Abendspaziergang


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Chronik trüber Tage – 3

Ich hatte eigentlich nicht vor, diese Überschrift im ganzen November zu verwenden, aber dann war

Wien

Ich verlinke einen Artikel aus dem Falter, den ich bei Croco gefunden habe. Danke dafür.

Wien. Das Bermuda-Dreieck. Das Ausgehviertel von Wien. Dort ist auch die Synagoge. Vor vielen Jahren bin ich mit meinem damaligen Buchhandelskollegen Udo nach Wien zu der großartigen Ausstellung Traum und Wirklichkeit gefahren. Ich habe die Ausstellung und Wien in mich aufgesaugt. Ich wollte damals alles sehen. Alles! Tagelang und Kilometerlang sind wir damals durch Wien gelaufen. Im Bermuda-Dreieck gingen wir abends noch etwas trinken. Ich wollte gern die Synagoge sehen, die sich dort in einer engen Gasse befindet. Ich kam aber nicht hin. Die Gasse war abgesperrt, Polizei oder war es Militär? das weiß ich nicht mehr, prüfte jeden Einzelnen, der dort hineinwollte. Vielleicht war es Sabbat, vielleicht war es auch jeden Tag so. Mich erschütterte es. Es war das erste Mal, dass ich eine Synagoge so gesichert sah. (Wie ich gerade dem oben verlinkten Falter-Artikel entnehme, gab es 1981 einen Anschlag auf ebendiese Synagoge, was die Absicherung erklärt, ich bin nicht sicher, ob ich das damals wusste.) Von der Synagoge sah ich dann auch nichts. Ich fand mein profanes Bedürfnis des “Anschauenwollens” unangemessen und nahm davon Abstand.

Als ich damals nach Wien kam (es war 1985, ich war Anfang Zwanzig), war ich vernarrt in den Jugendstil und in die Gemälde von Gustav Klimt. Und dann entdeckte ich im Belvedere die Gemälde von Egon Schiele. Seine Bilder waren ein Schock, sie trafen mich, berührten mich und ich konnte mich nicht losreißen. Ich hatte noch nie vorher von ihm gehört oder etwas von ihm gesehen, und stürzte mich auf alles, was ich von ihm finden konnte. Klimt kam mir plötzlich künstlich und leblos vor. Ich hatte Egon Schiele entdeckt!

Ich war Ende der Neunziger Jahre noch zweimal für einen längeren Rechercheaufenthalt in Wien. Und wieder habe ich Wien eingesaugt. Ich liebe diese Stadt.

Falls ich mir je das Leben nehmen sollte, dann wegen diesem Lied … Wie der Sonnenuntergang von Jesolo … 

Gemessen an dem Autoverkehr, der wie eh und je unablässig am Haus vorbeirauscht, ist alles wie immer. Ausgangssperre?! Bleibt außer uns eigentlich jemand zu Hause?

Wir versuchen sogar das einstündige Ausgehen zu koordinieren, etwas, was in unserem sonst organisationsschwachen südfranzösischen Haushalt eher selten praktiziert wird. Hier schwärmt man sonst mehrfach am Tag aus, immer dann, wenn es Monsieur gerade einfällt, während ich eher Listen schreibe und versuche Dinge zu gruppieren: wenn ich eh in der Ecke bin, dann kann ich noch Katzenfutter mitbringen, so in etwa. Monsieur bat mich nun also, auf den noch von ihm zu schreibenden Brief zu warten, bevor ich “nur” wegen einem Päckchen zur Poststelle laufe. Ich wartete also.

Den Text für das Frankreich Magazin habe ich gestern abgegeben; bevor ich das Manuskript zum Überarbeiten zurück bekomme, habe ich jetzt tatsächlich mal ein paar Tage frei! Diese freien Tage will ich gerne anders nutzen, als schon wieder nur sitzend und tippend, das nehmen Sie mir bitte nicht übel. Ich werde hier schreiben, aber nicht jeden Tag. Jeden Tag Blog schreiben, wie es Croco nun tut und andere schon immer tun, ist nichts für mich. Also, ich will gern vielleicht auch zweimal am Tag etwas veröffentlichen, wenn mir danach ist, aber ich will diese Verpflichtung des täglichen Schreibens nicht haben.

Gestern sah ich im Rahmen der Woche der unabhängigen Buchhandlungen via Zoom ein einstündiges Interview mit Marco Bolzano und seiner Lektorin, moderiert von Wibke Ladwig. Eine Stunde am Nachmittag in Ruhe einem Gespräch zuhören und -sehen, das nichts mit der Recherche zu meinem Buch zu tun hat, habe ich mir schon lange nicht mehr gegönnt.

Heute dann der lang fällige Einkauf im Supermarkt. Musste sein. Beruhigend zu sehen, dass in den Regalen keine Lücken waren. Alles da. Nudeln, Eier, Mehl, Klopapier. Und der ganze Rest. Rosé gabs auch. Ich nahm für Monsieur eine Auswahl an Rosé aus dem Var mit. Für mich naturtrüben Apfelsaft.

Hier wird weiter gestritten, ob es sinnvoll ist, all die kleinen (nicht Lebensmittel-)Läden zu schließen. Aus Wettbewerbsgründen dürfen die großen Supermärkte weiterhin keine Bücher, ab morgen auch keine Spielwaren, keine Elektrogeräte, keine Kleidung, Schuhe, Schmuck oder Parfümerie verkaufen. Für die Bücher sah das heute schon so aus.

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Chronik trüber Tage 2

Was uns hier auch immer noch sehr betrübt, ist die Verwüstung des Hinterlandes durch das vor vier Wochen durchgezogene Sturmtief Alex. Davon kriegen Sie vermutlich nichts mehr mit, aber es ist tragisch. Die Zeitung ist jeden Tag zur Hälfte mit Berichten über den Fortgang der Arbeiten voll.

Soldaten, Feuerwehr und Freiwillige, Männer und Frauen aus ganz Frankreich halfen und helfen immer noch, die verwüsteten Häuser, Plätze und Straßen der betroffenen Dörfer vom Schlamm zu säubern und überhaupt zu helfen, wo Hilfe gebraucht wurde. Lange wurden isolierte Dörfer via Hubschrauber mit dem Nötigsten beliefert: Wasser, Lebensmittel, Campingkocher, Stromgeneratoren, denn es gab dort lange keinen Strom, Kleidung und warme Decken. Aber es wurde auch Hundefutter benötigt und Heu für Kühe, Pferde und Esel. Menschen, darunter eine hochschwangere junge Frau, wurden evakuiert und vorübergehend in Nizza untergebracht.

Suchmeldungen von vermissten Menschen wurden in den Sozialen Medien verbreitet und ebenso wurden die Besitzer von herrenlosen Katzen und Hunden gesucht. Zusätzlich irrten die Wölfe aus dem Wolfspark, der von den Fluten davongeschwemmt worden war, herum und sorgten hier und da für Aufregung. Ein paar der Wölfe haben die Freiheit im Park Mercantour gesucht, andere, die zu sehr daran gewöhnt waren, dass Menschen sie fütterten, lungerten in der Gemarkung von Boreón herum, bis sie von Tierschützern eingefangen und in einen anderen Natur-Wild-Park gebracht wurden.

Junge Männer haben eine behelfsmäßige Brücke aus Baumstämmen gebaut, um ein entzweigeteiltes Dorf wieder zu verbinden und mehrere Gruppen erfahrener Wanderer transporierten immer wieder in Rucksäcken Wasser und Lebensmittel zu den Menschen in abgelegenen Weilern, Höfen und Häusern, wo die Zugangswege verschüttet oder weggebrochen waren. Das Dorf Tende ist noch immer abgeschnitten, seit ein paar Tagen verkehrt zumindest wieder ein Zug nach Italien.
Das Vartal und die dortigen Dörfer waren nicht so stark betroffen von den Schäden, aber ich fühle mich den Menschen und den den Dörfern der benachbarten Täler sehr verbunden. Ich war in diesem Sommer zum ersten Mal in St. Martin Vesubie, das eine Rolle in meinem neuen Kriminalroman spielt. Ich habe dort recherchiert und war überrascht, so ein schönes und lebendiges Bergdorf (mit einer gut sortierten Buchhandlung!) zu finden. Es gefiel mir gut dort, umso erschütterter bin ich jetzt.

Es wird Jahre dauern, bis alle Straßen, Brücken und Wege, alle Leitungen, alle Häuser wieder repariert und rekonstruiert sind, mancherorts wird man nicht mehr bauen dürfen, Menschen werden abwandern und es wird nie wieder so sein wie vorher.

Die Ausgangssperre ist für die Dörfer dort oben eine Katastrophe. Die Menschen die dort oben helfen, müssen irgendwo untergebracht und verpflegt werden. Jetzt stagnieren die Arbeiten und man hat Angst vor dem Wintereinbruch, denn dann geht gar nichts mehr. Einer der Bürgermeister, der für die Dörfer eine Ausnahmegenehmigung fordert, sagte heute resigniert, wir können uns nur wie die Murmeltiere in ein Loch zurückziehen und warten, bis das Frühjahr kommt. Ein flächendeckender Winterschlaf sei vermutlich die beste Lösung für das Virusproblem, las ich heute irgendwo.

Feli, eine Deutsche, die mit ihrer Familie in Nizza lebt, hat drei Tage vor dem Unwetter in Breil sur Roya ein Haus gekauft.

Ich war gestern dann doch nicht einkaufen. Es ist erstaunlich, was aus Resten alles gezaubert werden kann. Mittags gab es Nudeln mit einer Tomaten-Bolognesesauce, das Fleisch stammte von drei Grillwürstchen, die von der Sommersaison übrig waren und im Tiefkühlfach herumlungerten. Die improvisierte Sauce war sogar besser als die mit hier üblichen Rinderhack. Als Nachtisch gab es tröstlichen selbstgekochten Vanillepudding.

Bei Herrn Buddenbohm von nach Schokolade riechenden Tinte gelesen und mich erinnert, dass ich mal eine Körpercreme geschenkt bekommen habe, deren Geruch und Konsistenz mich an klassischen selbstgekochten Schokoladenpudding erinnerte, nach dem ich, es war in meinem letzten Winter im Bergdorf, total Heimweh bekam. Als ich erstmals Dr. Oetker Anrührpudding in einem französischen Supermarkt fand, wäre ich vor Glück beinahe auf die Knie gefallen. Der Pudding war dann aber nicht so aromatisch wie die Körpercreme, die ich trotzdem nur zum Eincremen verwendet habe. Daran musste ich bei der Schoko-Tinte denken, es machte mir sofort Lust auf Schokopudding, aber dann wurde es doch Vanillepudding, mit etwas geriebenerr Tonkabohne verfeinert. Leider auch mit etwas Thymian, der mir auf dem Weg in die Bolognese im Nachbartopf hineingefallen ist. So entstehen vermutlich neue Rezepte. Ich habe die Milch dann trotzdem gefiltert, hatte keine Lust auf Geschmacksexperimente.

Abends gab es eine Suppe aus dem schon leicht welken Gemüse (Lauch, Karotten, Zwiebeln, Kartoffeln) sie war köstlich. Manchmal habe ich keine Lust zu kochen und ich habe daher kürzlich mal wieder eine dieser Fertigsuppen, von denen ich uns ein paar Jahre lang im Winter ernährt habe, gekauft. Es sind Suppen in Flaschen oder Tetrapacks, eigentlich nicht so schlecht – zumindest hatte ich sie nicht in schlechter Erinnerung, aber ich konnte sie nicht mehr riechen und essen auch nicht.

Seit Tagen denke ich über einen neuen Text für das Frankreich Magazin nach, vorgestern, gestern und heute schrieb ich daran, morgen muss ich abgeben.

Sean Connery ist gestorben. Dazu muss ich nichts sagen, ich glaube, er ist einer der wenigen, bei dem sich alle einig sind, dass er großartig war. Er wurde 90 Jahre alt. France 2 hat eine Programmänderung vorgenommen und zeigt uns alte James Bond Filme.

Die privaten Buchhandlungen dürfen weiterhin nicht geöffnet sein, auch wenn Prominente sich dafür eingesetzt haben, das einzige, was erreicht wurde ist, dass die Buchregale in den Supermärkten aus Wettbewerbsgründen jetzt gesperrt sind. Bilder mit Sicherheitsband verklebten Buchregalen gehen jetzt durch die Sozialen Medien und die, die nicht wissen, was der Hintergrund ist, empören sich lautstark. Es ist so ermüdend.

Heute ist Allerheiligen. In Frankreich geht man traditionell auf den Friedhof und schmückt die Gräber mit Blumen. Auch wir haben Blumen erstanden. Es ist kein besonders schönes Gesteck, es gibt nur einen Blumenladen in der Nähe, der daher heute auch geöffnet sein durfte, heute gelten Blumen als achats de premiers nécessité ,“notwendige Lebensmittel”. Die Friedhöfe sind aus aktuellem Anlass besonders gesichert, und selten habe ich dort so viele Menschen gesehen.

Ich habe vor ein paar Jahren schon einmal von dem Grab des Lehrers Honoré Soustelle erzählt, der erschossen wurde, als er aus der Schule kam. Die tragische Geschichte ist in sein Grabmal graviert. Alles wiederholt sich.

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Chronik trüber Tage

Heute also erster Tag des zweiten Confinements. Wir hatten einen Banktermin, der auch stattfand, und füllten zum ersten Mal wieder die Attestation de déplacement dérogatoire aus und machten unser Kreuzchen bei Convocation administrative, also eine Art “Verwaltungsvorladung”. Ich hatte den Termin, als ich ihn ausgemacht habe, extra auf 11 Uhr gelegt, weil wir danach in der Stadt hätten Essen gehen können. Tja, Pech gehabt. Hätten wir gestern nochmal machen sollen, aber gestern gab es, schnellschnell, so viel anderes zu erledigen, dass wir nicht dazu kamen. Unter anderem waren wir beim Baumarkt, um eine Duschvorhangstange und einen Duschkopf zu erwerben. Beim Baumarkt war es so voll, dass wir draußen Schlange stehen mussten und erst dann wieder Kunden eingelassen wurden, wenn welche den Baumarkt verlassen hatten. Alle wollen die kommenden Wochen der Ausgangssperre nutzen, um irgendetwas zu renovieren, scheint es. Man muss sich ja beschäftigen. Nicht nur der Baumarkt war voll, alles war voll, die Straßen, die Läden. Nein, ich habe keinen Großeinkauf gemacht, einen zweiten Laden voller genervt-hysterischer Menschen und mutmaßlicher Coronaviren wollte ich vermeiden. Wir essen, was eben da ist, und einen Teil dessen, was wir brauchen, werde ich morgen auf dem Markt einkaufen. Ich habe stattdessen nachmittags eine Freundin besucht, die ich seit März nicht mehr gesehen habe und wir waren spazieren! Ein Luxusvergnügen in diesen Tagen. Dann war ich noch schnell in der Mediathek, kurz bevor sie ihre Tore für die Zeit der Ausgangssperre schloss, und habe zehn Filme und einen Stapel BD’s ausgeliehen. Unter anderem werde ich “Auf der Suche nach der verlorenen Zeit” von Proust lesen, ein Wälzer auch als BD, ich dachte, das ist ein passendes Lese-Vorhaben. Ein anderes ist weniger lustig, die Geschichte eines Mitarbeiters einer NGO, der im Kaukasus gekidnappt wurde und als Geisel monatelang eingesperrt war. Passt vom Thema. Und ein etwas heiteres BD: Les Grands Espaces. Eine Frau erzählt ihre Kindheit mit ihren Aussteiger-Eltern, die einen alten Hof umgeben von viel Weite gekauft haben. Das als Gegenthema. Passt auch.

Ich durfte doppelt so viele Filme ausleihen als sonst und hätte auch unlimitiert Bücher mitnehmen dürfen, aber naja, die besten Filme waren schon ausgeliehen und mehr Bücher, die ich wirklich lesen wollte, habe ich auf die Schnelle nicht gefunden. Beim Rausgehen, ein feuriges Sonnenuntergangsgspektakel gesehen, das mein Handy leider nicht annähernd farblich wieder geben konnte. Hier nur ein Foto zweier junger Bibliotheksbesucher. 

Ich lasse mir übrigens seit der letzten Ausgangssperre die wöchentlichen Literaturtipps der Büchergilde in Wiesbaden schicken, eine Buchhandlung, die wiederholt als eine der Besten ausgezeichnet wurde. Zu Recht, wie ich finde, schon allein für diese wöchentlichen Literaturtipps, einschließlich der Hinweise auf Literatursendungen im Hörfunk und im Fernsehen! Danke dafür, auch wenn ich in dieser Spagat-Situation bin, und weder etwas von neuer deutscher noch französischer Literatur wirklich mitkriege, geschweige denn lese.

Die privaten Buchhandlungen in Frankreich kämpfen darum, während der Ausgangssperre öffnen zu dürfen. Unverständlich ist, dass in manchen Städten die Buchhandelskette Fnac geöffnet ist und man generell auch in Supermärkten wie Leclerc Bücher kaufen kann. Manche Buchhändler hatten heute deshalb aus Protest geöffnet.

Ganz schnell war ich morgens auch noch am Palais des Festivals, um den leeren roten Teppich des Mini-Filmfestivals aufzunehmen, hier auch mit unbekannten jungen Starlets.

Im Palais des Festivals können Sie jetzt, wie früher Kaugummis, Masken aus einem Automaten ziehen.

Später wurde über den roten Teppich symbolhaft ein schwarzer Teppich gelegt und man flaggte (am Hôtel de Ville) auf Halbmast. Sie wissen es schon. Gestern Morgen wurden in der katholischen Kirche Notre Dame in Nizza, die an der zentralen Einkaufsstraße Avenue Jean-Médecin liegt (die Buchhandelskette Fnac liegt schräg gegenüber, ein beliebtes Café nebenan), drei Menschen getötet. Enthauptet, erstochen. Der (mutmaßliche) Täter stammt (genauso mutmaßlich) aus dem islamistischen Milieu.

Gestern Abend konnte ich dazu nicht schreiben. Heute auch nicht wirklich.

Hier ein Link zu France 3.

Wir sahen dann einen der Filme, die ich ausgeliehen habe: Costa Gavras Adults in the room. Die Adaptation eines Buches von Yanis Varoufakis. Die Zeit, in der Griechenland versuchte, in Verhandlungen mit den europäischen Staaten, der europäischen Zentralbank etc. einen anderen Weg aus der Krise zu finden. Vergeblich, wie wir wissen. Guter Film, aber auch kein amüsantes Thema. Ich las dann noch ein paar Seiten in Les Grands Espaces. Sehr wohltuend.

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Trübe Aussichten – die zweite Ausgangssperre

Ausgerechnet in dem Moment, wo ich nicht mehr am Schreibtisch angebunden bin und mich gerne ein bisschen freier bewegt hätte, unter Berücksichtigung sämtlicher Hygieneregeln bien sûr und ohne Monsieur irgendwie zu gefährden, ausgerechnet jetzt rutschen wir in unsere zweite feste Ausgangssperre, ab Donnerstag um Mitternacht. Deuxième confinement. Präsident Macron hat es gerade verkündet. Wir haben es geahnt, die Zahlen sind katastrophal. Gut, wir sind weniger nervös, das Klopapier hat beim letzten Mal schon ausgereicht, wir werden es wieder nicht horten, wir horten auch keine Nudeln und kein Mehl. Es gibt Masken, Gel und Tests, wir haben uns ans Abstandhalten gewöhnt und ans Händewaschen und ans keine Küsschen geben. Wir kennen unseren 1-Kilometer-Radius, wir wissen, was wir in einer Stunde erledigen können. Wir haben kein Problem, unseren Ausgangsschein auszufüllen. Wir sind eingespielt. Vielleicht bleibt der Zugang zum Meer offen, das wäre schön. Die Märkte hoffentlich auch. Die Schulen bleiben dieses Mal geöffnet, auch die Crèches, die Senioren in den Altersheimen können (vorsichtig) besucht werden, die Friedhöfe und das Finanzamt auch (haha). Lebensmittelläden bleiben offen, alles andere wird wieder geschlossen: Universitäten, Hotels, Restaurants, die Bars, Klamottenläden, die Kinos …

Bizarrerweise haben wir trotz Sperrstunde und Versammlungsverbot ein Mini-Filmfestival in Cannes dieser Tage. Aber es ist selbst in der Tageszeitung nicht auf der Titelseite gelandet. Es ist sogar für das “grand public” geöffnet, man hätte sich nur einschreiben müssen. Keine Ahnung, ob da viel läuft.

In Tübingen sind gerade auch französische Filmtage, deutschlandweit online und im Kino. Vielleicht interessiert das die oder den eine(n) von Ihnen. Danke für die Info und den Link an Jasmin R.

Il faut garder le moral heißt es hier. Den Kopf oben behalten. Werden wir sicher, aber ich gebe zu, ich bin ein bisschen müde, auch müde, hier zu tippen. Mal sehen, zu wieviel ich mich hier aufraffen kann. Vielleicht höre ich in den nächsten Wochen ein paar Podcasts, den Veedelspodcast aus Köln habe ich schon lange nicht mehr gehört und dieser hier interessiert mich auch, ich habe ihn über Herrn Buddenbohm gefunden.

Prenez soin de vous, wie es hier heißt. Passen Sie auf sich auf!

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Geschafft!

Das Manuskript ist fertig geworden. Mit nur zwei Monaten Verspätung. Ich danke dem Verlag und meiner Lektorin für Geduld und Unterstützung. Es wird also auch im nächsten Jahr einen Krimi geben. Trotz aller Hindernisse.

Geschafft haben wir auch diesen Sommer, der ein gewisses Maß an Schwere in sich trug. Seit vier Uhr lag ich wach und dachte mir einen trotz allem amüsanten Blogtext darüber aus, aber jetzt merke ich, ich will nicht nicht mehr darüber schreiben. Über gar nichts. Auch und vor allem nicht über diese K-Krankheit. Die mit einer einschneidenden (im wahrsten Sinn) Operation hinter uns liegt. Eine Narbe bleibt. Eine Verletzung.

Wir sind froh, dass wir die OP in dem kleinen Moment hinter uns bringen konnten, in dem die Betten auf der Intensivstation gerade nicht ausschließlich von COVID-Fällen belegt waren. Jetzt sind die Intensivstationen schon wieder komplett mit COVID ausgelastet, stand gestern in der Zeitung und schrieb der Bürgermeister in seiner Rundmail, in der er ganz konkrete Zahlen für den Süden und für Cannes nennt. Sie sind in Cannes (derzeit) dreimal so hoch wie in Deutschland (166/100.000), im französischen Durchschnitt fünfmal so hoch (261/100.000) an manchen Orten geht es durch die Decke (bis zu 800/100.000). Der Bürgermeister ist wieder zu seiner ermutigenden und tröstlichen Grußformel sursum corda zurückgekehrt. Hoch die Herzen! 

Das brauchen wir auch, wir haben ab heute Abend 21 Uhr wieder Ausgangssperre, so wie etwa die Hälfte der französischen Departements. Nur nachts, damit vor allem das Herumhängen in Bars, Restaurants vermieden wird und das Herumknutschen während der Uni-Feten. In meinem Singgrüppchen, dem ich mutig vor kurzem beigetreten bin, um dann nicht hinzugehen, damit ich Monsieur nicht gefährde, wurden vier von acht Personen positiv getestet, nachdem eine Frau krank geworden ist. Ich singe jetzt über Skype.

Wir waren gestern trotzdem im Kino. Irgendwie feiern, das das Schwere hinter uns liegt und es wieder leichter wird. Wir waren seit dem Autokino-Erlebnis im Mai nicht mehr im Kino. Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen ist, aber hier hat sich das Autokino nicht durchgesetzt. Stattdessen gibt es halbleere Kinosäle, Maskenpflicht, Desinfektionsmittel. Man wartet, trotz Regen, draußen und so lange, bis der Saal nach der vorigen Vorstellung wieder durchgelüftet wurde. Dürchlüften ist nicht Französisch, darüber habe ich andernorts schon geschrieben. Durchlüften ist absolut deutsch, man darf also keinen deutschen Anspruch an das französische Lüften haben. Egal. Mit Maske, Gel, und viel Abstand sitzen wir mit etwa zehn anderen (drei Mal Familie mit Kind (es sind Herbstferien) und wir) in einem Saal und sehen Antoinette dans les Cevennes. Auf Deutsch heißt der Film Mein Liebhaber, der Esel & ich. Genau darum geht es. Eine Pariser Grundschullehrerin, die ein Verhältnis mit dem Vater einer ihrer Schülerinnen hat, und der sie wegen eines kurzfristig angesetzten Esel-Wanderurlaubs mit der Familie versetzt, entscheidet sich, die gleiche Wanderung zu machen, um ihren Geliebten dort “ganz zufällig” zu treffen. Man ist in den Cevennen und auf den Spuren von R.L. Stevenson.  Der Film ist leicht und amüsant und sehr französisch. Ich glaube, nur Franzosen können einen derart “décomplexierten” Familientauglichen Film über Ehebruch zu machen, in dem auch sonst viel über Liebe, Beziehungen und Sex geredet und gezeigt wird, und den sich Eltern mit Kindern dann genauso décomplexiert ansehen. Auch nach fünfzehn Jahren Frankreich erstaunt mich das.

Aber letztlich ist es wie auch bei den Jakobsweg-Wanderungen, der Weg ist das Ziel und er verändert uns.

So viel für heute. Langsam anfangen. Ein gutes Wochenende Ihnen allen. Bleiben Sie so gesund wie Sie können und passen Sie auf sich auf!

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Die Freiheit des Wortes!

In Frankreich hat vor kurzem der Prozess gegen die Attentäter auf Charlie Hebdo begonnen. In dem Zusammenhang gab es einen erneuten Anschlag vor dem Gebäude, in dem sich damals die Redaktion von Charlie Hebdo befand. Der Attentäter war aber schlecht informiert, die Mitarbeiter von Charlie Hebdo sind umgezogen und arbeiten an einem geheimen Ort. Dies nicht wissend, hielt er zwei Journalisten einer Fernsehproduktionsfirma, die aus dem Haus kamen (oder hineingingen, genau habe ich das gerade nicht gefunden) für Mitarbeiter von Charlie Hebdo und griff sie mit einem Hackbeil an und verletzte sie schwer. Charlie Hebdo, die in diesem Jahr ihre 50 Jahre Existenz feiern, titelten folgendermaßen:

Je suis venu pour couper le gâteau. Ich kam, um den Kuchen anzuschneiden.

Am Freitag wurde der Geschichtslehrer Samuel Paty in einer Kleinstadt nahe Paris auf dem Heimweg von der Schule angegriffen, erstochen und enthauptet. Er hat, wie jedes Jahr, das Thema “Meinungsfreiheit” und “Toleranz” als (im Schulkanon angelegten) Schulstoff durchgenommen. Dazu hat er unter anderem die umstrittenen Karikaturen gezeigt. Obwohl er die muslimischen Schüler aufgefordert hat, die Klasse zu verlassen, wenn sie die Karikaturen nicht sehen wollten, beklagte sich eine Schülerin bei ihrem Vater, der in den sozialen Medien gegen den Lehrer hetzte, seinen Namen, Foto, Telefonnummer und die Adresse der Schule veröffentlichte. Ein 18 jähriger Mann fühlte sich berufen, diesem Lehrer den Garaus zu machen.  

Es geht hier nicht darum, noch einmal zu fragen, ob die Karikaturen nicht vielleicht doch geschmacklos und überhaupt unwitzig waren und ob man nicht besser nichts veröffentlichte, was jemanden verletzen könnte. Auch wenn man die schärfste Auto-Zensur anwendet, es wird immer jemanden geben, dem irgendetwas nicht gefällt.

Es geht um Satire. ALLES, Religion, Politik und das Alltagsleben waren und sind stets Thema von Satire. Zu erkennen und zu verstehen, was Satire ist, wird an Schulen gelehrt und gelernt.

Die Satire darf alles! schrieb Kurt Tucholsky, alias Ignaz Wrobel in seinem Text Was darf die Satire? Das war 1919. Sein Text ist immer noch (mehr denn je) aktuell. Und die Satire darf auch nicht gefallen. Und es ist wichtig zu lernen, damit umzugehen. Auch das wird an Schulen gelehrt und gelernt. Auch an deutschen Schulen übrigens.

Schreiben wir weiter, zeichnen wir weiter und verteidigen wir diese Freiheit des Wortes, es kann und wird nicht alles immer allen gefallen. Aber so ist es. Diese Freiheit haben wir auch, die Freiheit nicht einverstanden zu sein.


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Buchmesse 2020

Es gibt doch gar keine Buchmesse dieses Jahr, oder? Doch! Nur etwas anders. Niemand kommt nach Frankfurt (schnüff) aber wir kommen zu Ihnen nach Hause! Virtuell, digital. Der Verlag Kiepenheuer & Witsch hat das Herbstprogramm unter dem Titel “Show! Don’t tell!” in zwei Live-Abenden vorgestellt, die im markierten Artikel verlinkt sind und auch weiterhin auf Youtube abgerufen werden können.

Und dann gibt es noch ein paar intimere Autoren- und Autorinnengespräche. Heute Abend zum Beispiel sind wir “Unter uns!” : Vier Autorinnen stellen ihre Bücher vor und erzählen die Geschichten hinter den Geschichten. Stephanie Schuster, Grit Landau, Syd Atlas und Christine Cazon. Moderiert wird die Runde von Shelly Kupferberg. Ab 19 Uhr unter diesem Link!

Schauen Sie rein, es wird bestimmt supernett! Ich freu’ mich drauf!

kleines ps: Herzlichen Dank, wenn Sie es sich angesehen haben; ich kann nur sagen, Übung macht hoffentlich die Meisterin. Es war das erste Mal, dass ich an einer Zoom-Konferenz teilgenommen habe. Nun ja.

So ähnlich wars. Die Internetleitung war mehrfach zusammengebrochen, mein Bildschirm eingefroren, leider in der Millisekunde, in der ich meine flatternden Augenlider geschlossen hatte, was den Eindruck vermittelt, als sei ich eingeschlafen, während die Kollegin sprach. Ich bekam dann Nachrichten auf dem Bildschirm und via Telefon gesendet, dass “alles gut” sei, gleich ginge es weiter. Aber man wird doch etwas nervös, wenn mittendrin alles stoppt. Und den prüfenden Blick zum Telefon sieht man in der Folge auch. Ich hätte mir gewünscht, dass man mich schneller aus dem Bild genommen hätte. Überhaupt kam ich mir vor wie bei den ersten Tonfilmaufnahmen: der kleine Tisch, auf den ich mich stützte, knarzte jedesmal so laut, nie hätte ich gedacht, dass man das so überdeutlich hört. Es erinnert mich an eine Filmszene aus The Artist, in dem sich der Stummfilm zum Tonfilm wandelt und die ersten Aufnahmen mit dem Mikro zu einer Katastrophe werden, weil das Mikro überdeutlich das Klirren der Halsketten, mit denen sie Schauspielerin herumspielt, aufnimmt, ihre Stimme aber nur bruchstückweise zu hören ist. Haha. (Leider gibt es diesen Filmausschnitt nicht auf Youtube, hätte ich Ihnen gern gezeigt) Und an einer Stelle kam Monsieur dazu und blieb neugierig stehen (an die Wohnungstür hatte ich ein “Bitte nicht stören”-Schild geklebt, aber nicht an die Wohnzimmertür.) Leider übersehe ich ihn nicht souverän, sondern sende ihm unfreundliche Blicke zu. Herrje. All das sieht man, es ist ein Graus.


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Alles in Ordnung

Lieben Dank für Ihre zahlreichen Anfragen – es geht uns gut, wie sind in Sicherheit, Cannes war diesmal nicht so stark vom Unwetter betroffen (auf den Tag genau vor fünf Jahren hatten wir eine Hochwasser-Katastrophe in Cannes!).

Dieses Mal traf es das Hinterland, die Dörfer in den Tälern mit den Flüssen Vesubie, Tinnée und Roya sind seit gestern Abend Katastrophengebiet.

Alex hieß das Sturmtief, auf das wir uns hier schon am Vortag vorbereitet haben. Am Vortag, als es noch so sonnig und mild war, dass man es nicht glauben wollte, dass da ein Unwetter kommen sollte, war es wirklich nötig, die Schulen schon wieder zu schließen und den Zugverkehr zu unterbrechen? Man konnte es sich nicht vorstellen, so wie es auch heute wieder sonnig und mild ist, als wäre nichts gewesen. Dazwischen fegte einen Nachmittag und eine Nacht lang ein Gewittersturm alles durcheinander und es fiel mancherorts in einer Nacht so viel Regen, wie manchmal in einem Jahr. 

Die Flüsse schwollen an, rissen die Uferböschungen mit, entwurzelten Bäume, Strommasten, unterhöhlten Straßen und Brücken, die vielerorts wegbrachen. Häuser, die an Hängen oder in Flussnähe standen, brachen zusammen. Eine Tankstelle wurde weggeschwemmt. Ein altes Ehepaar, das sich auf das Dach seines Hauses gerettet hatte, versank mit dem zusammenbrechenden Haus in den Fluten. Auch Feuerwehrleute sind ertrunken, weil ihr Auto davongespült wurde. Die Zahlen der Toten und Vermissten schwanken zwischen acht und zwölf.

Der Var war gestern ein sich dahinwälzendes braunes Ungeheuer, der nur knapp davor gewesen war in Nizza über die Ufer zu treten; man hat dort vor zwanzig Jahren, nach dem sogenannten Jahrhunderthochwasser, kilometerlange Dämme gebaut. Man sieht sie, wenn man auf dem Weg zum Flughafen ist und findet es an 360 Tagen im Jahr lächerlich, für dieses Rinnsal so eine Anlage konstruiert zu haben, an den Tagen aber, wo es sintflutartig regnet, ist man dankbar für die Voraussicht. Aber es stand gestern nur Oberkante Flussbett. Gegen zwei Uhr morgens hörte es dann auf zu regnen.

(Foto: Le fleuve Var, le 2 octobre 2020 • © France Télévisions / Jean-Bernard Vitiello)

Viele Dörfer sind noch abgeschnitten, ohne Strom, Internet und Telefon: Tende, St. Martin Vesubie, Breil sur Roya, Isola. Erst heute konnten Hubschrauber dorthin gelangen – bei dem Sturm gestern konnten sie nicht fliegen und die Rettungsfahrzeuge kamen wegen der verschütteten Straßen nicht durch.

An der Küste (Nizza, Cannes, Antibes) Unwetter as usual: verschlammte und gesperrte Uferstraßen, Strände voller Unrat, der aus den Tälern mitgerissen wurde (unter anderem fand man ein Wanderwegschild aus den Bergen!) ein paar vollgelaufene Keller, beschädigte Autos, heruntergefallene Dachziegel, entwurzelte Bäume, abgerissene Äste und Palmwedel. 

Ich habe bei France 3 dieses beeindruckende Video mit Luftaufnahmen aus dem Hinterland gefunden, und man sieht unter anderem, wie der braune Var (mit allen Zuflüssen) sich ins Meer ergießt.


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Am Meer …

wimmelte es heute von Quallen, im Wasser und am Strand. Hunderte. Ich war also nicht schwimmen am letzten Tag vor dem großen Unwetter, das für morgen angekündigt wird. Alarmstufe Orange im ohnehin Corona-Risiko-Roten Südfrankreich. Bleiben Sie zu Hause heißt es. Schule fällt auch vorsorglich aus.

Ich hätte ganz viel zu erzählen, von dem, was alles so los war im September, es war nämlich viel los, und deswegen habe ich noch immer ein unfertiges Krimimanuskript auf dem Schreibtisch und bevor ich das nicht fertig habe, gibts hier nichts zu lesen. Erst die Arbeit und dann, Sie kennen den Film von Detlef Buck vielleicht noch.

Etwas kriegen Sie aber, tut mir leid, dass ich so ein bisschen Werbung für mich selbst mache, aber ich freue mich so über die Besprechung in der Riviera Zeit. Merci an Elwira Otto. (Um die Besprechung zu lesen, müssen Sie den unterstrichenen Link anklicken, das Foto ist nur ein Screenshot.)

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Equinoxe

Tagundnachtgleiche. Der Herbstanfang kam hier mit gewaltigen Gewittern und viel Wasser. In den Nachbardepartements ist schon wieder vielerorten landunter. In Cannes geht zwar derzeit mehrfach am Tag und in mancher Nacht die Welt unter, es kracht und blitzt, der Himmel ist noirâtre, und es schüttet aus Kübeln, aber es kann innerhalb kürzester Zeit wieder sonnig und blauhimmelig werden. Das Meer heute Abend war spiegelglatt.

Der Dreimaster Belem hat heute sein Winterquartier in Cannes genommen und im Port Canto geankert. Man kann das Schiff nach Voranmeldung besichtigen, es gab vor Corona sogar die Möglichkeit, mit dem Schiff als Passagier unterwegs zu sein, derzeit aber ist das alles gestrichen. Hier wird überhaupt gerade ganz viel gestrichen. Corona geht wieder um.

Ich habe den Dreimaster immerhin begrüßt (es regnete gerade nicht) und musste danach dringend noch ein paar Fotos von Meer und Himmel am Strand von Palm Beach machen. Ganz viele Menschen kommen da abends, um den Sonnenuntergang anzusehen. Alte und Junge, draußen oder im Auto sitzend, Tabak oder süßliche Kräuter rauchend, Musik hörend oder (vergeblich) Stille suchend. Ich blieb nicht bis zum Sommenuntargang. Es war trotzdem schön.

Zwei Möwen stritten sich mit einem jungen vorwitzigen Kormoran, der anscheinend unbekümmert ihr Hoheitsgebiet verletzte und sich elegant tauchend und mal hier, mal da den Kopf heraustreckend, dem Strand näherte, wo die Möwen standen und schimpften. Der freche Kormoran aber vergnügte sich im flachen Wasser in Ufernähe, provozierte geradezu, dass man auf ihn einhackt, tauchte aber jedes Mal zack weg, wenn eine Möwe auf ihn zuschoss. Nur, um ein Stückchen weiter wieder aufzutauchen: Coucou, hier bin ich! So zogen sie den ganzen Strandabschnitt entlang, die beiden Möwen wackelten wachsam und schimpfend zu Fuß, während der Kormoran sich parallel im Wasser amüsierte.

Ich weiß nicht, wie es ausging.


ps: nein, keine echte Blog-rentrée, noch nicht. Nur ein Lebenszeichen.

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Von Lesefreuden und Glückssuche

Heute früh flatterte mir diese schöne, große und persönliche Besprechung via Internet ins Haus! Zunächst blieb mir kurz das Herz stehen, die Rezensentin Monika Fritsch begann ihren Blogtext nämlich folgendermaßen:

“Ich habe überhaupt keine Lust, Bücher über die Befindlichkeiten von irgendwelchen Menschen zu lesen. So tragisch und rührend persönliche Schicksale sein können – es interessiert mich schlicht nicht. Ich will den Menschen in aller Regel gar nicht so nah kommen. Klar, ich habe die Tagebücher von Captain Cook gelesen und die Autobiografien von Malala Yousafzai und Wolfgang Niedecken, auch Bücher von anderen interessanten Menschen und Autoren. Aber bitte keine Gefühlsduselei.”

Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Monika Fritsch, die für das Französische Fremdenverkehrsamt Atout France arbeitet, mein Buch überhaupt liest. Allenfalls wird sie es zur Kenntnis nehmen, dachte ich, sie wird es im Hinterkopf behalten, für den Moment, wo Sie diese Info vielleicht gebrauchen kann. Aber sie hat es gelesen, obwohl sie “Gefühlsduseleien” nicht mag. Zweimal sei sie beim Lesen fast vom Stuhl gekippt, schreibt sie. Wenn Sie wissen wollen warum, und wenn Sie die ganze Rezension lesen möchten, dann klicken sie hier!

Herzlichen Dank Monika Fritsch !

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Von den Bergen bis ans Meer

der Süden ist blau

Endlich sind sie auch bei mir angekommen, die Belegexemplare meiner beiden Bücher. Sind sie nicht schön geworden? Ich freue mich so! Ein großes Dankeschön an den Verlag!

Von Herzen Dank für Ihre Kommentare unter dem vor-vorletzten Beitrag, und von Herzen Dank für die vielen, vielen begeisterten, bewegten und auch aufgewühlten Nachrichten, die mich auf allen Kanälen erreichen. Danke, dass Sie “Von hier bis ans Meer” gelesen haben, danke für Ihr Vertrauen, mit dem Sie mir aus Ihrem Leben erzählen.

… à bientôt!

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Offiziell: Je suis française

une nouvelle française
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Die Musik …

zur Sendung und zum Buch … wurde zwar nur einmal wirklich gewünscht, mir gefällt aber die Idee, vielen Dank für die Anregung!

Nicht das gesamte Musikprogramm der Sendung stammte von mir, einer der ersten Titel, der lief, war von Gianna Naninni. Das hätte von mir stammen können, aber aus meiner italienischen Phase :-) ,  die gab es nämlich auch, weil ich in der Oberstufe einen so fürchterlichen Französisch-Lehrer hatte, dass mir Frankreich eine Zeitlang total verleidet war. Da ich aber nicht ohne den Süden konnte, stürzte ich mich ein paar Jahre auf Italien. Lernte Italienisch in Siena zur großen Zeit von Gianna Naninni und Eros Ramazotti. Riccardo Cocciante, Paolo Conte, Lucio Dalla (ein unvergessliches und kostenloses Open-Air Conzert auf dem Campo in Siena) Luca Carboni, Adriano Celentano … aber letzten Endes bin ich in dauerhaft in Frankreich gelandet und nicht in Italien, insofern habe ich für die Sendung nur französische (und deutsche) Lieder ausgewählt.

Voilà, meine Musik (essentielle Auswahl). Ohne weitere Erklärungen. Bonne écoute!

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Von hier bis ans Meer

Falls Sie es nicht live hören konnten, hier kommt der Mitschnitt des Interviews von heute früh mit Heike Knispel im WDR 4. War sehr nett übrigens! Vielen Dank nochmal!

Mein Herz blieb allerdings fast stehen, als ein paar Minuten vor der Sendung der Strom weg war, und nicht nur Licht und Ventilator sondern vor allem das Festnetztelefon ausgefallen waren. Ich habe EINMAL ein Live-Interview im Radio und es wird nicht klappen? “Mach was!” schrie ich Monsieur an, der sagte nur “Was soll ich denn machen? Es ist im ganzen Viertel kein Strom!” Na toll. Glücklicherweise gibt es noch das Mobiltelefon, das in der Wohnung allerdings nur bedingt funktioniert, ich blieb die ganze Zeit an einem Ort sitzen, damit der Empfang stabil blieb. Eine Stunde ohne Strom. Einfach so. Um 11.50 Uhr machte das Festnetz wieder “pling”, das Licht ging an und der Ventilator drehte sich wieder. Uff.

Herzlichen Dank für alle Mails, SMS’en, Anrufe und Kommentare, die mich erreicht haben. Wir waren nach dem Interview in Théoule, im Lieblingsrestaurant, essen. Schwierig, im Sommer in angemessener Zeit dorthin zu kommen, noch schwieriger, einen Parkplatz zu finden. Aber der lange Fußweg oberhalb des Meeres belohnt einen mit einer sagenhaften Aussicht. Das Restaurant hat keinen Blick, aber das Essen ist köstlich.


Hier noch ein Song, der es nicht in die Sendung geschafft hat und dessen Titel das Motto des Buches “Von hier bis ans Meer” wurde: Il est où le bonheur? Il est où? Wo ist das Glück? Wo ist es denn? Die Antwort am Ende des Videos (das nicht so berauschend ist, aber naja) – Il est là le bonheur! singt Christophe Maé, il est là! und zeigt auf seinen Kopf und sein Herz.

Voilà, so viel für eben. Ich schreibe noch schnell den neuen Krimi fertig und dann mache ich auch ein paar Tage Urlaub und dann … lesen Sie wieder mehr von mir. Aber in der Zwischenzeit können Sie ja in das neue Buch reinschauen. Ich bin sicher, auch treue Blogleserinnen- und indirekte Lebensbegleiterinnen finden noch jede Menge Neues darin. Sonst wäre es ja nicht nötig gewesen, es zu schreiben. à bientôt!

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Radio

Mein neues Buch erscheint in den nächsten Tagen und ich darf am kommenden Sonntag 16.08.2020 im Radio darüber erzählen: von 11 bis 12, eine ganze Stunde lang sprechen wir mit Heikel Knispel vom und im WDR4 über das Buch, den Commissaire, Frankreich und das Leben. Ich werde live zugeschaltet :-) boah, wie aufregend! Ich freue mich total und wenn Sie reinhören wollen, wäre das natürlich wundervoll!

Der Link zum Radio via Internet (falls Sie WDR-empfangsfern leben) ist dieser hier. Man klickt dort das Dreieck im Kreis vor “Live-Hören” an, ein weiteres Fenster öffnet sich und dort klickt man noch einmal auf das kleine schwarze Dreieck “Live” und los gehts …

Bis Sonntag!

ps: Ich durfte mir (vorbereitend) ein paar Musikstücke wünschen, bei der Auswahl der deutschen Musik merkte ich, dass ich eindeutig in den Achtzigern hängengeblieben bin. Spliff hätte es auch gut auf die Liste schaffen können, aber man kann nicht alles … und oh weia, diese Klamotten ;-)

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Je l’aime à mourir

Ein verlängertes Wochenende in den Bergen. Freitag Abend bis Montag früh. Es war das Sommerfest, das der Dorfpatronin Sainte Anne gewidmet ist, und man kann nicht nicht teilnehmen. Also, ich denke zwar immer, wenn ich “unten” an der Küste “in der Stadt” bin, herrjeh, das Fest kann auch mal ohne mich stattfinden, ich tue mir den beschwerlichen Weg jetzt nicht an, einschließlich der Planung und der Einkäufe, für das, was man an den paar Tagen mit allen Eventualitäten (Überraschungsgäste zum Essen) vorbereiten muss. Bleibt ja immer alles an mir hängen. Ich sträube mich also ein bisschen, wie jedes Jahr schimpfe ich “ich muss arbeiten, versteht das niemand”, aber dann gebe ich mich geschlagen, kaufe Essen für vier Tage und eventuelle Gäste, Zucker für eventuell zu kochendes Johannisbeergelee und wir fahren los. Oben bin ich wie immer sofort versöhnt, es ist so still, die Luft ist frisch, alles ist grün. Am nächsten Morgen mache ich einen üppigen Fantasie-Kartoffelsalat und stelle Teller, Gläser und Besteck auf einen Tisch bereit für die, die es für das gemeinsame Essen nicht mitgebracht haben. Monsieur hilft beim Tische aufstellen; das große Essen findet traditionell hinter unserem Haus statt; Zelte und Stühle werden ebenso vor der kleinen Kirche aufgestellt, die Messe findet dieses Jahr draußen statt und zwar schon um 11 Uhr. Eine Musikerin fällt kreidebleich aus dem Auto. Was für eine Strecke! Und sie soll jetzt singen? Ihr ist noch ganz schlecht.

Ich pflücke noch schnell ein paar Wiesenblumen für Ste. Anne und dann gehts los. Wir wissen nicht, wieviele Menschen kommen werden, aber es werden viele! Manche kommen die ganze Strecke zu Fuß mit Rucksack und Kind und Hund, manche im Auto, das sie mehr oder weniger weit unten abgestellt haben. So viele waren wir noch nie, vermutlich, weil es dieses Jahr “unten” im Dorf aus COVID-Gründen kein Sommerfest und kein gesetztes Essen geben kann.

Wir haben einen neuen Pfarrer, er ist jung, locker und bezieht die Kinder mit ein, später auch noch die herumlungernden Jugendlichen, die eigentlich nur für den Apéro gekommen sind, und sichtlich geniert sind, dass sie etwas tun sollen, außerdem bietet er (das habe ich noch nie erlebt) einen Segen an, für die, die “aus Gründen” nicht zur Kommunion gehen “dürfen” (weil geschieden oder aus wasweißichfürGründen), aber dennoch ein “Zeichen” erhalten wollen. Einige machen das, es gehen aber trotzdem auch ein paar “Geschiedene” zur Kommunion (aber die kennt er ja noch nicht ;-) ). Dann wird Sainte Anne in einer Prozession zu ihrem kleinen Oratoire getragen, vier Frauen braucht man dafür, ich werde eine von ihnen und daher gibt es keine Fotos von der Prozession. Wir singen Sainte Anne bonne mère in unendlichen Strophen. Da wir von etwa zehn herumspringenden Hunden begleitet werden, gibt es spontan auch einen Segen für die Tiere und für alle Tiere im Mercantour (er erwähnt den Wolf aber vorsorglich nicht) und für die, die mit Tieren arbeiten. Nach der Messe gibt es einen Apéro und danach das Essen, die Tische reichen gerade so aus, die Abstandsregeln können aber nicht wirklich eingehalten werden. Alle haben etwas mitgebracht und Schüsseln mit Salaten sowie Wein werden von Tisch zu Tisch weitergereicht, die Bürgermeisterin hat Bleche mit Pizza, Pissaladière und Quiche, das Grillgut (Würstchen und Koteletts) sowie Blechkuchen zum Dessert gespendet. Ich koche später literweise Kaffee. Und die Sängerin, Elodie Atlantis, singt zur Gitarre jazzig angehauchte Songs, französische Chansons und später wird sogar getanzt.

Der Höhepunkt wird ein improvisiertes Konzert mit dem jungen Pfarrer: im Duett singen er und Elodie “je l’aime à mourir” von Francis Cabrel. Ein Chanson, das Cabrel vielleicht seiner kleinen Tochter gewidmet hat, es bekommt einen anderen Sinn, wenn man den Pfarrer singen hört. Auf jeden Fall ist es bewegend, er bekommt viel Applaus, die Sängerin sowieso auch, sie hat ein fabelhaftes Drei-Stunden-Konzert gegeben, ohne zu ermüden! (kleine Info am Rande: der neue junge Pfarrer hat zukünftig 19 Gemeinden mit sämtlichen Weilern und allen Kirchen und Kapellen zu betreuen, von Malaussène bis Puget-Théniers reicht sein Gebiet, und er ist ebenso der Supervisor des Diakons, der eigentlich der Allgemeinmediziner des Tals ist, und der sich zusätzlich zu seiner Landarzttätigkeit um 9 Gemeinden (einschließlich der Weiler) als Seelsorger kümmert. Der Pfarrer wirkt ganz bodenständig, hoffen wir, dass er diese Belastung aushält, der letzte junge Pfarrer ist nach ein paar Jahren mit einer Krise (Depression, Burnout) gegangen.)

Ich hoffe, Sie können es in Ihrem Land hören – und falls Sie, wie ich hier, bevor das Musikvideo losgeht, mit einer ekligen Werbung für einen manuellen Ohrenschmalzentferner belästigt werden, die kann man nach drei oder vier Sekunden wegklicken (unten rechts im Video). Cabrel  ist übrigens ein sympathischer und bescheidener Mensch, der immer noch völlig skandalfrei mit seiner Familie in dem Provinznest lebt, in dem er aufgewachsen ist und dort unter anderem im Gemeinderat tätig ist.

Ich bin jetzt doch froh, dabei zu sein und gerührt, so dazuzugehören, alle begrüßen mich voller Freude, wenn derzeit auch ohne Küsschen, sie wären enttäuscht gewesen, wenn ich “in der Stadt” geblieben wäre und “ihr Fest” nicht mitgefeiert hätte. Und wie immer plaudert man mit allen über alles, (wie gehts dem Vater, den Tieren, den Kindern) Immer gibt es jemanden, der die “ehemalige” Schule ansehen will, ich führe ein bisschen herum und erzähle und ich zeige auch bereitwillig die Bienen, die zwischen Fenster und Fensterladen im ersten Stock arbeiten.

Ist das nicht beeindruckend, was sie da schaffen?

Gegen 15 Uhr geht das Fest zu Ende, bis alle sich verabschiedet haben, alle Tische hochgeklappt und alles aufgeräumt ist, wird es 16 Uhr. Wir fallen in eine tiefe Sieste und schaffen es dann auch nicht, wie verabredet, abends nach unten ins Dorf, sondern machen ein Feuer an und spielen Rommée und lesen und gehen früh ins Bett.

Am nächsten Vormittag sammelt Monsieur an den zum Teil von Raupen abgefressenen Sträuchern Johannisbeeren und ich sammle Cassis, schwarze Johannisbeeren, die schon etwas vertrocknet sind, aber die dem später gekochten Gelee dennoch Farbe und Geschmack geben. Bei uns läuft das noch ganz altmodisch und Monsieur dreht den gewaschenen und aufgekochten Beerenbrei durch eine Flotte Lotte. Der so entstandene dickflüssige Saft wird mit 800g Zucker auf ein Kilo Saft aufgekocht – danach geht es nach “Gefühl”, ab wann das Gelee geliert – 25 Minuten werden angegeben, bei uns war es nach nichtmal 15 Minuten so weit.

Mittags hatten wir aber noch einen Gast zum Essen; ein junger Mann, Franzose, der elf Jahre lang in Deutschland gelebt und nun Frau und Kinder dort zurückgelassen hat – eigentlich ist es seine Frau, die genug von seinem “Exotismus” hat und sein spontanes, geselliges, lautes und unorganisiertes “Französisch-Sein” in ihrem wohlgeordneten deutschen Alltag nicht mehr erträgt. Es kränkt ihn sehr und rührt mich an, weil ich zum ersten Mal spüre, dass nicht nur ich in diesem fremden Land eine Anpassungsleistung vollbringe (was ich gerne mal glaube) sondern auch Monsieur und mein Umfeld müssen mich in meiner unspontanen und oftmals ungeselligen, dafür aber direkten und “unhöflichen” Art ertragen. Abends frage ich Monsieur, ob er vielleicht auch genug von mir und meiner deutschen Art habe, aber er drückt mich fest und küsst mich und sagt, ich sei ein Geschenk des Himmels. Und das nach zehn Jahren Ehe. Je l’aime à mourir.

Wir fahren montags früh weg, zumindest wollen wir das, nachdem wir gepackt, den Gemüsegarten der Kinder ordentlich gegossen, Gas, Wasser und Strom abgestellt haben, aber dann hat das bereits gepackte Auto einen platten Reifen, alles wieder raus aus dem Auto und ein Mini-Ersatzrädchen drangeschraubt, mit dem wir jetzt hypervorsichtig die Holperstrecken bergab fahren. Wir sagen in einem benachbarten Weiler noch bei einer lieben Freundin kurz “Coucou”, bekommen Milchkaffee und selbst gemachte Zitronen-Minz-Limonade und dann tuckern wir langsam (nicht schneller als 80km/h sind mit dem Mini-Reifen erlaubt) nach Hause.

Die erste Zucchini! Hier sieht man übrigens schön den Unterschied zwischen männlichen (nicht weit geöffneten und an der Zucchini hängenden) und weiblichen (die geöffneten) Zucchini-Blüten!

Ich wollte noch so viel geschrieben haben, von Macrons neuem Kabinett, von Corona und Cannes und trallala, aber das fällt alles meinem alljährlichen Krimi-Schreiben zum Opfer. Dies ist voraussichtlich der letzte Artikel … vor dem nächsten … wann auch immer. Genießen Sie den Sommer! Bleiben Sie mir gewogen! à bientôt!

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intervalle des créateurs

Kleines Kreativ-Kunst-Event im Viertel: @IntervalleDesCreateurs. Eine kleine neue Galerie: La Banane, ein Modeschöpfer: Art de la Couture, eine Grafik-Design-Agentur: Hypersthène und ein Architekt: Palladium haben sich zum ersten Wochenende der portes-ouvertes zusammengefunden und das untere Ende der Avenue de Grasse in eine Open-Air-Kunstgalerie verwandelt. Sie wollen von nun an monatliche Zusammenkünfte zwischen den Kreativen, ihrer Kunst und den Anwohnern schaffen, um sich kennenzulernen, zu plaudern, ein Glas zu trinken, das Viertel lebendiger zu machen. Gelebte Kunst-Nachbarschaft. Heute mixte Pedro, le Couturier, Schneider und Modeschöpfer, vor seinem Atelier Mojitos mit und ohne Alkohol. Merci dafür! Sehr nettes Ambiente, junge und weniger junge Menschen vermischten sich aufs Angenehmste und kamen miteinander ins Gespräch! Bravo! Belle initiative!

Dieser Titel fiel mir vorhin noch ein “kommt zusammen” – passt zum Event und ist sommerlich-leicht.

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WmdedgT 07/2020

Ich bin einen Tag zu spät für das Tagebuchbloggen “Was machst du eigentlich den ganzen Tag” am 5. jeden Monats, wie es Frau Brüllen regelmäßig erfragt, aber das Wochenende war bewegt und wir kamen erst gestern Nacht zurück. Ich schreibe den 5. also am 6. und reihe mich dennoch ein (so es noch geht).

Gestern vor fünfzehn Jahren, am 5. Juli 2005, bin ich nach Frankreich aufgebrochen. Vor fünf Jahren habe ich mich schon einmal daran erinnert, das will ich jetzt nicht schon wieder tun, aber was ist nicht alles passiert in diesen fünfzehn Jahren!

Sehr schön, dass wir an diesem Wochenende zu einer Hochzeit “da oben” in den Bergen eingeladen wurden, die, erst abgesagt, dann verschoben auf nächstes Jahr, jetzt doch, wenn auch nur im kleinen Kreis, stattgefunden hat. Und aufgrund der Situation war alles, einschließlich der Trauung, eine Open-Air-Veranstaltung, selbst die Mairie deplatzierte sich auf die Wiese unter dem Collet de Sen. Es war ma-gni-fique. Ich werde hier nicht die Hochzeitsfotos von Freunden veröffentlichen, das verstehen Sie, genauso wie ich versprochen habe, nicht die Fotos der Schäferfamilie und ihren Kindern zu posten, die am anderen Ende der Wiese am frühen Abend ihre Schafe molken.

Es war alles so idyllisch. Später dann aßen wir im kleinen Kreis auf dem ehemaligen Dreschplatz vor der ehemaligen Scheune der Großeltern der Braut. Ein Freund spielte Klavier, es wurde gesungen, erzählt, gelacht und dann ging großartig der Mond auf, den ich natürlich mit meinem Telefonapparat nur so klein und schwummerig erhaschte, aber es war ein ganz wundervoller Abend! Das alles war am 4. Juli.

Wir übernachteten im Sommerhaus, das noch einmal ein paar hundert Meter höher in diesem idyllischen Weiler liegt und über einen abenteuerlichen Feldweg erreicht wird. Ich erzähle es immer wieder, wenn Sie hier schon lange mitlesen, wissen Sie das alles. Da oben sind es nur noch 12 Grad, wir legen noch eine Wolldecke über das Deckbett und schlafen in den 5. Juli. Monsieur, wie immer ein Frühaufsteher, macht schon Kaffee und hat in aller Frühe bereits Besuch von anderen Sommergästen, ein junger Mann mit seiner reizenden zweijährigen Tochter ist auch im Weiler. Der junge Mann verspricht, sich um den eigentlich nagelneuen Durchlauferhitzer, der aber regelmäßig-unregelmäßig zickt, zu kümmern. Eigentlich wollte ich bei einer Gas-Installation genau dieses Gebastel von selbsternannten Installateuren vermeiden, aber der richtige Installateur ist wie letztes Jahr, oder war es schon vorletztes Jahr?, nicht zu erreichen. System D für débrouille-toi, wörtlich “entwirr dich selbst”, meint “sieh zu, wie du allein klarkommst”, ist in den Bergen immer noch die beste Methode, um etwas (zeitnah und überhaupt) repariert zu bekommen.

Ich trinke meinen Kaffee auf der kleinen Terrasse in der Stille und der kühlen Bergluft, es ist sommerlich und sonnig, aber ein Fleecepullover über dem Nachthemd ist morgens schon vonnöten. Ich weiß, dass andernorts Sätze wie “und irgendwo bellte ein Hund” voller Spott gesammelt werden, so etwas banales schreibt kein(e) anständige(r) SchreiberIn in einem Text, aber hier pfeift “irgendwo” erst ein Murmeltier und später bäht und mäht und bimmelt “irgendwo” eine ganze Schafherde, die zu ihrem heutigen Weideplatz zieht. Würde ich mich nähern, bellten sicher auch die Hütehunde, aber ich trinke meinen Kaffee und höre sie nur “irgendwo”, und bin wie jedes Jahr gerührt.

Was ich auch höre und zwar ganz konkret, sind die Bienen, die auch wie jedes Jahr ihren Platz zwischen Fenster und Fensterladen gewählt haben. Vor drei Tagen sind sie “eingeflogen”, man hatte uns angerufen, und sie bauen, eifrig wie immer, ihre Waben. Hier waren schon immer Bienen erzählen die “Alten” jedes Jahr, und nur deswegen habe Monsieurs Großvater sich als Imker versucht, weil die Bienen einfach jedes Jahr wieder kamen, allen Widrigkeiten zum Trotz. Niemand will sie holen, zu aufwändig, zu zeitintensiv, zu weit weg, der Schwarm nicht groß genug. Wenn sie nächstes Jahr noch da sind, sagt mir jemand unten im Dorf, nächstes Jahr nähme er sie, da würde er sich als apiculteur versuchen. Lassen wir der Natur also ihren Lauf.

Dann inspizieren wir den Gemüsegarten, den die “Enkel” dieses Jahr angelegt haben, alles wächst, die Kartoffeln, die Salate, nur die Erdbeeren und Himbeerpflanzen tragen keine Früchte. Die Johannisbeeren, deren Blätter seit drei Jahren von irgendwelchen Raupen abgefressen werden (was die Beeren vertrocknen lässt), haben sich halbwegs erholt, weil man dieses Jahr alle paar Tage Raupen abgelesen hat; ich finde aber nur ein Blatt voller Raupen, die ich brav vernichte. Dann reißen Monsieur und ich Brennesseln und Kletten heraus, die beide in einer überbordenden Menge wachsen und einfach alles ersticken. Ich habe eben erst, beim Suchen der Gattung, erfahren, dass das klebrige Klettenlabkraut, das ich schnöde herausriss, ein Wundermittel in der Heilkräuterkunde ist, essbar ist es außerdem. Verhungern würde ich also nicht, das Zeug wächst wie verrückt, genau wie der Gute Heinrich, aus dem ich hin und wieder eine alternative “Spinat-Tarte” backe. Da versuche ich am Meer den Quallen zu entgehen und hole mir in den Bergen Quaddeln und “Verbrennungen” mit den Brennnesseln. Den ganzen Tag lang habe ich aufgequollene Arme und ein Pieksen in den Fingerspitzen. Wir essen zu Mittag (Spaghetti mit Tomatensoße, garteneigener Salat, Schafskäse und frischer Joghurt vom Schäfer, es ist alles so köstlich!), kurze Sieste, dann kommen das Hochzeitspaar und seine Gäste, fast alle in irgendeiner Form lehrend (Grundschule, Mittelschule, Universität), und wir hatten ihnen versprochen “L’éscola” zu zeigen, das Sommerhaus war früher eine Schule, das wissen Sie vermutlich auch alles schon, ich will mich nicht immer wiederholen.

Wir zeigen auch die kleine Kirche, den Weiler und danach gibt es Picknick (sie haben alles mitgebracht) auf der Terrasse (Im baumlosen Garten ist es zu sonnig, auf der anderen Seite schwärmen die Bienen), wir sitzen eng (keine Distanz!) aber immerhin sind wir draußen. Dort bleiben wir und erzählen und essen und trinken und es ist wunderbar sommerlich und alle sind wir gutgelaunt. Erst gegen Acht Uhr abends brechen die Gäste auf und wir werfen alles Geschirr in den Geschirrspüler und sammeln die Dinge zusammen, die wir wieder mit hinunter nehmen wollen, messen noch ein paar Ecken aus, es gibt Möbel aus dem Haushalt der Schwiegermutter unterzubringen, niemand will etwas haben; dann warten wir, bis die Spülmaschine fertig ist, schalten Strom, Gas und Wasser ab, schließen die Fensterläden und die Türen und fahren gegen 21 Uhr los.

Um halb Zwölf sind wir wieder in Cannes. Die Katze bekommt Fressi und Streichler und dann fallen wir hier ins Bett. Die Luft ist schwül und klebrig. Morgen, nehme ich mir vor, morgen suche ich den Ventilator (den ich bis eben nicht gefunden habe).

Danke fürs Lesen! Die anderen Tagebuchblogger gibt es, wie immer, HIER.

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