Ich bin dabei! Seit Tagen bereite ich mich auf den 5. vor und dachte zwischenzeitlich der 4. wäre interessanter gewesen, aber es soll ja der 5. sein, an dem Frau Brüllen, die wirklich jeden Tag bloggt, das muss man sich mal vorstellen, JEDEN Tag!, also sie will von uns wissen, was wir eigentlich so machen, an diesem Tag. Als ich das erste Mal daran teilnahm und ich Monsieur nach vollbrachter Tat meine Version übersetzte, fragte er fassungslos “Und das interessiert die Leute?” Ich zuckte die Achseln. Einmal im Monat ist die Poesie des Alltäglichen, wie Marion so schön kommentierte, vielleicht erträglich? Wenn nicht, lassen Sie es mich wissen.

Der Tag heute begann natürlich schon heute Nacht, denn nach einer langen Bügelsession vor L’amour est dans le pré (die französische Variante von “Bauer sucht Frau”) blieb ich faul auf dem Sofa an der nachfolgenden Relooking-Sendung hängen und schwupps war Mitternacht vorbei, ein abschließender Klick auf FB lässt mich erstarren und ich versuche mich zu informieren, was vor dem Hauptbahnhof in Köln in der Silvesternacht wirklich passiert ist und frage mich, warum man das alles erst vier Tage später erfährt, um halb zwei gehe ich endlich ins Bett, aufgewühlt. Insofern schlafe ich schlecht und erst besonders tief gegen morgen, bis Pepita kurz vor Neun ins Bett hüpft, um zu sehen, warum ich nicht aufstehe. Gefressen hat sie natürlich schon, das wäre ja auch noch schöner, Gottseidank ist Monsieur ein zuverlässiger Frühaufsteher. Monsieur ist aber gleichzeitig stark erkältet und schwächelt, und deswegen fährt er nicht alleine, sondern werde ich ihn zu einer Nachkontrolle (wir hatten im Sommer eine kleine Lungenembolie) in die Klinik nach St. Laurent du Var fahren, damit ist mein Vormittag vermutlich ausgelastet denke ich und hoffe, ich kann die Wartezeit dort wenigstens nutzen, indem ich mal zeitnah meine ohnehin immer verspätet eintreffende Wochenzeitung lese. Kurzer Blick in Facebook, die Artikel zur Silvesternacht häufen sich, viele Kommentare werden, wie gewohnt, ätzend. Glücklicherweise habe ich keine Zeit, mich dort hineinzuvertiefen. Um Zehn fahren wir los, die Autobahn ist recht leer, im Radio, in dem man seit Tagen Lieder von Michel Delpech gespielt hat, einem Sänger, der vor ein paar Tagen gestorben ist und den man in Deutschland vielleicht aus den 70ern mit “Pour un flirt avec toi” kennt, wenn Sie da schon Musik gehört haben zumindest, im Radio, wie gesagt, gehts heute überall um den Jahrestag des Attentats auf Charlie Hebdo. Um dreiviertel Elf sitzen wir im Wartezimmer, der Termin ist um Elf, um dreiviertel Zwölf kommt Monsieur dran, aber lesen kann ich in der ganzen Zeit kaum, denn meine neuen Bivokal-Probekontaktlinsen sind klasse für meine extreme Kurzsichtigkeit und ich kann jetzt (mit den Linsen versteht sich) prima alles sehen, was weit weg ist, aber gleichzeitig ist es schwierig meine rapide zunehmende (galoppierende, wie die Optikerin sagt) Weitsichtigkeit so einzustellen, dass ich die Dinge, die nah sind, auch erkennen kann. Bislang wurde alles scharf, wenn man es nur nah genug an die Augen hielt, jetzt ist es umgekehrt, ich bin in einem unscharfen Nahbereich und es nervt, denn ich kann nichts mehr lesen, zumindest ist es anstrengend, weil unscharf und wenn die Räume nicht gut ausgeleuchtet sind, wie hier im schummrigen Wartezimmer, geht gar nichts. Die Optikerin meint, ich sei gut “eingestellt”, wenn ich nix sähe, sei das sei ein Problem im Kopf und kein Problem der Linsen, aber wie dem auch sei, ich sehe nichts und nachdem ich einen Text entziffert habe, bin ich genervt und gebe auf. Ich stelle mich vor den Fernseher, der in einer Ecke hängt und schaue eine alberne Sendung, in der Paare beweisen sollen, wie gut sie sich kennen und es gibt ein Paar, das sieht so aus, als würde es sich nach der Sendung trennen, denn beide schaffen es nicht, die Antworten des jeweils anderen zu erraten und sie verlieren sich in aggressiven Erklärungen und sehen sich böse an. Im Wartezimmer läuft neben dem Fernseher auch Musik aus Lautsprechern in der Decke und der Telefonklingelalltag der Klinik ist ebenso im Hintergrund zu hören. Dieser vermischte Hörbrei ist genauso anstrengend wie meine unscharfe Sicht, also gehe ich in die Kantine und trinke einen Kaffee und dann gehe ich aufs Klo und dann ist Monsieur schon fertig, alles ist prima, oder sagen wir Lunge und Beine weisen keine Gerinnsel auf und das Herz poppert auch korrekt, wir können uns also zukünftig wieder auf die OP konzentrieren, die wir wegen der Embolie abgesagt hatten. Irgendwas ist ja immer. Wir warten dann aber noch eine knappe Stunde auf die Papiere, fahren danach zum Essen ins benachbarte Einkaufszentrum Cap 3000 in ein Selbstbedienungsrestaurant, wo man bei schönem Wetter draußen sitzen kann und einen Blick aufs Meer (“Eat and Sea”) hat. Heute ist’s aber bedeckt und nicht sehr warm und wir sind drin. Monsieur isst Steak Frites und zum Nachtisch gibts Iles flottante, ich habe Kabeljau mit Reis und ein Crêpe, das bizarrerweise mit Erdbeeren und Vanillecreme in einem Glas angerichtet ist. Morgen beginnen les soldes, also der Ausverkauf, und Monsieur schlägt vor, eine Tour durch ein paar Schuh- und Klamottenläden zu machen. Ein neuer Pullover für ihn wäre nicht verkehrt, aber mit Blick auf seine fiebrigen Augen verweigere ich dieses Ansinnen und sage in strengem Krankenschwesterton, dass das einen Tag VOR dem Ausverkauf sowieso gar keinen Sinn mache. Kaum im Auto, schläft Monsieur, der eben noch Shopping machen wollte, beinahe sofort ein. Um Zwei sind wir zu Hause, Monsieur kriecht, weiterhin erschöpft, ins Bett und ich rufe meinen Optiker an: Ich kann gerade schön erklären, was ich alles nicht sehe und würde gern einen Termin ausmachen, aber beim Optiker geht nur der Anrufbeantworter dran, ich fahre also auf gut Glück hin. Im Autoradio weiterhin Charlie Hebdo. In Paris werden heute drei Gedächtnistafeln für die Opfer aufgehängt: eine für die Journalisten von Charlie Hebdo, eine für den auf der Straße erschossenen Polizisten, eine für die ermordeten Juden im Hyper Cacher. Ich finde, oh Wunder, einen Parkplatz direkt vor dem Optikerladen, aber meine Optikerin kommt erst in einer Stunde, und nein, ich will nicht warten, noch mehr warten kann ich heute nicht, ich mache einen Termin für morgen früh aus und fahre wieder nach Hause. Ich hätte die Straße am Meer entlang nehmen sollen, in der Avenue Francis Tonner reihen sich Baustellen aneinander und ich stehe im Stau. Um Drei bin ich wieder hier, auch hier finde ich einen Parkplatz fast vor dem Haus. Zuhause klicke ich als erstes in FB und lese immer mehr zur Silvesternacht und es beginnt mich anzuwidern. Keinesfalls will ich vor FB hängenbleiben und gehe nach unten in mein Büro, lasse das Laptop aber oben und schreibe im Büro in aller Stille etwas klassische Briefpost. Mache ich viel zu selten, tut gut. Gegen Achtzehn Uhr gehe ich wieder nach oben. Monsieur sitzt jetzt schniefend und röchelnd vor dem Fernseher, ich koche ein Kürbissüppchen. Später essen wir. Auch im Fernsehen gehts heute fast ausschließlich um Charlie Hebdo, auch jetzt noch, während ich schreibe. Die Kölner Silvesternacht via FB gebe ich mir heute nicht mehr.

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Der Himmel über dem Grab meines Vaters

der Himmel über dem Grab meines VatersJahresrückblicke, Jahresausblicke … Ach, wie habe ich es gehasst früher, diese familiären Rückblicke alljährlich an Silvester: “Was haben wir erreicht?” Noch schlimmer dieses permanente Planen: “Was wollen wir im nächsten Jahr erreichen?” Mein Vater war groß darin zu planen, das nächste Jahr, die nächsten zehn Jahre, und sich hinzusehnen zu der Zeit, wenn dieser ungeliebte Job, diese täglich an ihm zehrende Arbeit vorbei sein würde, und er frei sein würde, um endlich das zu leben, was er jetzt noch nicht leben konnte. Für mich war das vergangene Jahr vorbei, warum noch zurückschauen? Für die Vorausschau wollte ich hingegen konkret wissen, wann wir etwas machen wollten. Morgen? Viel weiter konnte ich als sehr junger Mensch nicht planen. Aber da wurde nur nachsichtig gelächelt. Nein, nicht morgen, aber später … später, später … Nun, mein Vater hat so viel, von dem, was er irgendwann später noch leben wollte, nie gelebt. Vor 28 Jahren ist er gestorben, das Jahr war noch ganz frisch, und er war erst 51 Jahre alt.

Vor ein paar Tagen war ich wieder an seinem Grab. Seit ich das Alter erreicht habe, in dem mein Vater gestorben ist, berühren mich die Besuche auf dem Friedhof stark. In der Zwischenzeit habe ich ihn um zwei Jahre überlebt. Wie jung er damals eigentlich war, merke ich erst heute.

Friedhof

Lebe wild und gefährlich! stand auf einer Postkarte mit dem Bild eines schüchtern aussehenden Jungen in kurzen Hosen und mit Bommelmütze, über den wir uns amüsiert haben, weil der Kontrast zur Botschaft so stark war. Diese Postkarte klebte dann aber doch jahrelang (nicht nur an meinem) Kühlschrank: ein erstes Manifest! Wild und gefährlich hat aber natürlich doch keiner gelebt. Facebook und andernorts ist jetzt übervoll mit neuen Manifesten, was wir in diesem kommenden Jahr aber wirklich anders machen wollen. This is your lifeIch gebe zu, das eine oder andere Manifest hängt auch an meiner Wand: This is YOUR Life. If you don’t like something, change it. Mach es jetzt! Sei frei! Überrasche dich selbst. Willst du glücklich sein? Dann sei es! Ach, wenn es so einfach wäre, seufzen Sie vielleicht. Es erfordert vielleicht einen gewissen état d’âme, eine besondere Stimmung, eine Entschlossenheit, um Altes loszulassen und die Tür weit aufzumachen für Neues. Vielleicht war es der Moment am Grab meines Vaters, der diesmal den Klick in meinem Kopf ausgelöst hat, vielleicht war es auch einfach nur an der Zeit, und der rechte Moment.

Ich habe einmal an einem Neujahrsfeuer teilgenommen, ein Ritual, das (Architekten-)Freunde von mir alljährlich veranstalten, um alte Pläne und Modelle zu verbrennen, die nur viel Platz in ihrem Büro einnehmen, und somit neuen Projekten Raum zu geben. Ich selbst verbrannte in diesem Feuer einen Text, mit dem ich mir leidenschaftlich Wut, Zorn und Leid von der Seele geschrieben hatte. Ich hatte gar nicht so richtig an die Symbolkraft dieser Handlung geglaubt, aber es war eine überraschend befreiende Geste, die nachhaltig wirkte. Dieses Mal habe ich alles, was ich in meinem Leben zukünftig nicht mehr haben will, aufgeschrieben, und aus dem Papier habe ich kleine Schiffe gefaltet, und dann bin ich ans Meer gefahren uit's todaynd habe die Schiffchen in die Wellen gesetzt und davonsegeln lassen. Da segelte es ganz friedlich davon, all das Alte, Dunkle, Schlimme … weit weg von mir, es war sehr beglückend. Ich bin es los und jetzt frei für Neues. Das neue Jahr kann kommen. Es gibt noch so viel Leben zu leben. Leben wir es. Nicht später, nicht morgen, heute.

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Ich habe diesen Text vor zwei Jahren schon einmal so ähnlich veröffentlicht und ihn dann wieder zurückgezogen, zu persönlich war er mir damals und es war vielleicht nicht der Moment, ihn aller Welt zu zeigen.

Der 2. Januar ist der Todestag meines Vaters, und das vergangene Weihnachten war umrahmt von zwei Todesfällen, die mich beide sehr berührt haben; einer traf mich weil er so unerwartet und plötzlich kam, der andere, zwar erwartet und vielleicht eine Erlösung, aber dann doch so traurig, weil ich diesen Menschen so gemocht hatte, auch wenn er mein Leben nur am Rand gestreift hat.

Himmel Friedhof 2 Gänseblümchen Schatten

 

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Bonne année !

WunderkerzenAufgrund der vergangenen Anschläge in Paris und anderswo sieht man das Silvesterfeuerwerk vielerorts mit gemischten Gefühlen. In Brüssel wurde es ganz verboten, ebenso in Paris. Dank eines riesigen Sicherheitsaufgebots wird zumindest das mitternächtliche Flanieren auf den Champs Elysées gewährleistet. In Cannes findet das Feuerwerk wohl statt. Falls wir nach dem langen Essen noch wach sein sollten und ausreichend motiviert, werden wir vielleicht noch einmal rausgehen, um einen Blick darauf zu werfen.
Es gibt aber nur ein großes, von der Stadt organisiertes Feuerwerk, das allgemeine Geknalle, privat abgefackelte Raketen und Böller kennt man hier so gut wie gar nicht. Mir persönlich fehlt es nicht, ich bin ehrlich gesagt ziemlich ängstlich und hatte schon immer Haustiere, die das tagelange Geknalle auch nicht lustig fanden. Als Kind warf ich maximal ein paar Knallerbsen auf den Boden, später konnte ich mich allerhöchstens für Wunderkerzen erwärmen.

Einmal war ich an Silvester in Paris, wo wir uns bei einem Freund meines damaligen Freundes ein bisschen selbst eingeladen hatten; man ruft ein paar Tage vor Silvester an und fragt leutselig “was macht Ihr eigentlich so an Silvester” und wartet darauf, dass der Freund großzügig sagt, “wenn Euch die Fahrt nicht schreckt, könnt Ihr gern kommen”. So fuhren wir also nach Paris. Silvester in Paris! Wow! Ich hatte eine ganze Ladung Wunderkerzen im Gepäck, als Silvestermitbringsel. Man sah mich irritiert an, vermutlich hatte man eher einen kulinarisch-deutschen Beitrag zum üppigen Silvesterbuffet erwartet oder wenigstens ein paar Flaschen Champagner, aber wir hatten nur eine Flasche Sekt dabei und wie gesagt Wunderkerzen. Und dann wurde gegessen. Denn das machen die Franzosen an Silvester: sie essen. Wie immer eigentlich, nur eben noch aufwändiger. Aber das wusste ich damals nicht und fand es ziemlich anstrengend und außerdem ziemlich langweilig. Ich wartete diesmal sehnsüchtig auf das Feuerwerk und darauf, dass alle auf die Straße zum Knallen gehen würden und sah nervös auf die Uhr. Endlich! Um Mitternacht wurde der Champagner geöffnet und man stieß an und wünschte sich Bonne année! Aber niemand machte Anstalten auf die Straße zu gehen. Na, dann mache ich mal den Anfang, dachte ich, suchte die Wunderkerzen und ein Feuerzeug und begann die Wunderkerzen anzuzünden. Ich hielt ein ganzes Bündel davon in der Hand und wollte sie nun gern an die Anwesenden verteilen, die sahen mich aber nur mit großen Augen furchtsam an, und niemand nahm mir eine Wunderkerze ab. Ich stand da mit meinen fünfzig Wunderkerzen, die wild spritzten und sich nun in meiner Hand gegenseitig entzündeten und dabei zu einem großen Klumpen verschmolzen, der dann irgendwann schwer herunterfiel und ein großes Loch in den Teppichboden brannte. Ich schämte mich, aber ich verstand nichts. “Warum habt ihr mir denn keine Wunderkerzen abgenommen?”, fragte ich fassungslos. Die Franzosen aber verstanden mich nicht und sahen mich nur böse an. Was hatten sie da für eine Verrückte eingeladen, die nicht mal etwas zu Essen mitgebracht hatte und stattdessen ein Feuerwerk in der Wohnung abfackelt? So richtig ausgelassen wurde die Silvesterstimmung nicht mehr. Wir sind dann auch noch mitten in der Nacht zurückgefahren. Silvester in Paris. Ganz toll.

So, jetzt muss ich zurück in die Küche und versuche gleich noch einmal Mayonnaise zu machen (die erste ist nichts geworden), denn zu den Bulots, die Monsieur erstanden hat, gehört einfach Mayonnaise. Austern gibts natürlich auch und allerhand Meeresgetier. Abgesehen vom Essen passiert hier nicht viel. Ich habe aber ein Päckchen Wunderkerzen aus Deutschland gesendet bekommen. Die könnte ich vielleicht abfackeln ;-) Schönen Abend Ihnen! Kommen Sie gut rein! Und Bonne année! 

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Joyeux Noel ~ Frohe Weihnachten

ParisObwohl oder auch gerade weil dieses Jahr so schrecklich düster begonnen und noch düsterer geendet hat, wünsche ich Ihnen und all denen, die es feiern Frohe Weihnachten! Mögen es sternenhelle, friedliche und liebevolle Festtage für Sie und alle, die Ihnen lieb sind, werden. Monsieur und Madame feiern dieses Jahr mal wieder getrennt und beglücken die jeweils eigene Familie mit seiner/ihrer Anwesenheit, damit es in keinem Land zu solch tragischen Momenten wie in diesem vieldiskutierten Edeka-Werbespot kommt, den ich jetzt nicht mehr verlinke, Sie haben ihn alle gesehen und selbst hier in Frankreich wurde darüber diskutiert. Er funktioniert ja zumindest beim ersten Anschauen so wie er soll, und ich war heilfroh, dass ich gerade mein Flugticket bestellt hatte, als ich ihn zum ersten Mal sah. Dass ich mich an Weihnachten im Kreise meiner deutschen Familie befinde, enthebt mich der Pflicht der französischen Familie (zumindest in diesem Jahr) erneut ein weihnachtliches Menü zu zaubern. Das stimmt mich nicht allzu traurig, wie Sie sich denken können, der Druck ist da doch hoch. Insofern bin ich trotz der nicht fertig gestellten Indoor- und der im Januar beginnenden Outdoorbaustelle und trotz all dem Geputze und Gewische und dem Generve, das damit verbunden ist, gerade ganz heiter.

An dieser Stelle wollte ich Ihnen, was für eine geschickte Überleitung, ein heiteres kleines Video hineinkopiert haben, das mich in diesem Advent auf Facebook erheitert hat, aber es will mir nicht gelingen, sehr schade! Insofern streiche ich den ganzen folgenden Absatz mit dem dazugehörigen heiteren Text und gehe direkt über zm besinnlichen Teil.

Kirche in ChateauneufFalls Sie an einem der vielen Feiertage, die es dieses Jahr (zumindest in Deutschland) gibt, einen längeren Moment Zeit finden, und Sie neben Altbekanntem auch etwas andere Töne hören mögen, dann ist das Folgende vielleicht etwas für Sie. Möglicherweise kennen Sie es auch schon, ist ja nicht mehr ganz neu. Ich liebe Sting, und sein winterlich-weihnachtliches Album A winter’s night ist seit Jahren mein Weihnachts-Hör-Favorit gleich nach Bachs Weihnachtsoratorium oder dem von Camille Saint-Saëns. Dieses Live-Konzert habe ich gefunden, das Ihnen vielleicht auch gefällt. (Ich habe das Album und zwei Konzerte vergleichend gehört; diese Variante (mit den italienischen Untertiteln) habe ich wegen der besseren Tonqualität gewählt. Deutsche Untertitel gab es leider nicht.)

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Alles ist erleuchtet – in Cannes

Also gut, aus paritätischen Gründen zeige ich Ihnen auch ein bisschen Weihnachtsdeko aus Cannes. Zwei verschiedene Welten: Cannes ist vielleicht nicht ganz so Herzerwärmend wie Châteauneuf, dafür leuchtet und glitzert es hier um die Wette. Alles ist erleuchtet, allerdings ist die Beleuchtung sehr heterogen. Aber nichts blinkt vulgär und farblich bleiben wir in festlichen Weiß- und Goldtönen, na gut, ein paar blaue und violette Lichtstrahler gibts auch. Über jeder Straße hängen andere Lichtgirlanden; auch die Palmen sind nicht einheitlich umwickelt, und nur die Palmen auf der Croisette haben in den Blättern Lichtchen, und von dort fallen stets kleine Lichtstreifen nach unten, diese aber nur sehr dezent und ich muss sagen, die klassische Palmenbeleuchtung in Nizza gefällt mir besser. Eine niçoiser Palme, die ich im Vorüberfahren aufgenommen habe, habe ich ihnen mal zum Vergleich dazu eingestellt. Die nach oben offenen Platanen aber gefallen mir gut. Aus der Hand und mit dem Telefon aufgenommen, sind die Fotos nicht so brilliant geworden, aber es gibt doch einen Eindruck.

Deko vor der MairiePavillon in pinkGlocke oder Engel WeihnachtsbaumNizzaer PalmeLes AlléesDiamanten vor dem BahnhofCroisette

Und in den Schaufenstern glitzert es auch. Der rote Teppich wird Ihnen in der neu und in Weiß gestalteten Einkaufsgalerie Gray d’Albion ausgerollt, bei Dolce&Gabbana wird festlich geschlemmt, bei Dior finden Sie Handtaschen in Christbaumkugeln, den blühenden Schnee findet man bei Chanel, und meinen persönlichen Kleinmädchentraum gibts bei Repetto, einem exklusiven Ballettmode- und Ballettschuhhersteller. Gleich daneben stolpere ich über diese Werbung für ein Mädchenparfum, das, ich stutze, tatsächlich Juliette has a gun heißt. Finde ich angesichts der unfriedlichen Zeit ziemlich unpassend und erinnert mich auch an den unerträglichen Antikriegsfilm Johnny got his gun, der auf deutsch “Johnny zieht in den Krieg” heißt. A fragrance about beauty, style and bad manners, heißt es unten auf dem Plakat. Aha. Nicht für brave Mädchen also. Zuhause habe ich nachgelesen: der Duft ist nicht neu, es gibt ihn mit diesem Namen schon seit 2006, dennoch stört mich, dass man ausgerechnet jetzt, nach all diesen Anschlägen, damit ein Schaufenster gestaltet. Geht es nur mir so? Monsieur zuckt mit den Achseln. Schockt ihn nicht. Nur das Mädchen, das auch ein Junge sein könnte, irritiert ihn kurz.

roter Teppich Gray d'AlbionDolce & GabbanaDiorSkiindianische DekoChanelKleinmädchentraumagressive fragrance

Zum Abschluss gehe ich noch ein paar Schritte über die BleuBlancRouge erleuchtete Croisette bis zum Carlton.

Croisette Bleu Blanc RougeCarlton frontalCarltonBleuBlancRouge

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WHDEDGTG

Oh Mann, gerade über Herrn Buddenbohms 12 von 12 gestolpert und ich habs doch glatt schon wieder vergessen! Ich wollte da doch mitgemacht haben, menno :( Und ganz eigentlich wollte ich diesen Monat schon bei Frau Brüllens Aufruf WMDEDGT (Was machst du eigentlich den ganzen Tag?) mitgemacht haben, aber ich war am 5. viel zu beschäftigt und am 6. immer noch und am 7. auch und jetzt ist es schon der 12. Herrjeh! Für ein schnelles 12 von 12 fehlen mir die Fotos. Was tun? Ich erzähle Ihnen nachträglich den 5., weil man ja auch mal was Nettes erzählen muss in dieser politisch-trüben Zeit, passt auch immer noch, ist ja Advent. Jetzt müsste es vielleicht heißen WHDEDGTG (Was hast du eigentlich den ganzen Tag gemacht?) Am 5. versteht sich. Advent, wie gesagt. Und was macht man so im Advent? Man geht auf den Weihnachtsmarkt. Der Weihnachtsmarkt unserer Wahl lag nicht gerade um die Ecke, wir sind dafür morgens um 8Uhr bereits losgefahren. Ich weiß, dass ich mir dazu auch Notizen gemacht habe, aber ich finde sie gerade nicht mehr, insofern wird es etwas weniger detailreich.

AnkündigungAm Vorabend habe ich noch bis spät Christstollen gewogen und Springerle in Tütchen gesteckt und einen riesen Topf Suppe gekocht und versucht an alles zu denken, was man in den Bergen so brauchen könnte, vor allem an Essen und an warmer Kleidung. Es war zwar kein Schnee angekündigt, aber man weiß ja nie. Unterwegs auf der kurvigen Strecke fiel der Schnellkochtopf mit Suppe um und war dann doch nicht ganz dicht und es roch von da an leicht nach Minestrone. Um halb elf kamen wir im kleinen Dorf an und versuchten als erstes das ausgekühlte Haus unserer Gastgeberin mit einem rauchenden Kaminfeuer etwas zu erwärmen. Dann gings auf den kleinen Dorfplatz, den Christstollen und die Springerle abgeben, mein jährlicher Beitrag für den Weihnachtsmarkt, und ich war platt wieviele Menschen schon dort waren und wieviele Stände es gab. Und die Weihnachtsdeko war dieses Jahr auch richtig schön, weil überwiegend rustikal: Hölzerne Weihnachtswichtel an allen Ecken und hölzerne Weihnachtsbäume.

WeihnachtswichtelWeihnachtsmarkt 1WeihnachtsbaumWeihnachtsmarkt 2

Es gab Glühwein mit und ohne Alkohol, heiße Schokolade, heiße Maronen, und in kleinen Stangen frittierten Brotteig, crespesses genannt (hab’ ich in keinem Wörterbuch gefunden, ist wohl was Dorfeigenes), die man mit süßem Honig, mit salzigem Käse oder auch ohne alles essen kann. Und Töpferwaren, handgeflochtene Körbe, Türkränze, originelle Messer aus Holz , Horn und anderes aus Olivenholz Geschnitztes, Käse, Weihnachtsplätzchen, Lebkuchen, Honig, Konfitüre, Kräutertees und allerhand von den Damen des Dorfes sowie von den Schulkindern Gebasteltes.

Weihnachtsmarkt 3Nikolaus 1LebkuchenhausNikolaus 2

Ein richtiger kleiner Markt und viele Menschen und vor allem viele Kinder, denn seit drei Jahren kommt der Nikolaus persönlich (der verkleidete vollbärtige Schafhirte, der sich mit seiner Familie vor drei Jahren hier niedergelassen hat) mit seinem Esel nach Châteauneuf und verteilt aus großen Säcken Clementinen und Schokoladebonbons an die Kinder und sie dürfen alle mal auf dem Esel sitzen und später auch eine Tour mit dem Esel durchs Dorf machen. Diese Attraktion führt dazu, dass auch aus anderen Dörfern Eltern mit ihren Kindern anreisen und so ist es wirklich voll und quirlig und lebendig. Sie finden das vielleicht albern, dass ich Ihnen das so ausführlich beschreibe, aber wenn Sie wüssten, wie wir hier angefangen haben … Nun, wenn Sie mich schon lange lesen, dann wissen Sie es vielleicht, für die später hinzugekommenen Leser/innen verlinke ich hier einen Text aus einer anderen Zeit, sechs Jahre ist es erst her, dass wir in Châteauneuf unseren ersten Weihnachtsmarkt abgehalten haben. Der Nikolaus ist hier im Süden ja nicht wirklich bekannt, aber da er der Schutzheilige des Dorfes ist und am Wochenende um den 6. traditionell das große weihnachtliche Dorfessen stattfindet, hat sich der kleine Markt an diesem Tag durchgesetzt. Im ersten Jahr nicht unbedingt ein Erfolg, aber dennoch tapfer weitergeführt, ist er jetzt ein von allen geliebtes Event, das zunehmend von anderen Dörfern hier oben kopiert wird.

Man sagt allen Anwesenden bonjour, denn so macht man das hier, Küsschen rechts, links oder Händeschüttelnd, da ich die meisten kenne, ist es ein stetes Geküsse, tatsächlich habe ich mich da schon dran gewöhnt. Man quatscht auch mit allen, isst hier ein Plätzchen, trinkt dort einen Glühwein, kauft heiße Maronen, wie man das auf Weihnachtsmärkten so macht, und stellt sich bei leichtem Nieselregen mal in einer dafür geöffneten Scheune, mal unter den Marktzelten unter. Ich kaufe schon einmal ein paar Tüten mit Weihnachtsplätzchen, ein paar selbstgebackene Lebkuchen-Nikoläuse und ein bisschen Krimskrams. Dann ist es 13 Uhr und ich eile in das immer noch ziemlich kalte Haus, in dem wir traditionnel beherbergt werden und wo ich dafür als Gegenleistung ebenso traditionell das Essen stelle. Unsere Gastgeberin ist mit einem Teil ihrer Familie nun auch eingetroffen. Monsieur stochert im rauchenden Feuer herum, ich improvisiere in der nicht vorhandenen Küche mit kalten Fingern wie immer ein einfaches, aber mehrgängiges Essen. Die Suppe (Suppe geht als Mittags-Hauptgang nur, weil es abends noch ein richtiges Essen gibt!) hatte ich der Einfachheit schon vorgekocht. Es wird ein langes Essen, es wird viel erzählt, wir haben uns alle schon lange nicht mehr gesehen. Danach macht Monsieur unter vielen Decken eine Sieste, ich gehe wieder auf den Platz und stelle mich solidarisch zu den Dorf-Freundinnen in Kälte und Nieselregen. Später besuche ich die alte Schäferin Maria, die kaum noch gehen kann und sich freut, wenn man zu ihr hineinkommt. Sie wohnt direkt am Dorfplatz und von ihrer völlig überheizten Küche kann man sehen, was sich auf dem Platz so tut. Die Hitze ist erschlagend, wärmt einen aber wunderbar auf. Hier kommen alle immer mal rein, setzen sich kurz oder auch länger hin, und Maria erfährt so alles, was im Dorf passiert und manche Neuigkeiten weiß sie sogar als Erste.

Nikolaus 3Weihnachtsmarkt 4Pariseglise

Am späten Nachmittag mit einsetzender Dunkelheit gehts zur kleinen Kirche; unsere Bürgermeisterin empfängt uns vor der Kirche, sie möchte mit allen heute im Dorf Anwesenden zusammen noch einmal den Opfern des 13. November gedenken. Sie hat Kerzen angezündet, ihre kurze Rede ist schlicht und berührend, an die Kirchenwand werden Fotos projiziert, wir schweigen, singen leise zunächst die Marseillaise und dann, als Schritt zurück ins Leben, On écrit sur les mur le nom de ceux qu’on aime der Unicef Kindergruppe Kids United. Die Kirche ist zunächst nur mit der Osterkerze erleuchtet. Die Kinder zünden an ihr Kerzen an, die sie an jeden von uns weitergeben, so dass wir die Andacht bei Kerzenschein abhalten. Der neue junge Pfarrer hat die Bänke umgestellt, so dass wir beinahe im Kreis sitzen und einander sehen können. Und er selbst setzt sich auf die Stufen vom Altar und erzählt (vor allem für die Kinder) die Geschichte des Nikolaus von Myra. Das gibt es in vielen deutschen Gemeinden schon lange, für die winzige Gemeinde in dem konservativen französischen Bergdorf sind die Änderungen des Pfarrers Neuland und seine Bemühungen um vorsichtige Modernität haben gefruchtet: die Kirche ist so voll, wie sonst nur zu Hochzeiten und Beerdigungen. Danach gibt es, immer noch in der Kirche, einen Umtrunk und ein Akkordeonspieler leitet zum weltlich-festlichen Teil über. Von dort geht es zum Gemeindesaal, in dem es das große Essen gibt. Da die Aubergistin uns Ende Oktober verlassen hat, haben Les jeunes Chasseurs, der Jägernachwuchs, sich kurzfristig bereit erklärt, das Essen auszurichten. Es wurde dankbar angenommen, denn was wäre ein Saint-Nicolas-Abend ohne Festessen … nicht auszudenken! Und in dem Saal, der offiziell 80 Personen fasst, sitzen jetzt knapp hundert Personen auf Bänken dicht an dicht. Nicht sehr schön, aber warm wird einem so. Laut ist es auch, man muss sogar brüllen, um sich seinem direkten Tischnachbarn verständlich zu machen. Das Essen wird Tellerweise weitergereicht, es ist so eng, dass der Service nicht mehr durchkommt. Das Essen ist einfach, aber üppig, natürlich gibt es mehrere Gänge und Wein bis zum Abwinken, und natürlich dauert es Stunden. Gegen 1Uhr morgens stapfen wir im kalten Nieselregen, der Tendenz hat Schnee werden zu wollen, zurück ins nicht mehr ganz so kalte Haus und sinken dort erschöpft ins Bett und unter vielen Decken in den Schlaf.

Kein Schnee am nächsten Morgen, das Kaminfeuer wärmt nur schwach, raucht hingegen schon wieder. Ich lechze nach Kaffee, aber leider beherrsche ich die fremde Kaffeemaschine nicht, der Kaffee läuft an der Kanne vorbei und bildet einen kleinen dampfenden Kaffee-See auf dem alten Holzfussboden. Wir trinken dann löslichen Kaffee und es wird dennoch ein langes Frühstück. Danach gehen alle in das kleine Büro der Mairie zum Wählen, und wir packen unsere Sachen, denn Monsieur wählt in Cannes. Ich bin als Nicht-Französin nur Wahlbeobachterin und darüber habe ich ja schon geschrieben.

Jetzt ist eine Woche vergangen und morgen (in der Zwischenzeit ist es heute!) ist der zweite Wahldurchgang. Die Stimmen der Politiker nahmen in dieser Woche aggressive und schrille Töne an, vor lauter Angst, Marine und Marion könnten die Regionalwahlen gewinnen. Der derzeitige Premierminister Manuel Valls gibt deutliche Wahlempfehlungen und schreckt auch nicht davor zurück, uns ein Bürgerkriegsszenario auszumalen, sollte le Front National gewinnen. Zum ersten Mal sind die Wahlprognosen völlig nebulös, es kann morgen (heute) wirklich alles passieren. Selten war der Ausgang einer Wahl ungewisser. Wir sind sehr an- und gespannt.

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Regionalwahlen

Noch gebeutelt von den Terroranschlägen und dennoch schon in Gedanken beim Weihnachtsmenü soll er in diesen Tagen auch noch wählen, der arme Franzose. Dafür hat er keinen Kopf, das konnte nicht gut ausgehen. Die Regionen, die den Départements übergeordnet wurden, um die Dezentralisation von Paris zu fördern, mag sowieso keiner so richtig. Diese Regionen sind ein bisschen wie unsere Bundesländer gestrickt, da kommt manchmal zusammen, was nicht zusammen gehört, ich sage nur Nordrhein-Westfalen. So ähnlich geht es uns mit der Region PACA: Provence-Alpes-Côte d’Azur. Das geht von Menton bis Marseille, und gegensätzlicher könnten diese Städte nicht sein.

Das Französische Wahlrecht sieht immer zwei Durchgänge vor: Beim ersten Wahlgang bringt der Franzose ja gern mal wütend seine Unzufriedenheit mit dem bestehenden System zum Ausdruck, beim zweiten Mal wählt er dann (vielleicht) etwas vernünftiger. Sie haben es gelesen, im ersten Wahlgang am gestrigen Sonntag, hat die extreme rechte Partei, Le Front National, sechs von dreizehn Regionen gewonnen. Im Norden ist es vor allem Marine LePen, die von sich reden macht, bei uns im Süden ist es ihre junge Nichte, Marion Maréchal-LePen. Die Alternative bei uns wäre der rechtskonservative Nizzaer Bürgermeister Christian Estrosi gewesen; ob Estrosi eine wirkliche Alternative ist, lasse ich mal dahingestellt. Grüne und Linke sind hier wie immer kaum vorhanden und außerdem komplett uneins und daher zusätzlich in viele Listen aufgesplittert. Was für sie erwartungsgemäß ein desaströses Wahlergebnis ergab.

Beim zweiten Wahlgang am kommenden Sonntag dürfen die Parteien antreten, die im ersten Durchgang mehr als zehn Prozent erreicht haben. Da aber im französischen Mehrheitwahlrecht nur einer übrig bleiben soll, findet jetzt ein taktisches Geschacher statt, damit um Gottes Willen Le Front National verhindert wird (das Szenario erinnert übrigens stark an den Roman von Houellebecq). Alles wird verhandelt: Wer könnte sich mit wem zusammentun? Politiker sprechen Wahlempfehlungen aus und heute schlagen viele (auch aus den linken Reihen) vor, dass sich die Linke, fast überall drittstärkste Kraft, zugunsten des konservativen Bündnisses komplett zurückziehen solle, damit nur noch zwei Parteien zur Wahl stünden. Konkret bedeutet das, dass klassische Linkswähler den rechtslastigen Christian Estrosi wählen sollen, um den noch rechteren Front National zu verhindern. In der Folge gäbe es fürderhin keinerlei linke Politik in der Region. Aber nicht alle Wähler sind mit dieser Taktik einverstanden, und manch ein linker Politiker will seine Liste auch nicht zurückziehen. Es ist also völlig offen, wie es im nächsten Wahlgang ausgeht.

Seit einem guten Jahr wird das aktive “Blanc”-Wählen bei der Stimmenauszählung als gültig gewertet. Es bedeutet, dass man richtig wählt (und nicht wie immerhin mehr als 50% der Wähler aus Verdruss gar nicht erst wählen geht!), aber eben keinen der zur Wahl stehenden Kandidaten; dazu gibt man entweder einen leeren Umschlag ab oder man steckt einen leeren weißen Zettel, anstelle der ausliegenden Wahlzettel, in den Umschlag (hier werden immer noch klassische Zettel in Umschläge gesteckt, elektronischen Wahlsystemen wird hier stark misstraut). Ganz ehrlich, meine Hoffnung wäre das: Alle wählten “blanc”, weil keine(r) der zur Verfügung stehenden Partei/Kandidaten überzeugt. Und dann schauen wir mal. Aber ich fürchte, das ist nur ein Traum.

ps: kleine Korrektion, gerade noch einmal nachgelesen: das “Blanc”-Wählen wird zwar seit Februar 2014 von den “ungültigen” Stimmen getrennt und als richtigen Stimmabgabe gewertet (“Ich wähle, aber keinen der sich präsentierenden Kandidaten”) und so bei der Stimmauszählung mit angegeben, hat aber keinen Einfluss auf das Wahlergebnis. Nachzulesen (frz.) hier.

pps: für mehr Information, habe gerade noch diesen sehr klaren und ausführlichen Beitrag zu den Regionen und Wahlen auf arte gefunden –

ppps: weil ich es gerade schon zweimal gefragt wurde … falls Sie für eine bestimmte Region, ein bestimmtes Département oder eine Gemeinde die genaue Aufschlüsselung der Wahlergebnisse sehen möchten, diese Seite hier ist recht übersichtlich.

 

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Trauerfeier in Paris

Ja, ich würde auch gern auf andere, frohere Themen umschwenken, auf Adventskalender zum Beispiel: hier kam nämlich ein wunderschöner Adventskalender an, dieser und die lieben Worte dazu haben mich gerührt. Großer Dank dafür und Kuss und Umarmung nach Mannheim! Morgen ist der 1. Advent und ich will heute noch etwas Adventsdeko rauskramen, um morgen dann wenigstens ein Kerzchen anzuzünden. Nur bin ich beim Kerzchen anzünden in Gedanken schon gleich wieder in Paris. Und in Tunis und in Bamako. Und überhaupt überall bei diesen Gräueltaten. Und ich liefere Ihnen daher mit eintägiger Verspätung einen kleinen Eindruck der Feierlichkeiten aux Invalides zu Ehren der in Paris getöteten und verletzten Menschen. Fast elf Minuten brauchte es, um die Namen der Opfer einzeln vorzulesen.

a vos drapeauxUnser Staatspräsident hatte dazu aufgefordert, anlässlich der Ehrung am gestrigen Freitag Frankreichweit Flagge zu zeigen, und hier hatte Nice Matin extra eine Doppelseite gedruckt, für alle, die zu Hause nicht standardmäßig mit einem Bleu-Blanc-Rouge-Banner ausgestattet sind. Dass ein linker Präsident dazu aufruft, öffentlich die französische Flagge zu zeigen, führte zu einer gewissen Polemik in konservativen Kreisen, denn bislang wurde man von den Linken als vieux réac, als alter Konservativer beschimpft, wenn man zu feierlichen Anlässen eine Flagge vom Balkon wehen ließ. So manch ein Konservativer hatte daher jetzt ein Problem, dieser Aufforderung des ungeliebten Präsidenten nachzukommen. Und die Linken hatten plötzlich auch ein Problem, diese reaktionäre Geste als ihre anzuerkennen. Insofern wehten, zumindest in Cannes, nur wenige Flaggen und man musste schon suchen, um in jeder Straße wenigstens ein blauweißrotes Zeichen zu entdecken. Man kann nun darüber sinnieren, ob es die wenigen Linkswähler an der sehr rechtslastigen Côte d’Azur waren, die hier ein Zeichen setzten, oder ob es den Menschen in Cannes insgesamt schon wieder am A… vorbeiging. Es war nämlich auch BlackFriday, ich wusste ja bis gestern nicht mal was das ist, aber nein, es gibt keinen Zusammenhang mit den blutigen Anschlägen am Freitag vor zwei Wochen, es ist ein Schnäppchen-Shoppingtag und er gilt als Auftakt zum Weihnachtsgeschäft. In diesem Jahr schrien die Läden umso lauter, seit den Anschlägen ist es nämlich gähnend leer im Shoppingverwöhnten Cannes und nicht nur dort. Vor zwei Tagen war ich nachmittags in einem Einkaufszentrum in der Nähe von Nizza und ich war dort fast alleine mit all den Sicherheitskräften, die dort nun an den Eingängen stehen und streng in sämtliche Taschen schauen. Es gab das (in der Zwischenzeit laut dementierte) Gerücht, dass die drei Einkaufszentren hier in der Gegend (Cap3000, NiceÉtoile, und das nagelneue Polygon in Zwanzig ProzentCagnes sur Mer) mögliche Anschlagsziele sein könnten. Ich vermute, die Läden wollten ihre ohnehin scheue Kundschaft am Black Friday nicht mit tristen Erinnerungszeichen irritieren und beschränkten sich darauf große Prozentzahlen zu flaggen. Patriotisch geflaggt wurde mehr im kleinen, privaten Einzelhandel, beim Friseur, einschließlich dem Hundefriseur, beim Orthopädiefachhändler, einem Dessousladen und ein bisschen hier und da. Manch einer griff auch auf T-shirts und Luftballons zurück. Hauptsache Bleu Blanc Rouge.

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In einer kleinen Nebenstraße der Rue d’Antibes stieß ich auf dieses Plakat und ich stelle es Ihnen groß rein, weil ich mich, als ich es aufnahm, von einer Dame mit schwerem, russisch klingenden Akzent wütend beschimpfen lassen musste. Sie versuchte mir zu erklären, dass das Plakat weg müsse, es sei böse und ich solle es nicht auch noch fotografieren!

Marianne weint

Ich versuchte ihr hingegen zu erklären, was ich sah: den geknickten Eifelturm und die weinende französische Marianne als Zeichen der Trauer, aber in ihren Augen war das Plakat das personifizierte Böse. Da ich sie immer noch nicht verstand, zeigte sie endlich triumphierend auf die Spitze des Eifelturms. Sähe ich es immer noch nicht? Nein? Himmel, sie wurde immer wilder. Mit viel Fantasie sah ich nun vielleicht ein Flugzeug (für mich im Kontext des Plakates aber eine Erinnerung an den Anschlag auf das World Trade Center), oder waren es vielleicht Hammer und Sichel? Sie erklärte es mir nicht. Ich vermute, sie sah darin einen Anschlag auf den Eiffelturm voraus, aber wir konnten uns gegenseitig nicht verständlich machen. Irgendwann ließ sie mich stehen und lief kopfschüttelnd und laut schimpfend über so viel Unverständnis davon. Zuhause zeigte ich Monsieur das Bild und wir zoomten die Eiffelturmspitze hoch und runter, aber wir sehen nichts Gefährliches darin. Seitdem denke ich über die Eindeutigkeit der Botschaft von Bildern nach.

Zum Abschluss aber jetzt ein kleiner musikalischer und ich wie ich finde eindeutiger Eindruck von der Hommage für die Opfer in Paris. Nolwenn Leroy, Camelia Jordana et Yael Naïm interpretieren “Quand on n’a que l’amour” von Jacques Brel.

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Paris est une fête

tour eiffelHeute hat die Nationalversammlung für eine Verlängerung des Ausnahmezustands in Frankreich gestimmt. War  der état d’urgence zunächst nur für die gesetzlich vorgesehenen zwölf Tage verhängt, wird er jetzt auf (vorerst) drei Monate verlängert. Frankreich war das letzte Mal während des Algerienkrieges vor mehr als 50 Jahren im Ausnahmezustand. Vereinfacht gesagt werden während des Ausnahmezustands die Befugnisse des Innenministers, der Präfekten und der Polizei erweitert. Ausgangs- und Versammlungssperre können erlassen werden, Hausdurchsuchungen können jederzeit und ohne richterlichen Beschluss durchgeführt werden, selbst Abschiebungen sind erleichtert. Die Versammlungssperre verhindert bislang, dass es Schweigemärsche oder Trauerveranstaltungen in Paris und in anderen Städten gibt; diese müssten gesichert werden, und die Sicherheits- und Polizeibeamten werden zur Zeit für andere Aufgaben dringender benötigt. So hat man in Paris zwar die Möglichkeit an den Orten, an denen die Attentate geschehen sind oder an der Place de la République Blumen abzulegen, Kerzen anzuzünden und damit seine Anteilnahme auszudrücken, eine große Menschenansammlung wird jedoch nicht gewünscht. Ebensowenig in anderen Städten, wo man zumeist am Kriegerdenkmal, das noch vom 11. November geschmückt ist, sein Kerzchen anzündet.

Ein Symbol dafür, dass die Menschen in Paris (und anderswo) sich nicht einschüchtern lassen wollen und explizit zum Ausgehen als Widerstandsakt aufrufen, ist der Roman von Ernest Hemingway Paris est une fête geworden (Fiesta lautet der deutsche Titel), den eine ältere Passantin, die kurz im Fernsehen zu sehen war, mit Vehemenz erwähnt hatte. Der Roman wird den Buchhändlern seither geradezu aus den Händen gerissen und findet sich demonstrativ zwischen Kerzen, Blumen und andere Objekten.

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Ob er auch genauso begeistert gelesen wird, steht dahin, die Botschaft des Titels ist das wichtigste.

charlie_hebdo_2232.jpeg_north_560x_whiteDie Macher von Charlie Hebdo hatten ebenso dazu aufgerufen, sich nicht einschüchtern zu lassen und weiter zu leben, wie bisher: Ausgehen, Tanzen, Feiern, sich amüsieren. Entsprechend sieht die Titelseite der aktuellen Ausgabe aus: “Sie haben die Waffen, scheiß’ drauf, wir haben den Champagner!”

Dadurch, dass wir uns nicht alle zusammen auf der Straße wiederfinden können, um unsere Emotionen zu teilen, teilen wir umso mehr im Internet jeden Tag irgendeinen zu Herzen gehenden Text, ein Video oder ein Foto, dass sich so in Windeseile verbreitet. Wahrscheinlich haben Sie das alles auch schon gesehen: den deutsch-italienischen Pianisten Davide Martello, der vor dem Bataclan Imagine von John Lennon spielte, den offenen und sehr berührenden Brief des Journalisten Antoine Leiris, der bei den Anschlägen seine Frau Hélène, Mutter ihres gemeinsamen 17 Monate alten Sohnes, verloren hat, und der sagt “und meinen Hass kriegt ihr nicht”, den kleinen Jungen, der sich vor den “sehr, sehr, sehr bösen Menschen” fürchtet, denn “böse sein ist nicht sehr nett” und dann doch getröstet ist, weil “wir Blumen und Kerzen haben, um uns zu schützen” und heute tauchte die 16jährige Sarah auf, die ein Lied komponiert und auf youtube veröffentlicht hat. Mich hat es gerührt.

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