Anora – La Palme d’or 2024

Nun, ich reiche es hier noch nach, falls Sie es noch nicht anderweitig gelesen haben, “Anora” hat die Goldene Palme 2024 in Cannes bekommen. Anora ist der Vorname der Sexarbeiterin, die in einem Nachtclub, vielleicht ist Stripclub das bessere Wort, arbeitet. Einer ihrer Kunden ist der sehr junge Ivan, der Sohn einer ultrareichen russischen Oligarchenfamilie, der sich ein paar schöne Tage in New York macht, wo die Familie ein protziges Anwesen besitzt. Er bezahlt Anora dafür, dass sie eine Woche mit ihm verbringt, es erinnert hier leicht an “Pretty Woman”, in dieser Woche wird gefeiert getrunken und gekokst, was das Zeug hält, Ivan ist begeistert von Anora, die alles mitmacht und sich nebenbei von ihm vögeln lässt. Er macht ihr einen Heiratsantrag und sie heiraten spontan in Las Vegas. Großer Schock als das bis nach Russland durchsickert, die armenischen Aufpasser des jungen Ivan sind in Schwierigkeiten, wie konnte das passieren? brüllen die russischen Eltern durchs Telefon, und reisen unverzüglich im Privatjet an, damit diese Ehe mit allen Mitteln annuliert wird.

Die Zuschauer werden kurz vor Filmbeginn noch einmal auf die kommenden Sex- und Gewaltszenen hingewiesen, ich erwarte das Schlimmste, aber die Sexszenen sind nicht verstörend, später kämpft die kleine Anora tapfer gegen die bulligen Armenier, während ihr frisch angetrauter Ehemann sich aus dem Staub macht. Das alles ist auch komisch. Selten habe ich bei einer Goldenen Palme so viel gelacht. Ob es unbedingt der richtige Film für diese große Auszeichnung ist, das sei dahingestellt. Katja Nicodemus von der ZEIT ist auf jeden Fall enttäuscht, man hätte die Palme, so findet sie, dem aus dem Iran geflohenen iranischen Regisseur Mohammad Rasoulof für den heimlich gedrehten Film “The seeds of the sacred fig” geben und damit auch ein politisches Statement abgeben sollen, hier ein link zu arte und einem Interview mit ihm, anstatt ihn mit einem eigens geschaffenenen Preis “abzuspeisen”. Ihren Rückblick und ihre Enttäuschung über ein Festival das unpolitisch in seiner “Blase” geblieben ist, könnten Sie sich hier anhören.

Ich hatte mich am Samstag früh für Karten angestellt, Sie wissen, dass es für die Einwohner von Cannes, die sich mit Wohnsitznachweis in Form etwa einer Telefonrechung bei der Stadt einfinden (derzeit im Gebäude der Hafenmeisterei), pro Haushalt jeweils zwei Karten für die Goldene Palme, die einen Tag nach dem Festival gezeigt wird, gibt. Was ich nicht wusste, ist, dass dieses Kartenkontingent endlich ist. Bislang wurde mir immer erzählt, es gäbe so viele Vorstellungen wie es Interessenten gäbe. Njet. Es gibt drei Vorstellungen, ein Großteil der Karten geht vermutlich vorab an die Vereine und ich weiß nicht wohin, und der Rest ist “so lange Vorrat reicht” unter den erwähnten Bedingungen erhältlich. Man muss rechtzeitig da sein, das Büro öffnet um 9 Uhr. Ich war um 10 Uhr da und stand so weit hinten am Kai, wie nie zuvor.

Angeblich waren Menschen schon um 7 Uhr da. Das Besondere in französischen Gruppen, auch wenn sie sich wie hier in einer Schlange formieren, ist, dass immer sofort mit den Umstehenden gequatscht wird. Ich bin ein bisschen müde, vormittags bin ich nicht die Gesprächigste, ich tausche ein paar lustlose Sätze mit der Dame hinter mir aus. Vor uns steht eine weißblonde Dame russischer Herkunft und man diskutiert den Ukrainekrieg. Man ist pro Putin, es macht mich fertig, diesen Mist anhören zu müssen, aber ich habe weder Energie noch Lust, mit einer Russin und ein paar selbsternannten Spezialisten zu diskutieren. Es reicht mir, dass ich das am Dienstag wieder mit meiner weltpolitisch ebenso bewanderten Friseurin durchkauen muss. Die Russin ist außerdem Influencerin und hauptberuflich auf Kreuzfahrtschiffen unterwegs. Sie zeigt ein paar Videos von sich auf irgendeinem Schiff. Das beeindruckt die Umstehenden, man diskutiert Kreuzfahrten, die Russin hat Kontakte und kann Kreuzfahrten verbilligt anbieten, sie liest die zehn Namen der Unternehmen vor, für die sie arbeitet. Das interessiert die Dame hinter mir und zum Austausch der Telefonnummern rückt sie ein paar Plätze nach vorne und bleibt so plaudernd neben der Russin stehen. Ich lasse es zu, denn so finden die spannenden Gespräche vor mir statt und ich stehe nicht mehr mittendrin, während wir schrittchenweise vorrücken. Ich betrachte den Yacht-Alltag, ein junger Mann reinigt und weißelt per Hand zentimerterweise ein Schlauchboot, ich mache Fotos und schweige.

Plötzlich geht das “Gerücht” durch die Reihe, dass die 18 Uhr Vorstellung complet sei. Es gäbe nur noch Karten für die 14 Uhr Vorstellung. Ist mir egal, ich wollte sowieso Karten für die 14 Uhr Vorstellung. Wir kommen der Hafenmeisterei näher. Es gäbe nur noch 48 Karten heißt es plötzlich. 48?! Ich zähle die Köpfe vor mir. Etwa hundert. Aufregung in der Reihe. Ich werde auch aufgeregt, dass ich keine Karten bekommen könnte, hatte ich nicht bedacht. Wie soll ich das der Freundin sagen, die extra deswegen anreist, und der ich vollmundig Karten versprochen habe?

Exakt eine Stunde später stehe ich endllich auf den Stufen zur Hafenmeisterei.

Vor mir noch etwa fünfzehn bis zwanzig Personen. Schluss. Aus. Keine Karten mehr, heißt es jetzt. Es beginnt ein lautes Diskutieren an der Tür, die irgendwann mit Hilfe der Security geschlossen wird. Sofort stehen fünf Security Männer in schwarzen Anzügen vor der geschlossenen Tür. Es ist zwecklos. Ich bin fassungslos und so enttäuscht. Wäre es nur um mich gegangen, dann hätte ich gesagt, tant pis, na gut, dann eben nicht. Aber die Freundin! Wie soll ich ihr das sagen? Ich gehe zur Nervenstärkung erstmal ein Eis essen. Dann rufe ich die Freundin an, sie sitzt im Zug zum Flughafen. Sie IST enttäuscht. Sehr.

Wieder zuhause, rät mir die Familie, es anderntags mit einem Zettel “Suche Karten” zu versuchen. Der Rat, den ich ja auch immer gerne gebe, wenn man mich fragt, wie man hier an Karten kommen könnte. Das mache ich auch. Anderntags um 13 Uhr komme ich zum Palais des Festivals und die Schlange für den Einlass, der noch nicht begonnen hat, ist schon lang. Ich ziehe meinen Zettel aus der Tasche, atme einmal kurz durch und laufe freundlich lächelnd an der Schlang entlang. Bedauerndes Kopfschütteln hier, abweisende Blicke da. Aber dann zieht eine Dame eine Karte aus einem Umschlag. Eine hätte sie übrig! Super! Ich bin so froh, wenigstens die Freundin hätte ihre Karte! Und dann bekomme ich die zweite Karte zugesteckt! Boah! So schnell! Beide Karten im Balkon, wir werden nicht getrennt sein! Es gibt keine reservierten Plätze, aber wir können uns zwei Plätze zusammen suchen.

Vorausgesetzt die Freundin ist rechtzeitig da, denn sie sitzt in einem Vorort fest und es kommt kein Bus. Ich warte am Security-Check und sehe, wie hier noch manche(r) versucht, Karten loszuwerden. Denn ja, man nimmt samstags früh natürlich immer zwei Karten, aber dann erfährt man am Samstag Abend, welcher Film die Goldene Palme bekommen hat, auf den manch eine(r) dann keine Lust hat. Oder die Begleitperson hat keine Lust oder Zahnweh oder weiß der Kuckuck. Ich kann jetzt also aus eigener Erfahrung sagen, dass man, wenn man sich traut, nach Karten zu fragen, man mit ziemlicher Sicherheit auch eine bekommt oder gar zwei.

Und ja, die Freundin schafft es, wir liegen uns kurz in den Armen, dann stürmen wir die roten Stufen hinauf, genießen kurz den Blick, machen ein Selfie (nicht dokumentiert) und suchen uns einen Platz.

Der Film bekam wenig Applaus, auch mich hat er nicht komplett hingerissen. Er ist sehr laut, sehr schnell, “bodenständig” und linear erzählt, und die Dialoge bestehen fast nur aus dem Wort “fu**” in allen denkbaren Variationen. Aber ich finde ihn dennoch gut. Der Blick auf die Welt der Sexarbeit im amerikanischen Kino ist ein Verdienst. Die junge Schauspielerin Mikey Madison ist beeindruckend. Und bei allem Elend ist der Film auch komisch. Sean Baker hat seinen Film in seiner Dankesrede allen Sexarbeiterinnen früher, heute und zukünftig gewidmet. Das hat es in Cannes auch noch nicht gegeben.

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Monaco und anderes

Eigentlich ist es umgekehrt, erst kommt etwas anderes, dann die Fotos von Monaco, aber es hörte sich überschriftsmäßig nicht sehr rund an und ich wollte das inflationär genutzte “dies und das” heute mal vermeiden.

Kurzer Besuch in Deutschland also, am Flughafen in Nizza entging man dem Festival aber auch nicht. Ich vermute stark, es handelt sich nur um Deko und es wird kein ausgelagertes Festival-Event in der Flughalle des Terminal 1 geben.

Ausnahmsweise hatte ich beim Hinflug einen Fensterplatz, die Umbuchung des Sitzplatzes ist jetzt (bei den Economy-Flügen) kostenpflichtig, also lasse ich mir den Fensterplatz gefallen und auf dem Rückflug zähneknirschend den mittigen Platz, den ich wirklich nicht mag. Der Blick aus dem Fenster aber bringt mir das Foto zum vorletzten Artikel, in dem ich berichtete, dass sich der vom Regen aufgewühlte und verschlammte Fluss Var bei St. Laurent ins Meer “wirft”. Hier sehen Sie, wie das aussieht. Ganz rechts im Bild sieht man den sich dahin schlängelnden Fluss, die Mündung aufzunehmen habe ich leider knapp verpasst, aber das Ergebnis ist eben Schlammgrau in Türkis.

Auf dem Rückflug erlebe ich zum ersten Mal, dass die Business Class die Hälfte des Flugzeugs einnimmt, viele mittelalte und ältere Herren sitzen dort, der Sprache nach amerikanisch, mit edlem Sporthemd und Baseballkappe. Die Formel 1 lässt schön grüßen. Und damit sind wir auch schon beim Thema. Ich war bisher nur ein paar Mal in Monaco und noch nie während oder gar wegen der Formel 1. Schnelle und zudem viel zu laute Autos im Kreis fahren zu sehen, ist überhaupt nicht mein Ding. Monsieur war als junger Mann mehrmals als Zuschauer dabei, heute schaut er sich das Spektakel lieber gemütlich vom Sofa aus an, wo es allerdings oft so langweilig ist, dass er dabei einnickt. Früher, ja früher, als noch nicht alle Autos gleich schnell fuhren und es noch weniger Sicherheit gab, dafür aber spektakuläre Überholmanöver und leider auch immer wieder Unfälle, brennende Autos und verletzte Fahrer, da war die Formel 1 noch spannend. Der letzte Tote in der Formel 1 war Ayrton Senna (1994 beim Grand Prix von San Marino/Imola). Das habe ich aus dieser makabren Liste. Es gibt ja Listen für alles. Aber der Tod von Jules Bianchi, einem sehr jungen Rennfahrer aus Nizza, der aus einer südfranzösischen Rennfahrerfamilie stammte und 2014 in Japan verunglückte und an den Spätfolgen starb, ist der, an den man sich hier am meisten erinnert. Ich persönlich erinnere mich nur an den Unfall von Niki Lauda. Dazu gibt es übrigens Videos im Internet, die man sich ohne die heute so übliche Vorwarnung für “sensible Menschen” anschauen kann. Aber das verlinke ich Ihnen nicht.

Als wir kürzlich von Beausoleil, das ja an Monaco grenzt, zum monegassischen Hafen wollten, um die in der Zeitung erwähnte historische Ferrari-Sammlung im Auto-Museum des Fürsten anzusehen, stießen wir auf Absperrungen und Umleitungen und sahen von Ferne Tribünen. Aah! Hier denken Sie sich ein “Mit-der-Hand-auf-die-Stirn-klatsch-Geräusch”. Die Formel 1! Wie konnten wir das nur vergessen? Erstaunlicherweise finden wir doch noch einen Parkplatz in einer kleinen Seitenstraße unweit des Hafens und erkundigen uns bei einem Mitarbeiter der Stadt (in erkennbarer Warnweste), der gerade einer Dame beim Aufladen ihres Elektroautos hilft, nach dem Weg zur Ausstellung. Er erklärt uns den Weg, sagt aber auch, dass wir wahrscheinlich nicht hinkommen, weil alles abgesperrt ist, oder wir möglicherweise lange Umwege machen müssen oder vielleicht über die “passerelle” auf die andere Seite kommen. Ich werde etwas aufgeregt, als wir uns in den Strom der Menschen einreihen, die sich an den Absperrgittern vorbeischieben.

Aber es ist natürlich kein richtiger Formel-1-Tag, letztes Wochenende fand hier der “Historische Grand Prix von Monaco” statt, aber heute ist ein ganz normaler Montag, die Autos, die auf der Rennstrecke an uns vorbeifahren, sind “normale” Porsche, Mercedes oder Nullachtfünfzehn, dazwischen auch ein paar Motorräder.

Die passerelle, eine Behelfsbrücke, ist gesperrt, aber es gibt überraschend eine kleine Öffnung in der Absperrung.

Überqueren auf eigene Gefahr, Blick nach links (eigentlich überflüssig), Blick nach rechts (von dort kommen heute alle) und los.

Wir hoppeln über die Rennstrecke, ich gebe zu, dass ich das aufregend finde,

dann unter Tribünen und über Behelfstreppen zickzack zum Hafen hinab, vorbei am Automobilclub (der andere Prestigeträchtige Verein Monacos neben dem Yachtclub),

Blick aufs Schwimmbad, Monte Carlo und Monaco. Und überall Tribünen.

Die Ausstellung aber hat bereits geschlossen, man kann sich noch so sehr die Nase am gläsernen Eingang platt drücken, man sieht absolut nichts von den Ferraris. Dann also auf dem gleichen Weg wieder zurück.

Monsieur bestaunt wenigstens den neuen Lotus und einen neuen Ferrari in einem Autohaus,

Wir kommen am Polizeirevier vorbei, dort eine Büste von Fürst Rainier, mit rot-weißem Blumenschmuck (rot-weiß sind die monegassischen Nationalfarben)

ich mache noch ein paar Bilder und dann fahren wir schon wieder davon.

Nach zwei Umleitungen sind wir plötzlich auf der Rennstrecke! Und das mit unserem kleinen Fiat, ich kann es nicht glauben, und ich kann kein Foto machen, weil ich fahren muss, herrjeh!

Wer sich für alte Ferraris interessiert, hier ein kleiner Einblick: Die Erfolgsgeschichte von Ferrari begann 1950 in Monaco! In der Ausstellung sind alle Ferraris zu sehen, die von berühmten Rennfahrern (Niki Lauda! Michael Schuhmacher!) gefahren wurden und heute privaten Sammlern gehören! Nebenbei gibt es einige Filmschnipsel von den fast gemütlich anmutenden Autorennen der 50er Jahre, als die kleinen runden Autos noch ohne Sicherheitsvorkehrungen an den Geschäften und Cafés der Innenstadt vorbeifuhren, und von heute.

Und falls Sie sich jetzt für den Grand Prix de Monaco interessieren, der findet jetzt am Wochenende statt. Gut sehen könnten Sie das Spektakel etwa von einer Hochhausterrasse oder von einer Jacht, wenn Sie dafür vielleicht schnell noch ein VIP-Paket erstehen wollen. Buffet, Champagner und Anti-Lärm Kopfhörer inklusive. Preis für die Hochhausterrasse am morgigen Samstag etwa ab 4950€. Schnäppchen.

Man setzt hier übrigens große Hoffnungen in den jungen Monegassen Charles Leclerc, ein enger Freund von Jules Bianchi.

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Dies und das am Pfingstmontag

drei Freundinnen

Dann bekommen Sie gleich noch einen Meer-Eindruck von heute früh. Es war nicht sehr sonnig, auch nicht sehr warm. Der Fünfmaster ist weg, dafür haben wir ein Kreuzfahrtschiff bekommen. Wir gehen nacheinander schwimmen; als ich ins Wasser gehe, kommt Wind auf, Ostwind, der mich deutlich nach Westen treibt. Ich muss im Prinzip die ganze Zeit gegen Wind und Wellen nach Osten schwimmen, um wieder zurück an den Strand zu kommen, an dem mein Handtuch liegt. Es ist anstrengend und irgendwann lasse ich es sein und lasse mich nach Westen treiben und versuche die Kurve zum nächsten Strand zu bekommen. Von dort laufe ich zurück.

Vom Strand aus sehe ich (neben Kreuzfahrtschiff und Fischerboot) einen Stand-up-Paddler (winzig klein, rechts von den gelben Bojen, sorry für die schlechte Handy-Qualität), der rasant schnell in den Westen rauscht, wie der wieder zurückkommen wird, frage ich mich. Auch zu Fuß?

Zuhause bereite ich das Mittagessen vor, es soll ein Schweinefilet (Filet mignon) auf einem Frühlingsgemüsebett geben, alles zusammen geschmort im Backofen, nach einem Rezept von Aurelie Bastian alias @französischkochen. Als ich gerade alles in den vorgeheizten Ofen schieben will, geht mit einem Schlag der Backofen aus. Ich drücke auf die Lichtschalter, auch sie reagieren nicht. Es ist also nicht nur der altersschwache Backofen, sondern eine größere Störung in der Wohnung oder im Haus. Die Sicherung ist jedoch nicht rausgeflogen. Ich versuche das Licht im Treppenhaus anzuschalten. Ebenfalls vergeblich. Ich warte ein paar Minuten, kurze Stromausfälle haben wir hier immer mal wieder. Aber nach zwanzig Minuten rufe ich den Stromanbieter Enedis auf der Hotline an. Das geht natürlich nur, weil ich ein Mobiltelefon habe, das Festnetztelefon funktioniert nicht ohne Strom – bevor man mich zu einem echten Menschen durchstellt, erzählt mir eine Computerstimme, ich möge erst sicherstellen, dass ich meine Stromrechnung bezahlt habe und ansonsten doch im Internet nachschauen, woran die Panne läge. Dass man ohne Strom im Internet in der Regel nichts recherchieren kann, zumindest nicht am PC, regt mich immer wahnsinnig auf. Aber dann habe ich schon einen Herrn am Telefon, dem ich die Störung in Cannes melde. Er prüft und schweigt. Es sei eine Panne im secteur sagt er dann. Ein ganzes Gebiet sei betroffen. Er könne keine Auskunft geben, wie lange es dauern werde, aber man kümmere sich bereits darum. Ich denke mir, dass die hochgetunte Technik während des Festivals daran schuld ist. Gleichzeitig bin ich sicher, wenn es beim Festival auch einen Stromausfall gab, dann wird es bestimmt schnell repariert werden. Es sei denn, es ist wieder, wie letztes Jahr, eine Aktion der Gewerkschaft, die dem kapitalistischen Trallala mal eben den Strom abgestellt hat. Nun, ich warte noch ein bisschen, aber nach einer Dreiviertelstunde mache ich mich daran, das Essen auf dem Gasherd zuzubereiten. Glücklicherweise hat man im altmodischen Frankreich immer noch Gasherde! Fünfzig Minuten später, das Filet mignon ist nun im gusseisernen Topf durchgebraten, das Gemüse in der Pfanne geschmort, ist der Strom wieder da. Das Rezept kann ich empfehlen, ist einfach zuzubereiten (noch einfacher gehts vermutlich im Backofen, vorausgesetzt man hat Strom) und es war äußerst lecker!

Beim Filmfestival wurde der neue Film von Jacques Audiard gefeiert: “Emilia Perez”: ein spanisches Musical über einen Drogenboss, der aussteigen will und sich dafür einer Geschlechtsumwandlung unterzieht. Klingt skurril, hat aber ausnahmslos alle in seinen Bann gezogen. Zehn Minuten Applaus! Der Film sei ein Kandidat für die Goldene Palme wird hier laut gesagt.

So viel für heute und von hier. Jetzt bereite ich ein paar Sachen vor, denn morgen fliege ich kurz nach Deutschland. Ende der Woche melde ich mich vermutlich wieder. Passen Sie schön auf sich auf!

à bientôt!

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Am Fluss und im Meer

Auf dem Weg zum Flughafen hatten wir noch Zeit, wir waren extra früh losgefahren, um nicht in den Berufsverkehr zu geraten – auf dem Rückweg sahen wir den Stau, dem wir so entkommen waren – und hielten kurz vor dem Flughafen, am Ufer des Var an. Monsieur las oder döste vielmehr, ich machte einen Erkundungsspaziergang im Var; das wollte ich schon lange mal machen. Sie haben richtig gelesen, im Var! Der Fluss Var, der ein paar Kilometer oberhalb des Bergdorfes aus mehreren Quellen entspringt und auf seinem Weg nach unten von vielen kleinen Nebenflüssen gespeist wird, “wirft sich hier ins Meer”. Dass die Flüsse, die sich ins Meer werfen (le Var se jette dans la mer) eigentlich Ströme sind und im Französischen männlich, die Flüsse, die sich in den Strom werfen, durchweg weiblich sind, wissen Sie vielleicht, ich habe es früher schon einmal erzählt.

Der Var also, in dem man oben in den Bergen manchmal baden kann, in sehr heißen Sommern, wenn einen das sehr kalte Wasser nicht mehr schreckt, er wirft sich hier, knapp einen Kilometer vor uns bei St Laurent du Var ins Meer. Manchmal, wenn es tagelang stark geregnet hat, ist der Var (auch aufgrund seiner Schiefererde, die er mit sich führt) nicht nur sehr groß, sondern auch sehr grau und aufgewühlt und führt, trotz einiger Schleusen unterwegs, viel Unrat mit sich, das sieht man an der Mündung, wo sich das blaue Meer und die graue Schlammbrühe vermischen. Manchmal ist dann das Baden verboten, manchmal hat man auch von alleine keine Lust. Wahrscheinlich ist das Wetter sowieso schlecht.

Am Freitag war der Fluss zwar schmutzig grau und aufgewühlt, es regnet hier zur Zeit ungewöhnlich viel, aber das Flussbett war dennoch weit und leer. Manchmal ist es im Sommer so weit und leer, dass sich Wohnsitzlose dort vorübergehend niederlassen. Ist aber natürlich verboten, denn nach einem Gewitter, und davon gibts im Sommer in den Bergen viele, kann der Fluss hier unten, ohne ersichtlichen Grund (das Gewitter und der Regen in den Bergen sind hundert Kilometer weiter südlich nicht zu erahnen) überraschend schnell anschwellen. Auch oben in den Bergen, wenn man etwa eine der beliebten Wanderungen durch die Schluchten macht, steigt das eben noch nur knöchelhohe Wasser bei Regen schnell an, und man kann nirgendwo ausweichen. Ich nähere mich dem Var also vorsichtig, während ich über die Kieselsteine und den etwas schlammigen, aber festen Boden seines Flussbettes gehe. Aber natürlich passiert nichts. Ich treffe nur ein paar fette und unerschrockene Großstadttauben, die im Schlamm nach Würmern suchen.

Gestern dann war es endlich wieder so warm, dass wir morgens an den Strand gehen konnten. Es wehte dann aber doch so sehr, dass ich zunächst nicht glaubte, dass ich schwimmen gehen würde, aber nachdem ich den Strand einmal entlang gelaufen war, um den Fünfmaster (es soll das Schiff vom Club Med sein) besser sehen zu können, war es mir so warm, dass ich mich in die Wellen warf.

Am Strand traf ich übrigens eine Gruppe der “Mamadous”, der senegalesischen Straßenverkäufer. Wir begrüßten und und ich fragte wie die Geschäfte liefen. “Très bien”, sagte mir einer der ehemaligen Nachbarn. Um dann “un peu” nachzuschieben. “Un peu bien” meinte er dann schließlich. Ein bisschen gut.

Dann sah ich, wie sie einer nach dem anderen im Abstand von etwa 15 Minuten schwer bepackt den Strand entlanggingen.

Ich schwamm ein ordentliches Stück, nicht so weit wie im Schwimmbad, das Schwimmen war in den Wellen ein bisschen anstrengender als das bloße Geradeausschwimmen im Hallenbad, ich musste quasi kreuzen, um nicht an den nächsten Strand im Westen abgedrängt zu werden. Zuerst kam ich euphorisch aus dem Wasser, “jeden Tag werde ich wieder schwimmen gehen”, sagte ich großspurig, nachmittags war ich dann völlig erschöpft und machte eine zweistündige Sieste. Vor ein paar Jahren war ich noch in der Lage, das ohne das geringste Anzeichen von Müdigkeit zu tun. Älterwerden ist ein bisschen ernüchternd.

Heute früh war ich dann auch gleichmal nicht schwimmen, sondern einkaufen. Da ist es wieder. Frau darf natürlich Schwimmen, Lesen oder Schreiben, aber das Essen muss trotzdem mittags auf dem Tisch stehen, vor allem, wenn Gäste da sind. Immerhin habe ich gerade eine Stunde in “Das Lächeln meiner Mutter” von Delphine de Vigan gelesen. Ich mag den Stil, aber ich bin nicht sicher, ob das Thema und die Stimmung des Buches mir gerade gut tun.

Das Filmfestival geht ein bisschen an mir vorbei dieses Jahr. Nicht nur, dass ich keine Tickets bekommen habe (ich ging bei der Verlosung von Kartem, Invitations wie das hier heißt, für die Einwohner von Cannes leider leer aus), früher musste ich gar nicht viel tun, um vom Festival mitgerissen zu werden, denn Serge, der verstorbene Freund, der natürlich immer akkreditiert war und mir hin und wieder Karten weitergab, und der uns über alles, was er gesehen, erlebt und gehört hatte, auf dem Laufenden hielt, stets begeistert und von ungeheurem Mittelungsdrang beseelt, brachte uns das Filmfestival quasi nach Hause. Das fehlt jetzt. Er fehlt.

Statt Festivalfilmen schaue ich mir abends die neue iranische Serie “The Actor” auf arte an. Absolut spannend!

Noch einen schönen Pfingstsonntagabend! à bientôt!

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Dies und das am Freitag

Ich wollte den Eintrag eigentlich “Der Müll, die Stadt und das Festival” nennen, frei nach Fassbinder, aber ich habe weder Stadt noch Festival zu bieten. Ich komme einfach nicht hin. Auf der Mülldeponie war ich immerhin gestern. Ich musste das Auto vom Müll befreien, weil wir heute jemanden am Flughafen abgeholt haben und drei Sitze brauchten.

Ich bettelte Monsieur also gestern um eine Prokuration an, er amüsierte sich prächtig, dass er seiner Frau eine Vollmacht zum Müll wegbringen schreiben durfte. In der Zwischenzeit hatte ich die Zugangskarte aktualisiert, man musste im Prinzip nur nachweisen, dass man noch dort wohnte, wo man vor Jahren bei der Ausstellung der Karte angegeben hatte.

Gestern Nachmittag fuhr ich also wieder ans andere Ende der Stadt, bewaffnet mit Zugangskarte, Prokuration und meiner eigenen Carte d’identité. Und was passierte? Nichts! Ich drückte die Zugangskarte auf das entsprechende Feld und die Schranke öffnete sich wie von Zauberhand, niemand wollte etwas von mir wissen. Ich war kurz davor, auszusteigen und die Herren am Eingang aufzufordern, dass sie meine Vollmacht gefälligst scannen, damit ich sie nicht jedes Mal mitnehmen muss. Aber dann habe ich es gelassen und bin einfach zu den Containern hochgefahren. Die Herren dort waren wie immer freundlich und haben mir die richtigen Container gezeigt, aber getragen und entsorgt habe ich alles selbst. Und das war’s!

Ich habe auf dem Rückweg noch in einem Supermarkt eingekauft, der dort in der Nähe liegt, denn bis dahin kommen die wenigsten Festivaliers. In der Innenstadt, und das ist einzige, was ich derzeit über die Stadt zu Zeiten des Festivals sage kann: in der Stadt sind die kleinen Supermärkte leergekauft. Gähnende Leere in den Regalen: Kaffee, Klopapier, Mineralwasser – weg.

Am Montag, als wir unterwegs waren, erblickte ich die Nachricht, dass Alice Munro gestorben war, aber ich war voll mit dem Unterwegssein, und dann hatten wir knapp zwei Tage lang kein Internet und somit auch kein Fernsehen und auch nur ein schwaches Mobilfunknetz, da verliert man schnell den Anschluss an die Tagesaktualität. Wir sind dann abends in ein kleines Stadtteilkino gegangen und haben ein Kino für uns alleine gehabt und “L’homme aux mille visages” gesehen.

Ein Dokumentarfilm über einen Mann, der unter vielen Identitäten und mit vielen Frauen gleichzeitig lebt(e). Interessant und verstörend. Als wir zurück kamen, gab es in unserem Viertel keine Straßenbeleuchtung mehr. Auch verstörend, wie finster unser Viertel ist. Alice Munro war mir bei alledem wieder entfallen. Herr Buddenbohm erwähnte sie heute, vor allem erwähnte er, wie wenige Menschen sich zu ihrem Tod geäußert hätten, im Vergleich zu Paul Auster. Das trifft mich, denn obwohl ich spät zu ihren Kurzgeschichten gefunden und bei weitem nicht alles von ihr gelesen habe, ist sie meine Heldin!

Als sie den Nobelpreis bekommen hat, habe ich ein bisschen über sie gelesen und bin dabei auf dieses Interview gestoßen, das lange vor dem Nobelpreis geführt wurde. Ich habe es gerade noch einmal gelesen und fand und finde sie darin immer noch so sympathisch! Das war auch der Grund, warum ich mir ihre Kurzgeschichten gekauft habe! Ich bin dann nicht sehr weit gekommen, weil ich die Personen in ihren Kurzgeschichten so spannend fand, dass ich gerne mehr über sie und ihre Geschichte erfahren hätte und sie nicht schon nach zwanzig Seiten wieder verlassen wollte.

ZEIT: Woher rührt Ihre Liebe zur kurzen Form?

Munro: Als ich zu schreiben begann, in den Fünfzigern, war ich wie alle Frauen damals eine Hausfrau, ich hatte kleine Kinder, mein Mann arbeitete außer Haus. Ich hatte schlicht zu wenig Zeit für das Schreiben, keine Zeit für große Würfe. Zur Kurzgeschichte fand ich also aus sehr praktischen Gründen. Und ich glaube, es ging den meisten schreibenden Frauen meiner Generation so: Sie mussten sich ihre Zeit fürs Schreiben zusammenstehlen.

ZEIT: Wie muss man sich diesen Alltag vorstellen?

Munro: Nun, als die Kinder klein waren, mussten sie immer einen Mittagsschlaf halten, und zwar alle zur gleichen Zeit, ob sie wollten oder nicht – denn das gab mir eine oder zwei ungestörte Stunden für mein Schreiben. Als sie dann zur Schule gingen, wurde es etwas besser, da hatte ich pro Tag etwa drei Stunden für mich. War ich einmal richtig drin in einer Geschichte, ging im Haushalt alles drunter und drüber. Ich schälte die Kartoffeln, dachte mir dabei die nächsten paar Sätze aus, setzte die Kartoffeln auf, und während diese kochten, rannte ich ins Wohnzimmer und schrieb wieder ein paar Zeilen. Dann schnell wieder in die Küche – mehr als einmal waren die Kartoffeln dann verkocht. Ich hatte damals kein eigenes Arbeitszimmer – und bis heute habe ich keines. Ich schreibe an einem kleinen Sekretär in einer Ecke des Wohnzimmers.

ZEIT: Warum tun Sie das?

Munro: Heute ist es bloß noch eine Marotte, aber es kommt natürlich daher, dass ich in einer Zeit zur Schriftstellerin wurde, als dies für Frauen kein Beruf war. Männer waren Schriftsteller. Und sie waren es mit Leib und Seele, sie fühlten sich berufen, taten nichts anderes. Männer hatten deshalb auch ein Büro zum Schreiben. Frauen nicht. Frauen schrieben nebenbei, heimlich. Ich glaube, dass ich bis heute ganz anders arbeite als ein schreibender Mann.

ZEIT: Nämlich wie?

Munro: Noch heute schreibe ich in relativ kurzen Konzentrationsphasen, um dazwischen irgendetwas anderes zu machen im Haus. Nach wie vor trage ich die Verantwortung für den Haushalt. Oder fühle mich zumindest verantwortlich dafür. Verstehen Sie mich nicht falsch, mein zweiter Mann und ich, wir teilen uns die Hausarbeit, er ist ein wunderbarer Koch, aber ich weiß, an welchem Tag der Müll raus muss, und ich überlege, was wir einkaufen müssen. Bei männlichen Schriftstellern ist das anders. Kürzlich las ich ein Interview mit dem irischen Autor William Trevor, den ich sehr schätze. Das Gespräch findet bei Trevor zu Hause im Wohnzimmer statt, und während er mit dem Journalisten spricht, kommt irgendwann Mrs. Trevor in den Raum und bringt Sandwiches und Tee. Verstehen Sie: Ich bin gleichzeitig Mr. und Mrs. Trevor.

Das ganze lesenwerte Interview ist hier zu finden.

Ich fühlte mich so verstanden! Damals habe ich auch einen Text über das Schreiben verfasst, oder vielmehr über die Unmöglichkeit zu schreiben, wenn man in den Ferien von der Familie umgeben ist. Ich habe ihn vorhin mit etwas Wehmut gelesen, die Enkel, die damals noch so klein waren, sind jetzt schon junge Erwachsene, das geht so schnell, und im Nachhinein denke ich, dass ich wohl nicht genug Federball und Tischtennis mit ihnen gespielt habe.

Die Kurzgeschichten von Alice Munro aber habe ich gerade wieder aus dem Regal gezogen.

Und wenn Ihnen das bei mir verlinkte Interview nicht literarisch genug war, dann schauen Sie gerne bei Herrn Buddenbohm vorbei, da wird im heutigen ersten Absatz viel verlinkt, insbesondere dieser Blog.

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Cannes Filmfestival 2024 – die Eröffnungszeremonie

Meryl Streep auf dem roten Teppich

Es geht Schlag auf Schlag. Bin selbst schon ganz atemlos. Dabei war ich nicht mal im Kino, um die Eröffnungszeremonie anzusehen, was ich allerdings bedauerte, während ich sie zuhause auf dem Sofa sah: es war so emotional, das hätte ich wirklich gerne “größer” erlebt! Aber ich hatte vor allem keine Lust auf den Eröffnungsfilm, ich kann mit dem Humor von Quentin Dupieux wenig anfangen, und der Eröffnungsfilm soll wahnsinnig komisch sein. Haha. Aber ich fand schon den Vorfilm nicht interessant. Gähn.

Camille Cottin führt gut gelaunt durch die Zeremonie

So viel hatte ich gestern Abend geschrieben, dann sahen wir uns einen Film mit Juliette Binoche im Fernsehen an: “Ouistreham”, “Wie im echten Leben” heißt er auf Deutsch, kein witziger, aber ein guter Film. Danach aber war ich zu müde, um hier zu schreiben. Heute morgen dann muss ich gar nichts mehr schreiben, es gibt schon alles, ich kann einfach einen Text verlinken. Hier bitte schön, es schreibt Katja Nicodemus von der ZEIT. Da steht alles drin, aber mir fehlen die Emotionen.

Eins nach dem anderen. Die High Heels sind jedes Jahr Thema, und ich, die ich noch nie wirklich in hohen Schuhen laufen konnte, finde das schon immer skandalös. Einmal ließen sie eine Schauspielerin nicht hinein, weil sie im Rollstuhl saß. Und wenn man Greta Gerwig und Meryl Streep im engen langen Kleid und mit hohen Schuhen mühsam die zwei Stufen auf die Bühne hinabsteigen sieht, sehe ich sie im Geiste auch jedes mal schon umknicken und dann den Saal mit einem geschwollenen Knöchel hinkend oder gleich im Rollstuhl sitzend verlassen. Zaho de Zagazan, Überraschungsgast, stand mitten im Publikum auf und sang als Überraschungsgeste für Greta Gerwig, die diesjährige Präsidentin der Jury, “Modern Love” von David Bowie. Es ist eine Anspielung auf den Film “Frances H” mit Greta Gerwig, in dem übrigens auch Meryl Streep mitspielte. Sie schleudert irgendwann mit energischem Tritt, ha! das glaubte ich gesehen zu haben!, aber nein, sie streifte elegant ihre Schuhe davon ab, um auf der Bühne richtig zu tanzen. Yeah!

Einmal wurde auch ein Schauspieler nicht eingelassen, weil er kein konformes Schuhwerk trug – in dem Fall ging es nicht um High Heels, sondern um traditionelle Schuhe amerikanischer (oder kanadischer? ich erinnere mich nicht genau) Ureinwohner, früher hätte man gesagt “Indianerschuhe”, damit Sie sich bildlich etwas vorstellen können. Er immerhin konnte den Zugang zum Festival erringen, kulturelle Besonderheiten genießen ja in der Zwischenzeit einen Schutz.

Emotional wurde es auch bei dem Zusammenschnitt der Filme von Meryl Streep. Das wissen Sie alles: “Kramer gegen Kramer”, “Out of Africa”, “Die Brücken am Fluss”, was habe ich da jedes Mal im Kino geheult! Und was habe ich kürzlich erst gelacht, als ich sie in dem Film “Julia und Julia” als die amerikanische Köchin Julia Child in Frankreich entdeckte (Dank an Marion für diesen Tipp). Und “Mamma Mia”, “Der Teufel trägt Prada”, “Die Suffragetten” – und zig andere Filme. Was für ein Werk! Es gab lange standing ovations!

Nächster emotionaler Moment, als Juliette Binoche, btw. ich glaubte zu sehen, dass sie sich mit roten Plateausohlen aus der Schuh-Affaire zog, die goldene Palme für ihr Lebenswerk an Meryl Streep vergab.

“Wort- und Tränenreich” sagt Katja Nicodemus kurz. Ja, es war emotional, Herrgott, darf man nicht mal aufgeregt und berührt sein bei so etwas? Beide Damen schätzen sich, das sah man, beide waren gerührt, Meryl Streep von der auf englisch vorgetragenen Rede Binoches und Binoche von dem Dank Meryl Streeps, und sie lagen sich kurz in den Armen. Ich fand Binoches Frisur, einfach glatt gegeeltes Haar, ein bisschen befremdlich, insbesondere weil Meryl Streep nicht nur dem Publikum, das sie immer noch sehen will dankte, sondern auch ihrem Agenten und vor allem ihrem Friseur und Make-up-Artist, der sie in allen Rollen erst zu der Person mache, die sie spiele.

Beide eröffneten dann offiziell das 77. Festival in Cannes.

Und heute regnet es in Strömen, wie könnte es anders sein. Auch das ist Cannes zu Zeiten des Festivals, es regnet immer mindestens an einem Tag!

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Beausoleil

Wenn man dort lebt, wo andere Urlaub machen, weiß man vielleicht viel mehr über die Gegend als die Touristen, aber man sieht in der Regel viel weniger davon als sie. Nicht nur, weil man denkt, das könne man sich locker alles irgendwann mal später ansehen, sondern vor allem, weil der Alltag überhand nimmt. Wenn man mit einem hier ansässigen Franzosen verheiratet ist, der in seiner Jugend hier “alles” schon gesehen hat, kommt man gleich gar nirgends mehr hin. Früher war alles besser, klar.

Nach Beausoleil kamen wir, weil die medizinische Versorgung in Monaco und Umgebung, so scheint es zumindest, besser ist, als in Cannes. Ein halbes Jahr zu warten, um bei einem Gastroenterologen einen Termin zu bekommen, wenn man vermutet, dass ein bösartiger Tumor vorliegt, ist nicht akzeptabel. Wir machten also Medizintourismus. Nur hat man mit den belastenden Gedanken im Kopf natürlich keine große Lust auf einen Tagesausflug und Besichtigungen, es ist schon aufregend genug, mit der Sorge um eventuelle Wucherungen im Bauch in unvertrauter Gegend die Arztpraxis und einen Parkplatz zu finden, danach setzt man sich ins Wartezimmer, trinkt allenfalls davor oder danach noch einen Kaffee, anschließend fährt man wieder zurück.

So habe ich beim ersten Besuch nicht viel von Beausoleil gesehen, aber die Treppe, die sich bis hoch hinauf zu einem beeindruckenden Gebäude erstreckt, hat mich sofort fasziniert. Gestern sollte es in Beausoleil die endgültigen Ergebnisse geben, es war weniger aufregend als beim ersten Mal und den Weg kannten wir nun auch schon, aber der Arzt hatte eine Dreiviertelstunde Verspätung, in der Praxis gab es lärmende Bauarbeiten – wir möchten doch besser noch in aller Ruhe einen Kaffee trinken gehen, empfahl uns die Arztsekretärin. Das taten wir. Die Etablissements in der Nähe, in denen man etwas konsumieren konnte, sahen auch dieses Mal nicht sehr einladend aus, der Kaffee im Pappbecher war aber nicht schlecht. Dann ließ ich Monsieur dort im Schatten sitzen, um mir nur mal schnell diese Treppe aus der Nähe anzusehen.

Und da sie zweigeteilt ist, in eine Rolltreppe und eine klassische Treppe nämlich, fuhr ich schwupps eine Etage noch oben.

Und noch eine.

Und noch eine. Irgendwann drehte ich mich um. Boah!

Und dann wollte ich natürlich auch noch die letzten Stufen bis ganz nach oben laufen, obwohl es keine Rolltreppe mehr gab. Es wurde erstaunlicherweise, je höher man kam, umso ärmlicher.

Der Blick in die andere Richtung allerdings wurde immer schöner.

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Meine Zeit aber war limitiert. Ganz hinauf und bis zum Riviera Palace bin ich also leider nicht gekommen.

Das ehemalige Luxushotel wurde von der Compagnie Internationale des Wagons-Lits, der Eisenbahngesellschaft, die Luxuszüge wie den Orient-Express betrieb, gebaut, und es war damals ebenso mit einem eigenen Zug mit dem Spielcasino in Monaco verbunden, sodass die sehr betuchten Gäste sich dort bequem hinbegeben konnten. Während des Ersten Weltkriegs wurde das Hotel, wie so viele andere, als Lazarett genutzt und später in eine luxuriöse Appartementanlage umgewandelt. Bis heute gibt es dort einen enormen Wintergarten, der vermutlich hohe Nebenkosten verursacht, aber die Eigentümer werden die nötigen Mittel haben.

Bergab gibt es keine Rolltreppe und auch keinen Aufzug, so viele Treppen sind für meine Knie nicht gerade ein Vergnügen. Aber mit dem Blick aufs Meer ist alles erträglich.

So kam ich wieder nach unten in die Stadt. Beausoleil heißt “schöne Sonne” und auf den Gewegsteinen lachen uns fröhliche (wenn auch grau verschmutzte) Sonnen an.

Beausoleil läge wie ein Amphitheater über Monaco, habe ich gelesen, das stimmt zumindest für den Teil, der sich am Hang hinaufzieht, ansonsten hat es vor allem die Besonderheit, mit Monaco geradezu zu verschmelzen. Es gibt Straßen, da gehört die eine Straßenseite zu Beausoleil, also zu Frankreich, die andere hingegen zu Monte Carlo, also Monaco.

Links: Beausoleil. Rechts: Monte Carlo.

Man hat auch immer den Blick auf das sich etwas obszön inszenierende Hochhaus, nein, ich meine nicht den (noch höheren und derzeit wohl luxuriösesten) Turm Odeon, an dem fuhr ich zwar auch vorbei, fand aber leider keine Möglichkeit anzuhalten, um ihn aus nächster Nähe zu fotografieren, die Straßen von Monaco sind eng und gewunden, man hat immer einen drängelnden Porsche oder einen gewichtigen Rolls Royce hinter sich oder fette Motorräder, und schwupps ist man schon wieder in einem gigantischen Tunnel verschwunden, es ist echt verrückt. Zurück zum Hochhaus, es ist der Turm Millefiori, tausend Blumen, wenn ich das mit meinen rudimentären Italienischkenntnissen richtig übersetze, sein Name macht ihn nicht schöner, der steht da seit den sechziger Jahren. Der Blick aus dem Hochhaus ist bestimmt toll, ein nicht mal besonders hoch gelegenes aber zugegeben großes Einzimmerapartment kostet auch nur etwa knapp drei Millionen Euro, und achso, er befindet sich, genau wie der noch obszönere Turm Odeon (hier werden Immobilienpreise nur auf Anfrage mitgeteilt) auf der Grenze zu Monaco.

Verglichen damit sind die derzeit zu erwerbenden Appartments im Riviera Palace geradezu ein Schnäppchen, zwei Zimmer für nur 640.000 Euro, allerdings ohne Balkon oder Terrasse, und natürlich haben Sie nicht den Steuervorteil von Monaco und zu ihren Füßen liegt das eher proletarische Beausoleil.

Beausoleil ist nämlich gerade mal etwas mehr als hundert Jahre alt, hier war vorher gar nichts, aber Mitte des Neunzehnten Jahrhunderts haben sich zigtausend Italiener aus dem verarmten Piemont angesiedelt, um das luxuriöse Monaco, das Spielcasino, die Villen, das Hotel de Paris und allerhand große Gebäude zu errichten. Es war eine gigantische Baustelle. Sie selbst haben aber hier unter prekären Bedingungen gehaust, eine “Bidonville” sei es gewesen, habe ich mehrfach gelesen, eine Hüttensiedlung ohne fließend Wasser und ohne Kanalisation. Heute hat Beausoleil eine sehr große protugiesischstämmige Bevölkerung und scheint weiterhin der Wohnbezirk der in Monaco arbeitenden DienstleisterInnen und Bauarbeiter zu sein. Zunächst hätte Beausoleil auch “Monte Carlo superieur” heißen sollen, aber als die Stadt dann offiziell 1904 gegründet wurde, entschied man sich für “Beausoleil” und das Wappen der Stadt verspricht “Lucet Omnibus”, Sonne für alle. Und wenn man nicht gerade im Schatten der monegassischen Hochhäuser wohnt, und es nicht gerade wieder regnet, so wie heute, hallo! dies ist die Côte d’Azur! möchte man empört rufen, hat man hier Blick und Sonne satt.

Ich breche meine Erkundung von Beausoleil für den Termin in der Arztpraxis ab. Die Ergebnisse, die wir erhalten haben, waren und sind eine absolute Erleichterung. Die Knötchen, die der Arzt entfernt hat, so sehr sie Monsieur auch Probleme bereitet haben, waren nicht bösartig. Hurrah! So erleichtert, konnte ich Monsieur überreden, noch richtig nach Monaco zu fahren, um die historische Ferrari-Sammlung Seiner Fürstlichen Hoheit, die just heute früh in der Zeitung angekündigt worden war, zu besichtigen.

Als Belohnung sozusagen. Ich interessiere mich eigentlich nicht für Autos, Monsieur schon, aber historische Ferraris schaue selbst ich mir gerne mal an, dachte ich und werfe im Vorübergehen einen Blick auf Monaco. Was ich nicht bedacht hatte: Während in Cannes das Filmfestival stattfindet, wird in Monaco alles für die Formel 1 vorbereitet. Aber dazu gibt es einen eigenen Eintrag. Bleiben Sie dran :D

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12 von 12 im Mai 2024

Heute gibts wieder 12 Fotos von meinem Tag. Sie kennen es schon. Wenn nicht, finden Sie die Erklärung hier.

Es ist Sonntag und es ist Muttertag, zumindest in Deutschland, in Frankreich wird er erst am 26. Mai gefeiert. Ich denke daran, weil ich Mirja von (klick –>) @seiten.verkehrt auf Instagram folge, die mit großem Eifer die verschiedenen Werbeanzeigen für Veranstaltungen und Geschenke sammelt, die zum Vatertag versus Muttertag vorgeschlagen werden Ich sage nur Hornhautcreme. Das kann man auch lustig, schräg und vor allem schrecklich finden, wenn man keine Mutter ist.

Der Tag beginnt mit dem obligatorischen Blick aus dem Fenster. Blauer Himmel und eine beschnittene Mimose.

Kaffee in der Küche. Seit dem großartigen Fest, zu dem wir kürzlich eingeladen waren und dort mit der wunderbaren Corinne Douarre auch sangen, liegt dieser Liedtext dort. Er ist schon voller Kaffee- und Fettflecken, aber ich summe jeden Tag, wenn ich in der Küche bin “und später sagte ich noch, ich möcht’ nicht allein sein und doch frei sein” oder eine andere Liedzeile.

Ich freue mich an meinen schmetterlingsgleich aussehenden Blumen, deren Namen ich lange im Internet gesucht habe, ich vermute, sie sind eine Variante der Nachtkerze, onagre, auf Französisch. Falls Sie es besser wissen, nur her mit den Informationen!

Ich will heute eigentlich schwimmen gehen, falls ich es aber doch nicht schaffe, dann trete ich vorsichtshalber zwanzig Minuten in die Pedale …

… und höre das zweite Kapitel von Yport zu Ende. Ein dankenswerter Tipp von Rainer W.

Mittagessen, es gab eine Mini-Artischocke für mich, es war ein bisschen wie Puppen-Mittagessen. Danach (nicht im Bild) normal große Fish and Chips, grüner Salat, Erdbeeren mit Vanilleeis. Die Eissaison ist eröffnet.

Das Handy ploppt auf, ich lese den Blogeintrag von Croco. Dann höre ich mir im Internet erstmals Slimane an, der Frankreich beim Eurovision Song Contest vertreten hat, der mit schöner Regelmäßigkeit ungegehört und ungesehen an mir vorbeigeht. Etwas später läuft jemand hinter unserer Hofmauer vorbei und singt ebenfalls Slimanes “je t’aiiiihaiiiihaiiiime”. Was ich auch mit Neid und Staunen sehe sind die Polarlichter, die in Deutschland und sogar in Frankreich zu sehen waren.

Sieste. Ohne Foto.

Später gehe ich Schwimmen.

Danach ein Kaffee in der Nachmittagssonne gegenüber der Tennisplätze. Die Tennissbälle machen ein friedliches Ploppgeräusch.

Müde vom Schwimmen hänge ich zuhause auf dem Sofa. Zunächst höre ich den dritten Teil von Yport. Ich komme ebenso zu dem Schluss, dass Guy de Maupassant ein Kotzbrocken war. Ich höre auch noch das interessante Gespräch mit Stefanie Jacobs, der kompetent und sympathisch rüberkommenden Übersetzerin von Lauren Groff. Dann verbringe ich einen Moment mit Simona auf Kreta.

Ich raffe mich auf und pflanze das Basilikum in mehrere Töpfe um. Vereinzelung soll ihm gut tun! Es geht überraschend schnell.

Nebenbei entdecke ich, dass der seit Monaten tot aussehende Ast des kleinen Olivenbaums ausschlägt und Blättchen bekommt! Das macht mich sehr glücklich!

Von den abgeschnittenen Basilikumblättern mache ich Pesto. Seitdem ich meine zwanzig Jahre alte Küchenmaschine durch einen Stabmixer ersetzt habe, der tut, was sein Name besagt, ist es eine Freude, Dinge zu mixen: Zum Abendessen gibt es dann auch Spaghetti mit Pesto. Hmmm.

Das 12. Foto ist ein bisschen gemogelt und wird ein Video. Allen Müttern und Nichtmüttern zum Muttertag und allen, denen dieser Tag weh tut oder die aus irgendeinem Grund mit dem Muttertag nichts anfangen können, hier ein paar Rosen!

Kleine Info-Zugabe: The Zweiflers, Sie erinnern sich, diese Serie, die ich kürzlich bei Cannes Series gesehen habe, die hier mit Preisen überhäuft und in den deutschen Feuilletons gefeiert wird, kamen heimlich, still und leise im Spätprogramm der ARD, wir wollen ja niemanden schockieren. Sie können sie, falls Sie sie verpasst haben, zumindest in Ihrem Land auch in der ARD Mediathek bis nächstes Jahr um diese Zeit anschauen, nicht aber in meinem Land, das betrübt mich wirklich sehr.

Herzlichen Dank fürs Lesen und Schauen! Jetzt reihe ich mich bei Caro Kännchen und den anderen 12von12ern ein.

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Prokuration oder Freitags auf der Mülldeponie

“Bitte kommen Sie mit einem Ausweisdokument” ruft man mich streng zum Eingangshäuschen, nachdem ich dreimal vergeblich versucht habe die Schranke mit meiner Zugangskarte zu öffnen. Stolz wedele ich mit meiner nagelneuen nur Scheckkartengroßen Carte d’identité, mit der ich endlich nicht mehr das Familienstammbuch mitschleppen muss, um zu beweisen, dass ich mit Monsieur verheiratet bin. Auf der Carte d’identité stehen beide Namen, mein “Mädchenname” und der “Ehename”. Außerdem ist damit bewiesen, dass ich Französin bin und hier lebe und nicht deutsche Touristin, wie immer vermutet wurde, wenn ich meinen deutschen Pass vorlegte. Das nützt mir jetzt aber überhaupt nichts. “Hat Ihr Mann Ihnen eine Prokuration erteilt?” fragt mich der Mann am Fenster streng. Zerberus gleich bewacht er den Zugang zur Mülldeponie und verwehrt mir, dort mein mit Müll vollgeladenes kleines Auto zu leeren. “Bitte? Eine Prokuration? Für die Mülldeponie?” Aber hallo! Die Karte für die Mülldeponie ist heilig und nicht übertragbar, da brauche ich entweder den Gatten oder eine Vollmacht, aber auch wenn der Gatte dabei gewesen wäre, wären wir heute nicht mehr reingekommen, denn es ist der Moment für eine “obligatorische Aktualisierung” unseres Mülldeponie-Kontos und wir müssen allerhand Papierkram vorweisen, den natürlich auf dem Weg zur Mülldeponie kein Mensch dabeihat. “Und Sie lassen mich jetzt nicht wenigstens den Müll abladen?” frage ich fassungslos. Auf keinen Fall, da fehlt ja schon die Prokuration! Er lässt mich nur durchfahren, damit ich umgehend auf der anderen Seite wieder rausfahren kann, was er persönlich überwacht. Er drückt mir einen Zettel in die Hand, ich kann die Aktualisierung auch im Internet machen. “Merci!” sagt er mit autoritärer Genugtuung. “Je vous en prie”, antworte ich patzig aber vollendet höflich. Als ich wütend davonfahre, verstehe ich zum ersten Mal, dass man das Bedürfnis haben kann, illegal Müll abzuladen. Nein. Mache ich nicht. Ich bin super resilient und fahre umgehend zum nahen Bioladen und gebe für Rumpsteak, frische Ravioli, Spargel, Erdbeeren, Blumen und noch ein bisschen Gemüse 73 Euro aus. Dann fahre ich wieder nach Hause und finde im ganzen Viertel auch nach der dritten Umrundung keinen Parkplatz. Erst jetzt schreie ich ein bisschen, aber ganz alleine im Auto und niemand kommt zu Schaden.

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Everything is connected

Alles ist miteinander verbunden. Dies ist einer der vielen Sätze, den ich sofort aufschreiben musste, als ich heute Morgen in aller Frühe die Arte Doku über Paul Auster angesehen habe. Das war eine Empfehlung von Herrn Buddenbohm, das wissen Sie vielleicht schon. Vermutlich haben Sie auch von seinen New-York-Sehnsüchten gelesen, die ich auch habe, nur hat er New York tatsächlich schon einmal gesehen. Neid! Auch ich würde gerne mit dem Schiff nach New York fahren, wie so viele Auswanderer damals und heute Touristen.

Als mich Monsieur am frühen 1. Mai zum Flughafen fuhr, kam im Radio eine Sendung über Paul Auster. Die Begeisterung der zugeschalteten JournalistInnen und Büchermenschen die sich über ihn äußerten, ließ mich spüren, dass Paul Auster gestorben sein musste. So war es auch. Ob ich etwas von Paul Auster gelesen habe, fragte mich Monsieur. Das hatte ich. Die “New York Trilogie” und “Leviathan”, vielleicht auch noch etwas anderes, ich erinnere mich nicht mehr so richtig, ich weiß, dass ich damals sehr begeistert war, daran, dass in den Geschichten immer andere Geschichten auftauchten, die mindestens ebenso spannend gewesen wären, weiter erzählt zu werden, das mir das aber auch irgendwann zu viel wurde. So etwa die Geschichte des Zigarettenverkäufers aus dem Tabakladen an der Ecke, Auggie Wren, der jeden Tag zur selben Zeit denselben Ausschnitt der Straße fotografiert und mit diesen Fotos Alben gefüllt hat. Dies wurde meines Erachtens auch mit Harvey Keitel verfilmt, und ja, gerade gegoogelt, es ist ein Auschnitt des Films Smoke!

(Und nicht etwa Coffee and Cigarettes, was ich zuerst dachte, der ist von Jim Jarmusch). Heute könnte man sicherlich keine Filme mehr machen, in denen so viel geraucht wird, denke ich gerade.

Und wie es der Zufall (!) will, habe ich ein Büchlein von Paul Auster im Gepäck, das ich jemandem zurück geben will. Es ist genau diese Geschichte! Ha!

Im Hintergrund singt irgendwann Tom Waits, hach, meine Jugend.

Ich erinnere mich auch an eine verstörende Geschichte, wahrscheinlich aus der New York Trilogie, in der ein Detektiv (?) einem Mann durch die Straßen von New York folgt, der scheinbar wahllos Block um Block umrundet, aber am Ende, wenn man die Wege auf dem Stadtplan einzeichnet, kann man eine Botschaft lesen. Falls sich jemand von Ihnen erinnert, welche Geschichte es genau war, würde ich mich um Mitteilung freuen, die würde ich gerne noch einmal lesen.

Ein ps mitten im Text: ich habe später noch “Von der Hand in den Mund” gelesen, in dem Paul Auster darüber schreibt, wie er sich vor dem Erfolg ohne Geld und mit vielerlei Jobs durchgeschlagen hat, und dass er sich damals von sehr wenig, also von “der Hand in den Mund” ernährt hat. Da würde ich auch gerne nochmal reinlesen.

Und jetzt etwas, wofür ich mich heute schäme. Es geht um Siri Hustved. Wir jungen Studentinnen und Buchhändlerinnen waren alle in Paul Auster verliebt. Und dann tauchte Siri Hustved auf, die nicht nur mit ihm verheiratet war, sondern auch zu schreiben begann. Und ich weiß noch genau, wie verächtlich wir darüber waren! “Diese Plunze”, sagte eine damals beste Freundin voller Spott, “jetzt glaubt sie, schreiben zu können, nur weil sie mit Paul Auster verheiratet ist.” Und Hass wurde über Siri Hustved ausgegossen, zumindest in unserem kleinen Kreis von Studentinnen. Karrieresüchtig sei sie. Und hässlich auch noch. Jedenfalls hat es dazu geführt, dass ich bis heute keine Zeile von Siri Hustved gelesen habe. Shame over me.

Wie Sie vielleicht kürzlich gesehen haben, lese ich, wie so viele andere, “das” Buch über die Schriftstellerinnen der Gruppe 47. Dass es neben Ingeborg Bachmann noch andere Frauen gab, erstaunt mich. Ich habe die Gruppe 47 als literarischen (und wichtigen) “Männerverein” abgespeichert. Dass Nicole Seifert die “vergessenen” Schriftstellerinnen, die von den Männern bewusst nicht oder nur als schmückendes Beiwerk (zum Essen, Tanzen und Trallala) oder anekdotisch erwähnt wurden, nicht nur sichtbar macht, sondern auch zeigt, wie dieses von Männern (allen voran Hans Werner Richter) dominierte System funktionierte, ist ein großer Verdienst. Mir öffnet es die Augen, denn auch ich bin in einer männerdominierten Welt sozialisiert worden, und meine Verachtung für Siri Hustved speist sich aus einer männlichen Sicht.

In der Sendung kam auch François Busnel zu Wort, ein Literaturkritiker, der über vierzehn Jahre lang eine herausragende Büchersendung im französischen Fernsehen moderiert hatte, La grande librairie, jeden Mittwoch abend! Ich habe sie nicht oft genug gesehen, das sage ich heute mit Bedauern, sein Nachfolger, der alles, sogar seine Sprechweise nachahmt, ist für mich unerträglich.

In diesem Zusammenhang muss man auch den gerade verstorbenen Bernard Pivot erwähnen, das französische Pendant zu Marcel Reich Ranicki, wie es im Nachruf der FAZ heißt. Dass ich Ihnen diesen Nachruf verlinke hat damit zu tun, dass sich der der SZ hinter einer Paywall verbirgt. Ich würde mir ein etwas großzügigeres System wünschen, um an Artikel zu kommen. Ich würde gerne einzelne Artikel lesen, dafür auch etwas bezahlen, oder mir eine bestimmte Werbung anschauen, bevor ich zum Artikel komme (so ist es zum Beispiel bei Nice Matin), aber ich möchte nicht alle Zeitungen, die ich gelegentlich lese, abonnieren.

Bernard Pivot hat nicht nur die Zeitschrift “Lire” herausgegeben und ebenso die Literatursendung “Apostrophes” im Fernsehen moderiert (da sitzen auch vor allem Männer herum, rauchen und schwadronieren diskutieren), sondern auch einen Diktatwettbewerb, die “Dicos d’or” ins Leben gerufen, der wahnsinnig beliebt war und ist. Heute ist das natürlich ein Guiness-Buch-Ereignis: Letztes Jahr saßen etwa 1700 Menschen auf den Champs Elysées und schrieben ein Diktat.

aus dem verlinkten Artikel: Sortir à Paris, ohne Angabe der/des FotografIn

So viel für heute! Schönen Feiertag!

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Dies und das am Feiertag

Feiertag? Was ist nochmal am 8. Mai? Christi Himmelfahrt? Nee, das ist erst morgen, und die Anreihung von zwei Feiertagen in einer Woche macht hier alle ArbeitnehmerInnen glücklich. Mit nur einem Brückentag hat man fünf Tage frei oder mit drei Brückentagen sogar neun! Wenn das nichts ist. Was ist also nochmal heute? Gute Frage, während schon wieder PolitikerInnen und WahlplakatkleberInnen wie einst in finsteren Zeiten von der SA gewalttätigen Gruppen zusammengeschlagen werden, gedenken wir, zumindest in Frankreich und in ein paar anderen Ländern, dem Ende des 2. Weltkriegs: 79 Jahre ist es her, nächstes Jahr werden es 80 Jahre sein.

Heute kommt auch die olympische Fackel in Marseille an, im Moment wird sie noch auf dem historischem Dreimaster Belem (den habe ich auch schon einmal aus der Nähe gesehen) spazierengefahren, denn zu allem Elend, ich meine natürlich zu aller Freude, richtet Frankreich dieses Jahr auch noch die Olympischen Spiele aus. Die Gewerkschaften der öffentlichen Verkehrsmittel haben bereits Streiks angekündigt, und die Stadt Paris hat ihre Einwohner, die im Sommer noch da sein sollten, gebeten, lieber von zu Hause aus zu arbeiten, um die Metro zu entlasten. Aber es werden fröhliche Spiele sein, ganz klar. Niemand hat Angst vor Chaos oder Attentaten. Zunächst aber wird die Fackel einmal rund um und durch Frankreich getragen, Korsika und die Überseegebiete eingeschlossen, in Cannes wird sie wohl am 18. Juni über den roten Teppich getragen werden. Doch dann sind die Filmfestspiele schon vorbei. Dazu gleich mehr.

Es hat hier große Diskussionen gegeben, Sie haben es vielleicht mitbekommen, es war sogar in der deutschen Presse, weil zur Eröffnung der Olympischen Spiele eventuell Aya Nakamura singen soll – ob ein Chanson von Edith Piaf oder etwas anderes, steht noch in den Sternen. Das gefällt natürlich nicht allen, Aya Nakamura bekam heftigen Gegenwind von Rechts, sie würde irgendeine afrikanische Fantasiesprache stammeln, das sei doch kein Französisch, und man sei auch nicht auf einem Markt in Bamako. Ich bin vielleicht auch kein Fan ihrer Musik, was vor allem an meinem Alter liegt, aber an “Djadja” kommt man weltweit nicht vorbei.

Die 77. Filmfestspiele stehen vor der Tür und aus aktuellem Anlass verlinke ich noch einmal den Artikel vom letzten Jahr. Die Frage, wie man an Karten kommt, wird mir jedes Jahr aufs Neue gestellt. “Gar nicht”, lautet die ganz kurze Antwort, die Karten sind nicht zu kaufen. Es ist eine Messe für Filmschaffende. Ein Kartenkontingent, das lange Zeit nach einem aufwändigen Bewerbungsverfahren an “cinéphiles” Publikum zugeteilt wurde, wurde letztes Jahr schon gekürzt, und für dieses Jahr erneut zusammengestrichen, was für viel Unmut sorgte. Was möglich ist: Man kann die Eröffnungszeremonie in einem der Kinos von Cannes miterleben! Und bekommt an diesem Abend auch den Eröffnungsfilm zu sehen. Möglich ist auch, sich das Open-Air Kino am Strand zu geben. Es ist kostenlos, man muss nur rechtzeitig da sein. Gezeigt werden aber in der Regel Klassiker. Habe ich letztes Jahr zum ersten Mal gemacht.

vorher

Was gibt es sonst noch? Wir haben gestern unseren neuen Tisch (und neue Stühle) bekommen, er ist sehr modern (“gefällt mir nicht”, nörgelte Monsieur sofort, als er stand, “vorher wars gemütlicher”), wir können aber noch nicht daran essen, weil Monsieur ihn sofort in Beschlag genommen hat um seine Steuererklärung zu machen (“praktisch ist er schon”, knurrt er). Monsieur ist ein klassischer Papierversion-Steuererklärer. Ich habe meine Erklärung bei der Sozialversicherung auch heute gemacht, aber wie es sich für moderne junge Leute gehört, brav im Internet, nicht wahr, und nach dem Abschicken bekam ich die Mitteilung, dass meine Sitzung abgelaufen sei, ich möge mich bitte neu einloggen. Und natürlich hat das System nichts gespeichert. Ich hasse es.

nachher

Dann erstmal Mittagessen. Es gab im Ofen gegarten grünen Spargel zur Vorspeise, Loup de mer auf Kartoffelstampf, dazu Sauce Vierge. Sauce Vierge ist mein neuer Liebling, das Rezept habe ich von Simon Auscher, einem jungen Stern am Kochhimmel. Sauce vierge meint, ungekochte Sauce, in diesem Fall werden eine halbe kleine Zwiebel (bei mir Echalotte), getrocknete Tomaten (bei mir frische), schwarze Oliven, Zitronenfilets, Petersilie kleingeschnitten, bei mir kam noch ein Teelöffel entsalzene Kapern dazu, weil ich welche habe und sie mag, das Ganze mit bestem Olivenöl (ich habe gerade ein sehr gutes italienisches Olivenöl) vermischt. Fertig! So lecker!

Sauce vierge

Danach gabs Gariguette-Erdbeeren. Reif und halbwegs süß. Jetzt einen Kaffee, dann nochmal die Sozialversicherung. Ich bin übrigens wieder ziemlich gesund, danke für Ihre Wünsche, aber jetzt ist der Gatte malade. Man teilt ja alles. Getrennte Schlafzimmer im Krankheitsfall könnten hilfreich sein. Passen Sie auf sich auf!

à bientôt!

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WmdedgT 05/2024

Sie kennen diese Überschrift schon, was ich eigentlich so den ganzen Tag mache, fragt seit Jahr und Tag Frau Brüllen an jedem 5. des Monats in der Blogwelt. Nun, heute liege ich im Bett. Und das wird wohl auch den ganzen Tag so bleiben, ich bin nämlich kränkelnd von meinem kleinen Deutschland-Ausflug zurückgekommen, wäre am liebsten gestern schon den ganzen Tag im Bett geblieben, aber da musste ich noch Autofahren und später kilometerlang zum buchstäblich allerletzten Gate der Fluggesellschaft laufen und hörte mir dann matt und zunehmend unwillig Bel Ami an. Freundlicherweise holte mich Monsieur vom Flughafen ab, aber dann kam ich zuhause kaum noch die Treppe hoch. Nase, Hals, Kopf, müde und matt. Bett.

Mittelprächtig geschlafen. Früh wach, weiterhin angeschlagen. Trinke dann auch zunächst zwei sprudelnde Aspirin, anschließend Kräutertee (Ingwer-Zitrone) mit Honig statt Kaffee, und ich esse ein weiches Stückchen Rührkuchen. Dazu lese ich Nils Minkmar, dessen Newsletter schon in aller Frühe eingetrudelt ist, er wurde gerade mit dem silbernen Blogger ausgezeichnet, und ich klicke mich durch ein paar Links zu neuen und weniger neuen Blogs des diesjährigen Bloggerawards und lese hier und da rein. Das, was früher Blogs waren (und sind), sind heute zunehmend Instagram-Storys oder Reels, fragen Sie mich nicht, was der Unterschied (zwischen Story und Reel) ist, ich liefere nach wie vor überwiegend geschriebenen Text. Und so gerne ich Insta-Stories ansehe, btw. haben Sie eine Vorstellung davon, wieviele Radfahrer und auch Radfahrerinnen derzeit alleine in der weitern Welt unterwegs sind und darüber berichten? Ich folge alleine vier Jungens, darunter Daniel, @thegreathans, den hatte ich kürzlich schonmal verlinkt, der gerade durch Afghanistan gefahren ist. Unfassbar. Mir aber will es nicht leichtfallen, auf Insta Stories und anderes zu machen, Instagram kam einfach etwas zu spät in mein Leben.

Ich trinke einen zweiten Kräutertee (Ingwer-Zitrone) mit Honig und esse ein weiteres Stückchen Rührkuchen, dann dämmere ich weg.

Das Telefon klingelt, man benötigt Monsieur für den Bridgenachmittag, nur halbherzig sagt er zu, er ist auch nicht wirklich en forme, das war er aber auch schon nicht, bevor ich mit meinen Erkältungsviren hier herumgewirbelt habe (ich schlief extra brav mit Maske, die fand sich heute morgen aber dennoch unter meinem Kinn). Das Wetter ist ja hier weiterhin durchwachsen, grau, nass und kalt, wenig Sonne, man weiß nicht so recht, wie man sich anziehen soll und schwitzt und friert, und schwupps ist man erkältet.

Ich bin wach und denke mir, den Tag dösend, lesend und hörend (Bel Ami will ich bald mal beenden) zu verbringen. Es gibt Schlimmeres. Also beginne ich mit Bel Ami. Dieser opportunistische Emporkömmling nervt mich so derart, dass ich das Buch nicht so richtig gern höre. Guy de Maupassant war auch kein wirklich sympathischer Typ, seine eigene sexuelle Aktivität gab er wohl dem Helden mit, schön und gut, aber dass Maupassant im echten Leben seine Geschlechtskrankheit, die er sich dabei eingefangen hat, großzügig an Prostituierte weitergab, macht mich wütend. Immerhin starb er selbst daran und auch recht früh.

Schon ist es Mittagszeit, Monsieur schlägt mir Nudeln mit einer Scheibe Schinken vor, das leichte Krankenessen, während er sich ein Fertig-Couscous zubereitet. Ich wähle aber etwas Weißbrot mit Mortadella und einen Fertiggriesbrei. Danach kleine Sieste, aus der ich erst gegen 15 Uhr wieder erwache, dass Monsieur in der Zwischenzeit zum Bridge gegangen ist, habe ich nicht mal mitbekommen.

Das Telefon klingelt, es ist ein Möbelhändler, der gerne heute mal schauen würde, wo er demnächst den Tisch hinliefern soll. In einem Familienunternehmen arbeitet man eben auch sonntags. Ich sage, dass ich erkältet bin, und er mir nur die Zeit lassen soll, aus dem Nachthemd und in eine “anständige” Kleidung zu hüpfen. Ich öffne auch die Fenster, um meine Viren aus der Wohnung zu lassen. Jetzt warte ich.

Vor dem Fenster trillert ein Vogel, aber jedes Mal, wenn ich mich mit der Birdwatch-App nähere, um es aufzunehmen, schweigt er oder die vorbeifahrenden Autos sind zu laut.

Ich gönne mir gegen das Halsweh den Rest des Vanilleeises, das aus der letzten Saison noch in der Tiefkühlschublade herumlungert, danach ist das Halsweh vorübergehend besser, mir aber ist kalt und ich mache mir eine Wärmflasche und lege mich wieder ins Bett.

Wartend höre ich immerhin Bel Ami zu Ende. Was mich an den Hörbüchern stört ist, dass ich nicht schnell mal vorblättern und hier und da reinschauen kann (das schnelle Querlesen der Buchhändlerin, für ewig verdorben). Es gibt bei klassischen Büchern aus Papier auch immer einen Punkt, bei dem ich das Ende lese. Manchmal reicht es mir dann mit dem Buch, manchmal lese ich es danach noch richtig. Bel Ami aber habe ich brav langsam von vorne bis hinten und über zwölf Stunden lang gehört. Ok. Guy de Maupassant hat einen tollen, realitätsnahen Roman über die französische Gesellschaft Ende des 19. Jahrhunderts geschrieben, es gibt antisemitische Spitzen (das war ja lange Zeit gesellschaftsfähig) und misogyne Bemerkungen (auch das war ja lange Zeit gesellschaftsfähig), und mit dem schönen Georges Duroy, genannt Bel Ami, hat er einen gerissenen, intriganten und skrupellosen Kerl (“famos” wird er gerne genannt) beschrieben, der vor allem die ihm verfallenen Frauen nutzt, um gesellschaftlich aufzusteigen. Sein Schwiegervater wider Willen weiß, dass Bel Ami in der Politik landen und Macht haben wird. Er sei ein Mann der Zukunft, prophezeit er ihm. Oh ja. Wenn man sich die “Zukunft” so ansieht, in der wir gelandet sind, es ist nicht besser geworden.

Um 18 Uhr kommt der Möbelhändler und vermisst mit geschultem Auge Treppenhaus und Räume. Am Dienstag nachmittag bekommen wir den neuen Esstisch geliefert! Hurrah! Eigentlich müsste ich dem anderen Tisch noch eine Abschiedshommage widmen. Mal sehen, ob ich das schaffe.

Ich lese schon wieder in Instagram herum, bis mein rechtes Auge tränt und ich Kopfschmerzen habe. Ich nieße und schniefe, nehme erneut zwei Aspririn. Um 19 Uhr kommt Monsieur vom Bridge zurück. Es sieht so aus, als sei ich für das Abendessen zuständig. Es werden sicherlich in der Tat nur zwei Spiegeleier, Brot und etwas Mortadella. Nachtisch Joghurt (ich) und Banane (Monsieur).

Viel mehr passiert heute nicht mehr. Vielleicht etwas TV, habe das Programm noch nicht gecheckt.

Danke fürs Lesen dieses etwas unspektakulären Sonntags. Die anderen Tagebuchblogger finden Sie wie gehabt hier, am Ende von Frau Brüllens eigenem WmdedgT-Post, den Sie natürlich auch lesen, n’est-ce pas. Auch in der Schweiz ist man erkältet. Wir wünschen gute Besserung!

Ich bin echt bematscht. Ich wollte Ihnen doch noch dieses Liedchen mitgeben. Diese Version vielleicht.

Oder diese noch.

Oh, und gerade entdeckt, mit Starbesetzung, würde ich mir glatt ansehen.

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Ein Fest, Musik, Lesetipps und ein Link

Das Wetter ist hier im Süden immer noch durchwachsen. Wolken, Wind, Regen. Dessen ungeachtet wurde und wird hier immer noch ein großes, mehrtägiges Fest gefeiert, zu dem wir eingeladen sind. Einer der wundervollen Orte, wo wir uns abendlich einfinden, ist die fantastisch schöne und sehr besondere (Achtung, könnte ein Geheimtipp sein!) Villa Belle Rive in Cannes.

Gestern Abend haben wir dort unter anderem Corinne Douarre gelauscht.

Danach werde ich ein paar Tage unterwegs sein, daher kein aktueller Content, dafür fehlt mir die Zeit, aber ein paar Lesetipps zur Anregung.

Über die Bücher können wir bei Gelegenheit sprechen, in die meisten habe ich bislang nur kurz hineingelesen. Und ich höre immer noch (mit großen Pausen) Bel Ami.

Sonntags ist Newslettertag und ich lese auch immer den von Petra Reski. Er ist meistens, trotz des ironisch-amüsanten Tons, nur schwer zu ertragen. Overtourism ist das Stichwort. Wenn Sie einen Blick auf die Situation in Venedig werfen wollen, wo man jetzt Eintritt zahlt, um die Stadt mit zigtausend anderen wie Disneyland zu besichtigen, dann hier entlang.

Ein Abschiedsblick von der Villa. Südfrankreich, nur echt mit Stromleitung im Bild.

à bientôt!

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Vom Verschwinden der Regenschirme

Haben Sie einen Regenschirm? Wirklich? Schauen Sie mal nach, ob er noch da ist. Schirme sind sehr freiheitsliebende Wesen und sehr flüchtig. Und meistens sind sie weg. Es regnet. Ich will meinen orangefarbenen gute-Laune-trotz-Regen-Schirm nehmen und er ist nicht da. So viele Aufbewahrungsorte für Regenschirme gibt es in unserer Wohnung nicht. Es hat keinen Sinn Monsieur danach zu fragen, ich habe keine Lust wieder eine Tirade über verschusselte Gegenstände über mich ergehen zu lassen. Mein orangefarbener Schirm ist weg. Ich besaß ihn nur einen Nachmittag lang. Stattdessen finde ich ein komisches schwarzes Gerippe, das aussieht wie eine riesige traurige Fledermaus, und in den Tiefen einer Reisetasche finde ich einen weinroten Automatik-Faltschirm mit großem schwarzen Kugelschreiberfleck, dessen Automatik sich verweigert. Warum ist der einzige Schirm, den ich dauerhaft besitze, immer ein sperriger Stockschirm mit verbogener Spitze, grottenhässlich und mindesten an einer Stelle abgeknickt? Er und ich, wir sind uns treu, und ihn schleppe ich immer wieder mit nach Hause. Alle schönen Schirme, die ich im Laufe meines Lebens besessen habe, haben mich früher oder später verlassen. Ich glaube nicht, dass ich jemals einen Schirm durch jahrelanges Laufen durch den Regen abgenutzt habe. Ich erinnere mich an einen tief heruntergezogenen durchsichtigen Plastikschirm, einen mohnroten Blütenschirm, an grasgrüne und rotweißgestreifte Werbeschirme mit Aufdrucken für Banken oder Leihwagen, an schottenkaromusterstrenge schwere Stoffschirme mit Horngriff, große regenbogenfarbige Schirme, Taschenschirme in hellen, dunklen oder Signalfarben, klitzekleine Minifaltschirme mit Blümchenmuster oder Streifen mit einfacher oder doppelter Falttechnik: mal billig, die sich schon beim Öffnen verheddern und beim ersten Windstoß umstülpen; mal markenbewusst teuer und etwas stabiler, und immer wieder hatte ich klassische schwarze Herrenschirme. Vergessen habe ich sie alle irgendwo. In der Straßenbahn, in der Stadtbücherei, beim Tierarzt, auf der Kaufhaustoilette, an der Supermarktkasse, in der Kneipe – das vermute ich, denn, wenn ich es wüsste, hätte ich sie wahrscheinlich noch. Niemals habe ich einen meiner schönen Schirme wiedergefunden. Niemals habe ich bei Regen irgendwo einen herrenlosen Schirm gefunden, der mir hätte aushelfen können. Ich kaufe also einen neuen Schirm, diesmal einen billigen, denn ich vergesse ihn sowieso – oder einen so teuren, dass ich an nichts anderes als an meinen Schirm denken kann. Hab ich ihn noch? Schirm? Aber irgendwann ist er auch weg. Aus der Hand geklaut? Ich weiß es nicht. Weg.

Manchmal glaube ich, dass Schirme eine Seele haben, und es kränkt sie, dass wir ihnen nur so wenig und unregelmäßig Wertschätzung entgegenbringen, so dass sie uns unbemerkt und leise verlassen und zu ihren Brüdern und Schwestern ins Regenschirmland gehen, wo es immer leicht nieselt und sie das Gefühl haben, geliebt und gebraucht zu werden. Vielleicht sollte ich meinem nächsten Regenschirm einen Namen geben.

Dieser Text ist eine leicht veränderte Fassung meiner Kolumne “Das Leben eben”, die in der Zeitschrift Avanti erschienen ist, lang ist es her, ich vermute irgendwann im Herbst 2010. Durch den gestrigen Kommentar von Gundula, dass mein blauer Regenschirm vielleicht lieber Sonnenschirm geworden wäre, ist er mir wieder eingefallen.

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Cannes im April: 9 Grad, Wind und Regen

Ist das ein Altersding, dass man ständig übers Wetter redet? Heute war es echt scheußlich. Kalt vor allem. Dabei kommen wir gerade aus den Bergen und fühlten uns abgehärtet. Aber wir haben die Heizung schnell wieder angeschaltet. Ich war unterwegs und hatte glücklicherweise einen Schirm im Auto, aber die Qualität des Schirms war unteridisch, ein böiger Windstoß und schon war er kaputt, aber was soll man auch von einem Schirm erwarten, der behauptet, dass es in Cannes niemals regnet? Ich habe also unter dem halben Schirm tapfer ein paar Aufnahmen gemacht.

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Von hier bis ans Meer

Samstag:

Um vier Uhr war definitiv die Nacht zu Ende. Ich versuche noch ein paar Einschlafmeditationen, darunter wieder “die Ruhe des Bergs”, die mich mittags so schön wegdösen ließ und eine namenlose “Wieder-Einschlafen-Meditation”, mit einem ganz sanften Sprecher, habe mir zwei weitere Melatonin-Gummibärchen eingeworfen (ist das in Deutschland auch gerade der Hit?), aber alles umsonst, um halb fünf stehe ich auf und schreibe meine Morgenzeilen, oft hilft es mir, alles aufzuschreiben, was mir durch den Kopf geht, manchmal kann ich danach sogar wieder einschlafen, heute nicht. Also lese ich im Internet herum, immer wieder erstaunt, wieviele Menschen Vögel beobachten, unterscheiden und Vogelstimmen erkennen können. Ich kann das nicht. Ich kenne den Amselpapa, der in Cannes sehr wichtig im Vorgarten herumhüpft und jetzt nicht mehr schimpfen muss, weil keine Katze mehr auf der Fußmatte döst. Ich kenne das schuhschuuuhende Turteltaubenpärchen, dem ich Nestbauversuche auf der Fensterbank untersagt habe, ich kenne die keifenden grünen Papageien, die sich wohl in der ganzen Welt ausbreiten, ein paar Elstern und die Seemöwen. Andere Vögeln besuchen uns eher selten, da war die Katze, und ich habe aus diesem Grund auch keine Vögel gefüttert. In Cannes ist ja auch ganzjährig Futter zu finden, so what. Ehrlich gesagt bin ich auch selten so früh wach, dass ich die Vöglein zwitschern hören könnte. Wenn ich aufwache sind die Audi-Hundert-Weibchen und die knatternden Scooter-Männchen schon unterwegs. Aber heute bin ich in aller Frühe wach und höre in der Stille ein sehr lautes, geradezu durchdringendes Vogelgezwitscher, das mich dazu bringt eine Vogelstimmen-App zu öffnen, und mir Vogelstimmen anzuhören. Ok, “deutsche Vogelstimmen” ist ein bisschen lustig, die französischen klingen ganz genauso. Ich höre mich so durch, denke, vielleicht ist es die Nachtigall und nicht die Lerche, aber nein, es ist ganz eindeutig die Kohlmeise https://www.deutsche-vogelstimmen.de/kohlmeise/ und siehe da, schon sitzt sie auf der Fensterbank und schaut neugierig und mit schief gelegtem Köpfchen zu mir hinein, vermutlich hat sie meine Vogelstimme aus dem Internet gehört. Ich bin ganz entzückt. Aber da ich ihr nichts weiter zuzwitschere, fliegt sie schnell wieder davon, hin zu echten Kohlmeisen. Damit ist meine Vogelbeobachtung für heute schon beendet. Der Kuckuck kuckuckt den lieben langen Tag, jedoch, ohne sich blicken zu lassen. So ungefähr weiß ich wohl, wie er aussieht, aber Kuckucke finde ich aufgrund ihrer schmarotzerhaften Art, anderen Vögeln ihre Kinder unterzuschieben, nicht sehr sympathisch.

Sonntag:

Als ich heute morgen im Bad das Fenster zum Lüften (!) öffne, höre ich ein zwitscheriges Trillern, noch mit dem Handtuch auf dem Kopf eile ich zum PC und klicke auf gut Glück “Rotkehlchen” an. Und hurrah, das ist es! Ein Rotkehlchen zwitschert also in den Bergen ums Haus. Gesehen aber habe ich es nicht. Gesehen hab ich hingegen auf dem Kamin des Nachbarhauses eine Elster. Die kenne ich und ihren ratschigen Vogelruf erkenne ich auch, wir haben viele davon in Cannes.

Das ist dann auch schon die Überleitung, denn wir fahren heute wieder nach Cannes. Von hier bis ans Meer sozusagen. Womit ich mir erlaube, für eines meiner Bücher zu werben. Nur für den Fall, dass Sie es noch nicht kennen sollten. Gestern Abend habe ich Bel Ami weitergehört, die Übersetzung des Textes, der der Hörbuchfassung zugrunde liegt, stammt, das habe ich gestern gefunden, von Paul Wiegler, der zwar nicht mehr aus der Generation Maupassants stammt, aber aus einer anderen Zeit. Warum er, der aus Frankfurt am Main stammt, hin und wieder österreichische Worte wählte (übersiedeln), erkläre ich mir damit, dass das Österreichische viel charmanter und altmodischer klingt als das nüchterne Deutsche. Zumindest finde ich das, und vielleicht ist es ihm auch so vorgekommen. Georges Duroy, alias Bel Ami war gestern nach Cannes gereist, um den sterbenden Freund zu besuchen (und um seine zukünftige Witwe zu trösten). Man logiert in der Villa Jolie. Ich habe gestern tatsächlich nachgeschaut, ob es in La Californie, denn die Wegbeschreibung passt auf dieses Viertel, eine Villa Jolie gibt. Aber nein, die Villa, die zum Vorbild wurde, wenn sie es denn wirklich gab oder noch gibt, hat einen anderen Namen. Irritiert bin ich allerdings über die beschriebenen “dichten Fichtenwälder”. Ich vermute, dass der Übersetzer, anders als Guy de Maupassant, sich nicht bis nach Cannes begeben hat, um die Flora und Fauna zu überprüfen. In Cannes gab und gibt es keine Fichtenwälder. Es gibt Pinienwälder. Pinien gehören zur Familie der Kiefern. Wenn man “Kiefernwälder” übersetzt hätte, wäre ich nicht schockiert gewesen. Aber Fichten! Pinien, um das auch noch zu sagen, vor allem die großen Schirmpinien gehören hier zur heimischen Flora. Palmen hingegen, auch wenn hier immer mehr gepflanzt werden, und sich sogar schon wieder eine selbst in unserem Vorgarten ausgesät hat und sich sichtlich wohl fühlt, wurden irgendwann importiert.

Auf einer Stadtansicht von Cannes, die vermutlich aus dem Jahr 1860 stammt, ist weit und breit noch keine einzige Palme zu sehen.

Es waren die Engländer, die Ende des 19. Jahrhunderts die Mimose aus Australien und die Palmen aus ihren subtropischen Kolonien mitgebracht haben. Heute sind die Palmen aus Cannes nicht mehr wegzudenken, das Stadtwappen ziert ein Palmwedel und nicht zuletzt wird hier alljährlich während der Filmfestspiele die Goldene Palme verliehen. Und wenn das keine schöne Überleitung ist, ich zeige Ihnen hier nämlich das neue Plakat der diesjährigen Filmfestspiele.

L’image est extraite du film “Rhapsodie en août” d’Akira Kurosawa (1991) © Shochiku Co., Ltd. / Kurosawa prod. / Création graphique © Hartland Villa

So viel für heute! Bonne soirée!

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Freud und Leid des Berglebens

Diese Woche sind wir im Bergdorf, das eine Woche vor den Ferien wie ausgestorben ist. Nur der entretien espace vert, das ist der “Dorfgärtner”, der aber im Winter auch den Schnee räumt, der läuft mit seiner débroussailleuse, einer Motorsense, durchs Dorf und macht knatternden Lärm. Nein natürlich macht er sauber, je fais propre, sagt er, ob man das nicht sieht? Natürlich sieht man das, versichere ich ihm. Er mäht die dorfeigenen Wiesenstücke, das hohe Gras rund um die Parkplätze, ein Stück des zugewucherten Wanderwegs und die Straßenränder, damit es hier nicht wild aussieht, sondern eben sauber, zivilisiert. Vor langer Zeit war das mal mein Job hier in der Mairie, ich erinnere mich noch wie schwer die débroussailleuse war und wie ich sie einmal bis zur Mühle unten am Fluss tragen musste, um die Wiese für das Mühlenfest abzumähen. Abends kam ich kaum noch den Berg hinauf, irgendjemand kam mir mit einem Geländewagen entgegen und nahm mir das schwere Ding freundlicherweise ab, vielleicht durfte ich auch mitfahren, ich weiß es nicht mehr. Was ich alles gemacht habe vor noch fünfzehn Jahren, unfassbar. Heute hab ich Knie und Rücken. Vielleicht ist das auch kein Wunder. Egal, das wollte ich gar nicht erzählen, sondern vielmehr, dass wir bei schönstem Frühlingswetter in die Berge gefahren sind, unterwegs zum ersten Mal Halt in einem anderen Dorf gemacht haben, das sehr malerisch auf einem Berg liegt, und insbesondere die Schule ist dort sehr exponiert. Damals habe ich manchmal das kleine Mädchen vom Hof dorthin zur Schule gefahren, morgens und abends eine Dreiviertelstunde. Einige Familien im Tal wollten, dass diese kleine Schule erhalten bleibt, und dafür brauchte es, glaube ich, mindestens acht Kinder für die Einklassenschule, so dass manche Eltern eben den Weg dorthin in Kauf genommen haben. Wir hatten ja neulich diesen Schulfilm gesehen, Louise Violet, Sie erinnern sich, und Monsieurs Großmutter war später, nachdem die Schule in Les Tourres geschlossen wurde, als Lehrerin in diesem Dorf angestellt. Monsieur wollte die Schule und das Dorf sehen, er war noch nie dort gewesen, also fuhren wir diesmal nicht daran vorbei, sondern hinauf. In der Schule war aber noch Unterricht und das Tor verschlossen. Aber den Blick von da oben hatten wir trotzdem. Der Rosmarin blüht und der wilde Thymian wächst und blüht wie verrückt an den kahlen Felsen. Und es summte und brummte von Bienchen und der Kuckuck kuckuckte.

Es blüht überhaupt so lieblich unterwegs, ich freue mich so über die Apfel- und die Quittenblüte, über den Flieder, die Schlüsselblumen und die Traubenhyazinthen als ob es in Cannes nicht das ganze Jahr exotisch blühen würde.

Bei uns oben angekommen, öffne ich vergnügt Fenster und Türen, gehe in den Keller, um die Gasflasche aufzudrehen und mich trifft der Schlag, denn alles ist nass. Klitschnass. Als hätten wir ein Natursteinschwimmbad, na gut, es ist ein bisschen übertrieben, aber eine Wand ist nass, der gesamte Boden ist klitschnass, die unteren Stufen sind nass. Alles, was auf dem Boden stand und nicht in Plastik eingepackt war, ist entweder nass und verschimmelt, oder verrostet – konkret ist das Brennholz nass, dass wir extra zum trocknen reingeholt haben, die alten Gartenwerkzeuge sind verrostet. Es tropft leise und beständig aus einem Rohr-Verbindungsstück, was weiß ich wie das heißt, es hängt mit dem Cumulus zusammen, dem Warmwasserspeicher. Ich suche als erstes einen Eimer und drehe einen Lappen um das Rohr, von wo es plitscht und platscht, so dass es nicht mehr als erstes in die Wand fließt, sondern in den Eimer. Schöne Sache, nach knapp drei Stunden ist der Eimer voll. Ich rufe den Plombier an, hinterlasse, wie könnte es anders sein, eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter, mache ein Video, dass ich dann dank des schwachen Internets nicht verschicken kann und schicke stattdessen eine Handvoll Fotos. Er meldet sich nicht. Es war zu erwarten, ich kenne ihn ja. Anderntags rufe ich erneut an, ich bin ein bisschen dringlicher auf dem Anrufbeantworter, denn in der Nacht war der Eimer übergelaufen, obwohl ich extra den größten, eigentlich ein dekorativer Kaminzubehör-Aufbewahrungseimer genommen habe, der dann so voll und schwer ist, dass ich ihn nicht mehr bewegen kann und das Wasser in die kleineren Eimer umfüllen musste, um es dann draußen auszuschütten. In der nächsten Nacht stelle ich den Eimer in den Wäschekorb, den ich mit einer Plastikfolie zusätzlich abdichte. Das klappte ganz gut, nur beim Ausleeren verschütte ich das Wasser wieder im Keller. Egal, es ist sowieso schon überall nass. Jeden Tag rufe ich den Plombier an, schicke erneut Fotos, beteure, dass ich nicht übertreibe, und er meldet sich nicht. Heute, am Donnerstag rufe ich rechtzeitig zum Arbeitsbeginn um zwei Minuten vor Acht an : Anrufbeantworter. Ich rufe zum Beginn der Mittagspause um zwei Minuten nach zwölf an: Anrufbeantworter. Ich versuche weiterhin freundlich aber dringlich rüberzukommen. Würde ich meinem Ärger mit deutscher Direktheit Luft machen, käme er gar nicht erst.

Gestern habe ich mich auf Instagram mit einer jungen Deutschen, auf Insta unter @claudia.in.kanada zu finden (ich habe sie gefragt, bevor ich sie verlinkte), die vor drei Jahren nach Kanada ausgewandert ist, genau darüber ausgetauscht. Sie vermisst neben deutschen Freundinnen und ihrer Familie, vor allem die deutsche Direktheit. Man muss doch mal was ansprechen können, nur mit Höflichkeit und Komplimenten kommt man doch nicht weiter, ist ihre Ansicht. Nach fast zwanzig Jahren weiß ich, dass man mit deutscher Direktheit, zumindest in Frankreich, nirgendwohin kommt. Unsere deutsche Direktheit erinnert die Franzosen an den deutschen Kasernenton der ehemaligen Besatzer und der ist nach wie vor verpönt. Ich vergewissere mich bei solchen Reklamationsfällen immer bei Monsieur, was ich sagen soll, wenn ich es ihm nicht gleich selbst überlasse. Der Gatte findet diesmal, ich müsse lernen, solche Dinge selbst zu regeln, für alle Fälle, nicht wahr. “Was soll ich denn noch machen?” frage ich heute vormittag dann verzweifelt. “Versuche P. anzurufen”, schlägt Monsieur vor, “vielleicht ist er noch da.” P., ein junger Mann aus dem Nachbardorf, für den ich neulich etwas für die deutsche Handwerkskammer übersetzt habe, weil er sich nämlich in Deutschland als Plombier und Elektriker selbständig machen will. P. ist nett und antwortet auch sofort, was für ein Glück, aber er ist bereits in Deutschland, und kann nicht mal eben vorbeikommen. Er schickt mir aber die Nummer eines Freundes, der vielleicht helfen kann. “Soll ich das machen?” frage ich Monsieur. Die französische Handwerker-Etikette ist ja so heikel. “Warte noch”, empfiehlt Monsieur mit seiner langjährigen Handwerkererfahrung. “Vielleicht morgen, wenn J. sich bis dahin nicht gemeldet hat.” “Aber morgen ist schon Freitag”, mache ich mir Sorgen, “dann ist Wochenende, dann kommt niemand mehr!” Aber es geschehen noch Zeichen und Wunder, um halb zwei schickt der Plombier J. eine SMS, dass er in einer Stunde da sei. Hurrah! Er ist dann auch wirklich da, ich bin überglücklich und erleichtert und sage auch, “wie toll, dass Sie da sind!” und nicht etwa, “Wurde aber auch Zeit!” oder “Rufen Sie doch mal zurück, Herrgott noch mal”. Er besieht sich den Schaden. Ich lasse ihn in Ruhe schrauben und machen und dies und das. Es ist wohl wirklich nur dieser kleine Dichtungsring gewesen, der nicht mehr dicht halten wollte. Uff!

Gestern war es hier noch wunderbar sonnig, wenn auch deutlich kühler als an der Küste, heute bewölkt und neun Grad. Schnee ist angesagt, man mag es nicht glauben, aber der Berg gegenüber ist auch schon nicht mehr zu sehen. Wenn es jetzt auf die Quitten- und Apfelblüte schneit, dann haben wir später im Jahr keine Quitten oder Äpfel, oder nur sehr wenige. Diesen Zusammenhang habe ich auf dem Hof zum ersten Mal so richtig verstanden, früher war das für mich sehr abstrakt mit dem Obst und dem Gemüse und auch mit dem, was wann Saison hat. Ich habe auch nicht gewusst, dass es mehrere Sorten Kartoffeln gibt, oder sagen wir, irgendwie wusste ich das schon, aber dass es so viele Sorten gibt! Und was die einzelnen Sorten, jenseits von fest- und mehligkochend ausmacht, das war mir zu hoch. Aber welch schöne Namen sie alle haben! Ich habe damals, als ich noch in der Cooperative gearbeitet habe und wir Saatkartoffeln bekommen haben, das Schaufenster bunt mit all den Frauennamen der Kartoffelsorten bemalt und schrieb: “Welche Freude, Amandine, Annabelle, Mona Lisa, Agate, Rosabelle und Charlotte sind da!” Ich fand das so charmant, aber im Dorf verstand man meine Kartoffelpoesie nicht. “Saatkartoffeln sind da” hätte genügt.

Gegen 19 Uhr schneit es tatsächlich. Der Wind wirbelt ein paar Flöckchen hin und her, sie werden dicker und dichter vor den noch zarten und hellgrünen Blättchen der Laubbäume, während ich nach draußen schaue, mal sehen, was daraus wird, und ob der Schnee liegenbleibt. Ob der Kuckuck auch bei Schnee kuckuckt? Monsieur hat das Auto nach unten an die Straße gefahren, damit wir im Zweifelsfall nicht blockiert sind. Ich mache Feuer im Kaminofen an, koche uns Tee, im Brotkasten habe ich noch einen kleinen Dresdner Christstollen gefunden, er schmeckt wie am ersten Tag und passt hervorragend zum Tee und zum Wetter. Der Wind bewegt die Bäume und lärmt, ein dunkles Brummen. Ansonsten ist es draußen jetzt still. Die debroussailleuse schweigt bei diesem Wetter, wir haben hier oben weder Radio noch Fernseher, Monsieur heimwerkt gerade mal nicht, sondern liest, und nur in meinem Kopf ist es noch laut, aber ich spüre, dass die äußere Stille auch dieses ewige Geratter im Kopf beruhigt. Heute habe ich eine Meditation gehört, die hieß “Die Stille des Berges”. Sie hat mir so gut getan, dass ich dabei eingeschlafen bin.

Jetzt ist es 22 Uhr, es stürmt wie verrückt, eben gerade Stromausfall und kein Internet. Der PC blieb hängen und nach dem Neustart sieht hier alles irgendwie anders aus. Upsi.

Im Zusammenhang mit der Dorfschule ist mir der Film “Etre et Avoir” wieder eingefallen, ich weiß nicht, ob Sie ihn kennen? Ich habe ihn komplett aber (nur) mit englischen Untertiteln gefunden, ich weiß nicht, ob er in Ihrem Land zugelassen ist? So ähnlich ist das hier bei uns, das Ländliche und die Schule, nur dass es keinen Schulbus gibt, und alle Eltern ihre Kinder (manchmal mit Fahrgemeinschaften) zur Schule fahren. (Die ersten Szenen mit Sturm und Schnee, hören und fühlen sich genauso an, wie es hier gestern Abend war!)

So viel für heute. Jetzt gehe ich ins Bett. Mal schauen wie es hier morgen früh aussieht. Bonne nuit!

Nachtrag: Heute ist es kalt aber sonnig und kein Lüftlein regt sich. Schnee liegt nur auf den Gipfeln. Der Kuckuck kuckuckt! Foto folgt, wenn die Sonne kein Gegenlicht mehr verursacht.

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Frida Kahlo in Baden Baden

Ich hatte gesehen, dass es in Baden Baden, das auf unserem Weg lag, eine Frida Kahlo-Ausstellung gab. Das Navi führte uns in ein abgelegenes Industriegebiet, hier sollte das Kunstmuseum Gehrke-Remund sein. Immerhin gab es einen Parkplatz für “Frida Kahlo” und an einer Tür des alten Industriegebäudes hing ein Plakat, sonst hätte ich geglaubt, wir hätten uns verirrt.

Im ersten Stock lief in einem improvisierten Kino ein sehr schöner und informativer etwa einstündiger Film über das Leben und die Kunst von Frida Kahlo, dank dem ich zum ersten Mal auch die für mich weniger zugänglichen Selbstporträts verstand. So eingestimmt, öffneten wir die Tür zur Ausstellung und fanden uns plötzlich in Mexiko wieder.

Wir entdeckten Fridas bunte und lebendige Welt – in einer Fabriketage ist das Innere ihres mexikanischen blauen Hauses nachempfunden. Ihre Zimmer, ihr Bett, der Garten, die Staffelei – dazwischen Kleider, Schmuck, Geschirr, Bücher … man wandelt durch ihre Haus, sieht, hört, staunt: Die Wände sind bedeckt mit Fotografien und mit ihren Bildern, etwa 130 sind es, es dauerte einen Moment, bis ich es verstand, ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass man die Originale von Frida Kahlo hier sehen kann, so ungesichert in diesem etwas alternativen Rahmen, aber natürlich sind alles Kopien, “Repliken” werden sie hier genannt (falls Sie sich für den Unterschied von Kopien, Repliken oder Faksimilie interessieren, dann finden Sie das hier, bitte gerne): mit den gleichen Materialen auf dem gleichen Untergrund und in der Originalgröße gemalt von ausgewählten chinesischen Künstlern.

Aus Frida Kahlos Votivbilder-Sammlung

Hätten wir vor dem Film oder zumindest zwischen Film und Ausstellung gemütlich einen Kaffee und vielleicht auch ein Stück Kuchen zu uns nehmen können (ich hatte mir ein “klassisches” Museum mit angeschlossenem Museumscafé vorgestellt), hätten wir sicher mehr Zeit dort verbracht. So liefen wir etwas müde (von der Fahrt und vom Film) und auch hungrig durch die mexikanisch angehauchte Welt und entdeckten in gewisser Weise, was wir gerade im Film gesehen hatten. (Am Ende des Rundgangs hätte man eine Tasse Kaffee und einen Schokoriegel bekommen können, aber es war nicht so richtig das, was wir uns vorgestellt haben.)

Das ist nicht der Film, den wir gesehen haben, den habe ich leider nicht gefunden, aber er ist (auch) eine gute Einführung.

Kaffee und Kuchen nahmen wir dann später in einem Café am Kurpark von Baden Baden zu uns. Und mit uns gefühlt Tausende, die wie wir in die warme Nachmittagssonne blinzelten.

Damit ging der kleine Wochenendausflug zu Ende. Schön wars!

PS: Ich habe im letzten Zeit Magazin die Kolumne von Martenstein über Satzzeichen gelesen, darin geht es auch um seine persönliche Doppelpunktphase – in die ich jetzt, wie Sie vielleicht gemerkt haben, auch gerutscht bin. Wie konnte ich all die Jahre Texte ganz ohne Doppelpunkt schreiben?

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Ein Wochenende in Straßburg

Der kleine Wochenendausflug nach Straßburg (ein Geburtstagsgeschenk für meine Mutter) ist zwar schon ein paar Wochen her, soll hier aber dennoch erwähnt werden, zur Erinnerung und auch, weil mir Straßburg so gut gefallen hat. Eigentlich kann ich es nicht glauben, dass ich selbst noch nie in Straßburg gewesen sein sollte, aber ich hatte keinerlei Erinnerungen an irgendwelche Besuche, und auch als wir dort waren, gab es keine “Flashbacks”, kein “ach doch!” oder “jetzt, ja!”. Straßburg wurde also komplett neu entdeckt. Zumindest von mir. Und um es vorweg zu nehmen, ich war sehr begeistert: eine junge Stadt, nette alternative Läden, sehr freundliche Menschen, nicht nur im Hotel, sondern auch unterwegs, die einem sogar ihr Lieblingsrestaurant nennen (naja, vielleicht muss man Französisch sprechen können) – gerne wieder!

Wir fuhren mit dem Auto, ich hatte einen niedlichen Fiat 500 gemietet und auch bekommen, das war gut so, denn damit war ich im fremden Stadt- und Straßenverkehr nicht überfordert. Die Altstadt von Straßburg ist zwar weitestgehend verkehrsberuhigt, aber zum kleinen Hotel durften wir vorfahren, wir kreisten allerdings, trotz Navi, mehrfach herum bis wir es fanden. Dabei liegt es gleich hinter der Kathedrale, absolut zentral und dennoch (fast) ruhig.

Ein kleines altes Haus mit Aufzug (ein paar Stufen gibt es aber dennoch zu überwinden), die Zimmer und Bäder sind für deutsche Verhältnisse winzig, für französische normal, das Frühstück im angeschlossenen Café ist hervorragend, es gab täglich einen fantastischen Gugelhupf, un kouglof in bestem Elsässisch, von einem besonderen Bäcker und Patissier, den ich dann auch mehrfach als Mitbringsel in den Süden Frankreichs importierte, nein, nicht den Bäcker, den kouglof natürlich. Am besten aber war der charmante und liebenswerte Service. Und das in einer touristischen Stadt, in der man nicht nur gefühlt den Touristen täglich alles zigfach erklären muss: die besten Restaurants (und hier bekommen Sie wirklich gute Tipps!), den Weg zum Parkhaus, und dies und das. Den Weg zum Straßburger Münster, das in Frankreich nur la cathédrale genannt wird, muss man nicht erklären, man sieht es bzw. sie von den Zimmern aus, es ist nur einen Steinwurf vom Hotel entfernt.

Vor und um die Kathedrale ist natürlich alles los: dünn bekleidete Mädchen tanzen vor einer Kamera eine Formation vermutlich für TikTok, Menschen stehen Schlange am Eingang zur Kathedrale, andere für den Aufstieg auf den Turm (Turmbesteigungen mit über hundert Stufen sind für mich leider nicht mehr drin), eine Blaskapelle spielte dort, und während des Wochenendes immer wieder, es dröhnte bis in unsere Zimmer, und ich war froh, dass ich mich nicht für das Hotel direkt gegenüber der Kathedrale entschieden habe.

Junggesellinenabschiedsgrüppchen sind unterwegs, ein paar Bettler hängen und liegen und das Touristenzüglein kurvt herum, und immer wieder marschiert eine Militärformation vorbei, junge Menschen mit unbewegtem, strengem Blick und Gewehr im Anschlag. Und alle anderen machen Fotos von der eintürmigen Kathedrale oder versuchen sich in Selfies davor.

Besonders schön waren die Seifenblasen, die ein Mann an der Seite der Kathedrale in den Wind blies.

Wir waren natürlich auch in der Kathedrale und haben uns auch die Astronomische Uhr angeschaut.

Am nächsten Tag schlenderten wir durch die schöne Altstadt, guckten Schaufenster, entdeckten einen Flohmarkt …

… und tranken Kaffee im Café Kammerzell, dem ältesten Haus am Platz, wo wir uns unter die Prominenten mischten (die Wände sind voll mit Fotos und Autogrammen von SchauspielerInnen, PolitikerInnen und anderen VIPs), die wahrscheinlich im Restaurant darüber die berühmte Choucroute aux Poissons (Sauerkraut mit Fisch!) gegessen haben.

Nachmittags besuchten wir das Palais Rohan, das heute drei Museen beherbergt, besichtigten das Kunstgewerbemuseum und die Räume, in denen einst der Fürstbischof von Straßburg residierte, und ließen uns in die Zeit der Monarchie zurückversetzen.

Abends waren wir doch ein bisschen müde gelaufen, aber das Licht war ganz wunderbar und es war gar nicht kalt, so dass wir vor dem Restaurant noch bis zur Ill gelaufen sind! Wie schön war es da! Und wurde mit jeder Minute schöner!

Überhaupt hatten wir Glück mit dem Wetter. Anfang März gab es einen Kälteeinbruch und Regen im Süden Frankreichs, aber in Straßburg war es sehr frühlingshaft!

Und schon ging es wieder zurück, aber unterwegs machten wir noch einen Halt in Baden-Baden, das wird aber ein eigener Artikel!

… wird fortgesetzt!

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Anschwimmen!

Gestern war es endlich soweit! Wir waren zum ersten Mal in diesem Jahr im Meer schwimmen! Wir sind mit Pullover und Jacke, aber auch mit Badeanzug und Sonnencreme an den Strand gegangen. Pullover und Jacke waren sofort viel zu warm, und nach einer Viertelstunde in der Sonne war ich schon bereit, ins Meer zu springen. Immer wieder werde ich gefragt, ab wann das Meer Badetemperatur hat – ich antworte dann: “Kommt drauf an”. Theoretisch finde ich 15 Grad kühles Meerwasser auch nicht so verlockend, aber es fühlt sich schon ganz anders an, wenn man von der Sonne schon ziemlich durchgebraten ist und eine Abkühlung dringend nötig hat. Ich wusste vorher auch nicht, wie weit ich reingehen würde und ja, es ist schon kühl, wenn man reinkommt, aber einmal drin, war es wunderbar und ich schwamm lange und munter wie ein Fisch.

Anschließend erstes Essen in einem Strandrestaurant. Das Essen war eher durchschnittlich gut, dafür aber überdurchschnittlich teuer, wurde aber durch das Ambiente, das man eben mitbezahlt, aufgewertet. Es ist einfach schön, auf einer sonnigen (oder schattigen) Terrasse am Strand zu essen, mit Blick auf das Meer und die Segelboote.

Den Rest des Tages hatte ich aber Muskelkater und abends leichte Halsschmerzen, so dass ich noch ein heißes Bad genommen habe, danach ging es mir wieder gut. Muskelkater weg, Halsschmerzen weg.

Gestern haben wir auch den Innenhof saubergemacht und heute früh das Sonnensegel dort angebracht, es hängt noch etwas dilettantisch und provisorisch und wirft den Schatten nicht unbedingt dahin, wo wir ihn haben wollen, aber das Balancieren auf Mäuerchen und zu kurzen Leitern hat uns irgendwann gereicht; in den letzten Jahren hat uns der akrobatisch veranlagte Enkel geholfen, aber der ist auf absehbare Zeit nicht greifbar, also helfen sich die Senioren eben selbst. Und so haben wir einfach den Tisch in den Schatten geschoben. Das tat dem Mittagessen im Freien keinen Abbruch, auch das eine Premiere in diesem Jahr. Die Sommersaison ist eröffnet!

Ich höre derzeit Bel Ami von Guy de Maupassant, gelesen von Christoph Bantzer. Er liest aus einer vermutlich österreichischen Übersetzung, von wem ist nicht bekannt, aber es ist von Fiakern, Jausen und “a Hetz” (also “Spaß”) die Rede. Es passt schon. Ich höre ihm gerne zu und auch das Französische liest er sehr schön, nur einmal macht er aus dem französischen Menton (sprich in etwa “Moohnton”) ein italienischen Mentone (gesprochen “Mentohne”), aber es liegt ja auch an der italienischen Grenze, das kann schon passieren. Ansonsten mag ich es. Auch wenn ich den schönen Georges Duroy, genannt Bel Ami nervig finde; es ist übrigens unverkennbar, dass Thomas Mann sich für Felix Krull von ihm hat inspirieren lassen. Ich fühle mich auch nicht allzuweit entfernt vom Radetzkymarsch, den ich mir gerade von Michael Heltau habe vorlesen lassen: großartig! Natürlich kann das nur ein Österreicher richtig vorlesen. Ich habe mich nicht eine Sekunde gelangweilt in der doch sehr episch und langsam erzählten Familiengeschichte der von Trottas, und des tristen Schicksals Carl Josephs, dem “Enkel des Helden von Solferino”. Aber was für ein melancholisches und endzeitliches Buch. Wie heiter und und ausschweifend geht es hingegen bei Maupassant in Paris zu.

So viel für heute. Ich bleibe weiterhin in der Zeit: Im Fernsehen kommt heute Abend “Eiffel”. Bonne soirée!

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